Architektur und Hausbau
Als die Siedler kamen befand sich Neu Samara damals in
einer baumlosen Steppe, der nächste Wald ist etwa 120 km westlich
davon
(Бузулукский бор - Busuluker Nadelwald, wegen seiner Einzigartigkeit
als Waldinsel inmitten einer baumlosen Gegend sehr bekannt). Das war
aber für die meist armen Ansiedler wegen der langen Transportwege
zu
teuer. Somit musste man sich mit dem behelfen was da war. Man baute
also als erstes schnell zu errichtende Erdhütten, auf russisch
Semljanka genannt. "Man hob eine etwa
60 cm dicke Schicht aus dem Boden, nach der Grösse der zu bauenden
Hütte, baute die Wände aus Wiesensoden, einen Meter hoch,
ließ einige
Öffnungen in den Wänden für Tür und Fenster,
stellte auf zwei gegenüber
liegenden Seiten einen 2.40 m hohen Pfosten und verband diese Pfosten
durch einen starken Balken, den man Swolok nannte und der die Spitze
des Daches bildete. Auf beiden Seiten verband man nun die Wände
mit
diesem Balken mit Sparren von Rundholz, bedeckte diese mit Reisig und
Stroh, belegte das Dach mit Wiesensoden und verschmierte es mit Lehm."
(diese und andere kursiv geschriebene Textstellen sind aus dem Beitrag von Peter Görtz im Buch "Neu Samara am Tock" entnommen).
Da der Boden nie vorher gepflügt worden war, waren die Wiesensoden
im
Innern durch die Wurzeln fest verwachsen. Da es an Möbel fehlte,
ließen
einige Ansiedler beim Graben ein Stück in der Mitte frei, das man
als
Tisch benutzen konnte.
Sobald man es sich leisten konnte baute man festere Häuser. Nur
die
Reichen, also Händler und wohlhabende Freikäufer, konnten
Häuser aus
gebrannten Ziegeln bauen. Die meisten haben stattdessen für den
Hausbau
ungebrannte Samanziegel verwendet; Saman ist eine Mischung aus Lehm und
Stroh. Man kann nur vermuten, dass wie in den anderen mennonitschen
Siedlungen auch nach und nach alle Leute Häuser aus gebrannten
Ziegeln
gebaut hätten. Leider ist es dazu wegen der Revolution nicht
gekommen.
Man hat fast den Eindruck, dass alle die in solchen guten Häusern
gelebt hatten später von den Kommunisten repressiert worden sind.
Es
gibt also nur wenige solche Häuser aus der Zeit vor der Revolution
in Neu Samara, meistens sind das Läden z.B. Riesenshaus in Dolinsk
oder
das
Haus von Jakob Wittenberg in Donskoj, der einen Maschinenlager betrieb.
In der Sowjetzeit sind solche Häuser als Schulen,
Verwaltungsgebäude
oder als
Klubs verwendet worden. Auch die Bethäuser und die Zentralschule
in
Lugowsk wurden aus gebrannten Ziegeln errichtet. Für den Bau des
Bethauses in Lugowsk 1901 hat man extra eine Ziegelei gebaut. Die
Ziegel wurden nach der Fertigstellung des Bethauses auch für
andere
Zwecke verkauft. Auch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde eine Ziegelei
auf der Wirtschaft von Otto Eck in Donskoj gegründet, welche
insbesondere die Ziegel für den Aufbau von Donskoj lieferte.
Beide Hausarten sind nach denselbem Plan errichtet worden, den unsere
Vorfahren schon aus Westpreussen nach Russland gebracht hatten. Die
Wohnung und die Wirtschaft sind unter einem Dach untergebracht, das hat
den Vorteil, dass man beim schlechtem Wetter nicht aus dem Haus gehen
muss um das Vieh zu versorgen. Die Häuser stehen meist quer zur
Straße.
Abb. Plan eines mennonitischen Hauses in Manitoba, den ich aus einem Buch
über die Geschichte der Mennoniten in Kanada entnommen habe.
Bemerkenswert ist wie ähnlich sich die beiden Hauspläne sind
und wie
gut der untere Plan der Beschreibung entspricht: die Vordertür und
die
Hintertür in einer Reihe, die Namen und die Anordnung der
Räume, sogar
die Stellen wo die Wanduhr hängt und das Gästebett steht.
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"Wenn die Mittel
es
erlaubten, baute man sich ein stabiles
Haus auf einem Fundament von gebrannten Ziegeln. Die Dächer wurden
mit
Stroh,
Brettern, Schindeln oder auch mit Blech gedeckt. Die gewöhnliche
Breite
der
Häuser 9,40 bis 10 m. Das Wohnhaus war 13 bis 15 m lang und
bestand aus
acht
Stuben und einem Gang. Die Vordertür, die Tür zwischen
Vorder- und
Hinterstube
und die Hintertür waren in einer Linie gegenüber angebracht,
so dass,
wenn alle
diese drei Türen offen standen, man durch das ganze Haus sehen
konnte.
An der Hofseite
des
Hauses befand sich die Gast- oder Großstube.
Sie wurde von der Familie selten benutzt und diente zur Aufnahme
von
Gästen.
An der Innenwand derselben stand ein fein lackiertes Doppelbett
aus
Holz, das
am Tage durch Einschieben des Vorderteiles zu einem Einzelbett gemacht
wurde
und auf dem nun alle Federbetten und Kissen aufgestapelt wurden.
Oft
hatte
die Mutter Mühe, dieses hohe Bert mit einer mit Stickerei
versehenen
Bettdecke
zu behängen. Obenauf legte man noch zur Zierde zwei spezielle
Auflegkissen. Am
oberen Ende der Stube stand früher die Kiste mit blankem
Messingbeschlag,
jetzt aber gewöhnlich die Kommode. In der Ecke zum Hof hing
ein
Eckschrank, in
dem Bibel, Gesangbuch und andere Bücher aufbewahrt wurden. Oben
über
diesem
Schrank hing an einer Wand das Bild des Kaisers und an der
anderen,
das der
Kaiserin. Am unteren Ende dieser Stube stand in der Ecke zum Hof ein
massiver
polierter Kleiderschrank und in der anderen Ecke beim Ofen der Glas-
oder
Mauerschrank, in dem das Porzellangeschirr zur Schau gestellt
wurde.
Der
große, aus gebrannten Ziegeln gebaute und weiß
angestrichene Ofen stand
so,
dass er von der Küche aus geheizt wurde und so die Groß-,
Eck- und
Kleinstube
wärmte. Der Ofen hatte in der Kleinstube eine Öffnung, etwa
drei Fuß
von Boden,
Röhre genannt. Der Boden dieser Röhre bildete eine dicke
Eisenplatte,
die über
dem Feuerraum des Ofens lag und vom Feuer rot wurde. Hier konnte man im
Winter
alles kochen und braten. An der Hofseite der großen Stube
stand ein
Bett aus
Eichenholz, in der Mitte ein Tisch mit Plüschdecke, umgeben
von sechs
Rohrstühlen und an der Hinterwand hing die Krögeruhr.
Das Vorhaus an
der
Hofseite war nur klein und diente
hauptsächlich zum Ablegen der Überkleider. Oben in der Decke
dieser
Stube
befand sich ein rundes Loch mit einem langen Beutel aus Leinwand, durch
welches
man den Weizen vom Boden, wo dieser aufgespeichert wurde, in Säcke
laufen ließ.
Im Sommer wurde dieses Vorhaus oft als Speisezimmer benutzt. Aus
dem
Vorhaus
gelangte man an der selben Hofseite in die Sommerstube. Diese diente
entweder
als Werkstube, wo dann die Hobelbank stand oder als Wohnstube
für
erwachsene
Söhne oder verheiratete Kinder. Hier stand gewöhnlich eine
Schlafbank,
die am
Tage zum sitzen gebraucht wurde und zur Nacht der Deckel geöffnet
und
der
vordere Teil, auf zwei Füßen ruhend, ausgezogen werden
konnte und ein
Doppelbett darstellte. An der Hinterseite des Hauses befand sich
der
Straße
zu, die Eckstube, wo ein Doppelbett für die Eltern stand. Hier war
eine
Schlafbank, wo Väterchen seinen Mittagsschlaf hielt, eine
Kommode,
Tische und
Stühle. Angrenzend war die Kleine Stube, die im Winter als
Speisezimmer diente.
Hier standen auch eine Schlafbank für die Kinder, ein Tisch mit
Bank
oder
Stühlen und am Öfen die beliebte Ofenbank, wo man, wenn man
von draußen
aus der
grimmigen Kälte kam, sich den Rücken durchwärmen
ließ. Hier saß die
Mutter oft
in der Dämmerstunde und erzählte den Kindern Geschichten.
Weiter dem
Stall zu
betrat man das Hinterhaus. Von hier führte eine Tür nach
außen, eine in
die
Speisekammer und eine in den Stall. Hier befand sich eine
Schüsselbank, Wasserbehälter,
verschiedene Hausgeräte, ein Tisch und Bänke. Hier wurde auch
die
Wäsche
gewaschen. In der Küche stand ein gemauerter Kochherd mit einer
Doppelplatte
zum Kochen und ein großer Mauerkessel, um genügend
heißes Wasser zum
Waschen
oder Schweineschlachten oder für Kaffee auf großen Festen zu
haben. Von
hier
aus wurde auch der große Ofen in den Zimmern geheizt. Über
der Küche
war der
große Schornstein, wo die Schinken und Würste
geräuchert wurden. Die
Speisekammer war nur klein mit einer Schüsselbank an der Wand zur
Aufbewahrung
von Milch und Speisen. Eine Luke im Fußboden führte in den
Keller, wo
Kartoffeln,
Rüben, Fässer mit eingemachten Arbusen (ein vom
russischen geborgtes
Wort),
Kohl und Gurken gelagert wurden.
Vom Hinterhaus
betrat
man durch einen Gang den Stall. In
diesem Gang führte eine Treppe auf den Boden, wo der goldene
Weizen
lagerte.
Gelangte man in den Stall, so fand man einen Brunnen, von einem hohen
hölzernen
Gestell umgeben, und nebenan den großen hölzernen
Wasserkübel. Zu
seiner Linken sah man nun
eine Reihe Kühe mit ihren Köpfen der Mitte des Stalles
zugekehrt. Die
Krippe
war vorne ziemlich hoch, damit das Heu nicht über sie geworfen
werden
konnte.
Auf der gegenüberliegenden Seite standen an einer Doppelkrippe
acht
Pferde, je
vier an jeder Seite.
Etwas weiter gab es noch eine
Krippe für
zwei Fahrpferde und daran einen
Raum für Fohlen und Jährlinge. Über den Krippen waren
Raufen angebracht
für
Langfutter wie Heu und Stroh. In dem Gang vom Hinterhaus in den Stall
war oft
eine Stube für den Knecht eingerichtet oder es stand hier die
große,
hölzerne
Mangel. An der Hinterseite des Stalles war noch eine Ofenseite
angebaut, die
den Brennmist für den Winter barg. Anschließend an den
Stall war die
Scheune
mit der großen Doppeltür an der Hofseite. Hier wurde
das Futter für
den Winter,
wie Spreu, Stroh und Heu aufgestapelt und auch das Ackergerät
und
Maschinen
untergebracht. Manche Scheunen standen auch im rechten Winkel zum Stall
und
hießen dann Querscheunen. Solch eine Vollwirtschaft, in Ordnung
gehalten,
zeugte von Wohlstand und war ein Stolz des Bauern."
Wegen der lang andauernden Schwierigkeiten in der Anfangszeit konnten
sich die meisten, wie gesagt, solche Häuser nicht leisten.
Abgesehen
von einer kurzen Zeitspanne in den 20-ern sind die Zeiten auch
später
nicht besser geworden. Man baute also bis in die 60-er Jahre hinein
Häuser aus Saman. Saman ist wie gesagt eine Mischung aus Lehm und
Stroh. Bei der Herstellung der Samanziegel halfen Freunde, Verwandte
und die Kinder. Man grub eine Lehmgrube aus, indem man die oberste
Erdschicht abtrug, oder man verwendete eine schon vorhandene Lehmgrube.
Die Lehmqualität war nicht so wichtig wie bei den gebrannten
Ziegeln.
Worauf es vor allem ankam war, dass es in der Nähe Wasser gab und
eine
freie Fläche zum Abladen der fertigen Ziegel, auf der sie dann an
der
Sonne getrocknet wurden. Zuerst wurde die obere Lehmschicht in der
Grube zerkrümmelt, dann brachte man Stroh hinein, nach
Möglichkeit
altes, und Wasser meist von einem Fluss. Das Ganze wurde von Pferden,
die man in die Grube führte, mit ihren Beinen ordentlich
vermischt. Das
fertige Gemisch wurde auf spezielle Wagen geladen. Diese Wagen
führten
dann die Kinder zu den Stellen wo die Ziegel gemacht werden sollten. An
diesen Stellen lagen dann Holzformen mit Öffnungen für
mehrere ganze
und halbe Ziegel. In diese Öffnungen stopfte man das Lehmgemisch
rein
bis die Form voll war. Dann wurde die Form von je einem Mann an jeder
Seite hochgehoben, so dass die fertigen Ziegel auf der Erde
liegen
blieben. Man ließ dann die Ziegel an der Sohne trocknen,
wenn sie
einigermaßen fest waren wendete man sie, damit auch die untere
Seite
trocknen konnte. Nach genügender Trocknungszeit, in der Regel etwa
ein
Monat, verwendete man sie dann zum
Bau. Die Ziegel hatten eine Grösse von etwa 40 cm * 60 cm * 15 cm.
Es
gab
noch halbe Ziegel mit halber Breite. Nun baute man aus den fertigen
Ziegel Wände, als Mörtel wurde Lehm verwendet. Die
Außenwand hatte eine Stärke von etwa 60 cm. Die fertigen
Wände wurden
mit Lehm bestrichen, wobei im Innern des Hauses dem Lehm feiner Sand
und außen Strohschnipsel beigemischt wurden. Diese Lehmschicht
wurde bei Beschädigungen erneuert, sonst wäre der ganze Lehm
irgenwann
ganz vom Regenwasser ausgewaschen und die Wände würden
auseinander
fallen. Außerdem wurden die Wände jeden Frühjahr mit
Kreide oder Kalk
zu Dekorationzwecken geweißt. Die in der oberen Beschreibung
erwähnte
Bedeckung der Dächer bezieht sich auf die Zeit vor der
Übersiedlung
nach Kanada in 20-er Jahren. Kurz nach dem 2. Weltkrieg verwendete man
Stroh und Schilf vom Tock. Dann wurden die Dächer mit Dachpappe
(Pappe
getränkt mit Teer
oder Bitumen, rein oder mit Sand impregniert, auf Russisch Tol bzw.
Ruberoi genannt) gedeckt. In letzter Zeit wurden meistens
Schieferplatten aus Asbest verwendet.
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Abb.Das Haus meiner
Großeltern.
Gebaut in den 50-ern aus Lehmziegeln. Das Dach ist mit Schieferplatten
bedeckt. Das Photo wurde 1990 aufgenommen. Man sieht nur den hinteren
Teil des Hauses. Die Tür rechts ist der Haupteingang in das Haus,
während die Tür links in den Stall führt. Der Anbau ganz
links diente
zur Aufbewahrung von getrocknetem Kuhmist.
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Als die Menschen dann Ende der 60-er Jahre allmählich wohlhabender
wurden baute man auch modernere Häuser. Es gab dann Häuser
aus
gebrannten weißen Ziegeln. Populär waren auch
Fertigbauhäuser aus Holz
- sogenannte finnische Häuser. Problem war nun eigentlich nur die
sowjetische Mangelwirtschaft, in der man die Baumaterialien nur mit
Mühe auftreiben konnte. Wobei die Dorfbewohner da wahrscheinlich
weniger Schwierigkeiten hatten als die Städter, da sie die
Materialien
in der Kolchose bekommen konnten. In den Geschäften gab es keine
Baumaterialien außer den Nägeln. Man konnte auch an die
benötigten
Sachen
rankommen wenn man Beziehungen zu Leuten hatte, die im Handel
beschäftigt waren.
Geheizt wurden die Häuser mit getrocknetem Kuhmist. Man mischte
den
gesammelten Mist mit Hilfe von Wasser zu einer gleichförmigen
Masse.
Diese Masse wurde in eine Form eingefüllt, ähnlich wie bei
den
Samanziegeln. Die so hergestellten Ziegeln hatten aber kleinere
Ausmaße, sie lagen solange an der Sonne bis sie trocken waren. In späterer Zeit gab es als Hilfsmittel eine spezielle Maschine. Man gab dann das Rohmaterial da rein und durch eine Winde, änlich wie bei einem Fleischwolf, wurde es an der Seite mit einem rechteckigem Querschnitt rausgepresst. Die fertige "Wurst" musste man nur in handliche Stücke aufteilen. Da
es
wie gesagt kaum Bäume gab, konnte man Holz kaum als Brennmaterial
verwenden. Wobei es in der letzter Zeit auch andere
Brennmaterialien gab wie z.B. Kohle und Kohlebrickets. Man konnte dann auch Gas zum Kochen benutzen, früher hat man wohl auch Kuhmist und Stroh verwendet. Da in der Zeit vor der Kollektivierung die Bauern mehr als die später erlaubten 1-2 Kühe hielten, gab es wahrscheinlich auch mehr Kuhmist. In den Kolchosen wurden bis etwa in die 1950-er Jahre auch Kuhmistziegel hergestellt. Man heizte damit Kolchose- und andere öffentliche Gebäude.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurde die Ansiedlung stark
modernisiert, insbesondere Pleschanowo und Donskoj, da hier das
Rajonzentrum lag. So wurde 1982 in Donskoj die Zentralheizung
eingerichtet, vorher war schon eine Wasserleitung verlegt worden. Somit
wurde das Einbauen von Bad, Waschzimmer und Toilette möglich. Auch in den anderen Döerfern wurden in den 1980ern Zentralheizungen eingerichtet. In Yugowka gab es als Besonderheit elektrische Heizungen in den Häusern. Dazu musste das Stromnetz und die Transformatoren verstärkt werden.