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01.08.2005

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Architektur und Hausbau

von Dietrich Tissen

Als die Siedler kamen befand sich Neu Samara damals in einer baumlosen Steppe, der nächste Wald ist etwa 120 km westlich davon (Бузулукский бор - Busuluker Nadelwald, wegen seiner Einzigartigkeit als Waldinsel inmitten einer baumlosen Gegend sehr bekannt). Das war aber für die meist armen Ansiedler wegen der langen Transportwege zu teuer. Somit musste man sich mit dem behelfen was da war. Man baute also als erstes schnell zu errichtende Erdhütten, auf russisch Semljanka genannt. "Man hob eine etwa 60 cm dicke Schicht aus dem Boden, nach der Grösse der zu bauenden Hütte, baute die Wände aus Wiesensoden, einen Meter hoch, ließ einige Öffnungen in den Wänden für Tür und Fenster, stellte auf zwei gegenüber liegenden Seiten einen 2.40 m hohen Pfosten und verband diese Pfosten durch einen starken Balken, den man Swolok nannte und der die Spitze des Daches bildete. Auf beiden Seiten verband man nun die Wände mit diesem Balken mit Sparren von Rundholz, bedeckte diese mit Reisig und Stroh, belegte das Dach mit Wiesensoden und verschmierte es mit Lehm." (diese und andere kursiv geschriebene Textstellen sind aus dem Beitrag von Peter Görtz im Buch "Neu Samara am Tock" entnommen). Da der Boden nie vorher gepflügt worden war, waren die Wiesensoden im Innern durch die Wurzeln fest verwachsen. Da es an Möbel fehlte, ließen einige Ansiedler beim Graben ein Stück in der Mitte frei, das man als Tisch benutzen konnte.

Sobald man es sich leisten konnte baute man festere Häuser. Nur die Reichen, also Händler und wohlhabende Freikäufer, konnten Häuser aus gebrannten Ziegeln bauen. Die meisten haben stattdessen für den Hausbau ungebrannte Samanziegel verwendet; Saman ist eine Mischung aus Lehm und Stroh. Man kann nur vermuten, dass wie in den anderen mennonitschen Siedlungen auch nach und nach alle Leute Häuser aus gebrannten Ziegeln gebaut hätten. Leider ist es dazu wegen der Revolution nicht gekommen. Man hat fast den Eindruck, dass alle die in solchen guten Häusern gelebt hatten später von den Kommunisten repressiert worden sind. Es gibt also nur wenige solche Häuser aus der Zeit vor der Revolution in Neu Samara, meistens sind das Läden z.B. Riesenshaus in Dolinsk oder das Haus von Jakob Wittenberg in Donskoj, der einen Maschinenlager betrieb. In der Sowjetzeit sind solche Häuser als Schulen, Verwaltungsgebäude oder als Klubs verwendet worden. Auch die Bethäuser und die Zentralschule in Lugowsk wurden aus gebrannten Ziegeln errichtet. Für den Bau des Bethauses in Lugowsk 1901 hat man extra eine Ziegelei gebaut. Die Ziegel wurden nach der Fertigstellung des Bethauses auch für andere Zwecke verkauft. Auch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde eine Ziegelei auf der Wirtschaft von Otto Eck in Donskoj gegründet, welche insbesondere die Ziegel für den Aufbau von Donskoj lieferte.

Beide Hausarten sind nach denselbem Plan errichtet worden, den unsere Vorfahren schon aus Westpreussen nach Russland gebracht hatten. Die Wohnung und die Wirtschaft sind unter einem Dach untergebracht, das hat den Vorteil, dass man beim schlechtem Wetter nicht aus dem Haus gehen muss um das Vieh zu versorgen. Die Häuser stehen meist quer zur Straße.

Hausplan
Hausplan

Abb. Grundriss des Wohnhauses und der Sommerküche der Familie Abraham Funk in Bogomasow ca. aus dem Jahr 1905, entnommen aus dem Buch "Neu Samara am Tock"

Im Unterschied zur unteren Beschreibung sind Hinter- und Vorstube nicht in einer Reihe angeordnet, was wohl sonst üblich war. Man sieht auch, dass die Sommerstube und Vorstube nicht beheizt wurden, somit konnten sie nur im Sommer bewohnt werden.

Riesenhaus

Abb. Der Laden von J.Dyck in Dolinsk (Anfang des 20. Jahrhunderts)  nach dem letzten Eigentümer auch Riesenshaus genannt, der während der Kollektivierung enteignet worden war. Später wurde das Gebäude als Klubhaus und seit 1972 bis heute als Schule verwendet.

Plan eines Hauses in Manitoba

Abb. Plan eines mennonitischen Hauses in Manitoba, den ich aus einem Buch über die Geschichte der Mennoniten in Kanada entnommen habe. Bemerkenswert ist wie ähnlich sich die beiden Hauspläne sind und wie gut der untere Plan der Beschreibung entspricht: die Vordertür und die Hintertür in einer Reihe, die Namen und die Anordnung der Räume, sogar die Stellen wo die Wanduhr hängt und das Gästebett steht.

"Wenn die Mittel es erlaubten, baute man sich ein stabiles Haus auf einem Fundament von gebrannten Ziegeln. Die Dächer wurden mit Stroh, Brettern, Schindeln oder auch mit Blech gedeckt. Die gewöhnliche Breite der Häuser 9,40 bis 10 m. Das Wohnhaus war 13 bis 15 m lang und bestand aus acht Stu­ben und einem Gang. Die Vordertür, die Tür zwischen Vorder- und Hinterstube und die Hintertür waren in einer Linie gegenüber angebracht, so dass, wenn alle diese drei Türen offen standen, man durch das ganze Haus sehen konnte.

An der Hofseite des Hauses befand sich die Gast- oder Großstube. Sie wurde von der Familie selten benutzt und diente zur Auf­nahme von Gästen. An der Innenwand der­selben stand ein fein lackiertes Doppelbett aus Holz, das am Tage durch Einschieben des Vorderteiles zu einem Einzelbett gemacht wur­de und auf dem nun alle Federbetten und Kis­sen aufgestapelt wurden. Oft hatte die Mutter Mühe, dieses hohe Bert mit einer mit Sticke­rei versehenen Bettdecke zu behängen. Oben­auf legte man noch zur Zierde zwei spezielle Auflegkissen. Am oberen Ende der Stube stand früher die Kiste mit blankem Messing­beschlag, jetzt aber gewöhnlich die Kommo­de. In der Ecke zum Hof hing ein Eckschrank, in dem Bibel, Gesangbuch und andere Bücher aufbewahrt wurden. Oben über diesem Schrank hing an einer Wand das Bild des Kai­sers und an der anderen, das der Kaiserin. Am unteren Ende dieser Stube stand in der Ecke zum Hof ein massiver polierter Kleiderschrank und in der anderen Ecke beim Ofen der Glas- oder Mauerschrank, in dem das Por­zellangeschirr zur Schau gestellt wurde. Der große, aus gebrannten Ziegeln gebaute und weiß angestrichene Ofen stand so, dass er von der Küche aus geheizt wurde und so die Groß-, Eck- und Kleinstube wärmte. Der Ofen hatte in der Kleinstube eine Öffnung, etwa drei Fuß von Boden, Röhre genannt. Der Boden dieser Röhre bildete eine dicke Eisenplatte, die über dem Feuerraum des Ofens lag und vom Feuer rot wurde. Hier konnte man im Winter alles kochen und braten. An der Hofseite der gro­ßen Stube stand ein Bett aus Eichenholz, in der Mitte ein Tisch mit Plüschdecke, umge­ben von sechs Rohrstühlen und an der Hin­terwand hing die Krögeruhr.

Das Vorhaus an der Hofseite war nur klein und diente hauptsächlich zum Ablegen der Überkleider. Oben in der Decke dieser Stube befand sich ein rundes Loch mit einem langen Beutel aus Leinwand, durch welches man den Weizen vom Boden, wo dieser aufgespeichert wurde, in Säcke laufen ließ. Im Sommer wur­de dieses Vorhaus oft als Speisezimmer benutzt. Aus dem Vorhaus gelangte man an der selben Hofseite in die Sommerstube. Diese diente entweder als Werkstube, wo dann die Hobel­bank stand oder als Wohnstube für erwachse­ne Söhne oder verheiratete Kinder. Hier stand gewöhnlich eine Schlafbank, die am Tage zum sitzen gebraucht wurde und zur Nacht der Deckel geöffnet und der vordere Teil, auf zwei Füßen ruhend, ausgezogen werden konnte und ein Doppelbett darstellte. An der Hin­terseite des Hauses befand sich der Straße zu, die Eckstube, wo ein Doppelbett für die Eltern stand. Hier war eine Schlafbank, wo Väter­chen seinen Mittagsschlaf hielt, eine Kom­mode, Tische und Stühle. Angrenzend war die Kleine Stube, die im Winter als Speise­zimmer diente. Hier standen auch eine Schlafbank für die Kinder, ein Tisch mit Bank oder Stühlen und am Öfen die beliebte Ofenbank, wo man, wenn man von draußen aus der grimmigen Kälte kam, sich den Rücken durchwärmen ließ. Hier saß die Mutter oft in der Dämmerstunde und erzählte den Kindern Geschichten. Weiter dem Stall zu betrat man das Hinterhaus. Von hier führte eine Tür nach außen, eine in die Speisekammer und eine in den Stall. Hier befand sich eine Schüs­selbank, Wasserbehälter, verschiedene Hausgeräte, ein Tisch und Bänke. Hier wurde auch die Wäsche gewaschen. In der Küche stand ein gemauerter Kochherd mit einer Doppelplatte zum Kochen und ein großer Mauerkes­sel, um genügend heißes Wasser zum Waschen oder Schweineschlachten oder für Kaffee auf großen Festen zu haben. Von hier aus wurde auch der große Ofen in den Zimmern geheizt. Über der Küche war der große Schornstein, wo die Schinken und Würste geräuchert wur­den. Die Speisekammer war nur klein mit einer Schüsselbank an der Wand zur Aufbe­wahrung von Milch und Speisen. Eine Luke im Fußboden führte in den Keller, wo Kartof­feln, Rüben, Fässer mit eingemachten Arbu­sen (ein vom russischen geborgtes Wort), Kohl und Gurken gelagert wurden.

Vom Hinterhaus betrat man durch einen Gang den Stall. In diesem Gang führte eine Treppe auf den Boden, wo der goldene Wei­zen lagerte. Gelangte man in den Stall, so fand man einen Brunnen, von einem hohen hölzernen Gestell umgeben, und nebenan den großen hölzernen Wasserkübel. Zu seiner Lin­ken sah man nun eine Reihe Kühe mit ihren Köpfen der Mitte des Stalles zugekehrt. Die Krippe war vorne ziemlich hoch, damit das Heu nicht über sie geworfen werden konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite standen an einer Doppelkrippe acht Pferde, je vier an jeder Seite.

Etwas weiter gab es noch eine Krippe für zwei Fahrpferde und daran einen Raum für Fohlen und Jährlinge. Über den Krippen waren Raufen angebracht für Langfutter wie Heu und Stroh. In dem Gang vom Hinterhaus in den Stall war oft eine Stube für den Knecht eingerichtet oder es stand hier die große, höl­zerne Mangel. An der Hinterseite des Stalles war noch eine Ofenseite angebaut, die den Brennmist für den Winter barg. Anschlie­ßend an den Stall war die Scheune mit der großen Doppeltür an der Hofseite. Hier wur­de das Futter für den Winter, wie Spreu, Stroh und Heu aufgestapelt und auch das Ackerge­rät und Maschinen untergebracht. Manche Scheunen standen auch im rechten Winkel zum Stall und hießen dann Querscheunen. Solch eine Vollwirtschaft, in Ordnung gehal­ten, zeugte von Wohlstand und war ein Stolz des Bauern."

Wegen der lang andauernden Schwierigkeiten in der Anfangszeit konnten sich die meisten, wie gesagt, solche Häuser nicht leisten. Abgesehen von einer kurzen Zeitspanne in den 20-ern sind die Zeiten auch später nicht besser geworden. Man baute also bis in die 60-er Jahre hinein Häuser aus Saman. Saman ist wie gesagt eine Mischung aus Lehm und Stroh. Bei der Herstellung der Samanziegel halfen Freunde, Verwandte und die Kinder. Man grub eine Lehmgrube aus, indem man die oberste Erdschicht abtrug, oder man verwendete eine schon vorhandene Lehmgrube. Die Lehmqualität war nicht so wichtig wie bei den gebrannten Ziegeln. Worauf es vor allem ankam war, dass es in der Nähe Wasser gab und eine freie Fläche zum Abladen der fertigen Ziegel, auf der sie dann an der Sonne getrocknet wurden. Zuerst wurde die obere Lehmschicht in der Grube zerkrümmelt, dann brachte man Stroh hinein, nach Möglichkeit altes, und Wasser meist von einem Fluss. Das Ganze wurde von Pferden, die man in die Grube führte, mit ihren Beinen ordentlich vermischt. Das fertige Gemisch wurde auf spezielle Wagen geladen. Diese Wagen führten dann die Kinder zu den Stellen wo die Ziegel gemacht werden sollten. An diesen Stellen lagen dann Holzformen mit Öffnungen für mehrere ganze und halbe Ziegel. In diese Öffnungen stopfte man das Lehmgemisch rein bis die Form voll war. Dann wurde die Form von je einem Mann an jeder Seite hochgehoben, so dass die fertigen Ziegel auf der ZeieglformErde liegen blieben. Man ließ dann die Ziegel  an der Sohne trocknen, wenn sie einigermaßen fest waren wendete man sie, damit auch die untere Seite trocknen konnte. Nach genügender Trocknungszeit, in der Regel etwa ein Monat, verwendete man sie dann zum Bau. Die Ziegel hatten eine Grösse von etwa 40 cm * 60 cm * 15 cm. Es gab noch halbe Ziegel mit halber Breite. Nun baute man aus den fertigen Ziegel Wände, als Mörtel wurde Lehm verwendet. Die Außenwand hatte eine Stärke von etwa 60 cm. Die fertigen Wände wurden mit Lehm bestrichen, wobei im Innern des Hauses dem Lehm feiner Sand und außen Strohschnipsel beigemischt wurden. Diese Lehmschicht wurde bei Beschädigungen erneuert, sonst wäre der ganze Lehm irgenwann ganz vom Regenwasser ausgewaschen und die Wände würden auseinander fallen. Außerdem wurden die Wände jeden Frühjahr mit Kreide oder Kalk zu Dekorationzwecken geweißt. Die in der oberen Beschreibung erwähnte Bedeckung der Dächer bezieht sich auf die Zeit vor der Übersiedlung nach Kanada in 20-er Jahren. Kurz nach dem 2. Weltkrieg verwendete man Stroh und Schilf vom Tock. Dann wurden die Dächer mit Dachpappe (Pappe getränkt mit Teer oder Bitumen, rein oder mit Sand impregniert, auf Russisch Tol bzw. Ruberoi genannt) gedeckt. In letzter Zeit wurden meistens Schieferplatten aus Asbest verwendet.

Haus unserer Großeltern
Abb.Das Haus meiner Großeltern. Gebaut in den 50-ern aus Lehmziegeln. Das Dach ist mit Schieferplatten bedeckt. Das Photo wurde 1990 aufgenommen. Man sieht nur den hinteren Teil des Hauses. Die Tür rechts ist der Haupteingang in das Haus, während die Tür links in den Stall führt. Der Anbau ganz links diente zur Aufbewahrung von getrocknetem Kuhmist.

Als die Menschen dann Ende der 60-er Jahre allmählich wohlhabender wurden baute man auch modernere Häuser. Es gab dann Häuser aus gebrannten weißen Ziegeln. Populär waren auch Fertigbauhäuser aus Holz - sogenannte finnische Häuser. Problem war nun eigentlich nur die sowjetische Mangelwirtschaft, in der man die Baumaterialien nur mit Mühe auftreiben konnte. Wobei die Dorfbewohner da wahrscheinlich weniger Schwierigkeiten hatten als die Städter, da sie die Materialien in der Kolchose bekommen konnten. In den Geschäften gab es keine Baumaterialien außer den Nägeln. Man konnte auch an die benötigten Sachen rankommen wenn man Beziehungen zu Leuten hatte, die im Handel beschäftigt waren.

Geheizt wurden die Häuser mit getrocknetem Kuhmist. Man mischte den gesammelten Mist mit Hilfe von Wasser zu einer gleichförmigen Masse. Diese Masse wurde in eine Form eingefüllt, ähnlich wie bei den Samanziegeln. Die so hergestellten Ziegeln hatten aber kleinere Ausmaße, sie lagen solange an der Sonne bis sie trocken waren. In späterer Zeit gab es als Hilfsmittel eine spezielle Maschine. Man gab dann das Rohmaterial da rein und durch eine Winde, änlich wie bei einem Fleischwolf, wurde es an der Seite mit einem rechteckigem Querschnitt rausgepresst. Die fertige "Wurst" musste man nur in handliche Stücke aufteilen. Da es wie gesagt kaum Bäume gab, konnte man Holz kaum als Brennmaterial verwenden. Wobei es in der letzter Zeit  auch andere Brennmaterialien gab wie z.B. Kohle und Kohlebrickets. Man konnte dann auch Gas zum Kochen benutzen, früher hat man wohl auch Kuhmist und Stroh verwendet. Da in der Zeit vor der Kollektivierung die Bauern mehr als die später erlaubten 1-2 Kühe hielten, gab es wahrscheinlich auch mehr Kuhmist. In den Kolchosen wurden bis etwa in die 1950-er Jahre auch Kuhmistziegel hergestellt. Man heizte damit Kolchose- und andere öffentliche Gebäude.

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Ansiedlung stark modernisiert, insbesondere Pleschanowo und Donskoj, da hier das Rajonzentrum lag.  So wurde 1982 in Donskoj die Zentralheizung eingerichtet, vorher war schon eine Wasserleitung verlegt worden. Somit wurde das Einbauen von Bad, Waschzimmer und Toilette möglich. Auch in den anderen Döerfern wurden in den 1980ern Zentralheizungen eingerichtet. In Yugowka gab es als Besonderheit elektrische Heizungen in den Häusern. Dazu musste das Stromnetz und die Transformatoren verstärkt werden.