English version | Plautdietsche Version | Von Dietrich Tissen und Nikolaj Tissen |
zuletzt bearbeitet 08.08.2005 |
Aufzeichnungen von Anna Wiens (geb. Böse) (1864-1930)Anna Böse wurde am 21.01.1864 in Gnadenheim (Molotschna) als zweites Kind von David Böse und Minna (geb. Egert) geboren. Ihr Mann, Peter Wiens, wurde am 21.12.1859 in Ladekopp (Molotschna) als zweites Kind von Peter Wiens und Aganeta (geb. Martens) geboren. Ihre Kinder, die unten oft erwähnt werden: Peter (21.06.1884), David (28.09.1885), Jakob (23.08.1887), Anna (21.11.1888), Aganeta (19.09.1890), Heinrich (24.06.1897), Agatha (30.12.1899) Ich will hier etliche Notizen aufzeichnen von unseren Erfahrungen aus unserem Leben. 1883 sind wir in den Ehestand getreten (1. Nov), blieben dann bei den Schwiegereltern. Waren da beinahe 3 Jahre zu Tisch, dann fingen wir unser eigen Land an. Es gab dann manche Schwierigkeiten durchzukämpfen, blieben dann noch 3 Jahre da. Hatten damals 4 Kinder. Mieteten uns ein Haus und zogen allein zum Winter. Zum Frühjahr 1891 gab’s im Samarischen Gouvernement eine Ansiedlung. Dann wurden wir uns auch einig zu gehen. Es gab schon 1885 eine Ansiedlung, wollten auch dann schon ein Los nehmen, aber unsere Eltern glaubten damals, es sei weit, und rieten uns ganz davon ab. Dann an die 1891 im Frühjahr ging es hierher (nach Neu-Samara). Schon im März fuhr Papa (Peter Wiens, der Ehemann von Anna) noch mit etlichen Kameraden hierher zur Saat. Und ich blieb dann mit 5 Kindern zurück. Es gab da manches Schweren mit den Kindern und für Papa auch, da er so weit weg fuhr. Ich blieb bis Mai dort (in Ladekopp), machte Ausruf, verkaufte alles, was wir hatten, nur einen Wagen, die Kiste und einen Kasten mir Geschirr nahmen wir mit. Es fuhren dann noch mehrere Kameraden im Mai los. Fuhren bis Berdjansk und stiegen ins Schiff. Es gab dann auch bald Seekrankheit auf dem Asowschen Meer. Dann ging’s auf den Don, dann auf Wolga. Das war mir sehr beschwerlich mit 5 Kindern und alle krank. Die Reise dauerte elf Tage. Am elften Tag kamen wir auf der Station Sorotschinsk an. Papa wartete da schon, hatte schon 2 Pferde gekauft. Dann machten wir uns fertig und auf Mittag fuhren wir los. Kamen nachts, um 12 Uhr bei dem Chutor bei der Wassermühle am Tok an, aßen Abendbrot und gaben uns zu Bett. Verweilten da 3 Wochen. Wir waren in der Zeit sehr leidend, hatten alle den Durchfall. Das ungewohnte Wasser trug viel dazu bei. Dann zogen wir hierher ins Dorf (nach Lugowsk). Papa hatte schon viel geschaffen, der Brunnen war schon fertig, die Ziegel waren schon gestrichen, ein kleiner Saraj (Semljanka / Erdhütte) war auch aufgestellt. Wir zogen da hinein. Einen Herd mit Backofen bauten wir uns auf dem Hof. Es ging alles sehr gut bei trockenem Wetter, wenn es regnete, kam es allerwegs durch. Wenn es Wind war, konnten wir beinahe nicht kochen. Nahmen uns etliche Arbeiter an und ließen die Wände mauern. Die Holzarbeit machte Papa beinahe alle selbst. Oft war er sehr müde, auch oft krank, daß es oft sehr dunkel war vor uns, doch der Herr hat geholfen. Der Sommer verging. Die Ernte war sehr schwach. Unser Haus war nicht fertig. Es wurde schon kalt, hatten kein Dach und kein Boden gelegt. Papa wurde krank, konnte nicht schaffen. Ich hatte die Kinder zu besorgen. Geld war keins zum Annehmen. Wie jetzt? Nach und nach wurde es mit Papa wieder besser. Nun behielt er einen kranken Fuß. Nahmen uns einen Arbeiter an, deckten unsere Wohnung, dann wurde der Boden gelegt, die Fenster eingestellt, und wir zogen ein. Dann wollte Papa den Ofen setzen, konnte beinahe nicht gehen. Die Kinder trugen die Ziegel bei und machten den Ofen fertig. Dann wurde geheizt, daß die Stuben warm wurden. Mist zum Brennen haben wir gekauft. Hatten Brennung und Futter, alles draußen, es war damals ein sehr schwerer Winter. Die Wohnung halb fertig, und Anfang Oktober fing es schon an zu wintern. Wir hatten 2 Kühe und 2 Pferde. Dann an 1892 im Februar wurden zwei Kinder krank, nach etlichen Tagen stellte sich heraus, es seien die Naturpocken, eine böse Krankheit. Kein Nachbar kam ins Haus, alle fürchteten sich vor uns. Die Krankheit war den Kindern so in den Augen, daß wir ungefähr sechs Wochen finster in den Stuben hatten. Nach und nach wurde es besser. Ich war damals auch leidend, hatte das Fiber. Papa mußte beinahe alles alleine besorgen. Anno 1892 fiel uns die beste Kuh. Das war ein harter Schlag. Dann schrieben wir an unsere Eltern einen Brief. Die schickten uns etwas Getreide zum Säen, noch etwas Geld, daß wir eine Kuh kauften konnten.1893 gab es schon eine bessere Ernte, kauften dann noch ein Pferd, konnten dann besser das Land bearbeiten. 1894 gab es eine sehr späte Saatzeit. War sehr viel Schnee, auch viel Regen im Frühjahr, auch viel Gewitter. Als wir alles eingesät hatten und es aufging, dann wuchs es sehr, daß es eine Lust war. Dann hatten wir viel mit Unkraut zu tun. Dann kam es zur Ernte, nahmen uns einen Arbeiter an, die Kinder waren noch klein. Dann ging es ans Mähen. Das Getreide war sehr groß, und solche große Ähren. Dann ging es ans Fahren und Dreschen, fuhren etliche Fuhren bei und droschen. Dann fing es an zu regnen, beinahe alle Tage, daß die Leute schon verlegen wurden. Wir die wenig gesät hatten, bekamen viel. Welche aber viel gesät hatten, konnten nicht alles abmähen, es blieb etliches über Winter stehen. Das Getreide wurde ganz feucht in Haufen gefahren. Anfang Oktober fror es ziemlich, daß die Diele ganz hart war. Dann ging es ans Dreschen. Es war schon recht kalt, zogen uns gut an und droschen noch etliche Fuder. Hatten damals noch keine Scheune, ging viel verloren. 1896 im Frühjahr schickten meine Eltern mir das Reisegeld und ich durfte in den Süden fahren, Eltern und Geschwister besuchen, es gab ein frohes Wiedersehen. Es ging mir auch sehr gut, nur die 2 Kinder, die ich mithatte, wurden krank. Dann in ein paar Wochen ging’s wieder zurück zu dem meinigen, traf alles gesund an. Papa hatte alles selbst besorgt. 1897 war eine Mißernte, bekamen kein Getreide. Die Dorfgemeinde wurde sich einig und machten eine Anleihe von Geld um Staatsgetreide zu kaufen, dann ging’s wieder weiter.1898 und 1899 waren gute Ernten. 1901 hatten wir uns etwas überspart und etwas besorgt. Ließen Ziegel streichen, nahmen noch paar Arbeiter und Papa mit den Jungens mauerten Scheune und Stall, es war sehr schwer, aber es ging. Die Holzarbeit machten sie selbst. Die Jungens wurden größer, weil es uns knapp ging, hat beinahe immer einer gedient. Peter hat Zimmerarbeit gelernt. David hat es sich selbst gelernt. 1903 hatten wir wieder die Gelegenheit die Eltern und Geschwister zu besuchen, 2 Kinder hatten wir mit. 1905 kam das Jahr, daß Peter sich sollte zur Losung stellen. Mußte deswegen ins Taurische, fuhr noch mit etlichen Kameraden im Oktober dorthin. Es war damals Revolution. Sie fuhren nur etliche Strecken, dann blieb der Zug stehen und sie mußten alle Gefahr entgegen sehen. Nach einer 12-tägigen Fahrt waren sie dort angekommen. Das Los war schon genommen von Oberschulzen und er war fest, er blieb gleich dort, verweilte bei den Großeltern bis zum Frühjahr, bis sie nach der Forstei mußten. David mußte 1906 zur Losung, konnte aber hier losen, blieb auch fest. Mußte 1907 im Mai in den Dienst nach Amadol. Er war sehr leidend, hat dort nur wenig gearbeitet, bekam oft Urlaub, daß er konnte zu Hause sein. Jakob mußte 1908 zur Losung, kam los, hatte Familienrecht. Er war auch dann nicht zu Hause, hatte Arbeit in der Apotheke übernommen. Nur zur Saatzeit und Ernte kam er nach Hause. 1908 kam Peter aus dem Dienst, wir hatten damals gerade Silberhochzeit. Ich war damals sehr leidend, haben viel gedoktert, wurde wieder gesund. Die Weihnachtszeit machten Peter und Tina (geb. Fast) Hochzeit, blieben bis März bei ihren Eltern. Dann übernahm Peter die Stelle bei Jakob Wieler in Podolsk. Blieben bis September und wieder zu ihren Eltern. Da wurde ihnen eine Tochter (Lena) geboren, da blieb Tina den Winter über schwer krank. Ich nahm das Kind zu uns und pflegte es bis zum Frühjahr. Dann wurde es mit ihr besser und sie nahm das Kind nach Hause. Im Frühjahr übernahmen sie sich eine Wirtschaft zu besäen, das gelang nicht, es gab in dem Jahr eine Mißernte.1912 schrieb Papa einen Brief nach Jakob Fasten in Gerlitzko (???) mit der Bemerkung , daß Peter gerne eine Stelle übernehmen würde, bekam auch bald Antwort, auch das Reisegeld geschickt von einem N. Reimer. Machten sich fertig und fuhren dorthin. Übernahm eine Stelle eines Ökonomen. Die Familie blieb hier bis Mai, machten dann Aufruf, verkauften alles. Papa fuhr mit Tina (Schwiegertochter) und Lena (Enkelin) dorthin. Blieb dort einige Tage, dann fuhr er nach dem Süden (Molotschna), blieb auch dort etliche Tage, dann kam er gesund und glücklich nach Hause. David und Lena (geb. Wiens) verheirateten sich 1910 im Sommer. Blieben bei ihren Eltern bis 1912, dann zogen sie in unser Nebenhaus, blieben paar Monate, dann zogen sie in eine Wirtschaft. Die Saatzeit und Ernte hatten wir zusammen. 1914 wurden wir uns einig, noch mal die Eltern und Geschwister zu besuchen. Peter und Tina waren dort auf einer Ökonomie. Fuhren hier in Mai los, nach 3 Tagen kamen wir dort glücklich und froh an. Es gab ein frohes Wiedersehen. Verweilten ein Paar Tage bei den Eltern, dann fuhren wir zu den Kindern, besuchten auch Geschwister und Freunde. Geschwister Jakob Kliever von der Krim kamen auch dorthin. Johann Friesens kamen auch zu den Eltern und nahmen uns mit. Blieben da paar Tage, dann fuhr er uns zu Geschwister David Böse. Der fuhr uns dann wieder zurück nach Ladekopp. Dort kamen die Geschwister und unsere Kinder noch die letzten Tage alle hin. Es waren frohe Stunden des Wiedersehens, doch die Zeit ging so rasch. Im Juni ging’s wieder zu den unsrigen. Nach 4 Tagen kamen wir glücklich nach Hause, alles gesund und in Ordnung. Nach 3 Wochen erhielten wir ein Telegramm, sollten ein Fuhrwerk zur Station (Sorotschinsk) kommen lassen, unser Sohn Jakob abholen, er kam aus Deutschland (vermutlich aus Berlin), hat dort die Bibelschule studiert. Wir holten ihn und waren wieder alle zusammen. Da kam der Ruf, zwischen uns und Deutschland sei Krieg. Ein harter Ruf für uns. Dann wurde junge Mannschaft einberufen, das gab viele Gedanken und Tränen, manche schlaflose Nacht. Papa fuhr auch mit, und noch etliche aus unserem Dorf. Zur Station mußten sie alle nach Jekaterinoslav stellen. Dort wurden sie durchgesehen. David war leidend, kam deswegen los. Fuhr von dort noch gleich ins Taurische (Molotschna) Peter seine Frau holen. Peter war damals auf ... (in Manuskript unlesbar). Mußte von dort nach Jekaterinoslav, blieb dort fest, und mußte als Sanitäter seinen Dienst leisten. David kam zurück, mußte sich um ein Jahr in Busuluk stellen. War nicht tauglich, kam wieder nach Hause. Jakob mußte in April 1915 im Dienst, fuhr nach Moskau, von da nach Kaukasus, in erster Zeit war er dort schwer krank. Als es besser war, war er etliche Zeit Sanitäter, dann als Reiseprediger. Im Dezember 1915 in Tiflis bekam er Unterleibtyphus, hat etliche Wochen sehr schlecht gelegen, nach und nach wurde es besser. Ließen ihn aus dem Krankenhaus, erhielt ein paar Monate Urlaub. Wir erhielten ein Telegramm, sollten ihn von der Station abholen. Er kam noch mit einem Reisekollegen. Er kam zu Hause an beinahe nicht erkennbar. Die Beine ganz verkrüppelt, an den Krücken gehängt, es war herzbrechend. Er wurde sehr gepflegt, auch an den Beinen tat er das möglichste. Nach etlichen Wochen wurde es besser. Agatha bekam den selben Winter zu Weihnachten Pocken, lag etliche Wochen sehr schwer krank, es wurde aber besser. Dann bekam sie viel Geschwüre, daß die Beine und Arme ganz verkrüppelt waren, sie war überhaupt 10 Wochen im Bett. Dann besserte es mit beiden: Jakob und Agatha. Bis Mai konnte Jakob wieder allein gehen, aber er ging auf Krücken. Als sein Urlaub abgelaufen war, fuhr er wieder nach Tiflis, bekam aber noch Urlaub auf 2 Monate. Fuhr noch nach Taurischen nach den Großeltern, verweilte da einen Monat und kam nach Hause. Im Mai 1916 wurde Heinrich eingezogen. Papa fuhr in nach der Station, er mußte nach Moskau als Sanitäter seinen Dienst tun. Es war eine schwere Zeit für uns. Die letzte Pferde mußten wir hingeben, es gab dann viel Unannehmlichkeiten. Wir machten dann so weiter in der Wirtschaft. Hatten die gefangenen Österreicher zur Arbeit. 1917 kam Heinrich auf Urlaub, mußte aber nach etlichen Tagen weg. Im November gab es Gelegenheit nach dem Süden (Molotschna). Neta machte sich fertig, Papa fuhr sie zur Station. Es war damals sehr schwer zu reisen. Nach etlichen Tagen war sie schon bei den Großeltern. Die nahmen sie an, fuhren mit ihr zum Doktor nach Orloff. Er hatte sie untersucht und Medizin gegeben, daß sie gesund werden sollte. Sie war zu schwach, am 29. November wurde sie betäubt und operiert an Gallenstein, im Dezember wurde sie an einer anderen Stelle operiert. Dann war sie etliche Tage schwer krank. Dach nach und nach wurde es besser. Aber die Wunden blieben lang und eiterten. Im Sommer konnte sie bei den Großeltern wieder arbeiten. Im Herbst gab es Gelegenheit hier nach Samara (Neu-Samara). Jakob war damals auch im Süden, sie hatten sich fertig gemacht noch mit 2 Kameraden und fuhren nach Samara. Es war eine schwierige Zeit. Die Bahnlinie war schlecht bestellt. Sie waren in 3 Wochen nur bis Arkandas (?) gekommen. Da wurde Neta krank und blieb dort zurück. Blieb dort bei ganz unbekannten Leuten. Ihre Kameraden kamen nach einer beschwerlichen Reise nach Samara. Die Zeit war auch kein Briefwechsel, so wußten wir auch nicht, ob sie auch lebte oder nicht. 1919 erhielten wir einen Brief, wir sollten sie doch holen. Es wurde beraten. Heinrich würde fahren nach Busuluk, er fuhr um etliche Tage, es gab aber keinen Propusk (Genehmigung zur Durchfahrt). Dann stellten wir es wieder ein, versuchten es noch ein mal, gab auch nichts. Es gab viele Gedanken und Schlaflose Nächte. Dann schrieb sie mehrere Mal, sollten sie holen. Sie konnte nicht mehr bleiben wegen der Kleider. Im September waren mehrere Leute aus unserem Dorf in Busuluk, mit denen kam sie mit, ganz müde und beinahe verzagt. Die Reise von Arkandak (oben als Arkandas bezeichnet, wahrscheinlich Arkadak in der Nähe von Saratow gemeint ) hat 6 Tage gedauert. Aber sie war sehr froh, daß sie wieder zu Haus war. 1920 im November verheiratete sich Heinrich mit Lena Hinz. Wir bekamen eine Quartierung, mußten 3 Mann in unsere Stube nehmen. Heinrich und Lena zogen ins Nebenhaus. Hatten 2 Mann Russen und einen Deutschen, mußten ihnen das Essen fertig machen. Dann wurde uns alles so knapp. Dann kam 1921, da gab es eine totale Mißernte. Wir hatten nicht so viel für uns und unser Vieh, dann noch die viele Menschen, die hier kamen, sollten wir mit füttern. Die Pferde hatten sie uns ganz zuschanden gejagt mit dem vielen Reiten und Fahren. Hielten dann nur 2 Pferde und 2 Kühe. Eine Kuh gaben wir aus zum Durchfüttern. Als es Frühling war und wir sie nach Hause holten, war sie beinahe ein Gerüst, erholte sich und blieb am Leben. Die Pferde waren auch so schlecht und mager, daß sie schlecht arbeiten konnten. Hatten auch wenig einzubringen. Im Frühjahr hatten nichts zum säen, bekamen etwas von der Krone, wurde wenig gesät. Säten ziemlich Rüben. Wir wurden uns einig einen Brief an liebe Freunde nach Amerika (Kanada oder weniger wahrscheinlich USA) zu schreiben. Ich schrieb auf eine fremde Adresse. Die kam bei unsere Freunde an. Waren sich auch gleich einig gewesen uns zuzuschicken. Bekamen bald einen Brief, daß sie was schicken. Im Mai gerade zur rechten Zeit bekamen wir 3 Pakets. Uns war gerade das Mehl ausgegangen, wie froh waren wir, daß der Herr uns solchen Weg aufgemacht hatte. Mein Onkel schrieb mir, wir sollten es nehmen aus Gottes Hand. Ich bin meinem Himmlischen Vater auch sehr dankbar gewesen, daß er hat Leute willig gemacht uns zu helfen. Durch die amerikanische Zeitschriften fanden sich noch mehr von unseren Freunden und fühlten sich schuldig, uns zu helfen, haben uns noch mehrere Pakete geschickt. Es hat uns auch sehr viel geholfen. Dann 1922 hatten wir nur sehr wenig gesät, aber das gedieh ganz gut. Doch die Ernte mußten wir abgeben. Dann blieb nur übrig soviel, daß wir nur zur Saat hatten. Zu Brot langte es schon nicht. 1923 hatten wir schon mehr gesät, aber gab nicht viel. Mußten dann sehr viel Nalog (Steuer) zahlen, hatten dann eine schwere Zeit. Im September wurde Papa krank, klagte über Brustschmerzen und der Kopf war ihm so schwer. Oft sprach er, er würde bald sterben. Nun paar Tage wurde es immer schlechter. Den 10. September starb er. Den 12. beerdigten ihn, es war noch sehr warm. Hatten die Arbeit draußen noch nicht alle verrichtet, nur gepflügt hatten wir. Papa hatte das Stroh zum Decken alles fertig gemacht und in der Reihe hingelegt. Er wollte noch decken, wollte warten bis Heinrich ihm helfe. Er kam nicht dazu, seine Zeit war abgelaufen. Deckten nach dem Begräbnis. Mußte noch dies und das besorg werden, es fehlte oft an Papa zum Rat geben. 1924 säten wir soviel, wie Saatgetreide hatten. Es sah nach einer guten Ernte. Als das Getreide erst die Ähren hatte, kamen die Heuschrecken. Aber soviel, ganze Schwärme, an vielen Stellen fraßen sie alles weg. Die Ähren im Getreide waren gut und recht voll, aber das Laub unten war weggefressen. Dann gab es Regen, und die Heuschrecken ließen nach mit Fressen. Und das Getreide verholte sich etwas. Dann gab es an Korn noch ganz schön. Aber Stroh und Spreu sehr wenig. Im Sommer erhielten wir Nachricht, daß unser Sohn Jakob mit seiner Familie auf der Reise nach Amerika (Kanada). Es gab wieder Schweres für mich. So weit weg, daß man auf ein Wiedersehen nicht denken darf. Jetzt weilen sie dort in Kanada. Eine Zeitlang arbeitete er in einer Gummifabrik, konnte aber den Geruch nicht ertragen. Jetzt arbeitet er als Reiseprediger. Peter ging schon 1921 mit seiner Familie nach Amerika, weil hier eine totale Mißernte war. Sie wußten nicht, wie sie durchkommen sollten. Im Juni noch mit 4 Familien los mit allerlei Schwierigkeiten verbunden, kamen sie bis Deutschland. Mußten da noch sehr arbeiten und wurden schlecht behandelt, mußten beinahe 2 Jahre da bleiben. Dann schrieben sie mir, sollten ihnen eine Adresse schicken an liebe Freunde aus Amerika. Ich schickte dann auch gleich eine. Dann hatten sie ihre Lage den Freunden vorgelegt und nach einer Zeit schickten sie ihnen Mithilfe, daß sie etwas besser leben konnten und daß sie sich konnten ankleiden. Dann schickte der Onkel Johann Böse (Bruder der Verfasserin) ihnen ein Freibillett. Dann dauerte es nicht lange, dann fuhren sie von Deutschland los, nach etlichen Tagen kamen sie dort glücklich an. Der Onkel hat sie selbst von der Station geholt, waren sehr froh. Verweilten eine Zeitlang bei den Freunden. Gearbeitet mußte ja gleich werden, die Reise waren sie ganz schuldig, haben auch viel gedient. Auch viel Geschenke von den Freunden bekommen. So leben sie jetzt schon ganz gut und sind ganz zufrieden und haben ihr eigenes Haus und ihr eigenes Auto. David wohnte damals in unserem Nebenhaus, dann ging’s zum Herbst, wurde schon kalt. Dann sollte eine andere Wohnung sein, weil wir zusammen zu viel Vieh hatten. Dann kauften sie eine Wirtschaft in Annenskoje, ein schönes Haus. Mußten im Winter alles Futter überfahren, welches sehr beschwerlich war, weil er oft krank war. Das Futter wollte nur schlecht ausreichen. 1924 säten sie dort ein, soviel, als sie dort hatten gepflügtes Land, und hier bei den Baschkiren (ein Nomadenvolk) hatte er auch noch gepflügtes Land, das besäte er auch noch. Als es zum Dreschen kam. Als es zum Dreschen kam, drosch er alles mit dem Stein, mußte auch sein Getreide von hier fahren zum Dreschen, was sehr schwierig war. 1925 gab es viel weniger, mußten wieder sehr sparen, um mit allem fertig zu werden. Waren mit der Ernte bis August fertig, hatten dann noch andere Drockigkeiten (???), brachten dann Kukuruz (russisch bzw. österreichisch: Mais) ein. Dann kam die Schwere Nachricht, daß Johann Warkentin von Podolsk sich ermordet hat, es war so schrecklich, daß man gerade krank war etliche Tage. 1925, 7. April morgens Aron Fast gestorben. An 1926 war ein sehr nasser Frühling. Säten recht viel, dann gab es auch viel Gewächs. Im Sommer regnete es auch sehr viel, daß wir das Unkraut nicht recht geraten konnten. Da kam die Zeit, wo wir gewöhnlich Erntezeit haben. Warteten von Woche zu Woche auf warme und trockene Witterung, aber mehr vergebens, es regnete beinahe alle Tage, dazu noch immer sehr kühl. Denn Rogen mähten wir anfangs Juli, den Weizen im halben August. Es fehlte schon notwendig an Brot, aber es trocknete nicht. Endlich trocknete es soviel, daß wir etwas dreschen konnten. Nur immer Regen und Regen, es war so schwer, wir mähten bis 1. September, dann gab es schöne Witterung bis 15. September, dann fing es wieder an zu regnen. Hatten noch so viel Fuder auf dem Felde. Vieles ist verkommen, auch bei der Maschine ging viel verloren. Es wurden inzwischen Kartoffeln ausgegraben auch Rüben und Zirop (Sirup) gekocht. Wenn es bißchen trocken war, wurde wieder gedroschen. Am 25. September lag schon eine Schicht Schnee, war auch schon Frost. Es wurde noch etwas schöner. Dann wurde der letzte Weizen zusammengefahren. Dann wurde noch Hafer gedroschen. Eines Tages schneite es so sehr beim Dreschen, daß es sich aufhörte zu dreschen, das war am 25. Oktober. Dann wurde die Dreschmaschine aufgeräumt. Dann kam David aus Annenskoje, holte die Dreschmaschine dorthin. Heinrich und Agata und all unsere Pferde droschen dort eine Woche, dann war schor starker Frost. Es war schon alles beigefahren, sie beendigten dort und kamen bei Schnee und Regen mit Pferden und etlichen Stücken von der Dreschmaschine nach Hause. Der Dreschkasten blieb dort über Winter. Hatten dann zu Hause noch rech viel aufzuräumen, auch noch Getreide in der Scheune wurde aufgetragen. Hatten recht viel Getreide, aber der Preis war niedrig. Es war aber doch recht gut. Es gab auch viel Stroh und Spreu, blieb noch recht viel übrig. Der Brennmist blieb den Sommer über naß, daß er den Winter unbrauchbar war. Den Winter über mußten wir mit Stroh heizen. Im Frühjahr 1927 säten wir weniger, weil wir nicht gepflügtes Land hatten, es mußte alles im Frühling gepflügt werden. Ich und Heinrich kauften einen Hintersäher (Sämaschine), hat auch gut gearbeitet. In der Saatzeit hatten wir auch Regen, dann blieb er längere Zeit aus. Das Getreide war durchweg schlecht aufgegangen, hatten einen heißen und trockenen Sommer. Das Getreide blieb nur klein, so daß es nur ein Fuder von der Desjatine (1,09 Hektar) gab, nicht allewege 20 Pud (1 Pud = 16,3 Kilogramm) von der Desjatine. Wer noch etwas hatte vom vorigen Jahr, das war gut. Wer nur von diesem Jahr hat, hat nicht hinreichend. Agata und Wilhelm Spenst hatten Hochzeit 1927 am 1. September. 1928 hatten wir viel Schnee. Im April taute es schon. 15. April fingen wir mit der Saatzeit an. Nach etlichen Tagen Regen kamen noch Frost und Schnee. Das Getreide ging auf, gedieh gewaltig. Das Land war gut umgepflügt, in den letzten Tagen im Mai gab es Regen, im Juni noch mehr. Hatten uns Heu gemäht, bekamen es eben zusammen. Dan regnete es beinahe alle Tage. Tochter Anna wurde sehr leidend, war dann 3 Wochen in Bogomasow bei Johann Barg gedoktert, hat auch sehr geholfen. Im Herbst hat sie sich eine Erkältung zugezogen, dann fand sich noch mehr Krankheit. Litt dann noch am Herz, an den Nieren und am Magen, die Lungen waren besser. Hatte über 2 Monate mit den Krankheiten zugebracht. Nun weiter von der Ernte. Der Rogen war sehr weitläufig, gab nur sehr wenig. Das andere gedieh gut, es regnete oft. Wir wurden uns einig und kauften Spiegut (???). Das Getreide wurde alle gebunden. Oft regnete es, daß es uns schwierig vorkam, das Getreide zu dreschen. Den 17. August beendigten wir das Mähen. Es wurden auch gleich etliche Fuder gedroschen, es fehlte schon an Brotmehl. Das Dreschen verzog sich bis zum 24. September, der Regen hinderte oft. Hatten doch sehr gut, daß wir das Getreide in Garben hatten. Es war oft sehr schwer. Droschen noch mit einem Nachbar, dann wurde es schon kalt und frostig. Die Kartoffeln waren noch in der Erde, auch die Rüben. Wollten sie geben auf Miete ausgraben, aber das tat keiner. Dann mußten wir alle drei unsere Kartoffeln ausgraben. Es war zum Ermüden. Heinrich pflügte das Land, der Knecht ging vor der Zeit weg, so wie es bei dieser Zeit ist. Haben einen schweren Sommer hinter uns, hat aber von allem schön gegeben, das Getreide hat auch einen schönen Preis. Haben uns schon manches anschaffen können: Kleidungsstücke, auch einiges in der Wirtschaft. Noch weiter von Anna ihre Krankheit. Die Krankheit nahm immer mehr zu im Herbst, oft konnte sie noch auf sein, auch essen. Aber ihre Kräfte nahmen sehr ab, sie rechnete doch immer damit, daß sie sterben würde. Den 26. Februar 1929 schlug ihre letzte Stunde. Sie ist von aller Krankheit los, kein Schmerz, kein Kummer drücken ihr. Heinrich Suckau, ihr Mann, begab sich dann noch auf Reise, kam nur eben vor ihrem Tode nach Hause. 1929 hatten wir einen sehr harten Winter. Hatten unser Land gepflügt, säten es ein, aber es war sehr trocken im Frühling und im Sommer, es gab nur sehr wenig. Mußten viel Nalog (Steuer) und noch anderes mehr zahlen. Dann blieb nur eben so viel zum Leben. Kartoffeln und Gemüse gab es auch nur wenig, das Vieh haben wir mehreres verkauft wegen Futtermangel. Es war sehr knapp. Ich habe noch Pferd und ein einjährigen Fohlen behalten und 2 Kühe. Heinrich hatte 2 Pferde und 2 Kühe. Im Herbst kam mit einmal das Fieber unter den Menschen wegen Auswanderung. Wir waren nicht von den ersten, später wollten wir auch. Fingen auch schon an, Kleidungsstücke zu verkaufen... An dieser Stelle enden die Aufzeichnungen, es bleibt nur zu sagen, dass Anna Wiens (Böse) und ihre Kinder, die nicht früher ausgewandert sind, in Russland bleiben mussten. Diese Aufzeichnungen wurden uns von Alexej Reimer, dem Ur-Ur-Enkel von Anna Wiens zur Verfügung gestellt. Die kursiv geschriebenen Stellen stammen von ihm. |