Kapitel 77
Meine Winterarbeit nach der Schulzeit.
Papa hatte ein ziemlich langes Kranksein durchgemacht. Wenn er auch die ganze Aussaatzeit gelegen hatte, jedoch so nach und nach wurde er immer gesunder und schon zur Heuernte stellte er seinen vollen Mann bei der Arbeit. Die ganze Wirtschaftsarbeit ging wieder nach alter Art und Gewohnheit. Die ganze Sommerarbeit, wie sie nach einander ging, ist in den vergangenen Geschichten schon beschrieben worden. In der Meinung, daß ich im nächsten Winter wieder würde weiter lernen, war ich in mir so ganz zufrieden und wenn ich dann inzwischen eine Arbeit für mich alleine hatte und meine Gedanken freien Lauf hatten, dann phantasierte ich oft über Schule, Zukunft, Freiheit usw. Eines Tages als Papa und ich zusammen auf den Wagen auf die Steppe fuhren, was wir schaffen wollten weiß ich schon nicht mehr, aber während des Fahrens unterhielten wir uns, es wurde verschiedenes durchgesprochen. - Man sagt oft: "Wes des Herz voll ist, geht der Mund über." Und so platzte ich auch mit meinen Gedanken raus und fragte, ob ich in diesem Jahr wieder könnte zur Schule gehen. Dann sagte Papa: "Schöner Junge, wir haben nicht die Möglichkeit, dich weiter lernen zu lassen, du mußt zu Hause helfen." Ach ich kann es heute nicht beschreiben, wie mir zu Mute war und was ich alles gedacht habe, aber in ein bitteres Weinen platzte ich raus, ich konnte meine Tränen gar nicht halten, so groß wie ich nicht war. - Und es blieb dabei, die Schule mußte vergessen werden. - Ja, alle meine Pläne und Hoffnungen scheiterten. Davon änderte aber nicht meine Arbeit. Ich wurde größer und es ging immer tiefer in die Arbeit hinein. Der Winter kam und wie wir schon wissen, meine Arbeit war im Stall das Vieh besorgen. Ein und die andere Arbeit war aber doch schwer, meinen Kräften gegenüber, so daß ich auch hier oft kontrolliert wurde, daß ich nicht zu schwer heben sollte, genau so wie bei dem Mist in die Küche tragen. Das war das misten bei dem Vieh. Hier wurde oft gesagt: " Wanja, nimm die Mistkarre nicht so voll!" Es war aber morgens wie abends immer zwei drei Karren voll Mist auf dem Misthaufen zu fahren. Und wenn es dann aber manchmal mehr Mist war, vielleicht wohl noch einmal fahren zu müssen, dann drückte ich aber doch die Karren recht voll und wenn Mama mich dabei betraf, dann gab es ja wieder zu fühlen auch zu hören. Oft genug hat sie den Ausdruck gebraucht: "Wer nicht hören will, muß fühlen!" Jedoch ich wurde größer, dann allmählich trat auch hier eine Veränderung ein. Wenn sie dann manchmal guter Laune war und ich irgendwas schweres machte was sie glaubte, anders machen zu müssen, dann sagt sie: "Alle Faule schleppen sich tot und alle Fleißige rennen sich tot."
An etlichen Tagen war das Ausmisten auch richtig schwer. Besonders wenn draußen Sturmwetter war. Dann stürmte draußen vor der Tür eine recht große Schneedüne zusammen, die dann mußte durch gegraben werden um mit die Mistkarre den Mist auf den Misthaufen fahren zu können. Morgens, mittags und abends das Vieh füttern, das nannte man die Besorgzeit. Aber vor dem Schlafen gehen wurde das Vieh sauber abgeschaufelt und mit altem feinem Stroh gestreut. Dieses nennte man Abfüttern. Zwischen den Besorgzeiten gab es am Tag noch genug andere Arbeiten. Ein zwei mal im Monat wurde auch bei den Schweinen und beim Jungvieh, Kälber oder Schafe ausgemistet. Das war eine ganze Tagesarbeit, gewöhnlich machte ich es am Sonnabend, daß, wenn die Jungen am Sonntag zu uns spazieren kamen, sie sehen sollten, daß bei mir der Stall aufgeräumt sei. Die vielen Karren voll Mist auf den steilen, schmalen, gefrorenen, ungeraden Steg den hohen Misthaufen hinauffahren, das war zuweilen schwer und wie oft bin ich auch hingefallen, weil man nur Holzschlorren an den Füßen hatte, denn anderes Fußzeug war nicht. Dann habe ich auch manchmal etwas trockene Asche gestreut, damit es nicht so glatt war. Hier füge ich noch hinzu: Im Nachbardorf verunglückte ein junger Mann. Beim Ausmisten, im Winter wo alles hart gefroren war, glitschten seine Holzschlorren aus, er fiel mit den Kopf auf seine Mistkarre und schlug sich tot.
Es wurde aber auch gesorgt, daß der Misthaufen rechtzeitig anfing zu faulen, damit es zum nächsten Jahr besserer Mist gab. Daher mußte er schon vor Neujahr zum faulen gebracht werden. Auf dem Misthaufen, der ja doch sozusagen durch und durch gefroren war, wurde dann, wenn so viel ausgemistet wurde der Mist alle auf einen spitzen Haufen gemacht werden, dann nahm ich die Brechstange Lomm, stieß von oben in den frischen Mist ein tiefes Loch und goß heißes Wasser hinein bis acht oder zehn Eimer, klopfte dann den Mist schön fest mit der Schaufel, bedeckte ihn dann manchmal noch mit altem Stroh und fertig. Wenn der Frost dann auch zuweilen groß war, so ein warm gemachtes Bett konnte er doch nicht einfrieren lassen, dann, ob er wollte oder nicht, fing er an zu faulen. Das Wasser machte ich inzwischen beim ausmisten heiß. - Weil der Winter zuweilen auch stürmisch war, so mußte auch Heu und Stroh, bei schönen Tagen in die Scheune gebrachte werden. Anfänglich hab ich Papa dabei geholfen, dann aber so nach und nach half er mir, Futter einfahren, und noch weiter, ich blieb dabei allein, bis erst Heina aus der Küche ausgewachsen war, dann kam der mir dann zu Hilfe. Die Scheune ganz voll Futter fahren, das nahm gewöhnlich ein zwei Tage in Anspruch. O, wenn dann die Scheune ganz voll Futter war und draußen aber garstiges Sturmwetter war, dann fühlte man sich im warmen Stall recht behaglich, das besorgen im Stall ging wohl schöner als sonst. Aber wenn es auch manchmal umgekehrt auskam, daß man bei Frost und Wind die Arbeit tun mußte, dann war's sehr ungemütlich.
Wir Jungen meines gleichen, hatten im Winter an den Sommertagen nach Mittag unseren Aufenthalt gewöhnlich nur im warmen Stall. Bald bei diesem, bald bei jenem. Einen Klub gab es zu jener Zeit nicht, daß man dorthin gehen konnte, draußen war es zuweilen kalt, das Schlittschuh fahren war nur Anfangs Winter, so daß man auf diese Weise nur den Stall vorzog. Hier wurde dann immer vom Vieh gesprochen, alles betrachtet, wer seine Pferde oder die Kühe wohl am saubersten, am reinsten habe. Obzwar ich nicht rauchte, aber die meisten Jungen rauchten auch, auch der Tabak wurde versucht, wer wohl den besten Tabak anfertigen könnte, denn der Tabak wurde selbst gezüchtet, gepflanzt.
Samen knacken, knuspern war auch eine beständige Beschäftigung. Zuweilen ging man auch in die Scheune, um sich auf dem frischen Stroh zu ratzen und zu rollen, zu fassen, wer wohl der Stärkste wäre. Aber es kam auch vor, daß Kleider davon zerrissen. O, was kam nicht alles vor in jener Zeit.
Für den Ofen mußte aber auch Holz fein gemacht werden. Wenn dann ein schöner Tag war, schleppte ich mit dem Pferd von den trockenen Pappelstämmen die abseits im Hof lagen, von denen wir schon wissen, näher zur Stalltür. Diese Stämme war schon durch und durch trocken, lagen sie ja schon weit mehr wie ein Jahr. Am Abend half Papa auch manchmal die Stämme in den Stall ziehen, dann ging er seinen Arbeit machen und ich und Heina verschnitten diese Stämme zu kurze Klötze, welche ich dann den nächsten Tag verspaltete. Diese Arbeit abends im Stall bei einem ganz schwachen Lämpchen machen ging gar nicht schön, aber es mußte gemacht werden. Eine Lampe hatte Mama drinnen beim Stricken und bei den Kindern, eine hatte Papa bei der Hobelbank und das schwache Laternchen hatten wir im Stall. O, wäre doch damals auch elektrisches Licht gewesen, wie wären wir so glücklich und reich gewesen.
Eine Zeitperiode von fünfzehn Jahren, angefangen von der Oktoberrevolution, gab es, die man wirklich arm nennen konnte. Die Nahrung das Brot war ja inzwischen genügend, es hing vom Ernteertrag ab, aber die Handelsware, wie Kleider, Fußzeug und verschiedenes andere war nur im ganz geringem Maß vorhanden. Daher die Armut. Selten nur von den örtlichen Bauern, der sich dann ein Webstuhl fabrizierte und wob sich dann von seiner eigenen gesponnenen Wolle Zeug, wovon man dann Oberkleider konnte nähen. Etwas mehr Spezialisten gab es, die eine kleine Walkerei anlegten und walkten Filzstiefeln, wie für sich, so auch für Fremde. Andere wieder gerbten Schaffelle aus, wo dann die Pelzschneider verschiedene Pelze oder Pelzkleider nähten. Das alles wurde fabriziert von dem eigenen Rohstoff, das die Landleute besaßen. Dies angeführte Arbeit oder Produktion machten mehr die Russen. Die deutschen Bauern zogen mehr die Landwirtschaft vor, ihnen war doch das Brot wichtiger.
Es fanden sich auch Schuster, die da Fußzeug machten, aber all diese Ware, das war wie ein Tröpfchen im Meer, das doch lange nicht all die vorhandenen Bedürfnisse stillte. In gegenwärtiger Zeit, wo alles im Überfluß ist, wie Kleider, so auch das Fußzeug, da weiß man nicht von sparen und finden sich dann aber doch noch Leute, und das sind gewöhnlich alte Leute, die da sprechen vom sparsam sein, dann werden sie ausgelacht. Ihnen wird dann manchmal eine spöttische Antwort gegeben: "Ihr wollt wohl so wie es in früheren Zeiten war, barfuß, wer weiß wie weit, zur Kirche gehen, die Schuhe in den Händen tragen und sich erst nur an der Schwelle der Kirche anziehen um dann schön mit Schuhen in die Kirche gehen?" So war es aber tatsächlich, weil ich es selber so gemacht habe. Im großen und ganzen, die Kleider, die Schuhe wurden oft geschont, damit sie nicht so schnell zerreißen sollten, denn es war nirgends her zu bekommen, oder zu kaufen, daher wurde allerwärts gespart, weil man nicht hatte. Anführer und Betrüger waren noch immer, so auch in jener Zeit. Einen Fall von den Schuhen. Als ich noch in die Z.-Schule ging, hatte ich für die Wirtschaft wohl Filzstiefel, aber für den Frühling keine Schuhe und gar(?) ohne ging es doch aber nicht. Wenn der Schnee erst anfing zu tauen und alle Wege und Stege wässrig wurden und noch weiter alles kotig war, ob wohl oder übel, Schuhe mußten sein. Im Laden waren wohl etliche Schuhe, aber für mich so ein Maß war nicht, daher war Papa gezwungen, auf den Markt zu fahren um für mich Schuhen zu kaufen. Ob auf dem Markt eine große Auswahl von Schuhen gewesen ist, glaube ich kaum, aber Papa hatte solche wie für mich gefunden, zu zwölf Rubel. Als nun die Wasserzeit kam und ich die Schuhe anfing zu tragen, o weh, als die Schuhe erst naß wurden, fingen sie an ihr Geschick zu verlieren, die Sohlen wurden immer breiter, ich paßte auch schon ganz besonders auf, um sie nicht unnötig naß zu machen, aber sie wurden immer breiter und am sechsten Tag fielen sie ganz auseinander. Ich band sie dann aber doch noch mit den Bändern irgend wie zusammen, es hielt ein paar Tage und ich war gezwungen Holzschlorren anzuziehen. Wir Schüler betrachteten die Schuhen und was denkt ihr, die Sohlen, das waren Kartonsohlen. Selbstverständlich, Sohlen von Papier können im Wasser auch nicht bestehen. Mein Gemüt war, eben so wie die Schuhe, verrissen. So wie sie waren, so brachte ich sie auch nach Hause, aber auch den Eltern machte es keine Freude. - Nun lieber Leser, wir sind durch den Schuhen ganz vom Thema abgekommen. Wir gehen wieder zurück zu meiner Winterarbeit. Weil man von allem nur wenig hatte und allerwärts sollte geschont und gespart werden, so mußte man manchmal von Stücken und Flicken was zusammen schustern. Auch alle unsere Filzstiefeln, die in unsrem Hause waren mußten immer geflickt und versohlt werden. Wenn Papa auch kein Schuster war, aber er hatte es mir anfänglich gezeigt, wie ich es machen sollte und dann hieß es: "So jetzt mach!" Und so hab ich so manch einen Winterabend, nicht nur ein Jahr, nein mehr, gesessen und Filzstiefel geflickt und versohlt. O wie ging es zuweilen so schlecht. Aber mit der Zeit lernte ich es ganz gut und war Papa in dieser Sache weit überlegen: Es kam mir auch in späteren Jahren zum Paß, ich konnte meine Lebenslage dadurch erleichtern. Viel Arbeiten habe ich auch am Tag gemacht, wie wir schon wissen, zwischen den Besorgzeiten. All zu lange konnte man auch den Abend nicht machen, denn Petroleum sollte auch gespart werden, denn nicht immer war das Öl genügend zu kaufen. Besen binden, wie für die Stube, so auch für den Stall, das ging schon viel besser. Dazu mußten dünne Weidenruten geschnitten werden, die man am Fluß an den Weiden fand. Das war wieder eine Arbeit im Freien, wo ich dann auch nicht besonders eilig war, denn hin und wieder einen Hasen auftreiben machte doch Vergnügen. Die Weidenruten spaltete man, schnitzte sie schön aus und es gab schöne Riemen, die Besen dann zu binden. Das Besenrohr oder auch Besenhirse (?) genannt, säte ein jeder Bauer bei sich im Garten so viel wie er braucht und machte sich davon Besen oder er lies es sich zu Besen verbinden von anderen Leuten. Eine andere Arbeit war dann noch Bürsten einbinden. Wenn im Herbst Schweine geschlachtet wurde, dann brühte man sie. Hier wurden die Borsten alle gesammelt, ausgerupft auch soviel wie möglich nicht verzaust. Die wurden dann später zu Bürsten verarbeitet. Das war auch für mich eine ganz schöne Arbeit, die tat ich gern. In so einem Dorf wie die unsrigen waren, da wußte man recht bald, wer was macht und womit ein jeder sich beschäftigte. Es traf sich auch, daß Papa oder Mama, Besuch, Gäste bekamen wenn ich gerade bei so einer Arbeit war. Wenn dann bei solchen Leuten niemand war, der da Besen oder Bürsten machen konnte, unbedingt fragten sie dann die Eltern, ob ich für sie nicht Besen oder Bürsten machen könnte. Oft hat man mir so viel Arbeit gebracht, wofür man dann für uns etwas tat, oder gab, oder zahlte. Es ist lächerlich, beinahe nicht zu glauben, wenn man es heute erzählt, wie es war. So ein Fall: Ein Bauer aus unserem Dorf hatte keine Kinder, lebte auch wohlhabender wie mach eine kinderreiche Familie. Diesem Bauer seine Frau kam eines Tages zu unserer Mama um etwas zu bestreiten, man sagte ganz einfach auf Geschäfte. Mama machte gerade von alte zerrissene Hosen, Höschen für die kleinen Jungen und beklagte sich, sie habe aber auch wirklich gar nichts, keine Flicken dazu. O, sagte sie, wir können uns womöglich aushelfen. - Laß den Wanja für uns Besen binden und ich gebe euch etliche alte Hosen, die noch gar nicht so sehr zerrissen sind. Das durfte der Mama aber gar nicht zweimal gesagt werden. Ohne weiter davon zu sprechen, willigt sich damit ein. Die Frau brachte etliche alte Hosen, unsere kleinen Jungen bekamen neue Hosen, so daß ich auch etwas konnte dazu tun. In meinem Elternhaus war nur in einer Stube, in der Schlafstube, Holzdiele. Alle anderen Stuben waren Erddielen oder Lehmdielen. In der Schlafstube stand die Wiege, man könnte sagen, die fast unaufhörlich geschaukelt hat siebzehn Jahre. Zählt selber, zehn Kinder beinahe alle groß geschaukelt. Wenn die Wiege nun hätte auf einen Lehmboden gestanden, die wäre ja mit der Zeit in die Erde versunken. Deshalb war hier dochwohl die Holzdiele. Ich wollte hier aber die Lehmdiele erwähnen. Die Lehmdielen mußten aber auch immer schön besorgt werden, wenn sie sollten schön sehen. Einmal wöchentlich wurden sie gewaschen, aber nicht nur mit Wasser, nein, sondern mit einer besonderen zubereiteten Flüssigkeit, davon wurden sie hart und blank. Dieses Rezept kann ich allen Liebhabern geben, der so eine Farbe haben will, weil ich sie im Leben oft genug angefertigt habe. Fast ein Eimer frischer Kuhmist, dann den Eimer voll dicke Milch gießen und dann diese Masse recht fein durchrühren - damit die Diele recht schön verreiben und sie wird hart und blank und erhält eine graubraune Farbe. Wenn die Diele dann schön trocken war, sah es wirklich aufgeräumt aus im Zimmer. Aber selbst die Diele waschen, das ging gar nicht so schön, besonders im Hinterhaus wo die Küche war. Oft genug in der Winterzeit, wo man immer drinnen schaffte mußten diese Dielen gewaschen werden und eine lange Zeit war das meine Arbeit. Wenn dann alle zur Ruhe gingen und das hin und her laufen aufhörte, dann mußte ich den schon vorbereiteten Eimer vorholen, der drinnen in einer Ecke stand, damit er nicht sollte so kalt sein, zündete die Laterne an, nahm noch einen alten trockenen Lumpen zum unter den Knien legen, denn der Fußboden im kalten Hinterhaus war ja eisig kalt. Hier stellte ich die Laterne vor mir auf den Fußboden, den Eimer mit Farbe neben mir, kniete mich auf dem Lumpen nieder und mit einem Läppchen in der Hand verrieb ich dann den ganzen Fußboden. Bei solch einer Arbeit verschwanden jegliche freundliche Mienen.
In einer Geschichte haben wir gelesen, daß Mama oft einen Ausdruck gebrauchte: "Find nicht immer so viel aus, mach, daß du vorwärts kommst!" Aber einmal fand ich was aus und dieses Ausfinden erlaubte sie mir durchführen und mit dieser meiner Arbeit hat sie sich, als es erst gemacht war, vor anderen Leuten gepocht, groß getan: "Das hat unser Wanja gemacht!" - Ich suchte mir einen alten Eimer, der schon gar nichts mehr taugte, schnitt mir ein viereckiges Blech aus, denn anderes Blech hatten wir nicht, ungefähr 20 cm2, malte dem gemäß eine Rose mit paar großen Blättern drauf, schnitt, hackte und feilte sie schön aus und eine Schablone war fertig. Farbe machte ich mir von Kreide und dicke Milch, rührte es zu einer zarten Masse zurecht und war auch damit fertig. Einen kleinen Pinsel macht ich mir von Haaren , die ich bei einer Kuh vom Schwanz abschnitt. Nun war der Maler mit allem notwendigem versehen. Tisch und Stühle trug ich aus der großen Stube raus, rings an der Wand blieben nur die schweren Sachen stehen; wie Kleiderschrank, Ruhbank, Kommode, Bett und die Ofenbank. Ringsum an der Wand unter der dem schweren stehengebliebenem Möbel bildete ich einen Abstand. In dem mittleren großen Raum, auf der schon vorher schön gewaschenen, verriebenen, blanken, getrockneten, harten Diele, legte ich mit einem Wollfaden eine Diagonale ab und legte die Schablone auf die Erde und malte mit meiner weißen Farbe auf der graubraunen Diele meine Rosen eine nach der anderen ab. Solche Arbeit hatte ich noch nie gesehen noch gemacht. Ach die Kinder standen ringsum und staunten über die weißen gemalten Rosen. Als der ganze Fußboden mit so einem Trafarett belegt war, sah es wirklich schön. Arm, primitiv und doch schön. Vorsichtig mit Schonung wurde der Fußboden behandelt. Wie vorher so durften auch jetzt durften die kleinen Kinder nicht in der großen Stube spielen oder rumlaufen. Oft genug hat Mama gesagt: "Kinder, die große Stube ist keine Kinderstube, jetzt mal ruppig raus!" Ohne daß ich vorher daran gedacht habe, hatte ich mir das öftere Dielewaschen in dieser Stube erspart, es hielt ein ganzes Jahr vor. Die Stube wurde nur ganz leicht mit einem weichen Besen ausgekehrt. Wenn dann manchmal fremde Tanten kamen, denen wurde anfangs unbedingt dieser Fußboden gezeigt. Wenn ich jetzt in Gedanken zurückdenke an den schönen Fußboden, der ja doch nicht dauerhaft war, dann glaub ich ganz bestimmt, wenn er mit einmal hätte Wasser bekommen, dann wäre er auch so vergangen, wie meine Papierschuhe in der Z.-Schule vom Frühlingswasser. - Eine andere Beschäftigung war auch noch das Malen. In der Schulzeit liebte ich auch malen und tuschen. Weil spazieren gehen durften wir nicht, freie Zeit gab es wie für uns Große, so auch für die Kleinen sehr wenig, als nur am Sonntagnachmittag. Vormittag und Abends durften wir spielen, in diesen Stunden habe ich oft gemalt. Mit der Zeit fing ich an, Bilder und Wandsprüche zu malen, ja sogar schon hin und wieder für den Leuten. Da ging es so wie mit dem Besenbinden, ich bekam schon Bestellungen, Wandsprüche zu malen. Es kam auch noch eine Kunst zum Vorschein, als mein Schwesterchen gestorben war und ich auf den Sargdeckel den Namen, das Datum und einen Vers geschrieben hatte. Seit der Zeit habe ich bei vielen Gestorbenen den Text auf den Sargdeckel geschrieben. Ja sogar im Dienst der Armee kam mir dieses Malen zu gut, habe auch da viele Texte und Losungen und Plakate geschrieben.
Die Z.- Schule durfte ich nach einem versäumten oder ausgelassenen Jahr doch noch einen Winter besuchen, dann aber mußte ich sie für immer aufgeben. Damit konnte ich mich aber nicht befriedigen und von Stund an habe ich so viel wie in meinen Kräften war jegliche Gelegenheit wo es eben möglich war, ausgenützt, um meine Wissenschaft zu fördern. Meine Gaben, die in mir waren, erleichterten mir in vielen Stücken mein fortwährendes Bestreben. Etwas bemerken, sehen oder hören, es dann kopieren, machten mir keine Schwierigkeiten, weil ich leichtlernig war. Zudem ich noch meinen Erfindergeist noch freien Lauf ließ, das hat mir mein Lebenslage im Leben oft erleichtert.
Nun, wir wollen aber nicht vergessen, daß ich noch immer im Stall besorge. Die Zeit ging, ja sogar die Jahre gingen, ich wurde kräftiger, mit der Zeit sogar stark, demgemäß verrichtete ich auch schon all die Arbeiten, die in der Wirtschaft vorkamen. Ich konnte auch schon volle Weizensäcke tragen, nicht so wie vor Zeiten beim Dreschen, erst nur zwei Eimer im Sack, dann weiter einen halben Sack voll, die ich damals auf den Boden trug. Und alles dies doch immer unter fortwährender Kontrolle, welches mir zuweilen so ungemütlich war.
Das Plauderplätzchen hat mir manche Geschichte zuhören lasse, wovon Papa und Mama nichts wußten. Hier kam mit die Regel und Ordnung, die Mama eingeführt hatte sehr zum Paß. Wenn wir erst schlafen gingen, ich und Heina in der Schlafbank lagen, ich lag vorne, Heina hinten, dann durften wir nicht lange plaudern. Dann sagte Mama recht bald: "Dreht euch nach die Wand und schlaft, wenn ihr hierher schaut, seht ihr alles und könnt nicht einschlafen." Sobald wir eingeschlafen waren, wurden wieder alle Pläne verhandelt und besprochen, im Flüsterton, so daß wenn ich noch nicht schlief, doch alles verstehen konnte. Manchmal ging es aber auch über mein Fell(?) daß man hätte aufspringen können, so daß ich beim schlafen dachte: " Na Mama, dies machst du ärger wie es war." Nicht nur dies allein, ich dachte auch: "Mama, wenn du auch sehr klug bist, aber dumm bin ich auch nicht, du meinst ich schlaf und hör aber doch alles." Hier verstand ich dochwohl ausgezeichnet die Rolle eines Artisten zu spielen, denn ich schnarchte, kauerte, stöhnte, sprach etwas unverständliches wie im Schlaf, drehte mich um, steckte die Nase ins Kissen, damit es nicht sollte zu sehen sein, ob die Augen blinzelten, kauerte weiter, aber alles mit Maßen. So hab ich oft alles von Anfang bis Ende alles zugehört: Von Mama hab ich noch ein Sprichwort behalten: "Der Horcher an der Wand, hört seine eigene Schand." Durch das Horchen, kam ich zu der besten Überzeugung, daß Mama ganz und gar das Ruder in den Händen hatte. Wie sollte ich auch anders denken, wenn ich hören mußte: "Du mußt den Jungen strenger in Zucht halten, denn eines Tages scheißt er uns auf den Kopf." Hatte ich dann am Tage mal Mamas Befehl nicht befolgt und die Gelegenheit passend war, dann packte sie mich nach Gewohnheit an den Armen mit den Worten, die mir bekannte waren: "Ich werde mich von dich nicht auf den Kopf scheißen lassen." Mama hat mich in Papas Gegenwart nie geschlagen, aber beklagt hat sie sich oft über mich in meiner Gegenwart. Meinen Verdienst gab sie mir auch ohne Papa. Ich war schon groß und ich ließ mir alles gefallen, bis dahin hatte ich mich noch nie gewehrt. Zweimal hat es sich getroffen, in der Zeit wo ich das Vieh besorgte, daß sie noch sind wie gewöhnlich vor dem schlafen gehen in der Stall gegangen, sind dann rein gekommen, haben mich geweckt und mit Schelten in den Stall geschickt die Bohlen besser zu säubern und das Vieh besser zu streuen mit Stroh. Dazu mußte ich mich natürlich ganz ankleiden, denn draußen war es kalt. Einmal fuhr ich zur Mühle für die Pferde Schrot mahlen, hatte den Schlitten hoch mit Säcken beladen. Weil bei der Mühle großer Andrang war fuhr ich recht früh, daß ich zum Tag werden schon bei der Mühle sein konnte, doch bei der Mühle waren noch vom vorigen Tag Leute, so daß ich doch noch lange warten mußte, bis ich an der Reihe war. Erst zum Sonnenuntergang konnte ich mahlen. Um die Mitternachtzeit kam ich erst nach Hause, es waren 10 km zu fahren. Es ging nur langsam, der Schlitten war schwer und zudem ging es fast immer bergauf. Es war eine kalte Nacht, ich ging den ganzen Weg zu Fuß. Zu Hause fuhr ich in die Scheune, spannte das Pferd aus, gab es Futter, aß auch selber noch, denn ich war hungrig und dann legte ich mich zur Ruhe. Die Säcke auf dem Schlitten das würde ich morgen am Tag abladen. Auf dem Wege als ich nach Hause fuhr, begegneten mich Rußen, die hielten mich an und baten, ich sollte ihnen doch einen Sack Schrot verkaufen. Ich sagte nur kurz: "Net ne prodam." und fuhr weiter. Am anderen Tag wie gewöhnlich, besorgte ich das Vieh, nach dem Frühstück, machte ich meinen Schlitten leer und die ganze Arbeit ging ja wie gewöhnlich. Ja, aber auch am Abend ging es wie gewöhnlich. Ich war ja noch müde von der vergangenen Nacht, daher war ich recht bald eingeschlafen, aber noch nicht lange, dann wurde ich von dem halblauten sprechen wach und hörte, es geht wieder über mich. Wovon gesprochen wurde, das habe ich schon vergessen, aber es dauerte mir zu lange, mir war es schon über. Ich dachte hier beim horchen, wie bring ich den auf andere Gedanken, dann hat das vielleicht ein Ende. Aha, jetzt hab ich's, dachte ich: Ich sagte recht laut wie im Schlaf: "Net, net ne prodam" und kauerte bißchen und tat so als wenn ich weiter schlief. - Dann sagte Mama zu Papa: "Siehst du, hier kommt es raus, der hat sich in der Mühle gewiß gestritten und gezankt. Da hat ihn dochwohl jemand gefragt zu helfen die Säcke aufgeben (?) und er hat es womöglich nicht getan: Solches ähnelt den Jungen. Hörst du, er sagt ja: "Net, net, ne podam." Auf jedem Fall werden sie ihn haben zurück geschubst, daß er nicht mahlen konnte." - Ach, dachte ich jetzt, auf einen anderen Gedanken hab ich sie wohl gebracht, aber es wollte auch hier scheinbar kein Ende nehmen. Am nächsten Tag wurde ich sehr ausgefragt, ob ich mich nicht gezankt habe in der Mühle, denn ich habe des Nachts gesagt: "Net, net, ne podam." Ich sagte, die Rußen haben wollen einen Sack Schrot kaufen, daher habe ich gesagt: "Net, net, ne prodam." Sie hatte mich nur nichtig verstanden, sagte ich zu Mama.
Am Tisch haben wir immer alle gleich gegessen. Fleisch, Wurst oder dem ähnliches wurde beständig zugemessen. Papa der bekam ja natürlich mehr auch manchmal anderes. Kartoffel oder die Suppen wurden nicht zugemessen. Eine Zeit wurde auch das Brot zugemessen. Wenn auch nicht immer, aber es traf sich, daß die Plauderstunde auch im mäßigen Zustande endigte, dann wurde auch oft noch etwas zu Nacht gegessen: Milch und Butterbrot oder Milch und Kuchen. Wenn ich auch nichts sah, so hörte ich aber, was gemacht wurde oder gegessen wurde. Oder noch ein anderer Fall. Wenn dann mal eine Tante zu Mama kam, so erzählte Mama, wenn sie sich schwach fühlte oder nicht guten Appetit habe, dann habe sie immer getrocknete schwarze Pflaumen vorrätig, sie nehme dann jeden Morgen etliche, das gab ihr dann schönen Appetit und sie fühlte sich dann am Tag wohler. Oh, dachte ich, ich fühle mich sehr lange nicht wohl, ich könnte dieses Unwohlsein vielleicht auch stillen. Daher tröstet ich mich mit dem Verschen, was Mama oft sagte: "Was einem recht ist, ist dem anderen billig". Ich verstand es so: "Was einer kann, kann der andere auch." Ich fing jetzt an aufzupassen, wo eigentlich diese Pflaumen waren und es dauerte auch gar nicht lange, schon den zweiten Tag entdeckte ich das Geheimnis und zwei drei Pflaumen täglich war auch meine, aber ob ich davon kräftiger wurde, konnte ich nicht fühlen.
Ich wurde größer, mit der Zeit fehlte mir ein anderer Palto oder Rock. Es wurde im Laden schwarzes Hosenzeug gekauft. Bei uns im Dorf wohnte auch ein Schneider, er war ein Krüppel, ging auf einer Krücke, wohnte recht weit von uns, am anderen Ende. Eines Tages schickte Mama mich zu diesem Schneider mit dem Hosenstoff und sollte ihm fragen, ob er nicht wollte so gut sein und mir einen Rock zuschneiden. Ganz fröhlich lief ich die Winterstraße entlang mit den Gedanken: Jetzt bekomme ich einen neuen Rock. Der Schneider saß an der Nähmaschine, als ich bei ihm in die Stube trat. Ich grüßte bescheiden und fragte nun, ob er nicht wollte so gut sein und von meinem Zeug mir einen Rock zuschneiden. Er war ganz willig, stand auf, hinkte bis zum anderen Tisch, nahm von mir die Zeugrolle, rollte sie auf, nahm das Meßband und fing an zu messen. Hierbei fragte er noch: "Ei wie lang soll der sein?" Ich weiß nicht, sagte ich, und zeigte ich wie gewöhnlich Röcke sind, dochwohl so lang. Er machte seine Arbeit und als er fertig war, rollte er wieder alles zusammen und gab es mir. Dankeschön, Auf Wiedersehen sagte ich noch und dann ging's wieder nach Hause. Ganz außer Atem kam ich nach Hause in die Stube, Mama stand gerade am Tisch und machte wohl etwas. Ich legte diese Rolle vor ihr auf dem Tisch und zog mich ab. Aber sie hatte die Rolle noch nicht angefaßt, da sagte sie schon ganz aufgeregt: Na, was ist mir dies, hier ist nicht was in Ordnung, ich sehe es schon an der Rolle. Sie rollte sie auf und sagte schon sehr laut: Was hast du gemacht und wie hast du zum Schneider gesagt? Ich sagte: "Mama, ich hab genauso gesagt, wie ich sagen sollte. Ob er nicht wollte so gut sein und mir einen Rock zuschneiden." " Das sollte ja ein Rock sein bis auf die Knie, ein Palto sollte das sein und nicht ein Jäckchen, hier bist du schon wieder deinen eigenen Kopf nachgegangen, ich wird dir zeigen, du wirst auf mir nicht scheißen reiten, das denk dir nur," packte mich an den Armen und drückte mich mit ihrer ganzen Wicht in die Ecke. "Ich las mich nicht von dir kommandieren, das schlage dir ganz aus dem Sinn." Was sollte ich, - ich weinte nur. Dem Papa wurde diese Sache ja auch wieder warm ans Herz gelegt.
Einen Winter lang, an welchen Jahr es war, weiß ich nicht, war Papa schon an der Hobelbank angebunden, er hatte sich für einen Bauern in einen zwölf km entfernten Dorf, der da ein ganz neues Haus bauen wollte, übernommen, alle Türgerüste, Fenstergerüste, wie Türen und Fensterrahmen zu machen. Wenn dann eine Partie fertig war, dann habe ich es auf den Schlitten denjenigen nach Hause gefahren. Das war auch ein ganz gutes Vergnügen. Auch ich hab dann hin und wieder dem Papa dabei geholfen. Aber meine Hauptarbeit war das Vieh im Stall.
Alle Bauern, das ganze Dorf hielt für ihren Pferden auch einen Zuchthengst. Bei Bauern, die sich dann übernahmen, den Hengst zu besorgen, wurde er eingestallt, einquartiert. Heu und Hafer wurde pro Pferd (Stute) von allen Bauern zusammen gebracht. Derjenige Bauer, wo er dann stand, durfte ihn reiten auch etwas fahren, d.h. in der Winterzeit. Im Sommer wurde er ja in die Herde getrieben, nur am Abend mußte ein gewisses Maß Hafer gegeben werden. Den Hengst besorgen, dazu fanden sich nicht besonders viele Liebhaber. Daher bat ich Papa, er solle mir doch erlauben, den Hengst zu besorgen, ich sei ja schon groß genug, auch diese Arbeit zu tun. Zu dieser Frage war Papa nicht besonders willig, aber er gab doch zu ein Jahr, ihn zu besorgen. Freudig ging ich zu dem vorigen Besorger und holte den Hengst. Ich hatte große Freude an diesem Hengst, denn er hatte genau solche Farbe, wie unser verunglücktes Pferdchen, das sich am Zaun spickte. Ein Hellfuchs war er, ein Stern mit einem Schleifchen auf der Stirn, weiße Mähne und einen fast weißen Schwanz. Den Hengst besorgen war gar nicht so einfach wie ich es mir dachte, das erfuhr ich erst später. Oft genug habe ich ihm den Schwanz gewaschen, weil er sollte weiß bleiben, auch mußte er mehr wie unsere Pferde geputzt werden um damit er schön glatt und blank sehe. Hier waren ja mehr Kontrolle, als nur Mama und Papa. Hier könnten vielleicht auch noch alte Onkels kommen und mustern, das wäre ja dann zum schämen gewesen. Daher hatte ich einen Winter viel Zeitvertreib im Stall. Wenn die Jungen dann am Sonntag zu uns kamen, dann konnte ich auch einen krummen Hals machen und verschiedenes erzählen. Das beständige Reiten und eine kurze Spazierfahrt machen, das die Leute im Dorf es sehen sollten, war ja auch wirklich für solche Jungen wie ich, ein wahres Vergnügen. Im Sommer wurde er verkauft, er sollte gewechselt werden, er sollte in der Herde mit seinen Töchtern nicht spielen.
Vor Beginn des Frühlings, war bei allen Bauern Gebrauch das Ledergeschirr nachzusehen und in Ordnung zu bringen. Es mußte genäht werden, geflickt werden, später dann alles schön mit Teer eingeschmiert werden, damit es fertig sei zur Aussaat. Diese Arbeit hab ich in späteren Jahren auch immer gemacht.
Sobald die warme Frühlingstage kamen, fand sich auch noch ein Schneearbeit für jeden Bauer. Auch dies war meine Arbeit. Am Haus, an der Nordseite, stürmte es im Winter große Schneestürme zusammen. War der Winter schneereich, dann gab es auch manchmal Dünen bis an die Spitze de Daches. Dann mußte das Dach beizeiten abgeschaufelt werden, denn vor dem schweren Schnee konnte leicht das Dach einbrechen, was auch manchmal geschah, wo ein Dach nicht besonders stark gebaut war. Von den Wänden mußte ebenfalls der Schnee bis 70 80 cm abgeschaufelt werden, damit die Wand vom nassen Schnee nicht aufweichen solle. Auf der Straße mußte der Wassergraben auf oder leer gegraben werden, damit das Frühlingswasser nicht unverhofft Überschwemmung mache. - Eine allgemeine Dorfarbeit war noch, sobald sich das Frühlingswasser zeigte, mußte der dann beim Fluß durchgegraben werden. Dem ersten Wasser einen Durchgang machen, damit nicht der ganze Damm wegreiße. Zu einem Arbeiter von der Wirtschaft stellten sich dann hier ein.
Noch ein allgemeine Erdarbeit war, wie im Sommer so auch im Winter, zu verrichten. Das war Grab graben. Sobald jemand gestorben war, so mußte der Reihe nach zu vier Mann ein Grab graben.
Kapitel 78
Wanja oder Hans
Jahre gehen, Jahre kommen und so bemerkt man einen beständigen Zeitwechsel, ebenfalls auch die Menschen, sie kommen und gehen. Die Kinder wachsen zur Jugend hinan, die Jugend reift zum Mannesalter aus usw. Eine Generation verdrängt die andere. So war es und so ist es bis auf den heutigen Tag. Verschiedene Ereignisse bringt die Zeit mit sich, aber auch so viele die sich fortwährend wiederholen, z.B. Hochzeit und Begräbnis das war von je her, ist auch heute noch gegenwärtig und wird auch bleiben so lange die Erde steht. Hochzeiten sind Freudenfeste - Begräbnisse sind Trauerfeste. Wenn solche Feste eintreffen, dann muß auch jedes Fest betreut werden, damit alles ordnungsgemäß, ohne besonderes rennen, jagen und fragen zugeht. - Bei den Deutschen der Neusamarer Kolonie war folgende Sitte, die wir etwas vorführen wollen. Die Vorbereitungen zur Hochzeit wie zum Begräbnis waren fast ein und dieselbe. Wenn es einen Hochzeit gab, dann schrieb der Vater der Braut Einladungsbriefe. Das ganze Dorf ohne Ausnahme wurde eingeladen, der Brief wurde von Haus zu Haus getragen, von jedem Haus wurde er weiter befördert. Andere Briefe gingen nach andere Dörfer wo Bekannte und Verwandte waren. Nicht das ganze Dorf, sondern nur namentlich erging die Einladung. Zur Arbeit wie zur Vorbereitung so auch zur Hochzeit wurden bestimmte, oder richtiger mußten sein: Ratgeber, Aufseher, Bäcker, Kochs, Sträußchenmacher, Kellner, Mädchen, die allen jugendlichen Gästen, groß und klein, die Sträußchen ansteckte, Kranz und Schleier aufsetzten und abnahmen. Jungen wurden bestimmt, die da aus- und einspannen würden, wenn auswärtige Gäste würden kommen. Der Bräutigam hatte auch seine bestimmte Arbeit, den Teig, der im Hause der Braut angerührt wurde, mußte er persönlich einen jeden Bäcker ins Haus tragen, den Tag vorher. Er mit noch etlichen Jungen mußten die Bänke zusammen fahren, die bei den Leuten im ganzen Dorf geborgt wurden. Das war zum Teil deshalb, wenn der Bräutigam nur vom sehen, schon vor der Hochzeit bekannt wurden.
Wie die Hochzeit gefeiert wurde, ist schon etwas in einer vorher gehenden Geschichte geschrieben. Eine kleine Ergänzung füge ich aber noch hinzu. Am Sonnabend Abend war immer Polterabend. Am Hochzeitstag bekamen alle auswärtigen Gäste Mittag. Ein vielfaches Essen gab es nicht, ein schönes Gericht d.h. gewöhnlich eine schöne Fleischsuppe mit Kartoffeln und allem Gewürz dabei, dazu noch frisch gebackenes Weißbrot und fertig. Einen zweiten, dritten Teller oder Kuchen und Tee, so was war nicht. Am Nachmittag wurde eine christliche Versammlung abgehalten. Lieder wurden gesungen, die Trauhandlung wurde gemacht. Jung und alt, alle beteiligten sich. Dann gab es ein Vesper für alle. Zuerst aßen alle auswärtigen Gäste, das diejenigen, welche weit fahren mußten, zur bestimmten Zeit losfahren konnten. Das Essen zu Vesper bestand nur aus Zuckerkuchen, Zwieback und Kaffee mit Milch und Süßrahm. Eine festen, beständige Regel und Ordnung wurde befolgt. Die Mädchen trugen nun ausgeschmückte Körbchen, Tassen und Kuchen auf dem Tisch. Alle mit einer schön weißen, festlichen Schürze geschürzt. Die Jungen mit einem weißen Handtuch über die linke Schulter hängend, in der rechten Hand Kessel mit heißem Kaffee, trugen ihn auf den Tisch. Ohne Handtuch und Schürze wurde das Essen nicht beigetragen, anders nannte man es dann, unverschämte Bediener. Nach dem Vesper war eine Pause, so nach und nach in kurzer Zeit fuhren die auswärtigen Gäste auch nach Hause, die Dorfbewohner mußten auch nach Hause gehen, ihre Wirtschaft, ihr Vieh besorgen. Am Abend wurde die Feier weiter gemacht, hier beteiligte sich meistens nur die Jugend, die Alten waren gewöhnlich nur Zuschauer. Wurde gesungen, der Gesang wurde von Mädchen mit etlichen Gitarren begleitet. Verschiedene jugendliche Spiele wurden gespielt und viele zu rasch ging der Abend zu Ende. Vor Schluß wurde dann noch mit einem extra Spielen und Singen der Kranz und er Strauß abgenommen und den Brautleuten mit singen kundgetan, daß hiermit ihre Jugendzeit abgeschlossen sei. Ein lustiges Schlußspiel mit Gesang war noch den Kranz und Strauß im großen Kreis, dem zukünftigen Brautpaar zu zuspielen, diejenigen wurden dann mit fröhlichem Beifall hochgehoben. Und somit war die Hochzeit aus. Kein Schnaps und kein Wein wurde auf Hochzeiten oder Begräbnissen getrunken, das war höchst unsittlich.
Nun sind wir aber durch diese Geschichte ganz von unserer Überschrift abgewichen. Anno (?) 1925 machte meine Halbschwester Hochzeit. (Nicht Halbschwester, Cousine) Auf dieser Hochzeit sollte ich Ausspanner sein. Wenn auswärtige Gäste kamen, die Pferde ausspannen und sobald sie nach Hause fahren wollten, die Pferde wieder einspannen. Nun kam auch ein Droschke voll Gäste, da war auch meine Cousine Anna Janzen, die einstmals ledig war, die mich als kleines Kind gehütet, gepflegt und besorgt hatte. Sie stieg vom Wagen und wir begrüßten uns ganz freundlich. - Nun Wanja wie geht's, fragte sie dann weiter. Mein zweiter Geselle, der schon anfing auszuspannen, der hörte ja, was wir sprachen. Ich drehte mich jetzt auch zu den Pferden um meine Arbeit zu machen und sagte dabei, um zu zeigen, daß ich doch nicht so ganz klein war, wie sie mich nannte: "Ich bin kein Wanja, ich bin Hans." Die Gäste gingen ins Haus, ich aber und mein Geselle, wir machten unsere Sache weiter. - Am Abend, als wir beiden die letzten Pferde eingespannte hatten, dann waren wir pflichtfrei. Wir gingen jetzt auch noch und schauten den letzten Spielen der großen Jugend zu. Wir waren ja doch noch halb berechtigt zu spielen. - Nun war die Hochzeit aus und alle Leute gingen nach Hause. Obzwar ich mein Sträußchen an der Jacke, bei den Pferden verknittert hatte, so ging ich dennoch guten Mutes nach Hause, weil doch so viel fremde Leute gesehen hatten, daß auch ich schon mit den Pferden schaffen konnte. - Kaum war ich zu Hause, so ging auch schon der Katertanz los. "Wanja, komm mal," sagte Mama, "komm mal her. Sag mal wie du heißt." Ich wußte im ersten Augenblick gar nicht, was das bedeuten sollte, ich war verblüfft. Dann sagte sie weiter "wer hat gesagt, daß du ein Hans bist?" Dann jedoch war mit alles klar. Aber es kam noch mehr. - Du hast dir keinen Namen zu geben, die Namen geben wir. Tante Koopsche kam auf der Hochzeit zu mir und fragte ganz aufgeregt: "Seit wann heißt euer Wanja Hans?" Mama habe gesagt, davon weiß sie nichts. "Ja, ja," habe Tante Koopsche (Anna Janzen) "beim Ausspannen sagte er zu mir, er heiße nicht Wanja sondern Hans" Und zum Schluß sagte sie dann noch: "Du heißt Wanja und nicht Hans, hast du verstanden? Das ich das nicht noch einmal hören werde, sonst gibt es was anderes."
Im Dorf wurde ich allerwärts Hans gerufen, deshalb kam es mir ganz selbstverständlich vor, als ich sagte, daß ich kein Wanja, sondern Hans sei. - Nun gut. - Dem Wanja war wieder die gute Stimmung verbruddelt.
Kapitel 79
Der Zweiräder
Es war an einem schönen Sommertag, kurz vor der Weizenernte, schon recht früh am Morgen, wo wir noch nicht aufs Feld gefahren waren, kam zu uns ein fremder Mann mit einem Zettel vom Vorsitzenden der Dorfbehörde. Im Zettel stand folgendes: Diesen Mann nach Blagodatnij fahren. Das waren etwa 15 km. - Alle Reisen, die im Dorf mußten gemacht werden für den Staat, die wurden beim Vorsitzenden registriert, aufgeschrieben auch waren sie alle in drei Gruppen geteilt. Es gab kurze, mittlere und lange Reisen. Diese Reise, die Papa machen sollte, gehörte zu den mittleren Reisen.
Nun, was war jetzt zu machen? den ganzen Tagesplan umändern, weiter war nichts geblieben, denn der Man mußte weggefahren werden. Papa schickte mich zu Onkel Ridiger, den Zweiräder borgen und dann sollte ich die Reise machen. Diese Reise, wie und wann sie nicht eintrafen, mußten alle Bürger des Dorfes nacheinander der Reihe nach machen. Als ich nun zu Onkel Ridiger kam und fragte nach dem Zweiräder und ihm auch gleich sagte, was wir tun sollten, dann sagte er zu mir: Sag nur zu Papa, die Reise ist noch nicht bis euch, aber den Zweiräder kannst du nehmen. Ich nahm ihn und fuhr nach Hause, ganz freudig in meinem Sinn. Soweit fahren, da gab's ja unbedingt wieder was neues zu sehen. Dachte aber gar nicht daran, was Onkel Ridiger gesagt hatte - aber wirklich nicht, ich hatte es wahrhaftig vergessen. Jetzt spannte ich das Pferd vor dem Zweiräder, der fremde Mann und setzte mich darauf und wir fuhren los. Der Weg ging durch das Dorf Kuterlja, da wo meine Oma wohnte, noch etliche Kilometer weiter. Als wir nun in Blagodat waren, stieg der Mann ab, ging seine Wege und ich drehte um und fuhr auch gleich wieder zurück, nach Hause. Ich fuhr ganz, wie gewöhnlich gefahren wurde, war ich doch schon oft gefahren und wenn nicht allein, dann aber mit Papa zusammen. Daher wußte ich, wie man mäßig fahren mußte. Erst spät Mittag kam ich nach Hause. Als ich ausgespannt hatte, das Pferd an die Krippe gestellt hatte, brachte ich auch gleich den Zweiräder nach Hause. Jetzt ging ich nach Hause und glaubte auch wieder, was großes getan zu haben. Jedoch als ich nun kam, fragte Papa mich, was Onkel Ridiger des morgens mir gesagt habe. Ich war still, denn ich wußte ich, ich hatte es vergessen. Da sagte Papa: "Sagte Onkel Ridiger nicht, du solltest sagen, die Reihe sei noch nicht bis uns." Ja, sagte ich, denn jetzt viel es mir wirklich bei. Ich sagte zu Papa, ich hatte es ganz vergessen. So, sagte er, dann mußt du einen Denkzettel bekommen, daß du ferner daran denken wirst. Er nahm den Tater und Strafe folgte.
6.1.84
Kapitel 80
Der Hirte
Ein Hirte hat ein verantwortungsvolles Amt zu bestreiten. Ein Hirte sein, ist mit vielen Beschwerden verbunden. Seine Arbeit muß seht pünktlich und beständig gemacht werden. Er ist jeglichem günstigen und ungünstigen Wetter ausgesetzt. Ob nun Regen, Frost oder Hitze, er muß seinen Posten stehen, seine Wache halten. Es kommt hart auf die Gesundheit seiner Füße an. Man pflegt zu sagen: "Von früh bis spät auf den Füßen". Ganz besonders ist es wenn es regnerische Tage sind, vom nassen Kraut und Gras wer die Füße naß. Zudem findet er auf der freien Steppe kein trockenes Plätzchen, wo er dann wohl könnte etwas ruhen. Seine kurzweilige Ruhe ist, wenn er gestützt am Hirtenstab stehen kann und doch dabei noch die Aufsicht über seine Herde hält. Die Kleider werden zuweilen gänzlich naß. Dann müssen sie zu Hause aber unbedingt für den morgigen Tag getrocknet werden. Dazu muß der Ofen oder der Herd geheizt werden. Die andere Seite dagegen ist, wenn große Hitze eintritt. Die biete ihm auch viel unangenehmes. Dann finden sich soviel Stechmücken, die dem Vieh keine Ruhe geben. Es ist ein unruhiges hin und er laufen oder gehen, wo auch der Hirte dann immer hinterdrein muß. Von der Hitze findet sich Durst und das Wasser ist oft so fern von der Herde. Und wenn der Hirte auch manchmal eine Flasche mit Wasser bei sich trägt, so wird das Wasser warm, das dann schließlich doch nicht den Durst löscht. Bei nebligen Tagen muß er ganz auf der Hut sein, denn dann hat oft der Wolf sein vorteilhaftes Spiel. Er kann sich mehr unbemerkt an die Herde schleichen, weil man nicht weit sehen kann. Hier muß der Hirte an der Seite, von wo aus der Wolf wohl kommen könnte, noch öfters wie gewöhnlich hin und her gehen denn Schafe von dem Wolf verreißen, oder sogar fortschleppen lassen, bringt ihm kein Lob von den Bauern. Oft genug wurde nicht nur mit Nichtachtung auf einen Hirten geschaut. Oder Menschen, die zuweilen nicht viel von sich machten oder manchmal arm waren, die wurden mit einem Hirten verglichen. Man pflegte zu sagen, so ganz unbedacht: "Als ein Hirtenbengel, oder als ein Hirtenlaps" (Laps ist estnisch Junge) Eine andere Seite: Man wollte einen Hirten auch gar nicht viel zahlen, man brauchte dann den Ausdruck: "Der sitzt ja nur den ganzen Tag"
Zu meiner jener Zeit, was ich mich erinnern kann, kann ich .......... Hirten mitteilen. Die Bauern des Dorfes mieteten sich die Hirten. Gewöhnlich kamen ärmere Rußen, die boten sich als Hirte an. Man war beständig bestrebt, so billig wie möglich, den Hirte zu zahlen. Nicht Geld wurde gezahlt sondern Produkte: Weizen, Roggen, Kartoffel, Butter, Milch und Mehl vielleicht auch was anderes. Willigte der Hirte ein auf längere Zeit, ein zwei Jahre auch darüber, dann mußte er auch Brand (Mist) zum Winter haben. Das alles wurde ihm gegeben so wie sie sich beiderseits einig wurden. Die ganze Zahlung wurde verlegt auf eine Einheit oder ein Kopf. Großvieh - eine Kuh ein Kopf. Kleinvieh - vier Schafe ein Kopf. Denn mancher Bauer hatte nur eine Kuh, ein anderer dagegen hatte auch vier Kühe. Dazu wurde von den Bauern ein Hirtenschulze gewählt, der dann dem Vieh gemäß die Zahlung ausrechnete und den Hirten gab. Ganz besonders nicht dankend war, (so möchte ich heute sagen) daß dem Hirten sein Haus, das von den Bauern gebaut war am Ende des Dorfes, nicht zu strick mit allen anderen Häusern, sondern etwas entfernt nach hinten stand. So machte der Hirte sich auf längere Zeit ansässig, dann wurde ihm von der Dorfbehörde auch ein Garten gepflügt, wo dann seine Frau mit den Kindern den Garten bearbeitete und auch vor allem kleines Gemüse, was zu bekamen. Gewöhnlich hütete die Frau mit den Kindern die Kälber nicht weit von ihrem Haus, so daß sie inzwischen freie Zeit hatte, für ihre kleine Wirtschaft. - - Als die Kollektivierung kam und der Kolchos organisiert wurde, verschwanden die Hirten, denn sie fanden Arbeit in den Kolchosen und sie zogen zurück in ihre Dörfer, von wo sie waren. Jetzt war ein jedes Dorf auf sich selbst abgesehen und sie mußten sich aus ihrer Mitte Hirten mieten. Jetzt bekam das Bild einen ganz anderen Schein. Anfänglich ging das hüten rund. Ein Mann vom Haus einen Tag hüten, - ein Weilchen ging's dann ging's nicht mehr. Der ärmere Bauer sagte, wozu werde ich , der ich eine Kuh habe, einen Tag hüten und der da vier Kühe und noch eine Herde Schafe hat, der wird auch nur einen Tag hüten, auf solche Art hüte ich nicht mehr. Der reichere Bauer, der das hüten auch schon geschmeckt hatte, war auf einer anderen Art auch nicht einverstanden. Es gab ein hin und her und keiner wollte Vieh hüten. Auch hatte sich ein jeder schon die Zahlung überlegt, die den vorigen Hirte war gezahlt worden, daher war es ganz besonders schwer, einen Hirten zu finden und das Vieh mußte aber doch gehütet werden. Es wurde nicht mehr gehandelt um den Hirtenlohn so viel wie möglich klein zu machen, im Gegenteil, man willigte auch schon ein, einen schönen Preis zu zahlen, wenn sich nur jemand fände. Das mit Nichtachtung auf einen Hirten schauen verschwand. Es kam so nach und nach und gegenwärtig haben wir die Zeit, wo einen Hirten Ehre und große Anerkennung geschenkt wurde auch der Lohn übertrifft in vielen Stücken den Lohn anderer Leuten.
Die Einleitung über diese Geschichte "Der Hirte" ist eigentlich viel zu groß für die paar Zeilen, die ich schreiben will über das Viehhüten, über Ereignisse, die sich getroffen haben in meinem Leben, wo ich mit Viehherden zu tun gehabt habe. Ich war noch nicht groß, etwa sieben acht Jahre, als Papa auch eines Tages das Vieh hüten mußte. Allein konnte ich noch nicht das Vieh hüten, aber hilfreich konnte ich ihm dabei schon sein. Ein Pferd ließ er zu Hause und das andere Vieh mit dem Dorfvieh trieb er des Morgens früh aus. Ehe er ging bestellte er, um die Vesperzeit solle ich mich zu reit setzen und den Hausackerweg geradezu reiten, dann würde ich ihn schon mit der Zeit sehen und dann solle ich gegen Abend zu reit die große Herde mehr zusammentreiben um nach Hause zu treiben. Es sei ungefähr fünf Kilometer. Ich konnte die Vesperzeit kaum abwarten, dies war für mich ja wieder ein Vergnügen. - Endlich ritt ich los. Ich ritt und ritt und keine Viehherde nicht zu sehen. Der gerade Weg hatte mit einmal ein Ende, ich kam bis zu einem kleinen Flüßchen, hier ritt ich durch, war aber kein Weg, Papa hatte aber gesagt immer geradeaus und so ritt ich weiter ohne Weg und Steg. Mir wurde unheimlich zu Mute, aber ich ritt noch weiter. Die Sonne neigte sich dem Abend zu und ich glaubte auch schon fest, daß ich nicht richtig geritten sei, und Papa noch finden, die Hoffnung gab ich schon auf, ich würde umdrehen und nach Hause reiten, ehe es ganz abend wurde. Noch wußte ich wie ich nach Hause kommen könnte. Wie gedacht, so getan. Ich spornte das Pferd schon ziemlich an, denn ich besaß schon eine Furcht. Ich hatte schon die halbe Strecke zurückgelegt, als ich mit einmal eine Viehherde zusehen bekam. Nun eilte ich aber noch schneller, gerade nach dieser Herde. Vor Freude weinte ich, daß ich Papa gefunden hatte. Er war schon fertig, das Vieh nach Hause zu treiben. Natürlich sagte ich ihm auch, wo ich geritten sei, war auch nicht falsch geritten, nur in der Zeit wo ich hätte können die Herde sehen, habe sich das Vieh mehr in einer Schlucht aufgehalten und ich habe es deshalb nicht bemerken, sehen können. Vom Vergnügen war mir noch geblieben, nur das Vieh nur strack nach Hause treiben, denn es war derweil ganz Abend geworden.
Ein anderes Mal war es, wo die Reihe wieder an uns war, das Vieh zu hüten, da war ich aber schon so groß, daß ich allein das Vieh hütete. Es war ein trüber Tag, bis dahin war scheinbar alles schön abgegangen, doch um die Vesperzeit, gar nicht besonders weit von mir, stoben die Schafe wie von einem Schuß getroffen auseinander, etliche, ohne Aufenthalt auf mich zu. In diesem Augenblick sah ich, daß ein Wolf auch schon ein Schaf gepackt hatte und ließ es nicht laufen. Auch ich lief rasch zu diesem Schaf. Er hatte es dochwohl mehr in die Wolle gepackt und über diesem kam ich noch hinzu, so daß ich beinahe mit dem Knüppel langen konnte. Er lies es los und machte sich davon. Das Schaf stand noch ein Weilchen, vielleicht mehr erschrocken, als verwundet. Ich konnte es aber doch noch nach Hause treiben mit all dem anderen Vieh.
Ob es in dem selben Jahr war oder später habe ich schon vergessen, aber auf der selben Art, wie schon oben erwähnt geworden, mußte ich wieder einmal einen Tag das Vieh hüten. Das Wetter war ungünstig, feiner Regen, dazu noch ziemlich neblig, man konnte gar nicht weit sehen. Die ganze Herde war auf dem Felde nicht zu überblicken. Günstig genug war das Wetter aber für den Wolf. Hier hieß es recht tapfer bei der Sache zu sein. Für dieses Mal war ich aber nicht allein. Mein kleiner Bruder, der sieben Jahre jünger war als ich, war auch bei mir auf der Steppe. Wir waren schon mit dem Vieh bis auf der Weidesteppe und machten schon Halt, das Vieh hatte sich noch gar nicht besonders verstreut, als mit einmal die Schafe auseinander stoben, wieder ein Wolf. Mit großem Geschrei und erhobenen Knüppel liefen wir zu den Schafen. Es glückte, auch dieses Mal mußte der Wolf ohne Beute fliehen. Mein Bruder, der jetzt wahrhaftig einen lebendigen Wolf gesehen hatte, war doch so erschrocken, daß der den Tag lang nicht einen Schritt allein in die Herde machte. Hatte er doch zu viel als Kind von dem Wolf erzählen hören.
Von den Pferden.- Die Pferde waren bei den Bauern die unentbehrliche Ziehkraft. Am Tag waren sie immer bei jedem Bauer an der Arbeit, wurden daher des Nachts auf die Weide getrieben. Selbstverständlich mußten sie gehütete werden. Ein Mann vom Haus zu zwei Mann hüteten dann, der Reihen nach, die Pferde. Reitend zu Pferd wurde die Nachtherde auf Steppe getrieben. Beim Vieh am Tage gab es keine Pferde. Daher war das Pferdehüten ziemlich interessanter als das Vieh, wenigstens für die Jungen, denn hier konnte man auch manchmal scharf reiten oder sogar jagen. Mir war es immer ein großes Vergnügen. Auch kamen manchmal alte Onkels, wo keine Jungen waren, baten uns ob wir nicht für sie Pferde hüten wollten. Auch das tat ich gern, wenn Papa es mir erlaubte. Zudem noch dann auf fremde Pferde reiten, die zuweilen noch besser waren als die unserigen, dann ging es lustig, dann hatte man keinen Schlaf. Aber einmal hatte ich Unglück. Ich hatte beim reiten auf der Steppe die Decke unter dem Sattel verloren. Wann und wo, wußte ich aber gar nicht. Als ich nun des Morgens wieder nach Hause geritten kam, hatte auch Mama schon die Kühe gemolken und kam auch zur Tür, da wo ich das Pferde entsattelte. Auch ich, auch sie wurden es gewahr, daß die Satteldecke fehlte, sie war verloren, anders konnte es nicht sein. Es wurde auch gleich Papa gesagt und schon ging das Schelten nach alter Art los. Papa hat nie laut gescholten, aber wenn Mama flüsterte, das konnte der Nachbar hören, zuweilen auch der andere. O dann kam es Schlafmütze, wenn dir der Arsch nicht wäre angewachsen, so hättest du ihn auch schon längst verloren. Jetzt aber ruppig zurück und die Decke gesucht, und ohne Decke kommst mir nicht nach Hause. Ich führte das Pferd an die Krippe, gab es Futter und ging dann die Ausjagt entlang auf die Steppe, die Decke suchen. Ein Glück, ein Kilometer auf der Ausjagt, beim die Pferde nach Hause treiben, hatte ich die Decke verloren. Der Hirte hatte hier schon das Vieh auf die Steppe getrieben und hatte sie nicht bemerkt. Das war wahrhaftig mein Glück. - Ganz beruhigt hatte Mama sich noch nicht, aber mit weicheren Worten endigte doch das Gespräch, als ich mit der Decke nach Hause kam.
Nun aber ist noch eine Geschichte geblieben zu beschreiben vom Hüten, welche sich etliche Jahre später zugetragen hat. Ich hatte schon geheiratet, wohnte in einem andren Dorf. Nach einem Jahr wurde ich vom Brigadir von meiner früheren Arbeit übergeführt auf die Milchfarm. Hier wurde ich angestellt, das Jungvieh, lauter junge Ochsen zu hüten. Es waren etwa siebzig Köpfe. Ein Pferd gab es damals noch nicht. Alles mußte zu Fuß belaufen werden. Es war ein heißer Sommer. In der heißen Sommerzeit ist das Jungvieh besonders unruhig, ganz besonders in der Stechmückenzeit. Ein Ochse nach dem anderen, von den Mücken gepeinigt, hebt dann den Schwanz in die Höhe und im Galopp, fast wie besessen, laufen sie dann in der Herde umher und manchmal noch eine ganze Strecke von der Herde fort. In einer großen Herde gibt es immer mehr oder weniger, ruhiges Vieh, aber zuweilen sind auch sehr unruhige Köpfe darunter, die mehr umherlaufen und gar nicht recht in der Herde zu halten sind. Solche Argumente hatte ich auch damals in meiner Herde, etwa sechs Köpfe. Diese gingen voran und die anderen freilich nach. Und so mußte ich springen ohne Aufenthalt um die Herde zusammen zu halten, den ganzen Tag entlang. O, wie war ich dann manchmal fast todmüde, wenn ich das Abends nach Hause kam. Das mir zuweilen der Appetit zum essen vergangen war. Einen Hund hatte ich auch nicht, der mir in dieser Sache könnte behilflich sein. Und so plante ich hin und her und endlich kam mir eine Idee in den Kopf. Ich machte diesen sechs braven Ochse, die mir schon so viel Mühe gemacht hatten, jedem ein Hängholz. Sechs recht dicke Stöcke schnitt ich mir zurecht, etwa 3 - 4 cm dick und 50 cm lang, band einen Strick in der Mitte dieses Stockes an (wie ein Kleiderhängsel) und jedem Ochsen hängte ich so ein Hängsel am Hals ungefähr 20 cm von der Erde hoch. Das war für jedem Ochse ein sehr unpassendes Ding. Fressen konnte er wohl, auch langsam gehen, aber sofern er anfing scharf zu gehen oder sogar noch laufen wollte, dann fing dieses Hängsel an zu schaukeln und er stieß sich dran oder es kam ihm zwischen die Vorderbeine, so daß ihm das Laufen verging. Von Stund an hatte ich es viel leichter, denn ich brauchte jetzt nicht so viel laufen wie zuvor. Meine Ochsen, die immer unaufhaltsam vorne wegliefen, waren jetzt zahm geworden. Und doch gab es viel zu laufen, so daß man manchmal vor Wut schier verging. Dann hab ich auch oft mit dem Knüppel drin geworfen, schonungslos, ohne Erbarmen. Einmal bei so einem Wurf, traf ich einem Ochsen mit dem Knüppelende zwischen den Hinterbeinen ganz oben am Knochen, von diesem Schlag war der Knochen gebrochen, das passierte beim nach Hause treiben. Er lahmte sehr, konnte fast nicht gehen. Zu Hause rief ich den Vieharzt herbei und sagte: Er sollte mal sehen, was mit dem Ochsen passiert sei, der kann beinahe nicht gehen. Er stellte fest, der Knochen sei gebrochen, aber wie, daß konnte er sich gar nicht deutlich machen. Mit dem Knüppel kann man ja die Beine verschlagen, aber nur irgendwo unten, jedoch ganz oben, zwischen den Beinen da kann ja kein Knüppel bei, so erklärte er es sich. Solche Erklärung war mir sehr passend, obwohl ich dachte, lieber Freund, daß hat aber doch mein Knüppel getan. Wäre hier die Wahrheit herausgekommen, so hätte ich den Ochsen bezahlen müssen, oder ich wäre sogar dem Gericht übergeben worden. Der Ochse wurde geschlachtet und der Kindergarten bekam frisches Fleisch. Einen ganzen Sommer habe ich Ochsen gehütet. Im Spätherbst wurde ich in den Staatsdienst einberufen.
Kapitel 81
Bausteine
In einer Geschichte haben wir gelesen, daß ich den Schnee von Dach auch von der Wand geschaufelt habe. Mit der Zeit wurde bei uns im Stall eine Wand schief, so nach und nach gab sie sich immer und sie drohte umzufallen. Die Ursache war vielleicht der schwere Schnee auf dem Dach. Weiter, womöglich war von dem Schnee an der Wand die Erde zu sehr aufgeweicht. Ich weiß nicht. Da war jetzt nur ein Ausweg, die Wand mußte umgeworfen, ehe es Unglück geben konnte und wieder frisch aufgemauert werden. Für diese Wand wollte Papa aber Steine beifahren um ein kleines Fundament zu machen. Hier gab es für mich wieder eine schöne Arbeit. Unser Land war nicht reich an Steinen oder Steinberge. Daher Steine irgendwo herschaffen das war gar nicht so einfach. Papa war auf der Suche nach Steinen und richtig, auf einem nicht großen Berg, den man hinauf fahren konnte, etwa drei Kilometer entfernt, hatte er eine nicht große Steinanlage gefunden ungefähr 20 cm dick mußte die Erde herunter geschafft werden. Auch war es nicht besonders schwer, die Steine zu brechen, es waren nicht harte, sondern mehr Sandstein. Nun, Steine bleiben Steine, deshalb ist es doch eine schwere Arbeit. Papa war hier auf der Steppe und brach die Steine und ich konnte sie schon ganz allein nach Hause fahren. Das Abladen vom Wagen war ja lange nicht so schwer wie das Aufladen. Das Aufladen hat Papa dann geholfen. Das war eine Arbeit, die ich schon beinahe als ein Großer verrichten konnte.
Kapitel 82
Stehlen
Stehlen ist eine Untugend. Stehlen, fremde Sache aneignen, das wurde uns Kindern von je her streng verboten. In dieser Geschichte will ich mitteilen, wo ich solche Unart doch getan habe, in meiner Kindheit und etwas später noch. - Es war in der schönen Sommerzeit an einem Sonntagvormittag. Die Stachelbeeren konnte man schon essen, obzwar sie noch nicht reif waren, die Schwarzbeeren jedoch waren schon ziemlich reif (Smorodina). Die Eltern waren ins Nachbardorf zur Kirche gefahren, selbstverständlich auch andere Leute noch. Unsere andere Kinder, die schon mehr selbstständig spielen konnten, lies ich allein und lief unbemerkt von ihnen fort. Ich lief nach hinten, den Garten entlang und hinter unserem Wald, der am Ende des Gartens war, befand sich ein Fußsteg, der am Ende aller Gärten bis zur Mittelstraße führte. Auf diesen Steg lief ich, bis ich an einen Garten, wo ich wußte, daß diese Leute seien auch in der Kirche. Hier schlich ich mich in die Schwarzbeerenhecke hinein und pflückte und aß. Ich könnte hier aber auch leicht von den Nachbarn bemerkt werden, daher hielt ich mich ganz unten im Dickicht der Hecke auf. Dies alles war für mich nicht befriedigend, denn hier fand ich zu wenig Beeren, daher entschloß ich mich, von hier fort zu schaffen, irgend in einen anderen Garten zu laufen. Obzwar ich auf der frischen Stelle auch mehr Beeren fand, aber im Versteck Beeren pflücken und essen machte mir keine Freude. Ich hätte ja noch mehr essen können, aber ich machte Schluß, ich lief nach Hause. Es war doch eine nette Zeit verstrichen und als ich nun wieder in den Hof zu den Kindern kam und die mich schon gesucht hatten und auch fragten, wo ich denn solange gewesen sei, sagte ich, ob sie mich nicht gesehen haben, ich habe in der Smarodinahecke und habe Beeren gegessen. - Für dieses Mal unbemerkt davon gekommen. - Aber eines blieb: Ich hatte gestohlen und gelogen. Später, nach Jahren, habe ich es den Leuten aber doch gestanden.
Ein anderer Diebstahl: Wie wir im Dorf die Nachtwache gehalten haben, das ist bekannt. Das die Diebe nicht werden gestohlen haben wo der Klapper klapperte, das ist zu glauben. Aber das ein Dieb doch gestohlen hat, wo der Klapper war und klapperte, das ist nicht zu glauben. Dieses Rätsel kann ich heute noch ganz genau beschreiben. Onkel Abram Unruh, unseren alten Schulfreund kennen wir aus den vorhergehenden Geschichten, der hatte im Vorgarten Apfelbäume, auch recht große. Zu der Zeit, wo die Äpfel schon anfingen zu reifen, geschah es, daß die Reihe wieder an uns war, die Nachtwache zu halten. Jetzt nutzten wir die Gelegenheit aus, wenn wir was von den Äpfel schmecken wollten. Denn bis zur nächsten Wache, könnten die Äpfel schon alle weg sein. Daher, mein Nachbar klapperte und ich schlich mich in den Garten hinein, kletterte auf den Baum und rupfte mir die Taschen voll. - - Das war auch gestohlen.
Es war ein schöner Herbst, als ich einmal mit Papa mitfahren durfte zum Jahrmarkt. Hier machte Papa Einkäufe, wir gingen in verschiedene Magazine und allerwärts war etwas zu kaufen. Nun gingen wir auch in einen Obstmagazin hinein. Hier war an einer Seite der Ladentisch und ringsum standen alles volle Kasten und kleine Fässer mit verschiedenem getrocknetem Obst. Walnüsse, Haselnüsse, Äpfel, Pflaumen, Rosinen, Korinthen, Aprikosen und wer weiß, was noch da war. Richtig gesagt, eine große Auswahl verschiedener Art. Papa lies sich auch ein und das andere abwiegen. Der Verkäufer hatte viel zu tun. Ich aber näherte mich zu einem dieser Fässer, stellte mich mit der Hosentasche ganz nahe ans Faß, schaute neugierig nach allen Seiten, ganz besonders hatte ich den Verkäufer im Auge, der doch im ganzen Magazin hin und her lief. Papa stand ja mit dem Rücken nach mir gedreht und so nützte ich jeden Augenblick aus und steckte mit dabei die Hosentasche voll Korinthen ohne Steinchen, ohne Körnchen. Dann aber war ich Papa sehr behilflich, alles was er kaufte auf den Wagen tragen. Beim nach Hause fahren setzte ich mich auf den Wagen so, daß ich hinter Papa saß, damit er es nicht sehen sollte, wenn ich Korinthen aß.
Das war auch gestohlen.
Ich war schon größer geworden, für die Schule fehlte mir ein Bleistift, Stahlfedern, Gummi, vielleicht auch noch anderes. Papa hatte mir Geld gegeben und ich ging ins Nachbardorf zum Magazin. Ringsum, im Laden an drei Seiten stand der Ladentisch und nur ein Händler war, der dann nach allen Seiten geben mußte um die Leute zu bedienen. Als ich nach meiner Ware gefragt hatte und er mir von allen was auf den Tisch gelegt hatte, rief ihn auch schon ein anderer nach der anderen Seite. Als er nun dorthin ging, steckte ich mir ein Gummistück in die Tasche und wartete nun geduldig bis er zurückkam, um ihm dann die Zahlung zu geben für das, was ich denn jetzt nehmen würde. Er kam und vor ihm legte ich etliche Stahlfedern zur Seite, auch ein Lineal und einen Bleistift. Dann rechnete er es zusammen, sagte mir den Preis, ich bezahlte es und ging nach Hause. Aber das Stück Gummi war nicht bezahlt,- es war gestohlen.
Es war zu der Zeit, wo ich ganz allein schon pflügen konnte, da wo eines Tages ein Pferd erkrankte und ich so geschimpft wurde. Unser Acker stieß mit den einen Ende an der Seite eines anderen Acker zusammen. Dieser Nachbar hatte gerade gegen unseren Acker seine Barstan, - Arbusen, Melonen. An einem Nachmittag wo die Sonne recht heiß schien und ich beim pflügen hinter dem Pflug schon recht viel staub geschluckt hatte, lies ich die Pferde etwas ruhen, lief rasch über zu der freundlichen Barstan, pflückte mir drei nicht große Arbusen, ging bis zum Pflug und aß sie hier auf. Selbstverständlich, den Durst hatte ich gestillt, aber die Arbusen waren vom fremden Acker.
Kapitel 83
Ratten
Die Ratten gehören zu den Nagetieren, sie sind schädliche Tiere. Sie leben im Wald, an Wasserbächen, aber auch oft bei den Leuten im Keller, in den Scheunen, oder im Speicher. Sie finden auch die Mühlen, denn hier ist für sie Futter mehr wie genug. Wenn ich dann zu jener Zeit bin zur Mühle gefahren, habe ich oft gesehen, wie die Ratten so frech ohne besondere Furcht sind in der Mühle hin und her gelaufen. Sie sind besonders flink, daher auch so frech und sie nur mir dem Stock zu treffen ist wohl nicht möglich. Solch ein Ungeziefer fand sich auch zu einer Zeit bei uns im Keller. Man sagt, die Ratten wandern, sie suchen einen Ort, wo Nahrung ist. Das kann sehr richtig sein. Wie es denn jetzt nicht war, sie waren da. Anfänglich auch nicht viel, aber sie wandern viel, das konnte man feststellen an den Schaden, den sie im Keller machten. Wenn ich dann manchmal sollte in den Keller gehen und ich die Kellerluke aufhob, dann sah ich wie sie fort, in ihre Löcher liefen. Die Wände höhlten sie sehr aus, ich mußte dann manchmal die vorgebrachte Erde aus dem Keller tragen. Die Produkte, wie Butter, Milch, Schmand, Käse, Fleisch, und verschiedenes anderes, mußte gut zugedeckt werden, sonst verschwand es, oder verheerten sie es. Sogar die Eier verschwanden spurlos. Kartoffel höhlten sie aus, dass nur die Schale blieb. Im Keller war es nur so viel hell, wie von der offenen Kellerluke Licht kam. Elektrisches Licht war nicht und eine Kerosinlampe anzuzünden, das pflegt man auch nicht zu tun, es ging auch darohne. Eines Tages sollte ich aus dem Keller Kartoffeln holen nur aus einem anderen Kartoffelhock, ich stieg hoch über die Bretter waren ein Haufen Eierschalen, von oben eine recht dicke Schicht waren alle hohl. Ich rief Papa, auch er kam schauen. Nun was war zu machen, daß die Ratten verschwanden. Womit sollte man sie ausrotten? Gift war damals nirgends aufzutreiben. - Ich fing an und machte Rattenfallen, fing auch, aber das hatte ja zu so einer Menge Ratten kein Verschlag. Na, dann würden wir sie mit Furcht vertreiben. Wenn ich dann ein Ratte gefangen hatte, die band ich mit Eisendraht am Fuß im Keller an, damit sie sollte den anderen Furcht eintreiben. Aber auch das half nicht. Dann wurde besprochen, sofern die Kartoffel wurden im Frühjahr gesetzt sein, dann wollen wir den Keller ganz, aber auch ganz, leer machen und ihn dann mit allerhand ausrauchen. So machten wir es auch, dann wurden die Tiere dochwohl hungrig, sie fanden sich im Stall bei den Pferden. Doch hier war es ihnen dochwohl zu unruhig, weil wir fortwährend bei den Pferden waren. Es traf sich, dass ich die hungrigen Ratten auch mit dem Stock erhaschte. Hier haben diese Tiere eine weitere Existenz, nicht bauen können. In diesem Sommer verschwanden sie gänzlich. Seit dem haben wir nie mehr Ratten gehabt.
9.1.84
Kapitel 84
Bei fremden Leuten gedient.
Es war anno 1926 im Frühling. Es fing an zu tauen. Ich hatte den Schnee vom Dach und von der Hauswand schon abgeschaufelt. Machte den Wassergraben auf der Straße fertig für das Frühlingswasser, als ein Onkel und eine Tante auf den Schlitten bei uns auf den Hof fuhren, richtiger kamen. Ich ging ihnen nach um das Pferd auszuspannen, wenn es vielleicht Gäste waren. Und richtig, es war Papas Dienstbruder aus einem acht Kilometer weit abgelegenem Dorf. Ich spannte aus, die Gäste gingen ins Haus. Ich schaffte draußen weiter. Mit einmal wurde ich hinein gerufen. Papa sagte dann zu mir, dieser Onkel sei gekommen, er braucht Hilfe, die Aussaat zu machen, denn er fühlt sich nicht gesund. "Mach dich fertig, pack die anderen Kleider und Schuhe ein und dann fährst du mit." Ich wußte nicht, sollte ich mich freuen oder nicht, denn hier war die Zukunft für mich ein unbekanntes Bild. Ich sollte bei fremden Leuten Stallknecht sein. Ich fuhr mit und den anderen Tag gleich trat ich meine Arbeit an, wie zu Hause. War mir all diese Arbeit doch gut bekannt. Aber mit der Zeit dachte ich an das Sprichwort: "Jedes Häuschen hat sein Weischen." Hier bewahrheitete es sich. Ein und das andere wurde hier doch anders gemacht. Doch in einem war es so wie zu Hause. Die Tante hatte auch die Hosen an und kommandierte auch alles, so wie Mama zu Hause. Was mir sehr neu war und beinahe unverständlich war, das war folgendes, des Morgens, wenn ich all das Vieh im Stall hatte einmal Futter gegeben, dann mußte ich den ganzen Stall auskehren. Dann sagte ich zu der Tante: "Das mache ich zu Hause immer zuletzt, wenn alles besorgt ist." Ja, sagte sie, so muß es auch, aber jetzt muß ausgekehrt damit auch alles Müll in den Mist kommt, wenn du ausmistest, das dann auch alles draußen ist. So lernte ich hier einen neue Methode, die ich aber später, als ich wieder nach Hause kam bald wieder vergessen hatte. So etwas lernt man bei fremden Leuten. Ich kann auch nicht klagen, daß es mir schlecht ging, aber ich war Knecht, und mein Aufenthalt war mehr draußen. Onkel Jakob Pauls, so schrieb dieser Onkel sich, war zu mir nicht grob auch nicht barsch ich konnte ihn ganz gut leiden. Der Gesundheitszustand war bei ihm schwach, er klagte oft über Kopfschmerzen. Daher mußte ich, so viel in meinen Kräften war, fast alles allein machen. Hier schaufelte ich auch den Schnee von der Wand. Machte die Sielen fertig zur Aussaat. O da gab es genug zu schaffen. Aber er fühlte dochwohl in sich seine herannahende Ohnmacht, daher suchte er sich im Dorf einen Bauern mir dem er zusammen die Aussaat machen konnte, der es dann, wenn er es mit einmal nicht solle können, weiter bis ans Ende machen wurde. Und richtig, eines Tages beim säen wurde er schwer krank, mit großer Not, mit großen Kopfschmerzen hielt er noch aus bis wir nach Hause fuhren. Den anderen Tag aber waren schon keine Gedanken, daß Onkel Pauls noch würde aufs Feld fahren können. Hier fuhr ich allein mit dem anderen Onkel die Feldarbeit machen. Als wir am Abend nach Hause kamen, hatte man ihn schon ins Krankenhaus gefahren und auch schon festgestellt, so schnell wie möglich in die Stadt Orenburg zu fahren. Es fanden sich andere Onkels, die sich diese Reise übernahmen. Sie fuhren per Eisenbahn und brachten ihn dort ins Krankenhaus. Die Krankheit war zum Tode, das hatten die Ärzte dochwohl den Onkels gesagt. Wie lange die Onkels in Orenburg waren, weiß ich nicht, womöglich nur ein paar Tage, die Onkels konnten abwechselnd bei Onkel Pauls sitzen. - Hier in der Stadt starb Onkel Pauls. Hier wurde Onkel Pauls von diesen Onkels, die ihm den letzten Liebesdienst getan, begraben. Eine Leiche zu jener Zeit transportieren, daran war nicht zu denken, so etwas gab es nicht. Und die Familie war zu Hause ohne ihren Papa begraben zu können. Onkel Pauls hatte eine Familie von drei Kindern, ein Mädchen so alt wie ich war, ein Mädchen etwas jünger und ein ganz kleines Bübchen. Ich war bei Pauls bis die Saatzeit beendigt war und wer die Wirtschaft übernehmen dann weiter besorgt hat, weiß ich nicht. Ich wurde entlassen und fuhr dann nach Hause.
Kapitel 85
Gute und böse Nachbarn
Lieblich und schön ist es, wenn Nachbarn friedlich und einträglich beieinander wohnen. Das Leben selbst gestaltet sich demnach, wie wir von innen gestimmt sind. Tut man dem Nachbar wohl, selbstverständlich heben wir seine Stimmung und er ist geneigt, Gegenliebe zu erweisen, oder uns auch allerwärts freundlich zu begegnen und auch demgemäß die Zeit zu bieten. Nicht umsonst lautet ein Sprichwort: "Wie man in der Wald schreit, so kommt es auch zurück." Ein anderes: "Was du säst wirst du auch ernten." Von Natur sind wir Menschen alle von verschiedener Art. Daher auch ein ernster Zuruf: "So viel an euch ist, habt Frieden mit jedermann", - wenn es nun lautet: "So viel wie an euch ist", demnach ist es auch manchmal recht schwer, dem Nachbarn zu gefallen, wenn er zuweilen uns gegenüber seinen sonderlichen Charakter äußert. Dann heißt es auch manchmal für uns, wieder unseren eigenen Willen zu handeln. Wer sich aber trotz all dem nicht bemächtigen kann, der hat nichts anderes als nur Unfriede zu erwarten. - Wenn ich von alle diesem, als ich noch klein war, nichts wußte, so erfuhr ich es aber so nach und nach, als ich immer größer wurde, d.h. verständiger, daß sich das gegenseitige Verhalten der Nachbarn, ein beständiges Reiben war. Wohl aber nicht zwischen Nachbar und Nachbar, sondern zwischen Nachbarin und Nachbarin. Nun will ich aber doch frei heraus mit der Sache. - Mama war Schuld an so ein gegenseitiges Verhältnis. Wenn es uns nicht gar einleuchtend ist oder es vielleicht zu bezweifeln wäre, dann suchen wir den Anfang in den ersten Geschichten. Dort lesen wir, daß sie ganz alleine Wirtschaftete, weil Papa im Staatsdienst war. Nun aber als Papa nach Hause kam, hätte sie sollen das ganze Wirtschaftsamt Papa übergeben und sich zurückhaltend als stille Hausfrau und Hausmutter froh und vergnügt ihre Hausarbeit verrichten und so wenig als möglich, den schön entrüsteten Nachbar den Weg überqueren und so nach und nach dann das gegenseitige Verhältnis zu verbessern. Das Wirtschaftsamt abgeben? Weit gefehlt. Das zeigen uns alle vorhergehenden Geschichten. Es ist über alle Maßen, ohne jegliche Achtung, unsympathisch, unanständig von der Mama solche Worte zu schreiben: "Sie steckt allerwärts ihre Nase rein." Wenn jemand mit irgendeiner Frage zu Papa kam, war es im Hof oder im Stall, dann war auch Mama schon dabei und wenn das Spinnrad dann auch zuweilen stehen blieb, machte nichts, denn ohne ihr ging es nicht. weil sie ihr Wort allerwärts beilegen mußte. Und solches konnte von den Bauern wohl schwer wer vertragen. Diese Eigenschaft behielt sie bis ans Ende. Papa war dagegen mehr still und treuherzig und lies sich auch manchmal von den Bauern umgehen und mußte auch oft unangenehmes hören, nur wegen Mama. Zwei Nachbarn waren besonders eingenommen wegen sie. Manchmal sagt man: "Hühner und Kinder machen zwischen Nachbarn den ersten Streit" Heina war bei Mama hoch angeschrieben. Dem durfte ich bei Leibesleben nicht beleidigen, der ging mir im brav sein, über mich weit über den Kopf. Ein Nachbar, der auch zwei Jungen meinesgleichen hatte, mit denen wir dann auch oft zusammentrafen, oder spielten, die ließen sich von Heina aber nichts gefallen, sonder gaben demgemäß zurück, vielleicht auch noch schärfer. Solches ging Heina nach Gewohnheit klagen. Wenn Mama dann kam und sich einmischen wollte, so putzten diese Jungen aus. Einen Wortwechsel gab es aber doch und wenn auch in etlicher Entfernung. Die Jungen sagten dann auch zuweilen schlechte Worte zurück, die waren nicht so in Zucht wie ich. Wir waren schon alle solche halbgroße Jungen, so recht zum Schabernack treiben. Nun traf es sich einmal, daß diese Jungen bei uns im Stall waren. Und wie sie, Mama, es auch gleich wußte, weiß ich nicht, ob Heina sie gerufen hat, kann ich mir gar nicht denken. Sie kam aus der Küche in den Stall, ich stand gerade bei der offenen Stalltür, dann befahl sie mir rasch, die Tür zu zumachen und in diesem Moment fing sie sich dem Stärkeren und braveren Jungen und gab ihm dann Pfeffer für seine Unart, daß er den Heina beleidigt hatte. Ihre Handgriffe sind uns schon bekannt, dann lies sie ihn laufen und was für Folgen kamen darauf. Erstens großer Zank und weiter ein fortwährendes rächen an ihr solange er (Nachbar) lebte und Papa mußte an diesem Joch mitziehen. Und ich bekam von den Jungen dafür, daß ich die Tür hatte zugemacht, sonst waren sie ja ohne große Mühe fortgelaufen. Auf der Straße durfte ich mich nicht zeigen, denn hier lauerten sie nur auf mich und sobald ich zum Vorschein kam, dann flogen die Steine. An einem Tag wo sie wußten, daß Papa und Mama nicht zu Hause waren und ich vor Furcht nicht mal in den Hof ging, da kamen die Steine auch in die Stube geflogen, dass die Fenstern krachten. Oder wenn ich auf dem Wagen an ihnen vorbeifuhr, dann hatten die Pferde und ich es schlecht, die Steine kamen von allen Seiten, dann trieb ich die Pferde schon unbarmherzig scharf, denn sie versuchten auch die Pferde anzuhalten um mich zu fangen. Es dauerte doch recht lange, bis sich diese Jungen etwas beruhigt hatten und ich wieder ins Dorf zu den anderen Jungen gehen durfte, aber vergessen war dieser Fall noch langen nicht, sogar die andere Jungen machten noch was daraus, daß ich immer noch etwas davon zu schmecken bekam. Oft sagten die Dorfjungen dann zu diesen beiden, pass nur auf wenn die Vorwärtswaldesche euch noch mal fängt, die reißt euch die Ohren ganz ab. O dann war der Groll wieder auf mich aufgefrischt, dann hätten sie am liebsten mich wieder frisch gepackt.
10.1.84
Kapitel 86
Liebe und Vorliebe
Wenn wir nun inne halten mit lesen und aus all den Geschichten einen Hauptgedanken finden wollen, so haben wir ohne große Mühe, ohne langes Nachdenken darüber, es verstanden, das dem Wanja seine Lebenssonne fast nie warm geschienen hat. Früh sehr früh verlor er den warmen Mutterschoß für immer. Seine weitere Lebenslage war bedauernswert (siehe Seite 12) . Da hätte man sagen können: "Hänschen, du so jung und schön, wirst nie schöne Tage sehn, schon von diesem Jahreslauf, hört dein schönes Leben auf." Nein, aber ganz so hat es sich nicht erfüllt. Die trüben Stunden dauerten nur zwanzig Jahre, dann trat ein großer Lebenswechsel ein.
Aber jetzt verweilen wir noch im Elternhaus. Wenn ich auch nicht viel von der wahren Mutterliebe verspürte, so wurde ich aber doch mit den Jahren weitsichtiger und bemerkte, das es eine Liebe und auch eine Vorliebe gäbe, wovon ich die Liebe, zuweilen auch eine künstliche Liebe genoß und Heina mit einer Vorliebe geliebt wurde. (Ich glaube, das sage ich heute, wäre ich nicht ein Wanja gewesen, dann wäre Heine unbedingt ein Wanja geworden, denn der erste Sohn und die erste Tochter in der Familie wurden gewöhnlich nach den Eltern vernämlicht.) Auch Mamas Eltern waren, oder hießen Johann und Aganetha. Bei uns waren jetzt Heina und Neta die diese elterliche und großelterliche Stellung einnahmen. Ihnen gebührte alle Vorliebe.
Ich wurde zu Hause in strenger Zucht gehalten, vieles mußte beständig und zur bestimmten Zeit gemacht werden, das war natürlich keine schlechte Ordnung. Aber solche Ordnung, bemerkte ich mit der Zeit, war nur von mir verlangt geworden. Wir sehen weiter: Ich durfte nur am Sonntagnachmittag spazieren gehen und dann noch frühzeitig zur bestimmten Zeit nach Hause kommen. Traf es sich, da ich mich doch verspätet hatte, dann schimpfte Mama manchmal sehr und sagte dann oft:"Das du zu Glockenschlag wirst zu Hause sein, hast verstanden?" Sehr oft spielten die Jungens meines gleichen beim Nachbar auf dem Hof, Ball, schon am Vormittag, dann habe ich zuweilen zugeschaut von zu Hause und wenn sie mich dann manchmal riefen auch spielen kommen dann mußte ich nur sagen:"Ich darf nicht." Natürlich am Nachmittag war ich mit dabei. Weil ich aber zu Glockenschlag sollte zu Hause sein, ging ich zuweilen weit früher wie alle andere nach Hause und verherte auch dadurch das Spiel, was den Jungens dann aber ärgerte und dann sagten sie mir alles das, was ich schon hundert Mal gehört hatte von Mama:"Vorwärts, oder soll ich den Kinderfreund nehmen. Oder willst du Reißung haben u.s.w." Ich mußte aber gehen, wenn es nicht sollte Reißung geben. - Wenn ich dann das nächste Mal wieder kam um zu spielen, traf es sich auch, das die Begrüßung lautete:"Na, hat Mama den Kinderfreund gebraucht, gab es keine Reißung? Ha, ha, ha, ha, kam es dann von allen Seiten. - Das war dann die Einleitung vom schönen Sonntagsspiel und der Schluß war auch manchmal:"Geh nur nach Hause, sonst bekommt der Kinderfreund Arbeit." Was für eine Stimmung erhielt ich von den wenigen Stunden, die ich dann noch mit den Jungens hatte. Ich bin manchmal nach Hause gegangen, nein nicht nach Hause, sondern im Versteck, oder im Garten, oder im Wald und hab geweint, geweint und fast unaufhörlich geweint, bittere Wehmutstränen, dabei aber auch kläglich gesagt:"Wozu bin ich aber auf der Welt? Mama, Mama, wozu hast du mich geboren?" Hab hier gesessen oder im Gras gelegen bis sich dann so nach und nach mein Gemüt beruhigt hatte, die Tränen verwischt und getrocknet waren, bin dann wieder in den Hof gegangen um dann im gewöhnlichen Geräusch aller Dinge meine Arbeit zu beginnen. Mit diesem Schmerz war aber keine eingerissenes Ohr oder blaufleckige Arme zu vergleichen. Ein besonderer Spiel-und Aufenthaltungsort war das Pferdehock das bei uns am Ende des Dorfes war, garnicht weit von uns. Hierher brachte man alle Pferde, die am Tag gearbeitet hatten, um von hier aus die Pferde in die Nachttabun zu treiben. Wo nur Jungens waren, ob groß oder klein, alle hatten große Freude daran, die Pferde hierher zu bringen. Bis die Pferde dann alle aus dem ganzen Dorf zusammen waren, wurde hier noch gespielt und rumgetobt. Ein rechtes Vergnügen für alle Jungens. Ich durfte unsere Pferde auch immer hierher bringen, aber an etwas zurück bleiben, um hier rumzutoben, daran war garnicht zu denken. Wenn ich dann noch mal fragte, etwas länger zu bleiben, dann sagte Mama schon ganz entschieden:"Nichts davon, ihr lernt dort nur Dummes." Ich dachte mir damals und heute aber denke ich noch mehr, weil der Hengst im Hock hin und wieder spielte, das war die ganze Ursache, das ich dort mit den Jungens nicht spielen durfte. Wenn dann zuweilen irgendwo bei einem Nachbar am Abend nach dem melken schon, an der Straße, Jungens, Mädchens, größere und kleiner bißchen rumtoben und ich auch dahin wollte, das ging garnicht: Dann wußte Mama unbedingt was zu sagen. Entweder, "ihr müßt schlafen gehen, denn Morgen wollt ihr wieder nicht aufstehen," oder, " bei den Großen habt ihr nichts verloren, sonst werdet ihr zu schnell groß," oder sogar, "ihr werdet dann zu schnell klug," noch anders, "ihr werdet zu klug." Von diesem Klugwerden, wurde ich doch ziemlich zurückgehalten. Wenn in der Frühlingszeit die Natur erwachte und bei dem Vieh der Treib zur Begattung sich meldete, dann wurde große Vorsicht gebraucht, besonders wenn Hund und Katze sich dazu meldete. Die Katzen mußten dann immer hinaus geschafft werden und fragte dann noch jemand, was mit der Katze sei, dann gab es eine ausweichende Antwort. Verlangte aber die Kuh einen Gast, der wurde geholt, ich aber , der ich schon recht groß war, mußte in dieser Zeit drinnen bleiben, bis der Ochs dann wieder fortgebracht war. Kalbte aber eine Kuh, auch davon wurde ich lange Zeit ferne gehalten. Die Antwort war kurz "ihr habt dort nichts verloren". Mama gebrauchte den Ausdruck, ihr habt ... aber ich verstand es dann aber mit der Zeit sehr schön, du hast dort nichts verloren. Oder, du lernst dort nur Dummes. Und so wurde ich wahrhaftig von dem Dummen zurück gehalten. Heina der war mir schon überlegen, obzwar er ziemlich jünger war, bischen über drei Jahre. - Jetzt will ich eine Geschichte mitteilen, das ihr euch überzeugen könnt, das ich wirklich dumm war. Heina hatte das Dumme gelernt, wie, wo und wann, weiß ich nicht, aber er zeigte es nicht. Ich hatte das Dumme nicht gelernt, und ich zeigte es aber. (Ich werde vorläufig einen anderen Gedanken beschreiben und dann komme ich wieder hierher. Ich hatte einmal die Gelegenheit mit Heina zusammen in Heina seine Gesellschaft zu spielen, diese Gesellschaft war die Jüngere. Hier wurde erzählt und auch herzlich gelacht. Ich hörte wohl zu, aber was das alles bedeuten sollte, wußte ich nicht, aber ich lachte mit, um auch bei der Sache zu sein. Es wurde nämlich von einem Jungen, der im Nachbarsdorf wohnte, erzählt, auch wie und was er alles gesagt habe. Man trieb hier wirklich wahrhaftigen Spott, so wie es bei solchen Jungens ist. Ich, der ich wirklich nicht wußte, was der Junge denn so lächerliches gasagt habe, fragte ganz neugierig, was hat der gesagt. Dann sagten sie mir, weißt du, der K. im Nachbarsdorf sei auf das Feld gelaufen zu seinem Papa der dort gearbeitet habe und hat ihm gesagt:"Papa, Papa komm schnell nach Hause, Mama hat den Roten, sie liegt ganz im Blut." Ha, ha, ha, ha machten wieder alle Jungens. Auch ich lachte herzlich mit. Aber was das bedeuten sollte, wußte ich garnicht. Beim spielen sagten die Jungens recht oft:" Papa, Papa komm u.s.w. Dieses Verschen konnte auch ich auswendig, daher sagte auch ich es schon allewärts. Über das Verschen dachte ich;-wie können die Jungens nur lachen, wenn ein Roter (Soldat) gekommen ist und hat die Mama erstochen.)
EinesTages wurde ich geschickt nach weiße Erde, das Haus anzukalken. Ich spannte zwei Pferde vor den Wagen und fuhr nach weiße Erde. Es war ungefähr 10km zu fahren, ich mußte durch das Dorf fahren, wo der Junge K. wohnte und wünschte dabei, wenn ich doch wüßte, wo der Soldat die Mama erstochen habe, das Haus tät ich mich recht gut beschauen. Nun ich fuhr bis zur weißen Erdegruft, lud den Wagen voll und fuhr dann nach Hause. Als ich nach Hause kam, war es schon Nachmittag. Papa hatte sich schon zur Ruhe gelegt. Als ich die Pferde hatte Futter gegeben, ging auch ich noch essen. Ich setzte mich am Tisch und fing an zu essen. Heina saß auch gerade hier am Tisch. Mama die mir das Essen vorgestellt hatte, setzte sich auch neben uns. Ich dachte über meine Reise etwas nach, dachte auch an den armen Jungen K. und sagte ganz frei ohne jegliches Einhalten:"Papa, Papa komm schnell nach Hause, Mama hat den Roten, sie liegt ganz im Blut." Heina spuckte laut aus, sprang auf wie toll und lief hinaus. Ich war aber wirklich ganz verblüfft, ich wußte wahrhaftig nicht was jetzt los sei und was ich denn so Schlimmes gesagt habe. Mama, der es im Gesicht anzusehen war, das nicht alles in Ordnung sei, sagte nur:"Sowas wird wohl am Tisch gesagt?" sie stand auf und fing an rum zu schaffen. Für mich aber blieb dies Rätsel noch ungelöst. Hier kam es zum Vorschein, was ich schon geschrieben habe. Heina wußte vom Dummen und war still, ich hatte nichts Dummes gelernt und brachte solch dummes Zeug zum Vorschein. Hier hätte Mama verstehen können, die Folgen vom Kinder zurück halten, sonst lernen sie noch mit einmal was Dummes. Heina wurde garnicht in strenger Zucht gehalten. Das Schlimme war noch nicht aus, das hatte Heina schon alles den Jungens erzählt und nun wurde mir dieses Verschen auf Schritt und Tritt nach geschrien, recht lange. Heina und Neta genossen Vorliebe. Für Heina waren vielmehr Türen auf, als für mich. Er wuchs dochwohl rascher, als ich. Er wurde von Mama schon oft Heinrich gerufen. So hoch wie Heina und Neta auch nicht bei Mama im Herzen angeschrieben waren, den andern Kindern gegenüber, so war gerade bei diesen Lieblingen ein etwas, das Mama gerne hätte in einer Kürze weggetan, wenn sie es nur hätte machen können. Beide hatten einen körperlichen Mangel oder Fehler. Heina machte immer das Bett naß bis er schon recht groß war. Neta war immer kränklich auch bis sie groß war. Ich hab damals oft gedacht, aber wie gut das ich nicht das Bett naß mache, wieviel schlechter würde ich es haben. Nur wegen diesen Fehler konnte Heina nicht in die Z-schule gehen. Und als Jakob und Neta rangewachsen waren. Jakob durfte die Z-schule besuchen. Neta aber war kränklich. Der Fünfte von den Kindern war Abram. Der war nur zwei Jahre jünger als Jakob und Neta. Als Abram ungefähr anderthalb Jahre war, wurde er von jemand auf die Hobelbank gesetzt um zu spielen. Beim spielen jedoch verunglückte er. Die Hobelbank stand neben dem Fenster und mit einmal fiel er um, mit dem Kopf in die Fensterescheibe und schnitt sich ein Ohr doch recht tief ein, nicht ein, sondern quer durch. Als es erst verheilt war, sagte Mama:"Der Abram ist gezeichnet, den werden wir nicht verlieren." Wie sehr sie den Abram geliebt hat, das kann ich heute nicht sagen, aber auf jeden Fall nicht so wie Heina und Neta. Ich schließe es daraus, als Abram schon etwas größer wurde, hat Mama über ihn oft gesagt:"Unser Unkraut."
Heina merkte recht bald, das er in Mama einen starken Hintergrund hatte und daher mußte ich in vielen Stücken nachgeben. Bei wem sollte ich mich beklagen? Wenn es manchmal über andere Waisenkinder erbarmungslos daher ging, dann wußte Mama ein schönes Sprichwort:"Mutter tot, Vater blind, sieht nicht mehr sein eigen Kind." Unser Papa hat es ganz gut gesehen, aber er war machtlos, denn er hatte die Leine abgegeben. Ich hätte zu meiner Zeit gerne eine Harmonika gehabt, es ging nicht. Die Antwort lautete dann:"Wir haben nicht, euch die Hosen zu kaufen und dann noch eine Harmonika." Als Heina erst größer wurde, dann gabs auch eine Harmonika. Und als erst eine Harmonika im Haus war, erweiterten sich für Heina die Freiheitsrahmen. - Ein Sprichwort sagt:"Es ist kein Meister vom Himmel gefallen." Heina mußte spielen lernen und ich glaube fest, das wird so manch eine Arbeitsstunde verkürzt haben und es wurde zugelassen. Das Vieh im Stall brauchte keine Musik, dafür aber die Gesellschaft. Hier vermehrten sich auch die Spaziergänge, auch die Abendstunden wurden besucht. Man hörte von Mama garnicht mehr sagen:"Ihr lernt dort nur Dummes." Auch der strenge Befehl "Das du zu Glockenschlag wirst zu Hause sein, hast verstanden", fiel ab, oder wurde ganz vergessen. Heina so auch die andere Geschwister fingen an zu tanzen, wurde auch zugelassen. Garnicht lange nach dem, wo man mir Schuhe gekauft hatte zu zwölf Rubel, bekammen Heina und Jakob Schuhe zu vierundzwanzig Rubel. Dann sagten fremde Leute zu mir: "Meinst du , wir wissen das nicht, das Heina und Jakob haben teure Schuhe bekommen und du nur so'n Scheiß, den tät ich zeigen ." Ich verstand sehr gut, aber was sollte ich machen. Noch ein Fall. Ich und Heina schieberten mal auf dem Acker die Sonnenrosen, als wir eine Ruhepause machten, kamen zu uns noch ein paar Jungens und Mädchen, die auch nicht weit von uns schieberten. Wir saßen im Kreis auf der losen Erde. Ich hatte hier ein kleines Stöckchen, wie ein Bleistift in der Hand. Wir alle erzählten uns verschiedenes, ich saß und schrieb in die Erde, wühlte mit dem Stöckchen rum und mit einmal spickte ich bißchen in die Erde und spritzte mit Erde und traf zufällig Heina ins Gesicht. Ich wiederholte diesen Spaß, da sprang Heina auf, warf mich um,setzte sich auf meinen Bauch, weil ich auf dem Rücken lag, und spuckte mich ins Gesicht. Dann standen wir beide auf. Eines von diesen Mädchen sagte zu mir:"Aber Hans, laß dir doch aber so was nicht gefallen, gib ihm doch zurück, das die Flicken fliegen, du bist ja größer." Ja - dachte ich, ich könnte ihm ja zurück geben, aber dann könnte ich zu Hause bekommen, das mir die Hälfte schon wäre zuviel gewesen. Daher zog ich vor, mich als den Schwächeren zu zeigen. Ich war schon groß, konnte ja schon Säcke tragen, aber wenn ich mich wo verschuldet hatte, dann war Mama aber immer noch stark mich zu peinigen. Sie hatte es auch verstanden, mich bei Zeiten so ein zudressieren das ich auch im Dorf mich nirgens beklagen würde, obzwar etliche Leute von meinem ganzen Befinden besser wußten als ich. Ein Nachbar, der sich bei einer passenden Gelegenheit beim Kirchenvorstand beschwert hatte, über Mamas betragen mich gegenüber, verlangte, das etliche Kirchenvorsteher sich mal interessieren sollten, wie Mama das Stiefkind besorge. Darauf hin kamen aus einem Dorf zwei Vorsteher, aber nicht zu uns, sondern sie kehrten bei einem anderen Bauer ein. Mama wurde ohne das sie etwas davon wußte dorthin gerufen. Was dort ist alles durchgesprochen geworden, davon wußte ich damals nicht, weil ich noch nicht groß war und weiß auch heute nichts davon. Von diesen Kirchenvorsteher hat Mama nur selbst erzählt, als ich schon lange Papa war geworden. Zu den Vorstehern jedoch habe sie gesagt:"Bei uns ist immer Sonnenschein im Haus, kommt und kontrolliert es selber." War es nun bei dieser Gelegenheit oder war es später, das weiß ich nicht, aber höchstwahrscheinlich war es mal später. Einmal kamen zwei Onkels bei uns zu Gast, sie waren von einem anderen Dorf, ich weiß bis heute nicht, wer es war. Ich wurde in die große Stube gerufen. Ich war hier ganz allein mit diesen Onkels. Was sie mich alles gefragt haben, das weiß ich schon nicht mehr, aber eines hab ich behalten. Als sie mich fragten, wie es mir zu Hause gehe, dann sagte ich:"Gut." Hier war ich schon so groß oder richtiger vorsichtig und dachte dabei, sage ich jetzt "Schlecht", dann könnten die Onkels mit einmal Mama rufen und fragen, warum gehts dem Jungen schlecht, deshalb zog ich es vor zu lügen und damit war dem alles zugedeckt. - Also ein Prügel kriegen weniger. Ich dachte auch an die Maifahrt, wo ich einstmal in der Schule gesagt hatte:"Mama gibt mir noch nicht essen, weil es noch nicht Mittag ist", und wie Mama gesagt hatte:"Ich werde dir zeigen was du bei den Leuten zu sagen hast." Zu was für einen Entschluß die Onkels gekommen sind, weiß ich nicht.
Ob ich wirklich so ein unartiges Kind war, ob ich wirklich so ein ungehorsamer auch noch fauler Junge war, weiß ich nicht, ich will mich in keinem Fall schön machen und sagen, ich hab unschuldig gelitten. Eines weiß ich aber, der Züchtigungen und der Strafen waren viel, schwer auch manchmal sehr schwer. Der Kinderfreund, der Soldatenriemen und der Tater, diese drei Namen werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Und all das Schimpfen, alle Kniffe habe ich still entgegen nehmen müssen, denn ein zurück sagen oder bellen unterstand ich mich nicht, denn dafür gabs tüchtige Maulschellen, so daß die Lippen manchmal anschwollen. Nach manch einer Strafe hat Mama gesagt:"Ich habe es versprochen von dich einen guten Menschen zu machen und ich will mein Versprechen einlösen." Das ich denn all diese Peinigungen still ohne Murren entgegen genommen habe, ja ließ mich peinigen bis ich schon groß geworden war, - schon ganz groß, das hatte diesen Grund. Schon von Kindheit hatte Mama mir einen Bibelvers vorgehalten und eingeprägt:"Ehre Vater und Mutter auf das es dir wohlgehe und du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr dein Gott gibt." An diesen Vers glaubte ich fest, denn ich wollte lange leben. Alles hatte einen Anfang, alles aber hat auch ein Ende. Die Peinigungen nahmen einst an einem schönen Sommertage ein rasches Ende und haben sich nie wiederholt.
Womit ich mich wieder verschuldet hatte, was dann eigentlich wieder des Schimpfens wert war, weiß ich nicht, genug, ich wollte etwas von drinnen aus der Stube holen. Ich ging ins Haus und ging dann auch wieder hinaus, aber ich kam noch nicht zum hinaus gehen, so war Mama schon hier und packte mich hier, bei der Tür, gerade da, wo der Riemen hing, an die Arme und schob mich wieder mit aller Gewalt in die Ecke um dann nach Gewohnheit an mich ihre Wut zu kühlen. Hier fiel die Entscheidung, Ich oder Sie. So rasch wie sie mich gepackt hatte, drehte ich mich aus der Ecke, und packte sie gerade so, wie sie es immer gamacht hatte, und schob sie in die Ecke recht grob. Für mich war es auch garnicht schwer, denn auf sowas hatte sie ja nicht gehofft. Einen kleinen Augenblick hielt ich sie fest, und schaute sie dabei häßlich, ja sogar teuflisch in die Augen, schaute auch nach den Riemen, der hier hing, und sagte kurz mit Nachdruck:"Mama, nun ist genug, sonst ..." Dann ging ich hinaus meine Arbeit weiter machen. - Dies hatte Mama verstanden, auch sehr gut. Seit der Zeit, hatte ich, der Kinderfreund, der Riemen und der Tater volle Ruhe. Als Papa nun kam, beklagte sie sich zu ihm, aber sie beherrschte sich, vielleicht um nicht bei mich straffälig zu werden. Sie sagte nur:"Papa, unser Wanja ist uns aus den Armen gewachsen, eines Tages geht er uns über den Kopf." "Aber ich werd mich quittieren, ich habe das meinige getan." (Quittieren heißt, unterschreiben.) Papa hat zu mir, von dieser Frage nie was gesagt. Gemurrt und geschimpft hat Mama später noch viel, aber weiter auch garnichts.
Stiefkind blieb ich deshalb aber doch, wo nur die Möglichkeit war, da machte Mama immer den Einkauf, jedoch mehr die Kleider und Bettsachen. Wenn dann dem entsprechend Geld gesammelt war, dann machte Mama sich auf den Weg, um einzukaufen. Sie war eine übernehmende Person, sie fürchtete keine Schwierigkeiten, darin war sie Papa auch überlegen. Einmal machte sie eine Reise nach Moskau, hatte einen reichen Einkauf gemacht. Ich, der ich der ältere von den Kindern war, für mich war dieses mal reichlich gesorgt worden. Einen ganz schönen Polto bekam ich, den sie im Laden der erniedrigten Preise gekauft hatte. Ein schwarzer Polto von Wollenzeug und zum Korakulkragen, das war ja ganz herrlich. Den habe ich mehr wie fünfundzwanzig Jahre getragen. Auch noch einen schwarzen Kostüm war für mich. Was die anderen Kinder für Kleider bekommen haben, weiß ich schon nicht mehr. Ich glaube es war um ein Jahr, fuhr sie wieder nach Moskau, jetzt jedoch war sie schon mit mehreres bekannt, daher hatte sie einen ziemlich reicheren und besseren Einkauf gemacht. Für sich hatte sie Tuch für den Pelz gekauft. Für Heina war ein Winterpolto und Kostüm mit einer Weste. Beides war an Qualität, doch weit besser wie meines.
Heina war schon voll und ganz Heinrich geworden, er nahm jetzt schon den ersten Kinderplatz in der Familie ein, weil ich schon das Elternhaus verlassen hatte. Er hatte indes als Autofahrer gelernt. Zu jener Zeit war das, was seltenes, daher war Mama besonders stolz auf ihn. Jakob der damals noch in der Z-schule lernte, war weniger im Wert. Wenn Abram auch als Traktorist gelernt hatte, so nahm er zu Hause doch nur den dritten Platz im Wert ein und hin und wieder mußte er von Mama das Schmeichelwort hören:"Unser Unkraut." Im tieferen Sinn war es doch kein Schmeichelwort. Nicht wahr?
Als die Zeit kam, wurde Abram in den Staatsdienst einberufen. Bald darauf brach der schreckliche Vaterlandskrieg aus, dann wurde auch Jakob eingezogen. Noch etwas später kam auch Heinrich an die Reihe. Das konnte Mama fast nicht verschmerzen. Drei Söhne vom Mutterherzen reißen, das natürlich will was sagen. Zudem dass noch, der Letzte, der Beste. Das bewies sich wieder daran, das sie nach etlicher Zeit, da wo Heinrich noch nicht an die Font geschickt war, fuhr sie nach Kujbijschew in die Kriegsabteilung, da wo Heinrich war, ihn besuchen, noch einmal ihren Liebsten zu sehen. - Warum ist es denn eigentlich im Leben so. - Was denn? Das was der Mama am liebsten war, blieb im Krieg, blieb fort. Auch Jakob kehrte nicht wieder zurück. Aber das 'Unkraut' war nicht vergangen. Wenn auch nach langer Zeit, aber Abram kam nach Hause. So ist es, an was unser Herz ganz besonders hängt, das wird uns dann manchmal vorzeitig genommen. Und was wir manchmal unbedacht vor Zeiten gesagt haben, geht später in Erfüllung. - Was denn? Als Abram sich von der Fensterscheibe das Ohr aufgeschnitten hatte, sagte Mama später, ganz lächerlich:"Der ist gezeichnet, den werden wir nicht verlieren." Der ist wahrhaftig, auch durch den Krieg nicht verloren gegangen.
Jetzt wollen wir noch weiter von der Vorliebe hören. Die Großeltern, Mamas Eltern, beschlossen ihre letzte Lebensjahre in unserem Haus. Papa und Mama pflegten sie bis sie starben. Ihre letzte Habe war nicht groß, etwas Hausmöbel, das war alles was die Großeltern noch hatten. Von all den Großkindern, davon acht Großtöchter, hatte nur eine das Glück von der Großmutter die Kamode zum Andenken zu erben und wenn ich mich irre, war auch noch die Nähmaschine dabei. Das war für unsere Neta ein Glück und für alle andere kein Glück. Eben so machte auch Mama es mit den Kindern, vielleicht auch mit der Nähmaschine. Von allen Großtöchtern, bekam nur eine Neta die Kamode und die anderen blieben dar ohne. Und das alles sollte Liebe heißen? Nein, das war Liebe und Vorliebe. Oder, für einen war das Herz liebeleer und für einem andern war dasselbe Herz ein Liebesmeer. Und solches nannte man schöne Sitten und Gebrauch.
Zu dieser Geschichte möchte ich noch den Sinn von Bild 4 S.36 vorholen und entziffern: Nur werden wir anstatt das Kindermädchen Anna, - Mama sagen. Zwei Brüder befinden sich in einer Familie, beide werden besorgt und versorgt. Nur Heina wird hoch getragen, er sitzt auf sicherem, starken, warmen, weichen Mutterarm. Er fühlt sich sicher und geborgen, er fühlt die Wärme der Mutterliebe, er sitzt so nahe am Herzen, näher gehts schon nicht und ohne es der Mama zu sagen, bereitet er dem Wanja große Unangenehmlichkeit, das dieser vor Schreien hätte vergehen können. Wanja dagegen geht nur nebenbei, keine starken Arme halten ihn, sein Halt ist einzig und allein nur das schladrige kalte Kleid, das beim Fallen wenig Halt bietet. Heina der sich hoch über ihn befindet, dem wird fast alle Aufmerksamkeit geschenkt, wogegen Wanja nur auf harte Bohlen einhertrippelt. Und das Ende von allem ist, der Kleinere hat den Größeren von oben bis unten ganz beschissen. Was konnte Wanja aber machen? Nur weinen, schrecklich weinen, bitter weinen. Jetzt aber, da diese Tragödie den Höhepunkt erreicht hatte, mußte Heina runter gelassen werden, er wurde vom Mutterherzen entfernt. Das ist das Gesamtbild aus Wanjas Kindheit. Richtiger aus meiner Kindheit.
Kapitel 87
Gute Werke
Es gibt im Sprichwort unter dem Volke, das lautet:"Kein guter Mensch, der nicht was Schlechtes an sich hat, aber auch kein schlechter Mensch, der nicht was Gutes an sich hat."
Wenn wir nun die Geschichte 85 lesen, dann verstehen wir daraus, daß die Nachbarn und auch etliche andere Bauern, sie Mama eigentlich garnicht leiden konnten. Und warum? Weil sie brav war, weil sie so klug und weil sie so klug sein wollte. Wenn Mama was nicht nach ihrem Sinn ging, oder ihr was unpassendes gesagt wurde, sei es wer es wollte, dann feuerte sie ihr Wort hin und dann denkt wie ihr wollt. Hier scheute sie auch keine Männer nicht. Daher der beständige Zwist von Seiten der Männer-Bauern. Und dieses Verhältnis blieb so lange die Männer ihres gleichen lebten.
Nun aber weil sie auch recht viel von sich machte, weil ihr so vieles zur Hand stand, auch alles wie man sagt, so flott von Händen ging. So hatte sie in der Arbeit auch recht große Erfolge. Davon wußten aber auch viel Frauen im Dorf. Oh, sowas verbreitete sich schnell. Und wer hat wohl nicht Vergnügen daran, wenn er jemanden kann Gutes tun. Wenn jemand kam stricken lernen oder häckeln lernen, demjenigen zeigte sie einbißchen, die jenige Frau mußte dann neben ihr sitzen und weiter machen, selber nahm sie dann ihre Arbeit zur Hand und schaffte weiter. Solche Fälle gab es oft. Für die Häckelarbeit hatte sie eine ganze Schachtel voll verschiedene Muster, die wurden dann gezeigt um verschiedene Decken-, Spitzen- oder Kisseneinsatz häckeln zu können. Die verschiedensten Stricknadeln kurze und lange, Häckelhacken kleine und gröbere mußten sein. Für kleine Kinder wurde so vieles gemacht. Mützchen, Binden, Handschuhe, Schuhchen und anderes. Oder wenn jemand krank war, einen Artzt spielen das verstand sie auch, wenn sie selber auch keine medizinische Bildung hatte, auch sich nicht beschäftigte mit Kräuter sammeln, so wußte sie aber einem jedem zu sagen, was dann eigentlch für seine Schmerzen wohltuend wäre. So machte sie entweder ein warmes Bad, oder heißen Tee von Kamille oder Pfefferminz oder Süßholz . Oder Brandweinkompresse zu Nacht auflegen. Zweilen auch ein festes Verband tragen. Massage Anwendung sei für vieles gut geeignet. Sich von schwere Kosten entsagen. Nicht zu schwer heben, tragen, sich mehr Ruhe göhnen. Junge Mütter, die ihre Kinder nicht wußten richtig zu behandeln, solchen einen guten Rat geben, etliche Krankheiten bei Kindern feststellen. Was und wieviel und wie oft das Kind mußte gefüttert werden. War ein Kind aber über alle Massen unruhig, dann wurde der jungen Mutter auch vorgesagt, was sie alles essen durfte oder das sie sich müßte sehr warm anziehen, um nicht das Kind zu verkühlen.
Mit Gemüsesamen versorgte sie sich immer reichlich. Kam es erst, das im Frühling der Garten bestellt, besät wurde, dann hatte sie ihren eignen Samen und konnte oft genug noch andere Leute aushelfen. Im Herbst sammelte sie den Samen vorrätig. Dann sagte sie oft:"Für mich auch noch für den Armen ein Teil." Auch an sowas hatte Mama Gefallen.
13.1.84
Kapitel 88
Kollektiv-Arbeit
Im Jahre 1928 im Herbst fing die Kollektivierung der Landwirtschaft an. Alle Zugkraft, die Pferde und alles Landwirtschaftsgerät, wie: Wagen, Schlitten, Dieselmaschiene, Mähmaschiene, Sämaschiene, Pflüge, Eggen, Sielen u.v.a. wurden Kollektiviert. Die Pferde wurden zusammen gebracht und soviel wie möglich in einem Stall gestellt. Ein Brigadir wurde gewählt, der die ganze Wirtschaftsarbeit führen sollte. Der dann die Arbeiter verteilte und einem jeden Arbeiter seine Arbeit gab. Die Gesellschaftsarbeit war doch ganz anders als die Arbeit in der eigenen Wirtschaft. Wenn man zu Hause musste, Pferde besorgen, Futter fahren, pflügen, oder mähen, so war es im Kollektiv doch ganz anders. Wer Pferde besorgte, der war Pferdeknecht, ein anderer war Pflüger, noch ein anderer war Sielenflicker, oder Mäher, oder Holzarbeiter u.v.m. Auch die Pferde, die Zugkraft wurde verteilt. Wenn die Zeit des pflügens kam, dann wurde die meiste Zugkraft an das pflügen gehalten, dann gingen oft recht viele Pflüge auf das Feld. War so eine große Arbeit erst getan, dann gab es verschiedene Arbeit. Etliche mussten Futter bei fahren, andere Landgeräte zum Winter unter Dach bringen - für die Schule Brand-Mist fahren. - Für den Winter alle Schlitten in Reihe bringen. Dann kam der Winter, da gab es in den ersten Kolchosjahren für die Landwirtschaft viel zu fahren, große lange Reisen zu machen. All das Kolchosgetreide musste dem Staat abgeliefert werden, d. h. musste in den großen Getreidespeicher gefahren werden, der sechzig Kilometer fern war. Eine Reise nahm immer zwei volle Tage in Anspruch. Diese Reisen mussten immer die jungen Arbeiter machen. Auch ich kam hier an die Reihe, denn hier musste man viel Säcke tragen. Auf einen Schlitten fünf Säcke, ein Mann bediente zwei Schlitten, zuweilen auch drei Schlitten. Dann gab es manchmal eine lange Karavane, bis sechsunddreißig - Siebzig Schlitten. Gewöhnlich fuhren wir zweimal in der Woche. - Montag wurden die Säcke eingeschüttet, auf die Schlitten geladen mit Heu- Futter verpackt, beschnürt, verbunden. Dienstag Uhr vier Morgens fuhr man von zu Hause los. Natürlich war es noch Nacht. Man musste eben so früh losrücken, um noch denselben Tag das Getreide abladen zu können, war die Bahn schlecht, dann ging die Reise langsamer und das abladen blieb dann für den folgenden Tag. Wie es nicht war, waren wir erst beim Getreidespeicher-Elewator, dann hieß es in die Hände spucken und den Puckel unter die Säcke stellen. Ach, wie viel Säcke habe ich in meinem Leben geschleppt. Besonders wenn dann die frechen ältere Männer sich mehr zu schonen wussten und die jungen am schweren Ende packen ließen, oder mehr Säcke schleppen mussten. Am dritten Tag. Mittwoch fuhren wir nach Hause. Am Morgen die Weile, die Pferde gefüttert würden gingen wir noch in den Laden oder auf den Basar einkaufen, ein jeder kaufte dann noch rasch was ihm fehlte, für seine eigene Wirtschaft oder für seine Familie. Auch verkaufte fast ein jeder dann noch auf dem Basar seine Butter, die er von zu Hausen mitgebracht hatte um sich etwas Geld zu machen. Andere Leute haben ebenfalls ihre Butter mitgegeben zum Verkauf, denn ein anderes fahren gab es nicht, die Pferde wurden nur zum Getreide fahren gehalten und wir junge Leute waren beständig an dieser Arbeit. Ein langes Zögern gab es hier nicht, denn es musste nach Hause gefahren werden. So eilte man vom Basar ins Quartier, packte rasch die Sachen zusammen, alles wieder auf die Schlitten, die Pferde waren indeß satt geworden, es wurde wieder eingespannt und man begab sich wieder auf die Reise, jetzt schon Heimreise. Wenn dann die Pferde manchmal nicht sehr ordentlich oder folgsam waren, gab es auch recht viel hin und her laufen, von einen Schlitten zum anderen, weil so wenig Kutschen waren. Wenn wir leer nach Hause gefahren sind, dann hab ich auch manchmal den zweiten Schlitten auf den ersten gebunden, das zweite Pferd neben den ersten Pferd gebunden, dann konnte man mehr im Schlitten sitzen bleiben, man braucht sich nicht immer umschauen, ob das zweite Pferd auch mit kommt, denn zuweilen wollte es weit zurück bleiben, ein jeder hatte doch voll zu tun mit seinen Pferden, statt noch dem nächsten seine Pferde zu treiben. Wenn es nicht Kalt war, dann ging es auch gar nicht so schlecht, aber wenn es stürmte oder großer Frost war, dann musste man inzwischen auch zu Fuß laufen um sich warm zu halten, denn den ganzen Tag draußen im Schlitten sitzen da konnte man steif frieren. Bei solchen Reisen war ich auch fast ganz befreit von der häuslichen Arbeit. Früh fahren und spät kommen, dann war unmöglich noch zu Hause viel schaffen wollen. Donnerstag ging es wieder von frisch los, -Säcke voll Schütten auf die Schlitten laden, die Pferde wurden gewechselt. Freitag dann wieder in aller Früh so wie wir schon wissen, ging dieselbe Arbeit wieder los. Aber nicht immer sind wir leer nach Hause gefahren, denn das passierte nur selten, oft genug mussten wir die MTS Kerosin fahren. Auf jedem Schlitten zu ein Fas und dann ging die ganze Karawane wieder nach Hause. Wenn wir dann Sonnabend spät nach Hause kamen, so durften wir dann Sonntag auch ruhen, weil die MTS Sonntag Ruhetag hatte. Montag mussten die Fässer zur MTS gefahren und abgeladen werden. Wenn wir dann nach Hause kamen, dann wolle auch oft der Tag zu kurz sein, die Schlitten alle frisch beladen. Der Bregadir hat sich auch oft unser erbarmt, denn in der Zeit wo wir zur MTS fuhren mit dem Korosin es war acht klm. zu fahren, dann hat er mit anderen Leuten unsere Getreidesäcke gefüllt, um doch zu Dienstag fertig zu werden. Das Getreide ausfahren, wurde von der Obrigkeit befohlen, unaufhaltsam zu tun. Wenn aber das Sturmwetter zu groß wurde, dann wurde das Fahren doch aufgeschoben, manchmal sogar etliche Tage hielt das Unwetter an. In dieser Arbeit gab es kein Stillstand, so ging es bis zum Frühling, bis der Schnee anfing zu tauen, wo dann schon das Hochwasser uns das Fahren unmöglich machte. Das Getreide nach Sorotschinsk nach dem Elewator fahren, war immer ein und dasselbe. Leer sind wir nur selten nach Hause gefahren, denn die MTS der Bau, das Krankenhaus, die Magaziene, wollten auch ihre Ware gebracht haben, deshalb waren wir auch interessiert, immer was nach Hause zu fahren, wenn sich nur irgend etwas fand, denn außer die MTS, die andere Organisationen bezahlten diese Arbeit, daher wollten wir auch noch gerne etwas verdienen. Für den Bau brachte man Zement. Für das Krankenhaus - Medikamente. Für den Laden (den Handelsbetrieb) verschiedenes, - Schnittware, Salz, Glas, oft Kisten mit Wein und Schnaps und verschiedenes. Für jeglichen Verlust dieser Waren, waren wir verantwortlich, dafür wurde uns nicht gezahlt, sondern den treffenden Preis eingehalten. Daher war ein jeder recht bemüht, seine Ware ohne Verlust oder Beschädigung abzuliefern, denn die schweren Glaskasten, welche auf jeden Schlitten zu ein Kasten standen, könnten ja leicht zerschlagen werden, weil der Weg, die Schneebahn im Winter oft sehr löchrig ausgefahren wird und ein umkippen sehr leicht möglich war. Noch gefährlicher aber war, wenn wir Schnapskasten geladen hatten. Wenn wir dann auf jeden Schlitten fünfzehn - zwanzig Kasten geladen und festgebunden hatten, so standen wir zwei Gefahren aus. Erstens: Beim Fahren umkippen, der Schaden wäre wohl sehr schwer gewesen zu bezahlen. Daher musste beim fahren besonders nach dem zweiten Pferd geschaut werden, weil kein Kutscher war, so ging es auch manchmal da wo es ihm passender vorkam. Zweitens: Auf der langen Reisen begegnete man auch viel andere Leute von anderen Dörfer die auch Getreide gefahren haben. Beim Vorbeifahren ein Fläschchen aus den Kasten ziehen und sich in den Pelz zu stecken wäre ja ganz leicht gewesen. Oder wenn wir durch die russischen Dörfer fuhren, da wo die Jungens, wie wir schon von Anfang gelesen haben, immer uns nach liefen und schrieen." Pan daj Kalatsch". Auch hier könnte irgendwo ein Fläschchen verschwinden. Dieses einzige Mal wo wir so recht schwer mit Schnapskasten beladen waren , kamen wir spät nach Hause. Diese Ware konnte aber nicht auf dem Kolchoshof ohne Wache stehen bleiben über die Nacht, daher fuhr ein jeder nach Hause und lud seine Kasten zu Hause ab und fuhr dann in den Kolchosstall die Pferde ausspannen. Zu Hause half Papa mir noch all meine vierzig Kasten in den Stall trage. Alles in Ordnung, keine Flasche fehlte. Am anderen Morgen zur festbestimmter Zeit, spannten wir wieder alle vor unsere Schlitten, luden ein jeder seine Warenkasten auf und wir fuhren alle ins Nachbardorf, fünf klm entfernt zum Magasin unsere Kasten abgeben. Alle Schlitten standen jetzt beim Warenhaus auf dem Hof, fremde Leute waren hier nicht, also nichts zu befürchten, das jemand vielleicht stehlen könnte. Als der Warenhändler kam und die Warenhaustür aufmachte, dann fuhr ein Schlitten nach dem anderen bis an die Tür, um abgeladen zu werden. Alle zusammen luden wir die Kasten von den Schlitten und trugen sie in das Warenhaus. Der Warenhändler zählte die Kasten, schaute aber auch ob die Kasten alle voll waren. Ich war ganz ruhig beim abladen, denn ich glaubte das bei all unseren Kameraden alles in Ordnung sei, sowie auch bei mir und keine einzige Flasche fehlen würde. Aber wir nun fertig waren und alle Kasten im Warenhaus standen, fing der Warenhändler an die Rechnung zu machen. Als es jetzt bis zur Zahlung kam sagte er: "Die Kasten sind wohl alle, aber so und soviel Flaschen fehlen, ihr habt nichts zu erwarten. Für mich war es eine große Täuschung. Ich sagte, das meine Kasten seien alle voll gewesen, aber was half mir meine Empörung? Wenn ich hätte meine Kasten dem Händler gezeigt, dann wäre es vielleicht anders gewesen. Jetzt aber, wo alle Kasten durcheinander im Warenhaus standen war es für mich zu spät, etwas daran zu ändern. Gerade die welche sich beim Säcke tragen immer wussten zu schonen und die Jüngeren immer verschoben, die wunderten sich gar nicht besonders, sie sagten nur: "Dann werden wir das nächste Mal besser aufpassen." Ich dachte es damals und auch heute noch glaube ich es ganz fest, das hat damals und kein anderer gemacht, als Franz Voth und Abr. Friesen. Diese beiden die liebten den Schnaps. Diese haben zusammen den Spaß gemacht. Die Zahlung für das Überfahren wussten sie und für die ganze Zahlung haben sie zu Hause Flaschen zurück behalten und hatten für diesesmal umsonst geschafft. Möglicher Weise zur Strafe. Diese zwei Schuldner haben nur ein halbes Menschen gelebt, - sie sind schon lange und zudem noch nicht beneidenswert.
23 Januar 1984.
Kapitel 89
Aufbau und Niederlage
Die Kolchoswirtschaft sollte gehoben, gebaut werden, die Einzelwirtschaft sollte liquidiert werden. Das war ein Ding welches vielen Bauern anfänglich unmöglich vorkam. Daher auch ihr ganzes Verhalten zu so einem großen Regierungsvorhaben. In dem ganzen System merkte man eine beständige Reibung. Leute, die anfänglich an die Regierung gesetzt wurden, hatten, von so einer großen, aber bis dahin noch nie da gewesene Wirtschaft, nur eine schwache Vorstellung, aber keine Erfahrungen. Daher litt der Angefangene große Aufbau, zuweilen auch große Niederlagen. Die große Lösung welche an Tagesordnung stand, war: " Die Technik soll gehoben werden." , dann brauchen wir auch keine Pferde mehr. Die MTS fing sich an zu erweitern. Sie erhielt von der Regierung Traktoren auch Automaschienen. Anfänglich aber nur in geringen Maß, so das neben den Traktoren aber auch noch die Pferde sehr notwendig waren. Die MTS bildete Traktoristen aus, die dann mit den neuen Traktoren das Lande bearbeiteten. So ein Bild hatten die Bauern zu jener Zeit noch nie gesehen. Die Traktoristen und die Autofahrer unterordneten sich anfänglich der MTS. -sie waren MTS-Arbeiter und jeglicher Ausstellung zu Arbeit erhielte sie von der MTS-Direktive,-Direktor. Der Anlauf war von großer Bedeutung, aber der Ausgang hatte zuweile ein jämmerliches Ende. Ein Bild davon: Die Traktoren waren zuwenig, um den großen gegebenen Plan, das Herbstpflügen, zu erfühlen, daher gab es eine Anordnung schon im Sommer anzufangen zu pflügen, sogar schon vor der Heuernte. Den Bauern oder den Kollektivisten wurde eine große Sommer erspart. Heu mähen gab es für den Sommer nicht. Und der schöne, duftige, grüne Landteppich das hohe Gras wurde schonungslos umgepflügt. Wehmutsvoll schauten die Bauern wie vor ihren Augen das Heuland zu Pflugland wurde. Hier hörte man auch das Sprichwort: " Eines wird Errichtet, das andere wird Vernichtet." Etliche sagten ganz bestimmt:" Hier gibt es eine große Katastrophe." Und richtig, Heu konnte man nicht mähen, man blieb gänzlich ohne Futter. Das wenige Futter vom Getreide, Spreu und Stroh, war recht bald aufgefüttert und schon Anfang Winter war kein Futter mehr. Hungersnot bei den Menschen ist ein schauderliches Bild, aber beim Vieh; Pferde und Kühe nichts anderes. So ein Fall: Ein Futterfahrer im Nachbardorf, fährt mit einem Pferd, das schon recht schwach vom Hunger, Stroh auf einem Schlitten zum Kuhstall. Die Kühe waren alle im Hof, der Hof war umzäumt, als aber die Kühe erst den Strohfahrer erblickten, stürmten sie mit fürchterlichem Gebrüll dem Strohfahrer entgegen. Da hinderte kein Zaun, er fiel wie von einer Wasserwelle. Alles Vieh überfiel nun erbarmungslos die Strohfuhre. Mann und Pferd fanden ihr Ende unter den Füßen der halbverhungerten Kühen. - - - Unsere Pferde im Dorf, sowie auch in anderen Dörfer, die gingen zweifellos dem Hungertod entgegen, eins nach dem anderen fiel (krepierte). Da lagen die arme Tiere lang ausgestreckt und welche noch lebend waren, sofern wir uns näherten, so bissen sie in alles, was ihnen vor die Zähne kam, sogar uns an die Füße, an die Stiefeln, an Holz, wenn sie nur was langen konnten und mussten aber Hungers sterben, denn man konnte ihnen kein Futter geben, - war nicht.
Nur aber, - bei der höheren Regierung ist doch wohl Alarm gemacht worden. Man hatte doch noch eine kleinen Ausweg gefunden, um wenigstens noch etwas von den Pferden zu retten, ehe denn alles dran ging. Man trieb einfach die noch übergeblieben langsam in fernliegende Bezirke (Rajon) um sie dort bis zum Frühling zu erhalten. Was für ein Vertrag gemacht ist worden, weiß ich nicht. Auf jeden Fall waren jene Leute klüger gewesen im Futter machen, als unsere. Aus unserem Dorf musste Papa mit noch einem seines gleichen die über gebliebenen Pferde forttreiben, und sie auch dort bis zum Frühling füttern. Die Pferde, welche schon gefallen waren, die haben wir alle abgeledert, das Eingeweide wurde den Hunden gegeben, das Fleisch aber wurde alles beim Pferdestall in die große Scheune gebracht, hier fror es hart und wurde nicht schlecht.
Bei den Leuten war aber auch Hungersnot, wenn auch nicht im vollen Sinne dieses Wortes, aber Brot war nicht genügend, denn diese aufgestapelten, gefrorenen Pferde, die in der Scheune lagen, aßen die Menschen so langsam auf. Nicht alle haben davon gegessen, aber doch jenachdem ein jeder zu essen hatte. Auch ich hab so manch ein Stückchen von dem Fleisch geholt, wir haben gekocht und gegessen. Papa war, wie wir schon wissen für den ganzen Winter auf eine Dienstreise gefahren, Pferde besorgen. Die Familie war groß, Brot wenig, und wenn ich dann hin und wieder ein schönes Stück gefallenes Pferdefleisch nach Hause brachte, dann waren die Kinder froh, wenn es zum Abendbrot, zum schwarzen Kaffe und zum zugemessenen Stückchen Schwarzbrot noch ein warmes, gekochtes Stückchen Fleisch gab.
In dieser Winterzeit, wo beinah alle Pferde fortgetrieben waren, waren wir auch nicht alle Tage an der Kolchosarbeit gebunden. Es gab für uns auch freie Tage. Diese freie Tage waren für mich sehr passend, denn als erst das Hochwasser kam, der Schnee fast alle von den Feldern verschwunden war und doch aber noch fast in jeder Furche, Graben, Rinne, und Niederung Frühlingswasser stand, dann fing für mich noch auf etliche Tage eine besondere Jagd an. In dieser Zeit kamen die Zieselmäuse von ihrem Winterschlaf aus ihren Höhlen an die warme Frühlingssonne, oder Frühlingsluft. Ihre Höhlen sind auch nicht schwer zu finden. Eine oder manchmal zwei Zieselmäuse kann man aus jeder Höhle nehmen. Die Zieselmäuse werden ausgesäuft, ein -zwei Eimer Wasser das allewärts nicht weit zu tragen ist, langt um die Maus aus dem Loch zu holen. Selbst das Mäusefangen muss aber auch noch verstanden werden. Man kann ein und die selbe Maus mit einem oder einem halben Eimer Wasser bekommen, manchmal auch mit vier Eimer Wasser. Sie haben auch ihre besondere Eigenart (svoebrasie) oder List dabei. Wenn die Maus hört, das Wasser ins Loch kommt, Augenblicklich läuft sie aus ihrem Hintergrund höher nicht ganz bis oben und verschließt das Loch wo es am engsten ist, mit dem Hinterende nach oben, macht sich kurz und dick und somit ist das Loch gänzlich zu. Ein halber Eimer Wasser und das Loch ist voll und bleibt scheinbar auch voll. Wer von dieser List nichts weiß, der geht dann eben weiter, ohne was gefunden zu haben und die Maus hat sich gerettet. Wer es aber weiß, der wartet etwas, paar Minuten, dann wird der Maus das eiskalte Wasser doch zu kalt am Hinterende, sie lässt das Wasser durch und in einem Nu setzt sich das Wasser im Loch. Das ist ein gewisses Zeichen das eine Maus drinnen ist. Aber die List der Maus ist noch nicht zu Ende. Wenn nur der zweite Eimer mit Wasser ausgegossen wird, dann steigt die Maus so hoch, dass sie ober dem Wasser was im Loch ist sich befindet und zeigt sich nicht. Weil sich dann hier nichts gezeigt hat, so geht der Jäger dann oft weiter und wieder ist die Maus gerettet. Und so machen sie es dann bis endlich das Loch ganz voll Wasser gegossen ist, wenn der Jäger noch mehr Wasser beigetragen hat. Aber hier ist die Maus nicht schwer zu überlisten. Sobald, dass man Glaubt das eine Maus im Loch ist, muss man das Wasser so nach und nach, schulpsweise ins Loch gießen, immer nur ein bisschen, aber mit Nachdruck, so das die Maus gar nicht zu Besinnung kommen kann, auch gar nicht fertig kommt zur Schnaufen auch nicht die Augen aufmachen kann, weil dann immer frisch Wasser ihr ins Gesicht kommt. Dann hat sie zu tun, so rasch wie möglich an die frische Luft zu kommen, und sofern sie an die Oberfläche kommt, kann man sie, weil sie ja im ersten Augenblick nicht sieht, ganz frech am Hals packen und man hat sie gefangen. Diese Mäusejagd wird aber von Tag zu Tag beschwerlicher, denn das Wasser wird weniger, weil der Schnee verschwindet, dann muss man das Wasser zuweilen recht weit tragen und endlich hört es sich ganz auf wenn in der nähe kein Fluss ist. Die Zieselmäuse schmecken besser als die Hühner, ihr Fleisch ist zart. Sobald aber die Zieselmaus frisch ist, grünes Obst frist, dann ist der schöne Geschmack fort, es bekommt einen wilden widerlichen Geruch. Der Mausefang war verschieden. Zuweilen fing man wenig, dann wieder mehr. Wenn ich dann sechs oder acht Mäuse hatte, glaubte ich Glück gehabt zu haben. Dann kam ich nach Hause, das Fell zog ich nicht ab, weil es nur wenig kostete, wir aßen das viel lieber auf. Ich brüte sie dann, machte sie rein wie Ferkelchen, nahm sie aus und Mama hat sie dann gebraten. Wir Kinder haben tüchtig gegessen. Auch die Mäuse waren für zwei Wochen ein Zustoß für unseren schwachen Tisch.
Wir kehren noch etwas zur Winterarbeit zurück. In diesem Winter gab es kein Getreidefahren, denn da waren keine Pferde und die wenige Pferde, welche noch im Kolchos zurück gehalten waren, hatten kaum das Leben, weil so wenig Futter war. Zu obendrein hatten die Pferde noch so jämerlich viele Läuse. Mit den Pferden etwas schaffen das ging sehr langsam, wollte man sie dann noch etwas auftreiben, dann vielen sie auch zuweilen hin und nicht immer konnte man sie aufhelfen. - Ein trauriges Bild- Papa war in diesem Winter nicht zu Hause. Was ich draußen machte, weiß ich schon nicht. Von den Kindern kam jemand und rief mich zur Mama. -Ich kam ins Haus. -Mama rief mich zu sich, denn sie lag auf der Ruhbank. Sie sagte zu mir nicht besonders laut auch ganz bescheiden. Ich sollte doch zum Brigadier gehen und fragen ob ich nicht könne ein Pferd einspannen, die Mama ins Entbindungsheim fahren. Es waren fünf klm ins Nachbardorf zu fahren. - Es dauerte auch nicht besonders lange, so war ich mit den Schlitten vor der Tür. Mama hatte sich in dieser Zeit schon fertig gemacht. Dann stieg sie den Schlitten, ich packte sie noch etwas wärmer in Schlitten ein und los gings. Es ging ja nur langsam, weil das Pferd schwach war, aber wir kamen wohlbehalten hin. Während wir fuhren, machte Mama noch etliche Bestellungen. Sie erzählte aber auch etwas von dem, was ihr jetzt bevorstand, so das ich mich in stillen wunderte, von Mama mal was zu hören, von dem, was ich scheinbar bis jetzt nie hören durfte. Ich solle aber auch nicht vergessen nach zufragen, wann sie wieder nach Hause zu holen sei. Wie wir alle in dieser Zeit gewirtschaftet haben, weiß ich schon gar nicht, aber wir waren ja nicht mehr klein. Etwa eine Woche haben wir uns auch ohne Mama gewusst. Der Frühling war vor der Tür, aber keine besondere Vorbereitungen wurden gemacht. Die Sielen, das Pferdegeschirr wurde nicht geschmiert. Die Sähmaschinen blieben im Winterquartier. Keine Aussicht sie zu brauchen, weil doch nicht Pferde waren. Schon ging das Gerede, dass wir das Feld würden mit unseren Kühen bearbeiten. Die Kühe waren aber auch nicht gut im Stand, denn viele von den Bauern fütterten das Stroh vom eigenen Dach.
Einen Nebengedachten möchte ich hier noch zu Papier bringen, weil wir schon von den Kühen sprechen. Unsere Kuh sollte kalben, im Stillen trug ich mich mit dem Gedanken zum, wie sich diese Geschichte eigentlich abspielen würde. Papa war nicht zu Hause, dann würde ja Mama alles machen, ich verhielt mich ganz neutral und kümmerte mich auch gar nichts um die Kuh. Ich schaffte im Hof, Mama war zum Nachbar gegangen, ich wusste davon nicht. Draußen war schon schönes Wetter, die Stalltür offen und mit einmal brüllte die Kuh im Stall recht laut und Mama hatte es gehört beim Nachbar. Sie kam eilig nach Hause gelaufen und sah mich im Hof schaffen. Laut und aufgeregt sagte sie gleich, wozu ich nicht nach der Kuh schaue. Die Kuh kalbte und das Kalb könnte ja leicht ersticken ohne Aufsicht. Ich ging ja natürlich auch gleich helfen, aber zu Mama sagte ich;" Bis jetzt habt ihr doch immer gesagt: Ihr habt da nichts verloren." Und deshalb kümmerte ich mich auch gar nichts darum. " Jetzt bist du schon groß- sagte sie dann. - Etwas später dachte ich in meinem Sinn: Sollte sich wohl meine ganze Lebenslage ändern, wohl besser werden? Warum? Als ich die Mama ins Entbindungsheim brachte, sprach sie ganz gelinde zu mir, auch während wir fuhren war unser Gespräch von natürlicher Art. Im Winter wenn ich Pferdefleisch nach Hause brachte, war sie freudig gestimmt. Wenn ich Zieselmäuse nach Hause brachte, auch dann war sie ganz zufrieden. Jetzt bei der Kuh sagte sie:" Du bist ja schon groß." Dieses alles stimmte mich recht freudig, ich war in meinem Sinn schon bisschen glücklich.
Jetzt kehren wir uns wieder der Kolchosarbeit zu.
Papa kam wieder mit den noch übergebliebenen Pferden zurück. Denn zur Aussaat fehlten sie ja doch mehr wie nötig. Von weit über hundert Pferden die vormals waren, waren jetzt wohl kaum noch vierzig geblieben. Die Aussaat sollte aber gemacht werden. Und sie wurde gemacht, aber wie? Die ganze Arbeit wurde folgend verteilt: Nur etliche Pferde wurden zum eggen genommen und die Kühe der Bauern wurden auch alle vor die Eggen gespannt. Es gab natürlich großer Streit, aber schließlich gesät musste werden und so kamen die arbeitsfähigen Frauen auch alle ans eggen. Die junge Männer ersetzten die Sehmaschinen. Die ganze Saat wurde mit der Hand eingesät, auch ich säte mit der Hand. Die ältere Väter mussten mit etliche Wagen den Weizen den Säern beifahren und die junge streuten die Saat in die Erde und hinter den Säern wurde die Saat eingelegt. Das war ein altertümliches Bild, was ich vorher so auch nachher nie gesehen habe.
Kapitel 90
Du bist ja schon groß
Das konnte man schon wahrhaftig glauben, denn ich war volle zwanzig Jahre alt. - Wir brechen hier ab. - Ich habe einen Punkt ausgelassen.
Kapitel 90
Die Käserei
In der Bauerwirtschaft gibt es verschiedene Arbeit, häusliche Arbeit auch Landarbeit und alle Arbeit macht der Baur der Reihe nach ohne jegliche Ausnahme, ob es gute Arbeit ist oder schlechte. Etwas anderes ist es im Kolchos, wenn hier auch die selbe landwirtschaftliche Arbeit gemacht wird und auch gute und schlechte Arbeit vorkommt, so bleibt hier doch vieles zu wünschen übrig. Der Kolchosbrigadier verteilt die Arbeiter, gibt einem jeden bestimmte Arbeit zu verrichten. - Weil es nun aber...- gute und schlechte Arbeit, leichte und schwere Arbeit, guter und schlechter Verdienst, junge und alte, gesunde und Kranke, starke und schwache, gute und schlechte, fleißige und faule Menschen gibt und er wie ein richtiger Schachspieler das recht hat, all seine Figuren auf dem ganzen Schachbrett nach seinem Geschmack zu verstellen, so hat er auch recht bald seine Lieblinge und auch seine Stiefkinder. Solch eine Hantierung hat mir noch nie gefallen, und wird auch nicht gefallen. Obzwar ich hier nicht Stiefkind war, denn ich war jung und stark und konnte ohne weiteres alle Arbeiten durchwühlen, wie sie nicht waren. Aber mitleidig sah ich auf diejenigen die wahrhaftig die wahrhaftig als Stiefkinder behandelt wurden. Daher wurde mein Gesichtskreis (krugosor) immer größer und im geheimen schaute ich beständig, ob sich nicht mit einmal könnte eine Lücke auftun um dann aber auch für immer zu verschwinden. Ich hatte, sowie auch meines gleichen, immer meine beständige Feldarbeit zu verrichten.Papa wurde ausgestellt, am Abend die gelieferte Milch nach die Käserei zufahren. Diese Arbeit wurde folgend verrichtet. Jeder Kollektivist wurde vom Staat mit einer Milchauflage pro Kuh belegt. Am Abend, wenn das Vieh von der Steppe kam, dann spannte Papa zwei Pferde vor den Wagen, stellte den Wagen voll Milchkannen und fuhr dann bis Ende Dorf, wo schon die ersten Kühe gemolken waren. Die Hausfrauen brachten dann ihre frische Milch zur Straße, welche sie abliefern wollten. Papa wog sie, goss sie in die Milchkannen, schrieb jedem seine gelieferte Milch ins Heft und fuhr dann langsam auf der Straße von Nachbar zu Nachbar bis er die ganze Straße entlang gefahren war. Dann fuhr er mit dieser Milch nach die Käserei, welche sich in einem Dorf, L klm fern, befand. Dort lieferte er die Milch ab, nahm dann seine leere Milchkannen und fuhr wieder nach Hause. Dies war seine beständige Arbeit. Andere Arbeit brauchte er im Kolchos auch nicht schaffen, weil er immer erst um zwei Uhr Nachts nach Hause kam, manchmal auch sogar später. Ich persönlich, wünschte gerne mal die Käserei und ihre ganze Arbeit zu schauen. So tat ich es auch. Am nächsten Abend fuhr ich die Milch fort und als ich die Milch ablieferte, fragte ich den Käsemeister ganz höflich, ob ich mich die Käserei und die ganze Arbeit beschauen dürfe. Ganz freundlich erlaubte er es mir. Als ich nun fertig war, fragte er mich:" Ob ich nicht wolle bei ihm arbeiten." - Aber von Herze gern, erwiderte ich. Dann sagte er weiter: "Schon morgen kannst du kommen, wenn du nur willst." Froh fuhr ich nach Hause. Kein Schlaf überfiel mich beim nach Hause fahren. Des Morgens erzählte ich es den Eltern, von meinem Vorhaben, sie hatten auch nichts dagegen. Am meldete ich dem Brigadir, dass ich nicht mehr auf Arbeit kommen würde, weil ich in der Käserei arbeiten wolle. Ob es ihm damals gefallen hat oder nicht, dass weiß ich heute schon nicht mehr. Das war der letzte Arbeitstag im Kolchos. Desselben Tages noch machte ich mir mein kleines Reiseränzel fertig. Decke und Kissen auch etwas von Kleider zum umziehen und der Reisesack war fertig. Am Abend als Papa fertig war die Milch fort zu fahren, fuhr ich mit ihm mit.
Auf der Käserei gab der Käsemeister mir sofort einem sauberen Arbeitskittel und mit aufgeschobenen Ärmeln gings lustig und zufrieden an die Arbeit. Papa fuhr nach Hause, ich aber blieb schon zurück und zählte mich für einen Arbeiter und nicht für einen Kollektivist. Am nächsten Tag, hier bei der Käserei, wurde mir auch ein Quartier angewiesen. Die ersten paar Monate habe ich als Laborant gearbeitet. In der Freizeit bei der Arbeit half ich mehr dem Käsemeister Käse kochen. Das gefiel ihm wohl, daher zeigte, sagte und lehrte er mich diese Arbeit und so ganz von selbst machte es sich, das er schon hin und wieder mir diese Arbeit überlies oder anvertraute. Mit dem essen hatte ich es gar nicht schwer. Jeden Abend brachte Papa mir etwas zum essen. Er brachte mir hauptsächlich ein Stückchen Brot, das andere hatte ich ja hier zum Überfluss: Milch, Schmand, Butter, Käse, Quark u.d.m. Wenn ich jetzt zurück denke, im Winter noch das magere Pferdefleisch, im Frühling die Zieselmäuse und schon im Sommer beim vollen Milchtopf und anderes. Das war ein rascher Wechsel, vom Schlechten zum Guten und ohne jeglicher Beschwerden konnte man sich dazu gewöhnen. So ein schöner Tisch hatte mich in einer ganz Kurzen Zeit zu erkennbar gemacht. Ich war körperlich schön gestellt, ich war mit einfachen Worten gesagt, dick und fett.
In der Käserei wurde hauptsächlich nur des Nachts gearbeitet. Die meiste Milch wurde am Abend gebracht, bis diese dann verarbeitet war , war die Nacht um.
In der Käserei wurde auch gebuttert. Die Butter wurde in Kleine Fässer eingeschlagen und ebenso wie auch die Käse die wir kochen, dem Staat abgeliefert. Die Fässer für die Butter wurden alle bei der Käserei gemacht. Nicht jeder verstand diese Fässer zu machen, daher wurde diese Arbeit auch ganz gut bezahlt.
In einer vorhergehenden Geschichte ist schon angeführt worden:" Wenn ich manchmal was sehe und davon gehe, dann kann ich es schon selber machen, das ist für mich kein Problem." So war es auch mit den Butterfässern. Es dauerte kaum zwei drei Tage, dann stellte ich schon die Fässer her, das kein Meister etwas dran zu mäckeln fand.
Die Werkstube war ebenfalls wie mein Quartier hier, auf dem Käsereihof. Alles ganz dicht bei, und so habeann ich oft am Tag weniger geschlafen und nebenbei noch Fässer gemacht, weil man bei, oder mit den Fässern gut verdienen konnte.
So verging der ganze Sommer, ja viel zu schnell verging die Zeit, und warum? Weil ich mich frei fühlte, wahrhaftig frei. Ich wurde nicht auf Schritt und Tritt kontrolliert, ich wurde nirgends gescholten, im Gegenteil,
wenn ich die meisten Fässer erstellte, davon wurde gesprochen, das war für mich ein Lob. Die Milchlieferung stellte sich zum Spätherbst fast ganz ein. Etliche Arbeiter wurden entlohnt. Dann gab es im Winter, weil nur
ganz wenig Milch einkam, noch verschiedene andere Arbeit z.B. Eis anfertigen, die Eiskeller voll Eis fahren. Die Milchkannen zum Sommer ausludieren. Dicke Weidenruten anfertigen, für die Butterfässer zu Bänder usw.
Zu Neujahr wurde ich nach Uljanowsk auf ein Monat auf Kursen geschickt, als Laborant zu lernen. Als ich in e nach Hause kam, wurde in einem fernen Dorf bei den Baschkieren ein Milchpunkt eingerichtet. Hier wurde von den Baschkieren die Milch zusammen geliefert. Wo ich dann hingeschickt wurde die Milch zu verarbeiten. Zweimal Wöchentlich stellte ich dann den Schmand und den Quark zu Käserei. Weil aber die Baschkieren so träge waren im Milch liefern, so ging dieses Geschäft bald ganz ein. Es hielt kaum drei Monate aus und dann wurde alles liquidiert. Auch ich bekam meine volle Rechnung und wurde entlohnt. Mir war nichts anderes geblieben als nach Hause zufahren. Zwei Jahre hatte ich in der Käserei gearbeitet.
Kapitel 91
Du bist ja schon groß
So lesen wir N. 89 S408. Das könnte man wahrhaftig glauben, denn ich war volle zwanzig Jahre alt, sogar vier Monate darüber. Dies ist die schönste Blütezeit der Jugend, leider hatte ich von dem reizenden Blütenduft noch nur wenig vernommen oder richtiger gesagt gar nichts. Der innere Trieb nach Liebesverkehr, den kein Mensch nicht aufhalten, noch verschenken, noch verbieten kann, hatte sich auch, ganz selbst verständlich, bei mir gefunden. Ohne von jemanden belehrt zu sein, erwachten verschiedene Gedanken über Gattungen, über Geschlechtsverkehr. Ich empfing Freude, Vergnügen wenn es irgendwo Gelegenheit gab, einem in ihrer schönsten Blütezeit, Mädchen ins zierliche Augenpaar zu schauen. In einer Kürze wurde das Verlangen immer größer mit jemanden näheren Verkehr zu haben, Wortwechsel zu führen, eine warme, zarte Hand fühlen zu können. Dies waren alles nur Empfindungen, die aber in baldiger Zukunft doch zum Ausbruch kamen. - Voll von solchen Gedanken und zu obendrein noch, " Du bist ja schon groß." Gab mir vollen Mut, gegen jedes Verbot:" Ihr habt dort nichts verloren," oder " Das du wirst zu Glockenschlag zu Hause sein", mehr selbstständig zu handeln.
Es war an einem schönen Frühlingsabend, meine Eltern waren nicht zu Hause, ob sie wohin gefahren waren, das weiß ich schon nicht mehr, aber für diesen Abend waren sie nicht zu Hause. Die Natur war so schön, so verlockend die warme Frühlingsluft einzuatmen, dass ich, obwohl oder übel, mich aufmachte und hinaus auf die Straße ging eine Gesellschaft aufzusuchen.
Wer suchet der findet, auch ich fand jemand um in nähere Berührung zu kommen. Ich fand ein Fräulein Maria und um nicht zu lange auf der Straße aufzuhalten, gingen wir zu uns und setzen uns in unsere Veranda. Hier konnten wir ein Gespräch führen und niemand belauschte uns. Viel zu rasch verging die Zeit. Zum Schluss wurden noch ein weiteres Zusammentreffen besprochen, dann begleitete ich Maria noch nach Hause und für diesmal war genug. Dieses unser Zusammentreffen wurden auch im Dorf bekannt, wovon dann auch im Dorf in der nächste Woche gesprochen wurde. Mir aber machte es nichts, vielleicht das irgendwer sich hat darüber Gedanken gemacht, das kann sein. Das nächste Treffen war bei Maria zu Hause. Am nächsten Sonntag, Abends, als alle Vorbereitungen zu Montag gemacht waren. Zog ich mich wieder die Sonntagskleider an und ging zur besprochenen Zeit nach mein liebgewonnenes Maria spazieren. Ohne jegliche Scheu, frei als musste es so sein, ging ich zu ihr. Keine Bubenstreiche oder Schalgheit hatte ich im Sinn zu verrichten. Bescheiden und anständig setzten wir uns draußen vor der Tür an der Wand auf eine Bank. Wir saßen nebeneinander aber nicht aneinander. Ich saß etwas schräg und schaute nach dem Garten zu. Maria saß etwas schräg und schaute nach der Straße hin. Unsere Unterhaltung war nur eine Allgemeine. Damit einmal sagte sie zu mit im Halbton:" Eure Mama kommt." "Aber das doch nicht," sagte ich. Ja, ja sagte sie, eure Mama kommt. Ich sagte zu Maria, sei nur ganz still, auch ich werde nichts sagen, mal sehen was es gibt. Als Mama nur näher kam, stellte sie sich vor mich hin und sagte ganz gebiterisch:" Wanja, ist höchste Zeit nach Hause zu kommen, drehte dann um und ging nach Hause. Wir waren beide ein weilchen Still, dann sagte ich zu Maria: "Denn Appetit zum Weiterspazieren hat Mama uns heute schon verdorben, geh nur schlafen und ich werde auch gehen, ich hol sie vielleicht noch ein. Und richtig, ich holte sie noch auf der Straße ein. Dann sagte ich zu ihr:" Mama, im Leben hatte ich es mir nie gedacht, dass ihr so was machen könntet." "Ja, es ist Zeit nach Hause zu kommen," gab sie dann zurück. Und so gingen wir still nebeneinander nach Hause.
Kaum eine Stunde mit Maria beplaudert und die wurde uns noch verheert. Das war mein letztes Zusammentreffen mit Maria allezeit. Was Mama damit bezwecken wollte, weiß ich wirklich nicht heute noch, kann ich gar nichts gutes darüber denken. An ihren eigenen Kindern hat sie so was nie ausgeübt.
Ach, wie war ich noch so dumm, ach wie war ich doch so gut so gelinde zu ihr. Hier mitten auf der Straße hätte ich ihr eine Zahlung ersetzten können, die sie Lebzeit nicht vergessen hätte. Aber ich wollte mein Gewissen nicht besudeln.
Kapitel 92
Auf der Suche nach Brot
Es war im Mai Monat 1932 als eines Tages Papa zu mir in den Stall kam, wo ich meine Arbeit hatte und sagte:" Wanja, ich tue es ungern, aber ich muss dir eine besondere Meldung sagen. Wir haben nicht Brot und so wollen wir dich und Heinrich ausschicken, irgendwo Brot, Geld verdienen. Ich sah es ihm an, er konnte diese Worte nur sehr schwer sagen. Das, das Brot wirklich wenig war, dass zeigte der schmale Tisch. Das wirklich so großer Grund war die Kinder, mich und Heinrich in die Fremde zu schicken Brot verdienen, und so eine Meldung kaum übers Herz bringen zu können, das hatte für mich zwei Deutungen. Vorläufig war aus dem ganzen Dorf noch kein einziger nicht ausgegangen um Brot zu suchen und wir waren auch nicht die ärmsten. Und ob Papa nicht wird zu Mama gesagt haben, wenn Wanja geht, geht auch Heinrich, das bezweifle ich heute. Weil ich der Mama ein Hindernis im Hause war.
Lieber Leser. Diesen letzten Gedanken vergisst nicht, er kommt noch einmal laut zum Vorschein. Ich war damals jung, zwanzig Jahre und ohne große Überlegung, was uns die zukünftige Tage bringen könnten, schaute ich sorgenlos in die Zukunft. Wir schnürten unsere Ränzelchen, eine Bluse und ein Paar Hose und eine halb Laib Brot das war unsere Bogage. Früh morgens mit einem Stock in der Hand, das Bündelchen auf dem Puckel, zu Fuß, traten wir, ich und Heinrich, die Wanderschaft, dem Morgenrot entgegen, aufs geradewohl an. Als wir nun etwa zwanzig klm. gemacht hatten, setzten wir uns um etwas zu ruhen. Da mit einmal holte uns ein einspänniger Wagen ein, ein Tarantas mit einem Pferd. Drin saß ein junger Mann mit seiner Mutter, sie fuhren nach Hause, so erklärte der Mann, als er gegen uns das Pferd etwas anhielt. Wir erkannte sie denn zu einer Zeit hatten sie in unserem Dorf gewohnt, ungefähr acht Jahre zurück. Es war der Sohn an Onkel Wilhelm Sawadski, welcher uns mal rechttüchtig strafen wollte, wegen der gerösteten Erbsen auf dem Religionsunterricht bei Peter Beckers, sieh S.241. Dieser Leo, so hieß er, fragte nun, wo wir hin wollten. Richtig gesagt, wir wussten selber nicht, dann sagte er, wir sollten ihm folgen bis in einem großen Sowchos, noch etwa vierzig klm. und dort konnte man dann schon anfangen Arbeit zu suchen. So gingen wir diesem Tarantas nach, abwechselnd dürften wir uns auch auf die Fuhre setzten um etwas aus zuruhen und dann gings bis spät Abend immer vorwärts. Es war schon recht dunkel als wir in diesen Sowchos kamen. Der Leo hatte hier Bekannte und machte es, dass wir hier ein Nachtlager fanden. Früh morgens fuhr Leo mit seiner Mutter seine Straße weiter, wir aber fingen hier im Sowchos Arbeit zu suchen. In einem Kontor bei einem Oberst fanden wir, dass ihm nötig Arbeiter fehlten, leider nicht hier im Sowchos, sondern vierzig klm.weiter dem Osten zu, befand sich die zweite Abteilung von diesem Sowchos, da sollten wir hin gehen und uns melden, dort würde man uns ohne weiteres Arbeit geben. Er gab uns ein Schreiben, eine Richtung mit, sagte auch welchen Weg wir einschlagen sollten um nicht fehl zu gehen. Und so tratten wir die zweite lange Tagereise an. Ungefähr die halbe Reise war gemacht als uns miteinmal unerwartet eine Lastmaschine einholte. Sie hielt an und man fragte uns wer wir seien und was wir wollten. Sie hießen und aufsteigen und so fuhren wir dann bis Ort und Stelle mit. Es war der Mechaniker von da wo wir hin wollten. Man hatte ihm doch wohl im Kontor von uns gesagt, dass zwei Jungens auf der Reise seien, in die zweite Sowchosabteilung um dort zu arbeiten. Der Mechaniker war uns gleich behilflich und wies uns eine Nachtherberge an. Schon am andren Tag wurden wir als Arbeiter im Kontor eingeführt. Wir erhielten Arbeitskleider, Schuhe u.a. auch Speisekarten, und dann ging die Arbeit, fern von zu Hause, etwa hundertfünfzig klm. los. Ich wurde als Gehilfe eines Kombienenführers angestellt, Heinrich als Reckungsführer bei den Traktoren und Kombienen. Etliche Wochen reparierten wir die Kombienen, dann aber ging die Dreschzeit los, die Ernte fing an. Zu essen bekamen wir satt, das Quartier jedoch war nur ein jämmerliches. Es war unweit von der Arbeitsstelle, auch nicht weit von der Speisehalle, neben einem kleinen Flüsschen, eine kleine Lehmhütte, eine Banja. Hier hatten wir unsere erhaltene Bettsachen und unsere wenige Kleider liegen. Am Tag waren wir auf der Steppe, dann kamen wir nach Hause aßen und übernächtigten hier in der Banja und so ging das Tag ein, Tag aus, ohne Ruhetage. Nur hin und wieder am Sonntag Nachmittag wurde früher Feierabend gemacht. Wir bekamen auch zu hören, dass etwa acht klm. entfernt ein deutsches Dorf sei und man fragte uns ob wir nicht von dem Dorf seien, es sei ein Dorf Chortiza. O, sagte ich, in einem Dorf Chortiza haben wir Verwandte, da wohnen meine Kusinen (dwojur. Sestra). Eines Tages in einer Freizeit machten wir uns auf dem Weg dahin. Zu jener Zeit musste man alles zu Fuß belaufen. Und zu unserer großen Überraschung hatten wir unsere Verwandte aufgefunden. Jetzt, wenn es wirklich man sollte sein, dann könnte man wirklich mal rasch überspringen. Unser Zusammenkommen war ja nur selten, weil es Erntezeit war. Unsere Arbeit machte uns wirklich großes Vergnügen. Eines Tages jedoch passierte mir ein Unglück. Bei der Arbeit geschah etwas an der Kombiene. Es sollte rasch gemacht werden. Es musste mit dem Hartmeißel ein Bolzenkopf abgehackt werden. Hier war ich zu eifrig und nicht vorsichtig genug. Ich schlug mir mit dem Hammer mit den Nagel vom linken Daumen und zerquetschte dabei mir die Daumenspitze. Ein Glück war dabei, die medizinische Schnellhilfe war nicht weit von uns, so dass mein Daumen recht bald verbunden war. So schlimm wie es nicht war, wenn auch sehr beängstlich und behutsam, aber meine Arbeit machte ich trotzdem doch weiter. Wir waren doch gekommen Geld, Brot verdienen. Die Mährzahl war im vollen Gang. Eines Tages, wo ich schon von der Arbeit gekommen war und auf dem Nachtlager lag, kam Heinrich recht spät von der Steppe und er teilte mir mit. Er habe auf der Steppe müssen von einer Kombiene zur anderen gehen die recht weil von einander seien gewesen um die abgelieferte Bunkerzahl anzuschreiben und während er sei auf dem Stoppel gegangen, habe er eine Loch mit verstecktem Roggen gefunden, dass ganz leicht mit gedroschenen Stroh bedeckt sei. Er sei zufällig da über gegangen und sei in dem leichtbedeckten Getreide eingesunken. Aber wie viel es sei gewesen, habe er nicht feststellen können, weil es schon so dunkel gewesen.
Für uns beiden war guter Rat teuer. Was jetzt machen?
Es war ja gefunden, dass könnte man sich holen, es war ja nicht gestohlen. Aber wie und wann, dass blieb für uns noch ein Rätsel. Wir dachten nur, jetzt haben wir Brot gefunden. In dieser Nacht haben wir wenig geschlafen. Es lag uns dieser Fund hoch. Wir beide besprachen uns, am anderen Tag so früh und so schnell wie möglich nach der Arbeit nach Lhortitze zu laufen und unsere Kusine bitten sie solle beim Brigadir ein Wagen mit zwei Pferde ausbitten um dann des Nachts das Getreide, den Roggen über zu fahren. So machten wir es auch, und richtig, alles ging wie geschmiert. Der Wagen war recht bald da, zehn Säcke nahmen wir mit, mehr ging nicht, denn das wäre genug für zwei Pferde. Die Sommernacht war kurz, deshalb musste geeilt werden. Obzwar es finster war, so hatten wir den Acker und die Stelle auch oder doch recht bald gefunden. Mit pochendem Herzen wurde der Roggen eingesackt, eingeschüttet. Acht volle Säcke gab es und nun rückten wir wieder los nach Hause, nach Lhortitze. Als wir uns dem Dorfe näherten, dämmerte es schon ziemlich. Die Nachttabunhirten hatten uns bemerkt. Als wir bei der Kusine an kamen, wurden die Säcke rasch ins Haus auf den Boden getragen. Die Kusine brachte die Pferde in den Stall und wir beide im vollen Trab acht klm. auf Arbeit gelaufen. Ohne Frühstück nur so rasch wie möglich unseren Arbeitsplatz eingenommen.
Bis dahin alles glänzend gelungen.
Jetzt ging die Arbeit beim mähen wieder wie zuvor. Wenn manchmal ein Traktorist erkrankte, dann wurde ich auf den Traktor gesetzt, dann wieder stellte ich mich auf die Kombiene. Für mich war es einfach eine Lust das schaffen.
Eines Tages mal, kam ein Mann mit einem Pferde zu unserem Tabor gefahren, schon von Ferne bemerkten wir ihn. Als wir mit unsere Kombine näher zum Ende kamen, hielten wir unsere Kombienen an und machten einen kleinen Halt. Der Mann hatte eine ganze Fuhre Äpfel und wollte sie für Getreide verhandeln. Unser Kombinenführer ein rechter Waghals befahl ihm die Äpfel alle auszuschütten und sich mit seiner Fuhre unter den Bunker zu stellen. Er machte es so, dann schüttete der Kombienenführer ihm eine Trachtweizen in seinen Wagen und sagte: " Mach das du fort kommst." Zu den anderen alle sagte er: Jetzt steckt euch die Äpfel ein und esst, so viel ihr könnt. Das war aber ein richtiger Schmaus. Nun wurde wieder feste weiter gemäht. Bis Abend waren aber noch lange nicht die Äpfel aufgegessen. Als die Maschiene die Arbeiter vom Feld holen kam um nach Hause zu fahren, wurden noch die übergebliebenen Äpfel verteilt, ein jeder hatte seine Taschendick voll, sie langten noch für den nächsten Tag.
Kapitel 93
Ein besonderes Ereignis
Die Maschine brachte die Arbeiter vom Tabor alle bis zur Speisehalle, hier aßen wir alle zu Abendbrot. Es war indeß schon ganz finster geworden. Ohne sich gewaschen zu haben aßen die Arbeiter und gingen dann ein jeder nach Hause. Dort selbstverständlich wusch ein jeder sich vor dem schlafen gehen. Auch wir machten es gewöhnlich so. Unser Lehmhäuschen stand ganz neben dem Flüsschen wo wir uns dann vor dem schlafen gehen noch wuschen. Heinrich war an diesem Tag früher nach Hause gekommen, er hatte sich schon gewaschen auch schon gegessen und wartete nun bei der Speisehalle auf mich, um dann zusammen nach Hause zu gehen. Unser Häuschen war gar nicht weit von der Speisehalle, kaum fünf Minuten gehen. Als wir Arbeiter nun alle in die Speisehalle kamen und jeder sich an den Tisch gesetzt hatte, auch ich nahm einen Platz ein. Ich bemerkte aber gleich beim Eintritt in die Speisehalle einen Milizionär, der da hin und her ging. Sein ganzes Benehmen kam mir verdächtig vor. Inzwischen setzte er sich auch, aber ich merkte das er jemand im Auge habe.
Flüchtig streiften seine Augen auch mich. Heinrich setzte sich neben mir und sagte, der Milizionär habe ihn nach dem Namen gefragt, habe ihn auch nicht außer acht gelassen und habe sich immer neben ihn gedreht.
Die Arbeiter aßen und gingen , aßen und gingen, schon wurde die Speisehalle immer leerer . Der Milizionär blieb aber noch immer hier sitzen. Ich aß nur ganz langsam, den ich wartete der Milizionär sollte fort gehen. Ich wollte ja hier nicht aufstehen und vom Tisch gehen denn meine Taschen waren ja platzend vor Äpfel, daher zögerte ich fast bis zum letzten. Weil aber der Milizionär sitzen blieb, war ich doch gezwungen aufzustehen und hinaus zu gehen. Ich kam aber schon nicht bis zur Tür, so war auch er schon aufgesprungen und verwerte mir den Ausgang. Als er sich erkundigt hatte über meinen Namen, sagte er ganz entschieden: " Ihr seid aretiert". Er sagte es natürlich russisch. Dann sagte ich zu ihm, das weis ich nicht was das ist. Dann sagte Plattdeutsch: " Ihr seid aretiert". Er führte uns hinaus, drauß vor der Speisehalle hielt ein Lastauto. Da befahl er uns aufzusteigen und wir fuhren los, wohin wussten wir nicht. Es war finstere Nacht als wir fuhren. Ich und Heinrich wir lagen in der Maschine, keine Bank war nicht, das man hätte sitzen können, gewaschen hatte ich mich noch nicht. Das war eine ungemütliche Fahrt und was das bedeuten sollte wusste ich aber wirklich nicht. Sollte es wohl wegen den Äpfeln sein die ich in der Tasche hatte? Sollte ich sie wohl so langsam beim fahren über Bord schaffen? Wenn es sollte wegen den Äpfeln sein, warum ich allein? Warum musste Heinrich mit? Hin und wieder hielt die Maschine an und der Milizionär schaute dann aus der Kabine ob wir noch in der Maschine sein. Ich gab Heinrich von den Äpfeln und sagte iss soviel wie du kannst. Ich war ja noch mehr wie satt.
Wir kamen endlich in ein Dorf, wo dann in einem Hof die Maschine bei einem Speicher (sklad) stehen blieb. Wir mussten runter von der Maschine und wurden hier in diesem Speicher eingeschlossen, weiter wurde nichts gesprochen. Der Speicher war ganz leer. Kahler Bretterboden, finster, so tabten wir hier umher. Schließlich kauerten wir uns in eine Ecke nieder und lagen zusammengerollt wie ein Hund, den es war kühl, und warteten, der Morgen sollte Tagen. Der nächste Tag, um die Vesper Zeit öffnete der Wächter den Speicher, er lies uns in den Hof gehen. Nicht weit von diesem Speicher stand ein Haus. Als wir beide nun in den Hof waren und uns umsahen wo wir eigentlich sein, kam die Nachbarin aus ihrem Haus in den Hof wo auch wir hier standen.
Ich erkante sie, und sagte: "Maria bist denn du das?" " ja, sagte sie, aber wer bist du denn?" Sie konnte mich auch nicht kennen, denn ich war ja vom Felde gekommen, noch nicht gewaschen, schwarz wie ein Traktorist. Ich bat sie um wasser zum waschen, denn der Wächter lies uns nirgends hingehen. Ich wusch mich und lies mir von ihr den Daumen frisch verbinden, der noch sehr schlimm war. Dann gab sie uns auch noch zu essen. Diese Marichen kannte ich von ganz klein, sie hatte mal in unserem Dorf gewohnt. Ich fragte wo wir hier sein. Dan sagte sie: "Dies ist ein Deutsches Dorf , Kitschkas". Auf ihre Fragen: Wie und warum seid ihr hier? Konnte ich nur sagen, ich weis nicht. Dann wurden wir wieder ein geschlossen. Zum Abend brachte man uns auch etwas Stroh zum Nachtlager. Am anderen Tag wurde ich rausgerufen zum Verhör. Derselbe Milizionär welchen wir schon kannten, nahm mich im verhör. Von viel hin und her fragen konnte ich noch gar nicht fest stellen, wo er hin wollte. Endlich kam der Hauptpunkt. Er fragte: "Wo wir den Roggen welcher in Chortitza bei Olfert auf dem Boden liegt, her hatten." Aha, dachte ich, jetzt ist mir alles klar. Ich natürlich sagte ihm ganz frei ohne jegliche Lüge, wo wir ihn herhatten. Dann sagte er: "Hättet ihr es gemeldet, dann hättet ihr gesetzlich den vierten Teil davon bekommen, das andere hätten wir dem Staat abgeliefert. Jetzt aber wird euch gesetzlich alles als gestohlen angerechnet, auch wen wir den finden, der es wirklich gestohlen hat. Deinen Bruder der noch nicht volljährig ist, werden wir entlassen. So wurde ich dann in den Speicher geführt und Heinrich musste nun zur Verhör. Um eine Gewisse Zeit kam Heinrich bis zu meiner Tür und meldete, dass man ihn habe frei gelassen, er könne gehen wohin er wolle. Dann sagte er Auf Wiedersehen und verließ mich. Wie er dann endlich ist ganz nach Hause gekommen, weiß ich nicht. Ich aber blieb hinter Schloß und Riegel. Den folgenden Tag wurde ich wieder geholt, ich musste Säcke mit Roggen von einer Maschine laden und ins Haus tragen. Dann musste ich wieder zu Verhör. Ich wurde hin und her gefragt, ob ich nicht den Roggen sogar selber gestohlen habe, oder ob ich nicht wüsste wer es könnte getan haben. Ich natürlich blieb bei dem einen und sagte:" Wir haben ihn gefunden und weiter weiß ich nicht". Dann sagte er:" Den Roggen den du so eben hast abgeladen, das ist der Roggen von Olferts, deine Sache sieht schlecht, nach dem Gesetzt vom achten August 1932. wird jegliches verschwenden von Staatsgetreide bestraft mit Todesstrafe oder zehn Jahre Verhaftung. Du bist verhaftet den 22 August 1932. Jetzt weiß du was deiner wartet." Dann führte man mich wieder zurück in den Speicher.
Durch der Maria, welche mir den Finger verband, war es dochwohl im Dorf bekannt geworden, dass hier im Speicher ein deutscher Junge sei, daher bekam ich dochwohl von mitleidigen Menschen etwas zu essen. Um etliche Tage wurden bei mir noch vier Mann eingekerkert. Zwei Kombienenführer und zwei Traktoristen. Jetzt war es für mich schon nicht so einsam, auch des Nachts nicht so kalt. Alle lagen wir dann dicht zusammen auf dem Strohlager und konnten uns besser wärmen. Dies waren die Männer welchen den Roggen versteckt und wir ihn geholt hatten. Mein Verhör war jetzt mehr aus, diese Männer wurden jetzt einer nach dem anderen gezogen. Nicht viel Tage später, dann wurden wir alle fünf nach der Staat Orenburg ins Gefängnis transportiert. Das war eine bittere Pille. Das Gefängnis war voll, dass man uns hinein schob um die Tür zumachen zu können. Jetzt fing ein anderes Leben an. Ich war jung und so noch keine besondere Schwierigkeiten. Mir war das Meer noch nur bis an die Knie.
Hier in unserer Kammer lagen alle Bretterlager ganz voll Menschen jung und alt. Ebenfals auf dem Fußboden lag, nein nicht lag, sondern saß, die Hände um die Knie geschlungen alle dicht nebeneinander bis an die Schwelle alles voll. Es war Nacht, nur ein elektrisches Lämpchen erhellte diese Kammer. Eine stickende, pesstige Luft umgab uns hier. Die Wände grau und schmutzig, blutfläcken an der Wand vom Wanzen verdrücken nicht wenig. Das Fenster vergittert, stand wohl offen, aber nicht genügend frische Luft kam in die Kammer für so ein Menschenmenge. Oben an der Wand war mit Kohle geschrieben, recht groß: " Kto tut ne bil, tot pobudet, a kto bil, tot ne sabudet." Nun fragte der Kammerälteste uns, für was wir hier nun hier seien. Ganz frei sagte einer von uns fünf Mann:" Für Getreidestehlen." Na sagte er: " Dann seid ihr unsere Brüder, dann nehmt nu Platz." Ja wir nahmen Platz, als wir erst vom stehen ganz müde waren, setzten wir uns da, wo wir standen einfach auf den kallen Fußboden. Die Füße ausstrecken, dazu war kein Raum. Hier an der Tür stand auch noch ein Blechgefäß (Nachttopf) ungefähr von vier Eimer. Die Tür war verschlossen, des Nachts gab es kein pischen und kacken gehen. Alles wurde hier drinnen gemacht und von der Wassersuppe gab es so viel pischen. Einer nach dem anderen tapelte dann durch und auch über alle Menschen bis zum Nachttopf um dann pischen zu können. Die erste Nächte saß ich hier neben dem Topf und schlief einer an den anderen gelehnt. Oft genug spritzte uns dieses Parfum(duchi) ins Gesicht ganz besonders wenn gekackt wurde. Mit der Zeit wurden etliche Gefangene weitergestellt andere dagegen kamen herzu. So das ich so langsam immer weiter vom Toft in die Kammer hineinkam. Am morgen wurden eine Kammer nach der anderen in den Hof gelassen um Spaziergang zu machen. Gleich zu zweien ohne still zu stehen musste alle in die Runde gehen, fünfzehn Minuten, und dann gleich wieder in die Kammer gehen. Das ganze Gefängnis mehrere Gebäude waren mit einer 3m hohen Steinwand umgeben. Oben vielfältig mit Stacheldraht versehen. Auf jeder Ecke hoch über der Mauer stand eine Pilze unter welcher ein bewaffneter Soldat stand und die Wache und die Aufsicht über den Gefangenen hielt. Im Hof war auch eine Toilette für die Gefangenen, Tags durfte man die Toilette besuchen und nutzen. Eine Küche war ebenfalls im Hof vorhanden, von wo die Gefangenen ihre Suppen und das Brot holten. Das Brot wurde zugeteilt in Stückchen geschnitten. Wenn es zum Essen kam, dann schickte der Kammer-Aufseher Männer zu Küche und wir bekamen ein Becken(tas) mit Suppe auf zehn Mann, zehn Holzlöffel dabei, ein Blech mit Brot, ein Päckchen pro Mann. Vierzig-fünfzig Mann waren in einer Kammer. Wenn dann die Löffel verteilt waren und die Suppe hingestellt war auf einen Tisch, aber auch auf die Erde, dann ging es Hals über Kopf, so viel wie ein jeder bekam. Wer heißer Schlucken konnte, bekam selbstverständlich mehr, wer aber lange pusten musste, eben weniger oder gar nichts. Genau wie wenn zehn durstige Hühner an einem Teller Wasser ständen, so gings auch da. Die Kammertür war immer verschlossen ein Wächter stand außerhalb der Tür und hielt Aufsicht. Wenn jemand ins Abtritt gehen wollte, dann musste man an der Tür klopfen und dem Wächter sagen:" Toilette." Ein Mann durfte dann nur gehen, auch ganz ohne Wache, aber rasch hin und zurück. Nicht immer wurde die Tür gleich geöffnet, es dauerte manchmal recht lange. Aber die Gefangenen sind nicht blöde auch nicht furchtsam, die gehen manchmal Dinge an zum Staunen.
Die sind sich auch immer sehr einig. War so ein Fall:
Es wurde wieder gesagt: " Toilette". Aber die Tür wurde nicht so bald geöffnet. Hier in der Kammer genügte ein kleiner Wink und zehn - fünfzehn Mann standen an der Tür sprung bereit.
Achtung! Noch ein Handzeichen und alle sprangen wie Tiger an die Tür das die Splitter flogen und die Tür bei Seite hing. Weiterhin durfte man dann nicht so lange warten, wenn jemand in die Toilette gehen wollte.
Kapitel 94
Wieder Verhör
Unter den Gefangenen waren junge auch alte, aber auch Gelehrte und Erfahrene Männer. Die wussten den Kodex, das Gesetzbuch von hinten bis vorne auswendig. Die konnten einem Neuling schon immer ein voraussagen,wie viel Jahre sein Vergehen wert ist. Auch gab man Erklärung, wie wir uns beim Verhör verhalten sollten, was und wie man sagen sollte und durfte, sogar man sollte sehr vorsichtig sein, beim Dokumente unterschreiben und der glaubt man. Das alles kam mir sehr zum Pass. Eines Nachts wurde ich aus der Kammer gerufen. Drei Milizionäre standen draußen. Als ich nun in den Hof kam, sagte man mir;" Den vorne gehenden Milizionär zu folgen, jegliche Nebenbewegung, dann drücken wir die Kugel ab, verstanden?" "Vorwärts, Marsch." So gingen wir in die Stadt, auf einer menschenleeren Strassen nicht besonders weit. Dann kamen wir in ein großes Haus zum Untersucher. Im Kobinet beim Untersucher musste ich mitten im Zimmer stehen bleiben, er saß vorne hinter dem Tisch und stellte mir dann die verschiedensten Fragen. Inzwischen holte er sich seinen Mauser aus der Tischschublade vor, spielte mit demselben, knipste inzwischen mit demselben das Lauf auf mich gerichtet, drehte ihn in seiner Hand als habe er so ein Ding zum ersten Mal in der Hand. Dies war ja abgesehen mich nur Furcht einzutreiben. Aber dabei fragte er ohne Ende, hin und her. Meine Roggengeschichte war nur kurz. Ihm jedoch war alles viel zu kurz, daher versuchte er ein und das andere noch hinzu zu fügen, was der Wahrheit aber nicht entsprach. Meine ganze Geschichte lag ja vor ihm zu Papier, leider war sie nur kurz und es könnte ja doch noch was hinzugefügt erden. Dann sagte er schon recht laut, ich habe außen den Roggen noch so und Weizen gestohlen, ich soll gestehen. Ich sagte nur "Nein und wieder Nein" Dann sagte er :" Dein Urteil wird sein, tot schießen oder zehn Jahre Haft. Geh besinn dich." Dann drückte er auf den Knopf, die drei Milizionäre kamen augenblicklich und führten mich wieder zurück. Meine andere vier Kameraden wurden gerade so nach einander verhört. Um paar Tage wurde ich wieder des Nachts rausgerufen. Wieder dieselbe Straße geführt, wieder in dasselbe Stübchen gebracht. Meine Geschichte die sich schon auswendig konnte, musste ich wieder ganz erzählen. So, sagte der Untersucher dann weiter, den Weizen wovon wir voriges mal sprachen, hast du doch gestohlen, hier liegt in Papier vor mir. Ich sagte nur: " Ich tat es aber nicht, und dachte dabei, dann schießen sie mich aber wirklich tot, wenn ich das unterschreibe. Aber von tot schießen und zehn Jahre wurde mir wieder gesagt. So endete das zweite Verhör. Dann wurde ich wieder zurück geführt.
Mir scheint, ich war drei oder viermal zu Verhör. Die nächste Verhöre glichen den vorhergehenden. Zuletzt wurde mir noch ein leeres Blatt Papier vom Untersucher hingeschoben ich soll mitten auf dem Blatt meine Unterschrift geben. Ich dachte gleich an die Warnung, nicht irgendwo unterschreiben. Mir scheints heute, als habe ich damals in einer Ecke mein Name geschrieben. Dann sagte er noch. " Wir werden dich zurück schicken da wo du gestohlen hast und laut dem letzten strengen Gesetz richten, tot schießen oder zehn Jahre, so das die andere alle sollen Furcht bekommen zu stehlen. Dann führte man mich wieder zurück in die Kammer.
Jetzt aber um etliche Tage wurden wir fünf Mann per Eisenbahn wieder nach Kitschkas gestellt um dort auf einem Mustergericht nach dem letzten strengen Gesetz vom 8ten August 1932 gerichtet zu werden. Wir wurden wieder in unserem alten Speicher gebracht. Hier wurde bekannt gemacht, es gäbe ein Warnungsgericht nach dem letzten neuen Gesetzt. Das Gericht kam und auf dem Gericht wurden unsere Übeltaten alle vorgelesen und dann wurde uns das Urteil gesprochen: "Wir fünf Mann jedem ohne Ausnahme. "Zehn Jahre Verhaftung." Als das Gericht zu Ende war, bekamen wir Sträflinge noch jeder von den Seinigen oder Bekannten eine Überzeichnung. Etwas Essware, warme Kleider. Dann gings gleich wieder zum Bahnhof und zur Stadt. Ich füge noch hinzu, ein jeder dürfte wenn er wolle noch Kassation einreichen. Meine Kusine, Olfert Marichen, da wo der Roggen auf den Boden lag, war auch auf den Gericht. Sie hatte es meinen Eltern benachrichtet. So kamen wir dann wieder zur Stadt Orenburg in unser Gefängnis, nur in eine andere Kammer. Hier war es nicht ganz so schwer wie anfänglich. Des Nachts wurden wir nicht mehr beunruhigt. Am Tag konnten wir arbeiten, die Zeit ging rascher und durften nicht in der Zelle zu schmachten.
Lastautos gab es zu jener Zeit wenig, daher mussten alle Gefangenen zu Fuß auf die Arbeit gehen. Das Essen war nicht Kräftiges. Die Kleider die wir anhatten bei der Arbeit in den Kleidern schliefen wir auch. Bettsachen so was gab es nicht. Läuse aber gab es. Wanzen waren zur Genüge. In der Kammer waren nicht so viel Leute wie anfänglich, das man nur sitzen konnte. Man konnte liegen jedoch die Bretterlager so wie der Fußboden lagen ganz voll. Ohne Strohsack, - o wie haben uns die Knochen so geschmerzt. Untern Kopf hatte ich ein kleiner Beutel womöglich mit einer Jacke, ich hab es schon vergessen. Im Beutel hatte ich noch ein Beutelchen mit Kaffe, den stohlen sie mir weg. Man hat dowohl geglaubt es sei Tabak, eines Morgens war es verschwunden. In der Stadt Orenburg stand zur Kaiserzeit eine große Kirche. Der Rechtgläubigen. Diese Kirche mussten die Gefangenen im Jahre 1932 abbrechen. Es war eine schwere Arbeit. Auf dieser Stelle wo damals die Kirche stand, steht jetzt ei großes Regierungshaus (dom sowetof).
Eines Tages bekam ich Besuch. Papa war gekommen und hatte sich mit mir ein Treffen ausgeworben. Wir durften uns in einer abgesonderten Stube sehen, jedoch eine Wand mit Fenstern war zwischen uns, zudem stand ein Miliz neben uns und erlaubt nur russisch zu sprechen. Als nun Papa in die Stube gelassen wurde und mich sah. Meine Kleider waren schmutzig zerrissen, ich war bewachsen. Das alles hatte nicht einen anziehenden Schein. Da fing er an zu weinen und von viel sprechen gab es nichts. Soviel verstand ich. - Er habe eine Kuh verkauft und habe Kassation eingereicht. Ich fragte noch ob sie zu Hause alle gesund seien. ER sagte, "Ja". Kaum zehn Minuten gesehen, dann schickte der Milizionär ihn hinaus und mich führte er wieder ins Lager.
Auf etliche Tage wurden die Gefangenen alle, auch die Frauen die im Lager waren, drei Klm. außer der Stadt auf einen großen Garten geschickt, Pomidoren sammeln. Selbst die Arbeit war keine Schlechte, weil man Pomidoren essen konnte, jedoch mit nach Hause nehmen durften wir keine, das wurde am Abend kontrolliert. Das schlechte was dabei war, das war, wenn wir morgens, auch abends, alle zusammen, Männer so auch Frauen, in der Ordnung(stroj) gingen, immer zu vier Mann eine lange Kolonne gingen und so viel Schützen mit ihren Flinten und Hunde rings um uns waren und so eine lange Reise in der Stadt und außer der Stadt musste gemacht werden. Wenn dann jemand pischen oder kacken wollte, dann gab es kein Tualett. Von Zeit zu Zeit wurde die ganze Kolonne angehalten und da wo ein jeder stand, da wurde gepischt und gekackt ohne einen Schritt seitwärts zu gehen. Vom Pomidoren essen, besonders bei kühlem Wetter, gabs viel Regenwasser, auch wer dann ohne Maß gegessen hatte, gabs auch Durchfall. Wenn dann die Pomidoren alle aufgeräumt waren, dann musste alles zur Kirche, dort war viel Arbeit, da hat man viele Monate geschafft.
Eines Tages wurde ich in den Stab gerufen. Der Gefängnisoberst erklärte mir, auf meine Kassation, sei meine Sache frisch durchguckt worden und man habe mir meine Strafe vergeringert. Von zehn Jahre Gefängnis, habe es jetzt ein Jahr Zwangsarbeit gegeben. Meine Dokumente wird man ins Zwangsarbeitbüro schicken meines Wohnorts. Selber, sofern ich nach Hause komme, soll ich mich daselbst stellen. Auf die Hände bekomme ich keine Dokumente. Ob ich verstanden habe fragte er noch einmal. Ich sagte:" Ja." Dann drückte er den Knopf und ein Milizionär trat ein. Dann sagte er zum Milizionär: " Mach die Gefängnistür auf und las diesen Mann gehen, nach alle vier Winden." Das war der letzte Tag im Gefängnis.
Wahrhaftig. "Kto tut ne bil tot pobudet, a kto bil tot ne sabudet"- Wer hier nicht gewesen ist, der kommt hier hin, und wer gewesen ist, der vergisst es nicht. Meine ganze Gefängniszeit dauerte etwas über drei Monate.
Als ich erst zu Hause war und mich ein kleine Zeit erholt hatte, dann bekümmerte mich meine Zwangsarbeit. Hieren wollte ich mich auch nicht vergehen. Das Zwangsarbeitbüro befand sich sechzig klm. entfernt in Sorotschinsk. Es war Winterzeit, man konnte diese Strecke nur zu Pferden manchen. Mit fahren konnte man nur gelegentlich. Extra ein Pferd bekommen so eine lehre Reise machen, daran war nicht zu denken. Und so passte ich eine Gelegenheit ab und fuhr mit. Das Zwangsarbeitsbüro fand ich wohl, aber es war zu. Und ich fuhr unverrichteter Sache nach Hause. Eine zweite Reise machte ich und wieder fand ich niemand. Dann fuhr ich nach Hause und sagte, wenn die mich werden brauchen, dann werden die mich schon finden. Und so hat mich bis heute noch niemand gebraucht.
31.01.84
Kapitel 95
Die Heimkehr aus Orenburg
Ich stand auf der Straße, ungefähr hundert m entfernt gegenüber dem großen, eisernen Gefängnistor, als meine Gedanken wieder leistungsfähig wurden. Ich schaute mich nach allen Seiten um. Da plötzlich hörte ich das bekannte Knarren des großen Gefängnistores. Auf dem großen Rollgang ging das Tor auf, ein Wagen wurde hinaus gelassen, dann schob man wieder den Flügel zu und ich hörte noch wie der schwere eiserne Riegel in sein Verschluß fiel. Ja, - vor paar Minuten stand ich noch Kerzengerade vor meinem Gefängnisoberst, vor paar Minuten stieg ich über die Gefängnisschwelle ins Freie hinein, wo mir noch ein kurzes "Geh" nach geschleudert wurde. - Wo bin ich jetzt, was soll ich tun? so überlegte ich dann. Ah, … nach allen vier Winden sollte ich gehen. Leider war hier nicht viel auszusuchen, vorläufig musste ich die Richtung gegen Wind einschlagen, weil das Zwangarbeitbüro meiner wartete. Wie es jetzt nicht kam, die erste Richtung musste nach Hause genommen werden, denn, wenn ich nicht so bald beim Zwangarbeitbüro mich stelle, in erster Linie würde man bei uns zu Hause nachfragen und sich erkundigen wollen, wo ich sei. Also nichts auszusuchen-, nach Hause. Obzwar es Winterzeit war, so war mein Weg aber doch nicht ausgeträuchert, oder mit Wegweiser ausgestellt um allewärts richtig gehen zu können. Hier stand ich und sinnte und überlegte, hier war wirklich guter Rat teuer. Kein Geld, kein Brot, um wenigstens den Anfang machen zu können. Ich war einzig und allein nur auf meine Füße abgesehen und einstweilen auch ein Stückchen Brot betteln gehen, wenn sich der Hunger zu hart melden würde. Sinnend stellte ich mir eine Marschroute auf. Also Orenburg-Kitschkas-Chortitza-Klinok und alles stellte mir vor zu Fuß zu machen, vielleicht mal irgendwo gelegentlich mit zu fahren, so wie es damals bei dem Leo Sawatzky auskam. Mit einmal blitzte in mir ein Gedanke auf. Obwohl die deutsche Dörfer die ungefähr zweihundert km weit von Orenburg, hier in der Stadt wohl könnten eine Auffahrt haben, ein Auffahrtquartier (??? ??????????). Dabei wäre ja nichts verspielt, wenn man nachfragen sollte, nach so einer Auffahrt. Nun war ich fertig, die Reise ging los. Fragen ist umsonst. Weil aber in der Stadt auf den Straßen viele Leute gehen, so schaute ich immer nach Leute die mehr dem Kolchosnik ähnelten und dann fragte ich nach einer Auffahrt und sonderbar, ich war noch gar nicht des fragens müde geworden, so hatte ich auch schon eine Adresse von so einer Auffahrt. Freudig in meinem Sinn suchte ich angezeigte Straße und Nummer. Als ich nun hier in den Hof kam, standen hier zwei Schlitten. O, dachte ich, hier könnte es womöglich glücken. Als ich ins Haus trat, saß die Hausfrau mit einer anderen Frau und unterhielten sich. Auf meine Frage ob hier deutsche Leute seien auf gefahren, war die Antwort: "Ja". Dann fragte ich wo die seien. Antwort. Die sind in der Stadt, die würden bald kommen. Dann setzte ich mich und fing an zu warten. Jedoch, die Neugierde bewog den Frauen auch mich zu fragen, wo ich herkomme und was ich bestreite. So wie es dann immer ist, jetzt gab es ein ganz anderes Thema bei den Frauen. In kurzen Worten sagte ich dann von meinem Vorhaben. - Es dauerte auch wirklich nicht lange, so waren meine gewünschten Männer da. Auf meine Frage nun, ob ich mitfahren dürfte, musste ich jetzt aber schon ausführlicher erzählen, von wo ich kam und was ich wollte. Nun wie es nicht war, ich durfte mitfahren. - Die Hausfrau sollte jetzt noch Tee kochen und dann sollte die lange Reise, nach dem Tee trinken, losgehen. Weil man denn jetzt schon wusste wer ich war, so wurde auch ich genötigt mich an den Tisch zu setzen um zu essen. Ich versprach den Männer auch mehr zu Fuß zu gehen, das die Pferde es leichter hätten, nur wenn ich mich zu ihnen halten könnte. Ich war aber auch gezwungen mehr zu laufen, denn ich war nur leicht gekleidet und einen Pelz hatte ich nicht. Ein großes Glück war es, das Wetter war gelinde, es war uns wirklich günstig. Zwei Tage fuhren wir, bis ich dann konnte Halt machen. Auf der Reise hatte ich mich bei den Männern schon erkundigt, von ihrer ganzen Ansiedlung. Jetzt hatte ich auch schon eine Vorstellung von all ihren Dörfern und wo Chortitza sei. Ich konnte mich voll und ganz, schon orentieren. Stepanowka, das war das Dorf, wo Onkel Wilh. Sawatzky wohnte. Jetzt wollte ich schon Stepanowka statt Kitschkas zum Haltepunkt machen, denn das hatten wir nun bald erreicht. Bei Sawatzky war auch Bernhard mit welchem ich zusammen in der Schule in einer Klasse gelernt hatte. Bernhard Sawatzky war einer von denen der mir nach dem Gericht in Kitschkas noch eine Übergabe gab etwas zum essen. Auch noch eine Anna hatten sie, die ich ebenfalls aus der Schulzeit gut kannte.
In diesen zwei Tagen sind wir durch viel Russendörfer gefahren. Sogar nächtigen mussten wir in einem Dorf. Aber als wir erst bis an die deutsche Ansiedlung kamen, war es für mich sehr passend das Stepanowka nicht irgendwo abseits in weiter Ferne lag, sondern auf unsern Weg schon das zweite deutsche Dorf war Stepanowka. Chortitza aber war, jetzt auf meiner Heimreise, noch eine ganze Tagesreise weiter. Es war das letzte Dorf von dieser Ansiedlung. Daher waren mir diese Stationen Orenburg-Stepanowka-Chortitza-Klinok sehr passend. Die letzte Bergeshöhe vor Stepanowka war erreicht. Schon konnten wir feststellen wo Stepanowka sich befinde, das zeigt bei Winterszeit der hoch emporsteigende Rauch. Das sagten natürlich die Männer mit welchen ich fuhr. Ich konnte ja so was nicht wissen. Aber ich schaute schon sehr neugierig nur nach vorne. Meine Gedanken waren schon bei Sawatzkys. Jetzt war auch Stepanowka erreicht, meine Männer jedoch fuhren noch weiter. Wohin weiß ich schon nicht mehr. Wir verabschiedeten uns. Ich konnte ihnen leider nur ein Dankeschön sagen, mehr hatte ich ja nicht. Als ich nun Sawatzkys ihr Haus gefunden hatte, ging ich mit einem zitternden Herzen ins Haus. Im Hinterhaus in der großen Küche stand Anna am Waschtrog und rubbelte, wusch Wäsche. Ich konnte kaum Guten Tag sagen, dann rief sie schon laut, Papa, - Johann Walde ist gekommen. Sie ging aber doch noch hinein in die Stuben um es Papa und Mama zu sagen. Dann kam Onkel und Tante Sawatzky ins Hinterhaus und sie begrüßten sich alle mit mir. Auch Bernhard kam. Scheinbar war die Freude groß. Bei mir war die Freude aber gedämpft. - Weil ich ein verhafteter oder Gefangener gewesen war. Und wenn das schon nicht sollte in Rechnung kommen. So war ich aber ein schmutziger, bewachsener Kerl. Hier wurde gleich Hand ans Werk gelegt. Man erbarmte sich sofort über mich. Bernhard holte mir von seinen Kleidern. Ich konnte mich man gründlich waschen. Meine dreckige Kleider kamen in die Wäsche. Ich rasierte mich. Bernhard beschnitt mir die Haare. Ich war in paar Minuten ein ganz anderer, ein neuer Mensch geworden. Für mich kaum zu glauben. Nach einem schönen warmen Essen blieb dann schon für mich im ersten Augenblick nichts zu wünschen. Unsere gegenseitige Erzählungen hatten anfänglich kein Ende. Sogar Anna ihr Waschwasser kühlte ab. Ob sie mit ihrer Wäsche fertig wurde, weiß ich ja nicht. Aber zum Abend musste sie ja doch fertig werden, denn Abends, so sagte sie schon bei Tag zu mir, sei bei ihnen Musikstunde für die Jugend. Dann kannst dir mal unsere Jugend betrachten, bei uns sind recht viel, meinte sie. Als die Jugend sich dann bei Sawatzkys versammelt hatte. Erklärte Bernhard der Jugend wer ich sei, auch von wo ich sei. Auch das wir zusammen in einer Schule gelernt hatten usw. Der Abend gefiel mir sehr. In so einen Jugendkreis war ich im Leben noch nie gewesen. Als wir dann alle zu Hause waren, hatte ich natürlich viel zu fragen. Von einem jeden erzählte er mir dann. Wer das sei und wer das sei gewesen. Auch von den Mädchen, wer einen Bräutigam habe und wer nicht. So das ich schon ein klares Bild fast von einem jeden hatte. Am anderen Abend war auf einer anderen Stelle nicht Musik, sondern allgemein Spielabend. Singen und Jugendspiele wurden gespielt, so das man in gegenseitiger Berührung kam und auch ohne großes Aufsehen ein zwei Worte einer dem andern zuflüstern konnte. Wenn ich mich dann schon vertraulicher nähern konnte, das hatte Bernhard mir schon Tags mitgeteilt. Daher machte ich auch keinen Fehler, als ich K. K: anbot, sie zu begleiten. Jetzt erst fing für uns der Abend an. Aber um in den Normen zu bleiben, besprachen wir fest, den Morgenden Abend nur für uns allein den Abend bei K. K. zu verbringen. Damit wurde der gegenwärtige Abend beschlossen. Also Wiedersehen. Viel Tage konnte ich hier auch nicht verweilen, denn mich beunruhigte doch etwas meine Zukunft. Am Tag war ich dann mit Bernhard zusammen. Anna machte meine Kleider in Ordnung. Darüber kam auch noch der Sonntag. Im ganzen war ich wohl vier fünf Tage bei Sawatzkys. Dann aber musste ich fort. Das Instinkt, eine warme, liebende, weiche Hand in der meinigen fühlen zu können, auch beständig fühlen zu wollen, war nun vollends in mir erwacht, seitdem ich gestern Abend den ersten Vorgeschmack solcher überflüssigen Liebe im Verlaufe einer viertel Stunde empfunden hatte. - Ist ja auch kein Wunder, denn ich zählte ja beinah einundzwanzig Jahre. Hier gerät das Blut in ein fast unaufhalsames Wallen. Nur zwei Abende war mir, das noch nie bis dahin wiederfahrenes Glück günstig, wie wir schon wissen, mit K. K: in nähere Berührung zu kommen. Dasselbe empfinden vernahm ich auch ohne Worte bei K. K. Ein Verschen lautet: "Das sind die glücklichsten der Stunden, wenn sich ein Herz um Herz gefunden". Es wurden auch am zweiten Abend gegenseitige, aber nur oberflächliche, Versprechungen gegeben, weil die Umstände der Zukunft nicht Gutes versprachen. Viel zu rasch war der lange Winterabend zu Ende und es musste Geschieden werden. Ein langes, festes Handzeichen, begleitet mit einem nie vergessendem zarten, liebevollen Wort, Lebe wohl, Aufwiedersehen, brachte uns zum Schluß. Lange noch klangen mir die Worte im Ohr: "Lebe wohl, Aufwiedersehen". Und so blieb mir von dieser Liebesbegegnung nichts als Erinnerung. Erst nach fünfzig Jahren, traf ein Wiedersehen, mit Handzeichen, ohne Worte ein. Dann kam auch die Stunde wo ich von Sawatzkys Abschied nahm. Zu Fuß trat ich nun die weite Reise an. Ein Bündelchen mit etwas Brot auf dem Rücken, in meinem Sinn froh und vergnügt, wanderte ich auf der Winterbahn immer näher der Heimat zu. Die Schlitten die dann auf meiner Reise von hinten kamen, sah ich viel lieber als die, die da von vorne kamen, denn da konnte ich auch mitunter mitfahren. Bei Olfets, bei meiner Cousine in Chortitza verweilte ich wohl nur einen Tag, dann ging es ebenso weiter. Etwa dreihundert km waren zurückgelegt, über hundert km waren aber noch geblieben. Von Chortitza hätte ich noch sollen zur zweiten Sowchosabteilung gehen, weil ich den zweiundzwanzigsten August aretiert wurde, aber ich hatte nicht den Mut dazu und so lies ich denn alles fahren und sah nur das ich nach Hause kam. - Endlich war ich zu Hause, aber von diesem Wiedersehen, nach einem halbjährigen Verweilen in der Fremde, ist nichts in Erinnerung geblieben. Das Maß aller Strapazen war doch wohl voll geworden und die letzte beschwerliche Reise hatte das Maß schon nicht fassen können, - es brach. Kaum war ich zu Hause, als mich eine bedauernde Krankheit überfiel. Hungertyphus drückte mich zu Bett, so das ich für eine Zeit, vielleicht auch, denn so könnte es auch rauskommen, für alle Zeit aus den Reihen ging. So war ich denn an das Bett gefesselt. Wie lange weiß ich schon nicht mehr. Wie mein Krankheitszustand gewesen ist, ist mir auch unbewusst, auf jeden Fall doch wohl recht oft in nicht klaren bewussten Zustand. Nur ein einziger Moment steht mir vor Augen: "Eines Tages öffnete ich die Augen und sah an meinem Bett drei Personen stehen, die weinten dann aber schwand wieder das Bewusstsein". Die Krise hatte ich aber überstanden und eine Besserung trat ein. Über kurz oder lang, ich wurde wieder gesund. Allmählich kam ich wieder ins Geleise der früheren Lebensverhältnissen. In diesen Tagen wandte ich mich, wie schon geschrieben, an das Zwangsarbeitbüro. Und weiter dann fing ich so, wider allen Willen an im Kolchos zu arbeiten. Während meiner Krankheit doch wohl, hatten wir einen Beruf erhalten von K. K: Ob Papa ihn gelesen hat weiß ich nicht, doch wohl hat er ihn gelesen, denn er zeigte ein gewisses Mitfühlen mit mir. Ich konnte ja nur brieflich Antwort geben. Auf ein hinfahren, konnte man gar nicht rechnen, denn Pferde gab es zu so was nicht und anders war es in unseren Verhältnissen doch einfach zu weit. Und ob wohl oder übel, die Frage der vorigen Liebschaften verstummte und musste für immer vergessen werden.
Kapitel 96
Die Großeltern sind alt
Es war im Jahr 1933, wahrscheinlich März Monat als eines Tages in einer kleinen Freizeit am Abend während der Dämmerung über verschiedene Hausfragen gesprochen wurde, auch von den Großeltern wurde gesprochen, dies war eigentlich das Hauptthema für diesen Moment. Meine Eltern waren doch wohl nach den Großeltern in Kamenetz zu Gast gefahren, jetzt noch bei Winterszeit denn im Sommer konnte man auf keine Pferde rechnen, weil sie immer alle notwendig zur Arbeit gebraucht werden. Sie hatten sich über ihr Befinden erkundigt und waren zu dem Entschluß gekommen, das sie sich länger nicht mehr selber besorgen konnten, denn sie seien alt und schon gebrechlich. Daher sagte Mama zu Papa: "Wir müssen einfach die Eltern zu uns nehmen, denn sie sind alt, sonst gehen sie dort noch im Dreck unter". Und diese Arbeit müsse noch vor der Wasserzeit gemacht werden, ehedem das Wasser den Damm wegreißt, denn dann ist es für längere Zeit aus. Daher wurde jetzt geratschlagt, wie und was zu machen sei um damit alles gut auskäme. Die Großeltern einem anderen aufbürden war doch wohl nicht möglich, obzwar noch ein Sohn, bei welchen ich anno 1924 Stunden nahm, lebte, dazu auch noch eine andere Schwiegertochter. Daher wurde besprochen die Großeltern mit Hack und Pack zu uns überfahren. Ihre Habe bestand aus einer Kuh, ein Schaf und das Hausmöbel ja, auch noch eine Droschke. Mein Papa war ja auch schon nicht mehr ganz jung und die Sachen alle überfahren das gab doch recht viel Reisen zu machen. Für diese Arbeit musste ich mich dann in den Riß legen. Erst wurden alle Möbel übergefahren. Weil man das Haus nicht so rasch verkaufen konnte, weil es damals schon den Anschein hatte das, das ganze Dor könnte eingehen, oder mit der Zeit könnte verlassen werden, so fingen wir auch an das Haus zu plündern. Die Fensterladen wurden losgenommen, die Diele, der Fußboden, etliche Türen. Man konnte nur eine Reise pro Tag machen, waren es doch immerhin bei 18 km zu dem noch über einen ziemlich hohen Berg. Die wichtigsten Sachen waren übergefahren und auf der letzten Schlittenbahn wurden auch die Großeltern übergefahren. Es fanden sich auch noch Leute die einstweilen in dies nun halb verheerte Haus einzogen. Nun kam das Hochwasser und riß den Damm beim großen Fluß fort und unser weiteres überfahren hörte sich von selbst auf, auf eine recht lange Zeit. Der Frühling war gekommen, die Felder fingen an zu betrocknen, es gab schon recht viel Arbeit im Kolchos, weil die Aussaat schon vor der Tür war, daher musste auch ich wieder mehr beständig auf die Arbeit gehen. An und für sich ging die Arbeit auch gar nicht schlecht. Mit all den älteren Leuten, mit den Jungens meines gleichen, die ebenfalls wie auch ich mit der Zeit waren verständiger geworden, war das Zusammensein und das Arbeiten wirklich eine Lust. Zwei Jungens mit welchen ich in einer Klasse gelernt hatte, hatten sich in meiner Abwesenheit schon verheiratet und wohnten nicht in unserem Dorf. Auf der Arbeit in den Rauchpausen gab es gewöhnlich viel Neues. Verschiedenes wurde verhandelt und durch gesprochen, man hat sich auch interessiert, wie es mir im Gefängnis ergangen sei. Unter alledem erzählte man mir auch, das meine Maria mir sei nutzen geworden, von welcher Mama mich nach Hause holte. Es habe sich im vorigen Jahr ein auswärtiger Traktorist, der in unserem Dorf hat dreschen müssen, gefunden, welcher sich mit ihr befreundet hatte. So das ihr gegenseitiges verhalten im vollen Fahrwasser sei. Ich wurde als wenn etwas bedauert, aber ich persönlich war in keinem Fall darüber verlegen, weil mir noch immer die letzte Worte von K. K: in den Ohren klangen: "Lebe wohl, - Aufwiedersehen". Die jugendliche Liebe hatte sich bei K. K: in zwei Abenden weit mehr äußern können, als in zwei Abenden bei Maria. Und ich zeigte auch ein kaltes verhalten wenn ich mich jetzt mit Maria begegnete, hatte sie doch die angefangene Treue gebrochen, obzwar es bei uns noch bis keine Versprechungen gekommen war. Im verlaufe der Zeit fand sich bei mir ein Ungemach. Am linken Arm, zehn cm oberhalb der Handfläche fand sich ein Geschwulst. Geschmerzt hat es nicht besonders. Kompresse legen hat nichts geholfen, es verging nicht. Mit der Zeit zog es sich zusammen und wurde zu einer Beule so groß wie ein umgedrehter Esslöffel, dann aber so nach und nach fing es an zu eitern, nicht besonders sehr, aber es war immer etwas naß. Bebinden war schlecht, daher lies ich es ohne Verband. Ich konnte aber trotz alledem Arbeiten, es hinderte mir nicht.
Im Kolchos war die Aussaat gemacht es gab wieder in der Arbeit eine Erleichterung, man durfte auch hin und wieder zu Hause bleiben wenn irgend eine dringende Arbeit vorkam. Für mich war noch eine Arbeit die da musste zu Ende gemacht werden. Und das war, die übergebliebenen Sachen von Kamenetz holen. Da war noch Holz, Mist, Bretter, Kasten, Türen u. v. m. ja sogar das Tualett sollte gebracht werden. Jetzt war es aber beschwerlicher mit den Pferden, denn die mussten alle im Kolchos arbeiten. Wer denn aber jetzt bei uns auf solche Gedanken gekommen war, weiß ich nicht, aber es wurde gesagt man könne ja die Kuh einspannen und die Sachen überfahren. Das war ein vortrefflicher Rat, den könnte man befolgen. Wir hatten eine Kuh, die war ganz weiß, groß und schlank, gab nur ganz wenig Milch, die könnte aber auch wirklich diese Arbeit verrichten. Ich ging ans Werk, lernte die Kuh einspannen und irgend etwas schleppen, es dauerte auch gar nicht lange, so war dieses Spiel gemacht. Dann stellte ich mir einen Wagen zusammen, machte ihn einspännig und das ganze Spielwerk war recht bald hergestellt. Dann aber ging es an die richtige Arbeit. Indessen war auch schon der große Damm geschittet, auch hierin war kein Aufenthalt. Nun wie es dann immer hieß, nur vorwärts. Ich bin auch im Sommer noch recht oft gefahren, bis dann endlich doch alles über gefahren war.
Aber mein Geschwür heilte nicht, immer war der Arm etwas naß. Ich ging zum Arzt, welcher mir dann eine Salbe verordnete mit welcher ich dann die Wunde bestrich. Arbeitete dann aber weiter. In diesem Sommer habe ich in der Heuernte noch recht viel Gras gemäht für unsere Kühe zum Winter und mit demselben Wagen und der selben Kuh noch all das Heu nach Hause gefahren. Wir hatten den ganzen Heuschuppen voll Heu, davon wusste wohl kaum wer. Wir hatten ja noch die Großeltern ihre Kuh, die brauchte ja auch noch Futter. Im Kolchos gab es aber auch genügend Arbeit, auch die musste gemacht werden, die Heuernte war im vollen Gang, die Getreideernte war vor der Tür. Schon fing man an Getreide zu mähen. Aber mein Geschwür heilte nicht.
03.02.84
Kapitel 97
Eine besondere Meldung
Frage: Wie lange kann man Kinder erziehen? Antwort: Ich kurzen Worten. Bis zwanzig Jahren. Dann aber heißt es nicht mehr Kinder erziehen, sondern Kinder belehren. Das Wort "groß" wird in der Kindererziehungszeit mehr wie oft gebraucht. Es kommt zu Zeiten etliche Mal am Tag zum Ausdruck. Dies Wort "groß" wird von den Kindern, wenn sie es hören , vielseitig entgegen genommen. Ich möchte diesen Zeitabschnitt, wo den Kindern das Wort "groß" so oft vorgehalten wird in vier Abschnitte teilen, und wie sie auf das gehörte Wort "groß" der Reihe nach regieren. Anfänglich stimmt es sie freudig, so ein Lobenswort zu hören und oft genug sind sie dann geneigt dieselbe Arbeit noch und noch zu tun um so ein Schmeichelwort zu hören, sie sind sogar verlegen wenn es nur eine einmalige oder kurzweilige Arbeit war, die sie dann verrichtet haben. Eine gewisse Zeit weiter, wenn sie mit dem Wort "groß" gelobt werden, dünkt es ihnen keine Freude zu sein, sondern Missmut, denn nur für das Wort "groß" wollen sie keine Arbeit nicht verrichten, so groß wie wir es ihnen nicht vormalen wollten. Dann kommt eine Zeit wo sie es kaum beachten, wenn es ihnen gesagt wird und gebraucht man es zu oft, ruft es nur Ärgernis hervor. Die letzte Periode ist, da wo sie schon erwachsen sind und es ihnen inzwischen noch, bei besonderer Gelegenheit gesagt wird "Du bist ja schon groß", da wo Mama es bei einer entsprechenden Gelegenheit auch zu mir sagte: "Du bist ja schon groß" (Seite 408), dort vernahm ich es nicht als eine Freude, oder als ein Missmut, oder als ein nichts Bedeutendes, sondern als ein Etwasbedeutendes. Dieses Wort gab mir nach zudenken: Nicht das ich noch an Größe wachsen musste, nein, hier hatte es schon für mich eine ganz besondere Bedeutung, sogar eine vielseitige Bedeutung. In mir stieg eine Frage auf. Sollte mir wohl schon die volle Reife, zu jeglichem Werk zu gedacht, oder zugesagt sein? Längere Zeit begleitete mich dieses Wort. Jedoch, dieses Wort "groß" schätzte ich zuweilen doch wohl zu hoch. Mama dagegen doch wohl zu niedrig. Denn, wenn sie sich in ihrem Unmut über mich, manchmal ausdrückte: "So groß und noch kein Verstand". Das konnte ich nicht zusammen bringen, das fasste mein Verstand nicht immer. Auf Seite 410 lesen wir das Papa seine tägliche Arbeit war, Milch nach der Käserei fahren. Diese Arbeit wurde ihm vom Brigadir abgenommen, er wurde als Holzarbeiter im Kolchos angestellt vorläufig musste er die Wagen alle durchsehen und fertig machen zur Ernte. Bei uns in der Scheune, an der Hobelbank machte er dann all das notwendige dazu. Hier machte er Ernteleitern, Harken u. a. An einem Tag, da wo ich vielleicht auch ungeschickter Weise einen recht großen Riß in die Hosen bekommen hatte, musste Mama all ihre Arbeit lassen und meine Hosen flicken. Ganz voller Unmut setzte sie sich draußen vor der Tür auf die Bank um dann diese Arbeit zu verrichten. Andere Arbeitshosen hatte ich aber nicht, daher zog ich vorläufig die Sonntagshosen an und verweilte hier bei ihr, bis die Hosen geflickt waren. Während des Flickens wurde das Murren immer ernster, sie war schon ganz aufgeregt und ehe sie mit den Hosen fertig war, sagte sie noch zu mir: "Das sage ich dir ganz direkt und entschieden, einer von uns beiden geht zu diesem Winter von Haus und wenn ich auch gleich als Schweinehirte gehe, ist mir ganz egal, aber zusammen bleiben wir nicht länger". Diese Aussage war für mich weit verständlicher als jene, wo Papa mir sagte: "Du, oder ihr müsst ausgehen um Brot zu verdienen. (Seite 418) Ich zog meine geflickte Hose an und ging auf frischer Tat es dem Papa der in der Scheune arbeitete, alles zu erzählen. Ich sagte ihm genau dieselbe Worte, welche Mama mir so eben ganz entschieden gesagt hatte. Ich natürlich musste darüber weinen, so groß wie ich nicht war. Papa legte den Hobel zur Seite und fing auch an zu weinen. Nach einer kleinen Stille sagte Papa zu mir: "Schöner Junge ich weiß das, aber was soll ich tun?" Weiter wurde nichts gesprochen, ich ging dann wieder meine Arbeit weiter machen. An meinem Arm hatte ich schon verschiedenes versucht und er heilte aber nicht.
05.02.84
Kapitel 98
Eine fremde Mitgift
Man kann feststellen das bei allen Völkern, Rassen und Nationen in der ganzen Welt verschiedene Sitten und Gebräuche exestieren. In vielen Fällen kann man wahrnehmen, eine gewisse Liebe wird geäußert sofern man Sitten und Gebräuche zur Ausführung bringt. Alles jedoch hängt von dem Wohlstand der Menschen ab. Ein Sprichwort lautet Zeit und Umstand bestimmen den Menschen. Folgedessen wird auch sehr oft Sitte und Gebrauch geändert. Obzwar ich viel gelesen habe von Sitten und Gebräuche verschiedener Menschen, so will ich doch diese breit angegebene Einleitung beschränken bis aufs geringe und nur das zugeben was ich selber erfahren habe. Bei den Deutschen war es Sitte und Gebrauch, bei den mittelmäßigen Wohlhabenden Bauern, den Jungens wie auch den Mädchen, wenn sie erst heiraten eine bestimmte Mitgift zu geben. Den Jungens, die notwendigen Kleider, ein Pferd und ein Kleiderschrank, den Mädchen, die notwendigen Kleider, eine Kuh und eine Komode. Im verlaufe der Zeit hat sich alles geändert, wie Tag und Nacht. Bei den Russen aber, die unweit von uns wohnten, war zu jener Zeit eine andere Sitte. Von den Jungens weiß ich wenigstens, die Mädchen dagegen, für denen wurde schon sehr früh, fast von der Wiege, eine Mitgift gesammelt oder angefertigt. Diese Mitgift bestand meistens nur aus Kleider und Bettsachen. Eine recht große Kiste (Kasten) wurde dann im Verlaufe ihrer Jugendjahren recht schön voll gepackt. So das sie, wenn sie erst heiraten wollte, auch recht reich konnte beschonken werden. Zu dieser Mitgift gehörten: Kleider verschiedener Art, Unterkleider, Leintücher, Kopftücher, Binden, Mützen, Strümpfe, Schuhe, Stiefeln, Wollenzeug, Meterware d. h. Seide, Kattun, Sattin, Samet, u. v. a. auch Wolldecken und Wattendecken, Pelz und Jacken. Im verlaufe der Jahren änderte Zeit auch Gesetz. Es kam dazwischen eine arme Zeit, ein sehr arme Zeit, auch noch eine Zeit der Entkulakesierung. Den reicheren wurde ihr Gut verkleinert indem man ihren scheinbar Gesetzmäßig ihre Habe kontiskierte. Mein Papa hatte im Russendorf einen Freund, ein Ruße. Eines Tages mal im Winter, sehr früh Morgens, es war noch ganz finster, kam dieser Freund mit seiner Frau zu uns zu Gast. Nach kurzer Begrüßung, wo auch schon das Pferd ausgespannt war, befahl Papa mich die Säcke vom fremden Schlitten ins Vorhaus zu tragen. Wie gewöhnlich wurde ja auch gleich heißer Kaffee aufgetischt und die Gäste aßen. Ich war aber nicht anwesend, ich hatte meine Arbeit im Stall. Als aber nach einer Weile die Gäste dann wieder fahren wollten, spannte ich wieder ein und die Gäste verabschiedeten sich und fuhren wieder nach Hause. Die Säcke aber blieben bei uns stehen. Dann rief Papa mich zu sich und erklärte mir die gegenwärtige Umstände. Er sagte: Diese Säcke, da sind Kleider drinnen, die stehen in Gefahr unserem russischen Freund abgenommen zu werden und um damit er sie nicht verliert, sollen wir sie in Verwahrung nehmen, daher müssen und wollen auch wir sie verwahren, richtiger verstecken. Geh auf den Heuschuppen, mach in der hintersten Ecke ein Loch und verdeck sie dann mit Heu. Mögen sie dann da bis zu Frühjahr bleiben. So machte ich es dann auch. Dann gab es noch ein Befehl: "Davon darf niemand wissen." Aha, dachte ich, dies gehört schon zu dem: "Du bist ja schon groß." Was großes wird mir schon anvertraut, ich tat es mit wahrer Lust. Der Frühling kam, das Heu wurde auf dem Schuppen weniger, es musste ein anderes Versteck gesucht werden, dann verwühlte ich die Säcke einstweilen im Spreu. Weiter noch, als die Öfen nicht mehr geheizt wurden, dann kletterte ich in die Rauchkammer im Schornstein machte dort einen günstigen Platz und brachte die Säcke für den Sommer dahin. Und so wälgerte ich meine drei Säcke recht oft von Ort zu Ort. Inzwischen besuchte der Freund uns auch und fragte ob noch alles in Ordnung sei oder ob vielleicht Untersuchungen gewesen seien. - Vorläufig alles in Ordnung, sagte Papa dann. Wie lange die Säcke bei uns in Verwahrung waren, weiß ich schon nicht. Vielleicht zwei, drei Jahre? Aber eines Tages im Frühling kam unser Freund seine Säcke wieder holen. Die Gefahr war doch wohl vorüber. Ich war jetzt auch dabei, als der Freund mit seiner Frage vorkam. Er fragte ja ganz bescheiden, was er denn eigentlich schuldig sei, das wir ihm seien in seiner Lage willig entgegengekommen. Dann sagte Mama, zeigte auf mich. Der Junge ist groß für die Arbeit, gebt ihm eine Decke. Darauf hin ließen sie eine Wattendecke zurück. Wer sie genutzt hat, weiß ich nicht.
Kapitel 99
Die letzten Tage im Elternhaus
Die Getreideernte war vor der Tür, so lesen wir die letzte Zeile S. 452. Im Kolchos war viel Arbeit, aber zu Hause ebenfalls. Die Kartoffeln auf dem Hausacker sollten noch einmal vor der Ernte alle gekart und geschiebert werden. Die Arbeit hätte auch gar nicht so schlecht gegangen, wenn mich nicht einer der Gedanken begleitet hatte: "Für dich ist zu Hause kein Raum mehr." Seit dem Tag wo Mama mir direkt und entschieden sagte: "Einer von uns beiden geht zu diesem Winter von Haus …" verlor ich das Behagen im Väterlichenhaus. Ich fühlte mich ganz zum unnötigen obzwar ich auch meine Arbeit wie gewöhnlich machte. Diese besondere Meldung vom Gefängnisoberst: "Laß ihn gehen nach alle vier Winde." Nur das Befinden meines Gemüts war Grund verschieden. Bei der ersten Meldung war ich freudig gestimmt, bei der zweiten dagegen war ich traurig gestimmt. Ja aber wohin? Gewählt sollte werden, gewählt musste werden: Und was tun? Heiraten? Eine Mitgift zu erhalten, wie wir es finden auf S. 456, daran war nicht zu denken, denn es war eine arme Zeit. Und sofern ich würde auf den angegebenen Ton, Ade sagen wären mir alle Fäden auf ein zurück gänzlich abgeschnitten worden, das wusste ich. Ich war ärmer wie jener Fritz im Gedicht, wo es heißt im ersten Vers.
Tief betrübt saß Fritz der arme
und zerbrach sich fast den Kopf
hat den Pflug, doch fehlt ihm Samen,
und das Pferd, dem armen Tropf.
Mir fehlt alles, Pflug, Pferd auch Samen. Andersgesagt: Mir fehlte Geld, dann hätte ich schon können den Anfang machen. Ich sann hin und her und fasste den Entschluß. Heiraten. Das wäre dann der kürzeste Weg zum raschen Glück. - Doch wie? Zum raschen Glück? Heißt es doch in einem Spr. w. "Glück und Glas, wie leicht bricht das." Ein anderes Spr. w. warnt, es lautet: "Blinder tu die Augen auf, Heirat ist kein Pferdekauf." Aus diesem allen kann man schon gut verstehen, das die Heiratsfrage gründlich muß überlegt und durchdacht werden. So das auch das Geld nicht die Hauptrolle zum wahren Glück spielt.
Obwohl es auch heißt:
Wer ein Heim sich rasch will gründen,
Suche sich ein Weib mit Geld.
Liebe wird sich dann schon finden,
So ruft nur die falsche Welt.
Auch in diesem Vers kommt das Wort "rasch" und "falsch" zum Vorschein. Für das Wort "rasch" kann man auch das Wort "sputen" einsetzen. Dann gibt's wieder ein Spr. w. "Hast dich gesputet, ist niemals was gut." Und so gab es für meine Heiratsfrage nur Widersprüche und keine Fürsprüche. Was sollte ich tun? Blindings aufs Geratewohl diese Sache angreifen das versprach mir nichts dauerhaftes. Ich aber wollte ein Glück auf Bestand finden, daher befolgte ich dem Vers: "Eile mit Weile." Ich übergab mich mehr der Ruhe, suchte Gelegenheit ein stilles Plätzchen zu finden, wo ich dann ungestört über die Grundlegung meines eigenen Glücks gründlich nachdenken konnte. Fest entschlossen ging ich jetzt an mein Vornehmen-Heiraten. Meine erste Arbeit war, alles zu prüfen, zu überlegen, zu durchdenken um dann auch nicht Fehltritte zu tun, die da könnten auf Hindernisse stoßen. Ich fing an einen Plan aufzustellen, der dann, wie wir sehen werden, auch richtig in Erfüllung ging. All diese niedergeschriebenen Gedanken, fanden sich nur während meiner Arbeit, während wir die Kartoffeln durchkarrten. In unserem Dorf gab es für mich kein Glück, das war gewiß. Hier, dachte ich, wird mir keiner mehr den Weg durchkreuzen. Es muß anderswo das Glück gefunden werden. Es war an einem Sonnabend, Vormittag, wie auch Nachmittag karrte ich auf dem Hausacker die Kartoffeln durch. Mama hatte ihre Arbeit, Papa arbeitete wie wir wissen in der Scheune an der Hobelbank. Als wir vom Karren zu Mittag nach Hause kamen und ich das Pferd hatte Futter gegeben, ging ich zu Papa in die Scheune und fragte ihn: "Ob ich Nachmittag vom Karren zwei Stunden früher dürfte nach Hause kommen. Ich wolle zum Abend in das Dorf Podolsk gehen, welches zwölf km fern lag, um Morgen am Sonntag bei meinem Halbbruder zu spazieren." Papa hatte augenblicklich mehr verstanden wie ich im gesagt hatte. Ohne etwas zu fragen, gab er mir eine verständliche Antwort. "Ja". Wir aßen zu Mittag und zufrieden in meinem Sinn, nach der Mittagspause, gings wieder ans Karren. Zwei Stunden früher vor gewöhnlichem Feierabend, sagte ich dann zu meinem Bruder der auf dem Pferd ritt: "So, für Heute langt es, jetzt fahren wir nach Hause." Als wir nun auf den Hof kamen, saß Mama gerade vor der Tür auf der Bank und machte nach Gewohnheit ihre Handarbeit. Wir waren noch gar nicht ganz dicht, als sie schon fragte: "Na, habt ihr schon beendigt?" "Nein" sagte mein Reiter. "Na wozu seid ihr dann so früh gekommen?" Dann sagte ich schon: "Papa hat mich erlaubt Heute früher Feierabend zu machen." Schon recht laut, rief sie dann den Papa, der in der Scheune arbeitete, herbei und fragte: Was denn dies zu bedeuten habe, das die Jungens so früh nach Hause gekommen seien. Papa sagte ganz kurz: "Ich habe es erlaubt." "Wer weiß was dies wieder für Gribbezen (???????) sind, sagte sie dann noch." Ich spannte das Pferd aus, mein Bruder brachte das Pferd in den Pferdestall und ich machte mir Wasser warm, zum rasieren und zum waschen. Ich merkte wohl, das ich von Mama beobachtet wurde, aber ich tat so, als sehe ich es nicht. Als ich mich gewaschen hatte und sonntags angekleidet hatte, ging ich los. Wir wissen schon. Nach Podolsk. O wie leicht liefen doch meine Füße damals die weite Strecke, mit dem Vornehmen mir ein Glück zu suchen, in der Hoffnung auch ein schönes Glück zu finden. Ich setzte mir keine bestimmte Zeit, das meine Sache bis dann und dann müsse geregelt sein. Ich faste mich ganz in Geduld, nur um nicht zu fehlen, um nicht später mein eigenes Schaffen zu bereuen. Bei meinem Vetter, der etwas älter war als ich, war auch schon verheiratet, verweilte ich schon Sonnabend. Abend, auch Sonntag Vormittag. Das war mir ein sehr lieber Freund, dem ich mich ganz anvertrauen konnte. Dem erzählte ich meine ganze Lebenslage von A bis Z. Dem teilte ich von meinem Vorhaben mit. Dem fragte ich um Rat. Den bat ich um Hilfe mir eine Braut suchen zu helfen. Aus Mitleid zu mir, war es ihm doch wohl auch darum zu tun, auch ein richtiger Ratgeber zu sein. Daher fing er an, die einheimischen Mädchen, die er doch alle gut kannte, nacheinander alle so etwas zu bezeichnen. Er charakterisierte sie mir alle. Die und die und jene seien vernommen. Wieder jene ist zu gastgebend (Allmannsfreundin). Eine ist aber noch leider … Dann sagte ich schon, was ist leider. O, sagte er, da kommst du nicht bei, denn noch keinem von unseren Dorfjungens hat es gelungen bei ihr anzuknüpfen, weil ihr Vater sie so streng unter Aufsicht hält, auch darf sie nirgends ausgehen. Ich sagte zu meinem Vetter, wenn es wirklich für mich eine passende sollte sein, dann bekomm ich sie und wenn der Vater noch so streng über sie sei. Nur möchte ich sie erst von Angesicht sehen. - Das ist leicht möglich, gab er zur Antwort. Sie ist jetzt die älteste von allen Kindern zu Hause. Am Sonntag um die Vesperzeit sitzt sie gewöhnlich an der Straße und hütet ihre kleine Geschwister die im Vorgarten spielen. Da kannst du sie sehen. - Ich gab dann den Vorschlag mit ich langsam die Straße entlang zu gehen und beim vorbeigehen könnte ich sie dann beprüfen. Wir gingen jetzt los und marschierten langsam auf dem Fußsteig (Trotoar) die Hände auf den Rücken geschlagen, die Straße entlang. Schon recht bald sagte er zu mir, siehst du "dort sitzt sie." In diesem Tempo gingen wir langsam weiter und unterhielten uns im Halbton. Als wir nun näher kamen begegneten sich unsere Blicke, mein Blick mit ihrem. Sie verfärbte etwas im Gesicht. Wir beide aber grüßten ganz bescheiden und gingen gerade so weiter. Ganz richtig, zwei Kinderchen spielten neben ihr. Als wir nun eine ziemliche Strecke gegangen waren, drehten wir um und gingen in dieser selben Stellung zurück, wieder neben ihr vorbei. Gesehen hatte ich sie, ihr äußeres Benehmen und Aussehen hatte ich beim vorbeigehen oberflächlich gestreift. Jetzt war ich geneigt weiter zu planen. Wir gingen wieder zu meinem Vetter nach Hause, setzten uns und fingen an Konkret diese Heiratssache durchzunehmen. Dem Vetter seine Frau, Katja, lauschte auch unserem Gespräch zu. Wir waren aber mit unserer Sache recht bald fertig. Ich gab so einen Vorschlag. Ich würde nach Hause gehen und an sie einen Brief schreiben. Sie war eine Katja Neufeld. Den Brief aber würde ich adressieren an meinem Vetter und seine Katja solle dann den erhaltenen Brief der K. N. persönlich einkündigen und wenn dann die Katja ihr Einverständnis gibt, dann brauch ich keine weitere Hilfe. Dann bin ich voll und ganz geholfen. O, sagte dem Vetter seine Katja "ich bezweifle diese ganze Sache, da kommt nichts raus, der alte Neufeld passt zu sehr auf nach seiner Katja." Ich sagte zum Vetter, macht es nur so wie wir besprochen haben und ihr werdet sehen wie ich dem Neufeld die Katja fortnehmen werde, nur Geduld muß sein.
Nun, die Sonne neigte sich zum Abend und ich dachte nun an meine Heimreise. Zwölf km zu Fuß zurück legen nahm zwei Stunden in Anspruch. Ich brach los, mein Vetter begleitete mich noch bis Ende Dorf. - K. N. befand sich noch immer mit den kleinen an der Straße. Auch zum dritten mal trafen sich unsere Blicke. Hoffnungsfreudig in meinem Sinn eilte ich nach Hause. Die Werktage voller Mühe und Arbeit verstrichen eintönig weiter. Mein angefangenes Werk, durfte aber nicht Stillstand haben. Schon Montag gleich setzte ich mich nieder und schrieb ein Briefchen. Der Inhalt des Briefes war kurz und bündig. - "Katja! Wenn du einverstanden bist, ich wünsche mit dir eine nähere Bekanntschaft zu machen, dann gib mir Nachricht wann und wo wir uns treffen wollen, ich werde mich zur bestimmten Zeit einstellen." - Im Geiste sah ich schon den Honigtopf, aber bis zum naschen war es doch wohl noch weit. Den Brief schickte ich ab und schon von Stund an fing ich an zu warten auf Antwort. Ja die Antwort kam, ich erhielt einen Brief und mehr noch wie neugierig war ich zu wissen den Inhalt des Briefes. Jetzt mach dich nur fertig, Sonntag gehst wieder hin, so dachte ich. Ich fing an zu lesen: - "Ich bin sehr Männerscheu, aber Sonntag den zwanzigsten August Abends nach dem Vieh, treffen wir uns bei deinem Vetter an der Straße." - Das war alles sehr schön aber … ich fing an nachzurechnen und der zwanzigste August fiel auf den fünften Sonntag. Aber, aber wie lange sollte ich jetzt noch warten, das alles kam mir doch fast unmöglich vor. Jetzt hieß es aber auch in Wirklichkeit - Nur Geduld- … ja bis zum naschen ist es noch weit, so dachte ich. Jetzt aber hier abbrechen und was anderes suchen, wo es rascher gehen könnte, dazu war ich zu stolz. Der Anfang war nun schon gemacht mit K. N. jetzt wollte ich nur vorwärts um den anderen Jungens nur zu zeigen, das ich mehr verstanden haben wie sie. Noch aber galt es nur die Zeit abwarten, denn wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ich jedoch musste mich beruhigen und wieder meine Arbeit weiter machen wie gewöhnlich und geduldig den zwanzigsten August abwarten um dann weiter mein Heil zu versuchen. Mein Geschwür war noch immer nicht heil. Im Kolchos war die Erntezeit vorgerückt, es wurde schon sehr gedroschen. Der zwanzigste August kam näher und K. N. hatte doch wohl beim Brief schreiben mit der Dreschzeit nicht gerechnet. Für mich hieß es jetzt, wie du willst, sieh wie du fertig wirst. Für mich war die Lage wirklich kritisch. Im Kolchos wurde festo gedroschen, Sonntage oder Ruhetage gab es nicht, zudem zwölf km hin und her laufen war nicht so einfach. Diesen Schmaus aber durchgehen lassen, das könnte vielleicht heißen, dieses Glück fahren lassen. Das wäre doch zu viel gewagt, das Glück schon ergriffen zu haben und dann wieder loslassen. Und wenn es jetzt donnerte und blitzt aber ein Ausweg muß gefunden werden. - Und ich fand ihn. Meine Arbeit war beim Dreschen Fuder abladen. Von Mittag bis Abend wurden ungefähr vierzehn Fuder abgedroschen. Hans Dyck und ich, wir beide standen abwechselt auf dieser Arbeit, immer nach jeden Fuder wechselten wir uns. Ich besprach mich mit Hans Dyck für den Sonntag unsere Arbeit etwas zu verlegen. Erst sagte ich ihm mein Vorhaben, dann machte ich einen Vorschlag. Ich würde am Sonntag Nachmittag beim dreschen sieben Fuder ohne Abwechslung abladen, dann solle er die übrigen sieben Fuder bis Abend ebenfalls ohne Abwechslung abladen. Dann hatte ich für mich genügend Zeit aufgespart für den Abend der mir jetzt doch so teuer war. Das bessere Teil hatte er ja von so einem Vorschlag. Ich schaffte in der Tageshitze und er fing an, als es schon kühler wurde. Wenn ich jetzt zurück denke. Als ich damals mit meine sieben Fuder fertig war, ich war naß, wie mit Wasser begossen. Aber ich hatte ausgehalten. Dann lief ich rasch nach Hause, wusch mich, kleidete mich Sonntags an, nahm mir ein Stückchen Brot und fort war ich. Mama fragte noch: "Was ist denn eigentlich los, es brennt wohl irgend wo?" Ich sagte nur "Ja" und lief meine Straße froh und zufrieden nach Podolsk. Als ich nun bei meinem Vetter wieder zu Gast kam, wunderten sie sich beide, Er auch seine Katja, denn sie glaubten ich habe von K. N: Absage bekommen, weil ich so lange ausgeblieben war. Ich war früh genug gekommen, noch vor dem Vieh und hatte nun Zeit ganz geduldig Abendbrot zu essen. Der Vetter wollte ja natürlich wissen wie bis dahin alles abgelaufen sei. Ich erzählte ihnen alles. - (Anstatt K. N. wird ferner nur K. folgen) Die festges Zeit war näher gerückt, daher gingen wir beide, mein Vetter und ich zur Straße. Ich durfte gar nicht lange warten, so sahen wir beide schon, das sich zwei Personen uns näherten, es waren K. mit ihrer älteren verheirateten Schwester. Sie grüßten beide mit einem schönen "Guten Abend" und taten so, als wollten sie gar nicht anhalten. Da sagte mein Vetter: "Euch sieht man selten auf der Straße." "Ja, sagte K. dann, meine Schwester war bei uns und ich wollte sie jetzt nach Hause begleiten." Jetzt war ich aber schon so frech und sagte: "Dann erlaubt mir euch als Dritter zu begleiten." Ich verließ meinen Vetter, dann auch K. ihre Schwester und wir beide blieben für uns allein. Um aber auf der Straße von den Leuten nicht bemerkt zu werden, suchten wir uns ein stilles Plätzchen auf, um ungestört den Abend zu verbringen. Da ich schon wusste, wie strenge sie unter Vaters Aufsicht sei. Fragte ich zu aller erst wie sie so ganz frei Heute auf der Straße sein dürfe. O, sagte sie dann, das habe sie schon lange im voraus mit ihrer Schwester besprochen, Heute zu ihnen zu kommen, um damit sie (K.) Ausrede habe, die Schwester nach Hause zu begleiten, denn selten genug kam ihre Schwester nach Hause. Ganz richtig hatte mein Vetter gesagt: "Euch sieht man selten auf der Straße." Den Anfang glaubte ich schon immer fester gemacht zu haben. Jetzt konnten wir schon immer eingehender unser Thema besprechen. Ich musste mich aber sehr im Rahmen halten, denn das, Männerscheu, verspürte ich hier wahrhaftig. Ich verhielt mich wider meinem eigenen Willen, über alle Massen anständig, bescheiden, nett, fein, höflich, zart, milde, liebevoll zu ihr, um nur nicht den ergriffenen Faden abreißen zu lassen, weil ich wollte vorsichtig mein Glück prüfen, denn "Vorsicht ist besser als Nachsicht." Jedoch K. ihre erste Frage an mir war das Gegenteil von lange prüfen wollen, denn sie fragte: "Wo wollen wir wohnen?" Dann sagte ich zu ihr: "K. du weißt ja noch gar nicht ob ich der ein passender Mann sein werde, daher gilt auch für uns der Spruch: "Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet." Damit war sie einverstanden. Wir saßen auf der Bank nebeneinander. Ich hielt ihre Hand in der meinigen, zuweilen spielte ich mit ihrer Hand, weiter durfte ich mir noch nichts erlauben zu tun. Ich befand mich in einem Rahmen, der hieß: "Geduld." Der kurze Sommerabend war für uns viel zu rasch vergangen, die Uhr ging schon auf zwei und ich war gezwungen mit unserem Bekanntwerdenwollen für Heute Schluß zu machen, denn bis zur Dreschmaschine waren immerhin zwölf km zu gehen. Um aber doch etliche Stunden mehr mit K. zu verweilen, fragte ich, ob ich noch kommen dürfe. Auf ihre Einwilligung sagte ich dann den nächsten Sonntag um ein Uhr Mittag, wenn die Leute alle Mittagsruhe halten und wir weniger gesehen werden, treff ich dich am Ende eures Garten am Waldesrand und dann gehen wir ganz frei zu euch ins Haus. Und wenn dein Vater dann etwas einzuwenden hat, werd ich mich schon abfinden mit ihm. Bist du damit einverstanden? "Ja", war die Antwort. Dann gab ich ihr zum Abschied die Hand und ging nach Hause.
Als ich nach Hause kam stand auch Mama schon auf die Kuh melken, an der Tür begegneten wir uns, aber sie hatte nichts zu sagen, sie ging ruhig die Kuh melken. Ich warf die Sonntagskleider, zog die Arbeitskleider an und heidie an die Arbeit. Da fehlte Wasser für das Vieh, ausmisten und den Stall auskehren, das war noch vor Frühstück die gewöhnliche Arbeit. Neta hatte indes auch schon das Frühstück aufgestellt. Es musste rasch gegessen werden um dann wieder zum dreschen fertig zu sein. Während dem essen sagte Heinrich: "Wanja war diese Nacht nicht zu Hause." Dann sagte Mama: "Ich weiß das, das tut er mir zum Skandal, das ich ihn auch nicht werde nach Hause holen können." Weiter wurde darüber auch nicht gesprochen. Ich dachte nur: "Sprecht was ihr wollt, mir ist es ganz egal." Nach dem Frühstück eilte ich nur nach der Dreschmaschine, warf mich aufs Stroh und schlief noch bis die Dreschmaschine los heulte. Einstweilen ging ich jeden Sonntag spazieren und lies mir dieses mit nichts verhindern, - ich war groß. Nur Papa hat einmal gesagt: "Wanja, mach uns nur keine Schande." Ich sagte: "Papa, ich versteh." Die Dreschzeit hatte bald ein Ende und dann stand mir der ganze Sonntag zur Verfügung, was mir auch sehr passend war. Hurra! Morgen ist Ruhetag, dann ist der ganze Sonntag mein und ich kann meine Sonntagsreise schon Morgens beginnen, dann kann ich noch bei meinem Vetter etwas verweilen und ihm die wichtigsten Erfahrungen mitteilen, eß bei ihm zu Mittag und komm dann noch fertig zu Uhr eins, mich am Waldesrand einzustellen. Das Wetter war mir immer günstig, es hat nie geregnet wenn ich meinen weiten Spaziergang machte bis in den Herbst hinein.
Uhr eins, wie eine Mienenuhr war ich fertig mein Liebchen zu begegnen. Natürlich wusste K. wie viel es an der Zeit war, daher gab es hier am Waldesrand nur ein Treffen aber kein Warten. Freundlich begrüßten wir uns und schon meldet K. mir, ihr Papa sei nicht zu Hause, er sei in die Stadt gefahren. O, darauf hätte man sagen können:
Ist niemand da, das wir uns fürchten müssen,
wir sind allein frei können wir uns küssen.
Ganz frei gingen wir sofort ins Haus, in die Vorstube und setzten uns hier um dann den Nachmittag im Kühlen zu verbringen. Hier war ich etwas voreilig, ich setzte mich sofort auf das Sofa das hier stand, klopfte mit der Handfläche auf das Sofa und sagte, K. komm setz dich hier. K. jedoch lehnte meinen Vorschlag ab und sagte: "Ich kann auch hier sitzen und setzte sich mich gegenüber auf einen Stuhl der an der anderen Seite dieses Zimmers stand. Augenblicklich dachte ich an den Brief: "Ich bin sehr Männerscheu." Wider all meinen Willen musste ich die Rolle eines Schauspielers spielen, d. h. für mich denken einerseits und schweigen, - K. dagegen zu gunsten ganz anderes sagen. Ich dachte: "K. auf deine Feigheit und dein Blödes hätte schon manch einer gespuckt und wäre davon gegangen. Weiter: K. Liebe sei doch wohl so zäh die sich mit kein freches, scharfes Scherzwort nicht vermischen lässt." Daher gib acht und gebrauche vorläufig alle Vorsicht, um wirklich allmählich von Stufe zu Stufe immer höher zu kommen. Mein liebevolles Bitten bewegte sie doch, das sie sich zu mir setzte. K. Mutter hielt mit den anderen kleinen Mittagschlaf. Miteinmal kam eines von den älteren in unsere Stube gelaufen, aber als es mich sah, lief es auch rasch wieder zurück und meldete es ihrer Mama, das bei K. ein Onkel sei. Darauf kam auch schon ein anderes Kind und zurück lief und schon behauptete: "Ja, ja bei K. ist ein Onkel." Weiter wurden wir aber nicht gestört. - K. ihre Lage glich die meinige. Sie war gegenwärtig die älteste zu Hause hatte auch eine Stiefmutter uns sechs kleinere Geschwister, Halbgeschwister. Von ein glänzendes Leben zu haben keine Spur. Als es Zeit war das Abendbrot zu richten ging ich schon ganz frei auf der Straße zu meinem Vetter Abendbrot essen. Hin und wieder einer sah mich auf der Straße, aber ich hatte nichts zu befürchten. Nach der Besorgzeit ging ich wieder zu K. und setzte mich in der Veranda auf einen Stuhl und wartete bis K. dann fertig war. Dann aber machten wir Fortsetzung. Sie wurde schon etwas beweglicher, aber weiter als ein gegenseitiges Händedrücken gab es noch nicht, das vernahm ich voll und ganz. Mit einmal fragte sie mich "was ich denn eigentlich am Arm habe?" das ich jedes Mal den Arm verbunden habe. Ich sagte ihr ganz einfach: "Ein Geschwür welches nicht heilen will, es sei schon vom Frühling." K. arbeitete als Schulwärterin in der Schule und nun sagte sie zu mir. Ihr Lehrer, wo sie arbeitete, sei zu seiner Zeit ein Arzt gewesen, sie könne ihn mal um Rat fragen. Ich war ganz und gar damit einverstanden. Ehe wir es eigentlich wollten war auch dieser Abend vergangen und es musste wieder geschieden werden. Man könnte glauben das wir beide schon gut bekannt waren, daher sagte ich zu K.: Nächsten Sonntag mach ich keine Umwege mehr. Ich komme zu ein Uhr, auf der Straße, ohne jegliche Scheu, schnurstracks zu euch, hier in die Veranda und du wirst zu dieser Zeit mich hier abwarten, gut? - gut. Auf wiedersehen.
Genau wie den vorigen, so machte ich es auch den nächsten Sonntag. Als ich nun zu meinem Vetter wieder am Vormittag kam um dann mich zu ein Uhr bei K. einzustellen, erzählte er mir ganz wichtiges. Im Dorfe sei die wichtigste Frage oder richtiger die wichtigste Neuigkeit: Katja Neufeld habe einen Bräutigam aus dem armen Dorf Klinok. (Zur Erklärung füge ich noch hinzu. Podolsk war früher ein ansehendes reiches Dorf und Jakob Neufeld, Katja ihr Papa hatte die größte und schönste Wirtschaft im ganzen Dorf.) Und nun ein Bräutigam aus Klinok, das war wirklich auffallend. Das alles sei noch nicht alles, sagte mein Vetter. Man habe dem Jakob Neufeld, von mir schon alles gesagt und er habe sich darauf hin schon recht grob geäußert. Du musst jetzt kampfbereit sein, darauf rechne voll und ganz. Was sollte ich jetzt wohl machen? Wohl die Flinte ins Korn werfen und das Hasengewehr nehmen? Ich sagte nur: "Mag kommen was da will, ich gehe hin, wer nichts wagt, gewinnt auch nichts." - Und ich ging, genau so wie ich gesagt hatte. - Ja und noch eines habe Jakob Neufeld gesagt: "Den laß nur kommen, den werd ich … Natürlich machte ich mich fertig auf jegliche Unangehnämlichkeit. Jakob Neufeld hatte von Stund an seine Katja unter Aufsicht, um nur den fremden Fuchs zu fangen. Wo K. war, da war auch er. Die Uhr wurde eins, K. setzte sich in die Veranda und machte als wolle sie eine Handarbeit machen. Auch er setzte sich hier auf einen Stuhl und las ein Buch. Ich wusste aber von diesem nichts. Als ich auf den Hof ging, machte ich mich stark und entschieden. Ich öffnete die Tür und erblickte zuerst J. Neufeld, dann trat ich ein sah auch K. hier sitzen. Dann sagte ich ein energisches "Guten Tag", ging näher zu J. Neufeld reichte ihm und drückte ihm die Hand als seien wir noch immer altbekannte Freunde gewesen, dann gab ich auch K. die Hand und fragte ohne jegliche Scheu, ob sie schon lange warte? Dies fragte ich nur, um zu zeigen das ich nicht bav sei. Dann zögerte ich ein Weilchen bis K. mir einen Stuhl anbot. Ich setzte mich, aber von J. Neufeld wurde ich von oben bis unten durch und durch mit Blicken gemessen und … Ich machte aber so als sei ich hier zu Hause. - Es langte doch wohl, J. Neufeld machte sein Buch zu, stand auf und ging Mittagschlaf halten. Damit war mit meinem bevorstehenden Kampf zu Ende, für immer. Selbstverständlich werde ich jetzt schon frecher, das Gewitter war vorüber, ich hatte nichts zu befürchten, als nur "vorwärts." Im Verlaufe unseres Beisammensein, fragte ich K. ob sei dem Lehrer wegen mein Geschwür gefragt habe. "Ja, sagte sie, er habe gesagt, er wolle es selber sehen und betrachten." Als nun die Mittagspause gänzlich um war machten wir uns auf und gingen hin ganz frei auf der Straße. Als wir nun beim Lehrer waren und er es betrachtet hatte, sagte er: "Er würde mich raten nach Kujbyschew fahren und das Geschwür von den Proffesoren untersuchen zu lassen. Hier würde es mir kein Arzt nicht heilen." Er fügte noch hinzu, "es hat Eile." - Wieder eine unverhoffte, ungewünschte Neuigkeit. Obwohl wir uns als verliebtes Paar, wie Nachmittag, so auch am Abend unterhielten, so waren meine Gedanken doch hin und wieder in Kujbyschew. Als nun der Abend zu Ende war, schieden wir wieder voneinander. Also bis zum nächsten Sonntag. Auf wiedersehen. - Ich ging nach Hause.
"Es hat Eile", so sagte der Lehrer demnach ist das Geschwür von Bedeutung, demnach droht was hässliches. Vorläufig sagte ich von dieser Geschichte zu Hause gar nichts, denn ich glaubte allein fertig zu werden. Am nächsten Sonntag, statt nach Podolsk ging ich in ein anderes Dorf Dolinsk wo mein Onkel, Mamas Bruder als Lehrer arbeitete, spazieren. Ihm erzählte ich meine ganze Geschwürgeschichte, wie und wann mein Geschwür angefangen habe und das hier am Ort und Stelle scheinbar auch kein Arzt heilen kann und das schließlich mir der Lehrer in Podolsk den Rat gegeben habe, nach Kujbyschew zu fahren und den Arm dort von Proffesoren untersuchen zu lassen, und das er auch gesagt habe: "Es hat Eile" demnach hat er ein Verständnis vom Geschwür. Dann aber kam ich mit meiner wichtigsten Frage vor: "Ob er könne, dann solle er doch so gut sein und mir das notwendige Geld borgen, um nach Kujbyschew fahren zu können, mit meinen kranken Arm. Natürlich auf eine, vorläufig, unbestimmte Zeit, jedoch ich versicherte es ihm, so rasch wie möglich alles zurückzugeben, denn ich sei ja doch groß und das Spr. w. hatte ich ja auch schon oft gehört. "Ein Mann, ein Wort", und demnach wollte auch ich dann handeln." Aber er dachte doch wohl das Gegenteil von alledem was ich ihm mitteilte. "Wenn du auch größer bist als ich und du auch ein schönes Wort gesagt hast "Ein Mann, ein Wort", so ist es bei mir nur so viel, als wenn ich mit dem Stock auf dem Wasser schreibe. "Walde W. hat bei mir Geld geborgt." Die allerbeste Antwort war nun. Ich hab kein Geld." Welches dann weiter noch mit schönen Worten bekleidet wurde und langsam erhielt unser Gespräch ein anderes Thema. Aber meinen Gedanken war das andere Thema nur Schnipp. Bei meinem Onkel spazierte ich nicht so lange, denn früh war ich schon zu Hause, obzwar ich auch hier eine Strecke von zehn km gemacht hatte. Zu Hause war es ihnen ein Wunder das ich mal so früh zu Hause sei. Aber von meiner gegenwärtigen Lage schwieg ich noch.
Weil ich mir meiner Sache ganz gewiß war, das ich K. schon für mich gewonnen habe und auch bekommen werde und das J. Neufeld mir nichts vereiteln werde, ging ich den nächsten Sonntag, schon nach Gewohnheit wieder nach Podolsk spazieren. Schon beim Eintritt in die Veranda, sah ich es der K. an das alles in Ordnung sei. Das hob auch mein Stimmung. Und unser Beisammensein hatte kein Vergleich mit den vorigen. Sollte wohl Vaters strenge Aufsicht und die angezogene Zügel soviel bei K. bewirkt haben, das ich so lange so ein passives Ding hatte? Heute konnten sich meine Augen an ihr freundliches, liebevolles, anvertrauliches Benehmen, an ihr, vor Freude, glänzendes Angesicht weiden. Heute fesselte ihr strahlendes Augenpaar mich bedeutend fester an sie, wie bis her. Heute durfte ich ihr, aus wahrem inneren Trieb, den ersten langersehnten, liebevollen Kuß, wahrer Liebe, auf ihre zarte jugendlichen Lippen drücken. Heute weigerte sie sich auch nicht bei mir sich auf den Schoß zu setzen. Das war doch ein ganz anderes Vergnügen, als nur nebeneinander sitzen und nur mit den Händen spielen. Heute sah ich nichts mehr von Männerfurcht. Und das alles versüßte schon, in einem gewissen Maß, meine zukünftiges Leben. - Doch Halt! - Keine Rosen ohne Dornen. - K. hatte bei ihrer Arbeit den Lehrer noch ausführlicher über meinem Arm gefragt und er habe gesagt: "Ich solle es nicht leicht nehmen, es sei der Anfang von Knochenfraß, ein langes Zögern könnte mir den Arm kosten. - Dann trat eine kleine Stille ein. - Und weiter überlies ich diese Gedanken dem morgenden Tag. Es könnte Heute aber auch einstweilen der letzte Sonntag sein das ich hier bei K. sein durfte, denn Kujbyschew durfte nicht vergessen werden. Daher drückte ich mein gefundenes Bild von welchem wir so eben gelesen haben noch und noch fest an mein Herz und das angefangene Werk, das schönste von allem, für Heute, musste nach und nach wiederholt werden. Der heutige Tag, war mit Ausnahme ein kurzer Tag. Aber es musste geschieden werden, wenn ich des Morgens auf die Arbeit nicht verspäten wollte. Schwer war Heute der Abschied. Es war kein Scheiden, - es war ein Losreißen, aber das letzte Wort war doch: Auf wiedersehen.
In dieser Woche, in diesen Tagen, ob wohl oder übel, von meinem Arm musste ich, ob ich wollte oder nicht, meinem Papa sagen, denn das wäre ja doch zu schlimm, mit einmal noch den Arm verlieren. Als ich es ihm alles erzählt hatte, was wir jetzt schon alles wissen, sagte er nur so viel: "Gut wir werden einen Ausweg suchen." "Höchstwahrscheinlich werden wir ein Schaf verkaufen um für dich das Reisegeld zu bekommen", sagte er dann noch. Und so arbeitete ich im Kolchos auch zu Hause noch weiter, nach gewohnter Art. - Wenn Papa auch nicht viel Anstalten machte von den Schwierigkeiten die sich im Verlaufe der Zeit fanden, dafür konnte Mama es oft recht laut verdoppeln. Papa durfte es mir gar nicht sagen: "So, jetzt habe ich es der Mama gesagt. O nein. - Das konnte ich schon den andern Tag hören, was ihr am schwersten auf dem Herzen lag. Schon am andern Tage bekam ich Vorwürfe: "Wegen dich haben wir müssen eine Kuh verkaufen, jetzt wieder ein Schaf und so geht es. Mit dir nur Ausgaben und keine Einnahme, unsere Wirtschaft geht wahrhaftig den Krebsgang. - Was sollte ich, ich lies es mir gefallen und war still.
Kapitel 100
Mein Aufenthalt in Kujbyschew
Die Fahrt nach Kujbyschew musste per Eisenbahn gemacht werden welches ungefähr vierundzwanzig Stunden in Anspruch nahm. Als Papa das Schaf verkauft hatte und mir das notwendige Reisegeld gab dann ging ich zum Vorsitzenden des Kollektivs und forschte, ob es nicht Gelegenheit gebe nach Sorotschinsk fahren ich wolle nach der Bahnstation und dann nach Kujbyschew fahren mit meinem Arm, wovon er ja auch gut wusste. Und richtig, es sollte jemand nach Sorotschinsk ein Mann gefahren werden und hier dürfe ich mitfahren. Für mich war aber jetzt guter Rat teuer. Wo sollte ich hin wenn ich jetzt nach Kujbyschew kom? - In einer Geschichte haben wir schon gelesen, das in den Magazinen keine fertige Kleider zu kaufen waren, zu jener Zeit, daher fuhren manchmal auswärtige Schneider von weit und breit in die Dörfer und nähten Kleider verschiedener Art. Und auf solcher Art, war auch schon bei unserem Nachbar ein Schneider, ein Jude öfters aufgefahren um hier dann Kleider zu nähen, welcher in Kujbyschew wohnte. Das war für mich sehr passend. Von diesem Nachbar holte ich mir die Adresse und ich war nun geholfen. Die Adresse weiß Heute noch. Es war, Galaktionowskaja Straße siebzig. Den Reisekoffer einpacken zu jener Zeit, war gar nicht schwer. Es war hauptsächlich, Hemd und Hosen, ein Stückchen Brot und fertig. So war ich denn jetzt reisefertig. Also jetzt Auf wiedersehen und mit einem "Glückliche Reise" wurde ich entlassen.
Es war ganz Herbst geworden, die Erde war schon gefroren, es war schon recht kalt. Wir fuhren noch auf den Wagen, denn Schnee war noch keiner. Man musste inzwischen auch zu Fuß laufen um nicht zu verfrieren, daher war die Fahrt beschwerlich. Wir kamen um vier Uhr Nachmittag nach Sorotschinsk und es gelang mir auch, fast ohne langes Warten eine Fahrkarte zu kaufen und binnen einer kurzen Zeit saß ich auch schon im Eisenbahnzug. Dies war meine erste selbstständige Eisenbahnfahrt. Wenn auch unerfahren, aber es ging ja allerwärts vorwärts. Mit dem Geld, welches ich zur Reise bekommen hatte, ging ich sehr sparsam um. Wie und wann ich zurück fahren würde, wusste ich noch gar nicht, daher machte ich auch keine unnötigen Geldausgaben, kaufte weder Suppe noch Tee im Wagon, alles was nur möglich war, entbehrte ich, um nur nicht in Geldenge zu kommen. - Nun war auch endlich Kujbyschew erreicht. Als ich nun aus den Wagon stieg und auf den Bahnsteig kam mit meinem Koffer, so kamen auch schon die Bogagenträger in ihren weißen Schürzchen und einem Blechnummer an ihrer Brust und boten sich sehr andringend an, meinem Koffer zu tragen, fast das sie ihn mir aus der Hand reißen wollten. So ein Dienst würde wahrscheinlich teuer bezahlt werden müssen oder ich dachte dann noch, er könnte überhaupt verschwinden daher hielt ich ihn fast aus Furcht fest. Und das ich ein unerfahrener Fahrgast war, das hatte man leicht feststellen können, weil ich doch beinah mit offenem Maul allewärts hinschauen musste um mich zu orentieren wo ich hingehen musste. An der anderen Seite des Wartesaales machte ich wieder so eine andringliche Begegnung mit all den Kutschern die hier mit ihren einspännigen Federwagen standen. Ein jeder wollte mich jetzt in die Stadt fahren. Leicht wäre es ja für mich gewesen zu fahren dann wäre ich ohne jegliche Mühe und Suchen bald auf Ort und Stelle gewesen, aber von so einem unwissenden Kerl hätte man dann auch reichlich Geld genommen. Daher sah ich, auch aus diesem Gedränge mit meinem Koffer zu kommen. Als ich eine kleine Strecke in die Stadt gemacht hatte, stellte ich den Koffer hin, ruhte etwas und fing an zu fragen, wo ich könnte die Galaktionowskaja Straße finden. Viele wussten von dieser Straße nicht, aber es fanden sich auch Leute die mir auch sagen konnten. Etliche meinten: "Warum ich nicht einen Kutscher angenommen habe, es sei ja doch so weit." Aber das machte mir nicht Sorge, wenn ich nur die Richtung wusste. Und so ging ich. Ja, es war weit, wahrhaftig weit. Ich wusste auch wie der Schneider hieß. Es war ein Erkin, den ich auch bei unsern Nachbar gesehen hatte. Endlich hatte ich diese Straße gefunden. An einem runden Blechschild unter einer elektrischen Lampe las ich das im Halbkreis geschriebene Wort: Ga-lak-ti-o-now-ska-ja. Hoch erfreut, bald das Haus Nummer siebzig zu finden ging ich weiter. Beschwerlich wäre es für mich gewesen wenn es wäre am Abend gewesen, aber es war noch hell als ich meinen Erkin gefunden hatte. Als ich ins Haus trat, traf ich auch Erkin mit seiner Frau zu Hause an. Als ich mich vorgestellt und begrüßt hatte, durfte ich mich die Oberkleider abziehen und Platz nehmen. Ob ich denn damals ein sehr gewünschter Gast gewesen bin, das bezweifle ich Heute. Aber ich war da. Ich erzählte ihnen die Ursache meines kommens, auch von unserem Nachbar, bei welchem er gewesen sei, das ich persönlich ihn auch gesehen habe u. d. gl. m. Nachdem Abendessen wurde mir auch ein Bett angewiesen wo ich dann auch gut ausruhte. Ohne viel Zeit zu verlieren wollte ich am andern Tag auch gleich meine Geschäfte bestreiten, leider wusste ich hier in dieser Stadt gar nichts, daher bat ich die Erkins mir doch zu sagen wo ich min hinwenden sollte und könnte. Dieser Dienst wurde mir sehr willig erwiesen, teils aus Mitleid, teils aber auch diesen Gast früher los zu werden, (so denke ich Heute zweifellos). Als wir Frühstück gegessen hatten, ging ich dann meine angesagte Klinik zu suchen. Ich fand sie und kam dann auch endlich beim Arzt an, zur Besichtigung. "Leider, sagte der Arzt dann, ich habe nicht die richtige Klinik gefunden." Er schrieb mir ein kleines Begleitzettelchen, wohin und welchen Arzt ich das Zettelchen geben sollte. Es musste wieder in eine ganz andere Klinik gegangen werden. Ich fand auch die zweite Klinik. Hier aber war so ein großer Andrang beim Arzt das man mich gar nicht ließ dich an die Tür kommen. Das Zettelchen gab mir den Durchlaß. Ich wartete bis eine Schwester vorbei kam, dann überreichte ich ihr das vom Arzt und am Arzt geschriebene Zettelchen, ging dann etwas abseits und setzte mich auf eine Bank. Aber ich saß noch nur kaum, so wurde ich auch schon laut zum Arzt gerufen. Als der Arzt mich dann ausgefragt hatte und sich über meinen Körperlichen Zustand erkundigt hatte, dann musste ich mich noch halb abkleiden, bis zum Gürtel nackt. Er hatte recht viel zu horchen, zu klopfen, zu fühlen bis er mir dann etwas sagte. Dann jedoch fing er an und sagte: "Die Krankheit sei schon lange bei mir im Verborgenen gewesen, jetzt auch schon lange sichtbar gewesen ohne gegen sie geschaft zu haben, sie ist bedenklich, es ist der Anfang von Knochenfraß (Knochenkrebs)". Ich durfte mich ankleiden und er schrieb einen Begleitungszettel. Als er fertig war sagte er : "Dies ist ein Richtungszettel an den Proffesor N. N. dem solle ich es bringen, hier auch noch die Adresse." Und so musste ich die dritte Klinik aufsuchen. Tramnummer, Straße, Klinik, alles war angezeigt. Aber wunderbar, in einer Verhältnismäßigen kurzen Zeit hatte ich an einem Tag doch recht viel bestritten. Bei dem angewiesenen Proffesor waren wenig Patienten. Als ich mein Schreiben überreicht hatte durfte ich auch sofort eintreten. Es war schon ein ganz grauer, alter Mann. Geduldig, ohne jegliche Eile fragte er mich aus. Dann zeigte ich ihm noch den Arm. Er saß am Tisch, legte den rechten Arm auf den Tisch, rückte mit der linken Hand die Brille auf die Stirn, lies sie dann in den Schoß fallen und dachte einen kleinen Augenblick nach. Dann aber hob er den Hörer am Telefon und rief jemand zu sich. Auch noch einmal hob er den Hörer, rief auch von da jemanden. Ich stand hier bei ihm ohne das er mich etwas fragte oder sagte. Es dauerte nicht lange, dann kamen noch zwei ältere Männer und eine Frau zu ihm ins Kabinet. Sie sprachen etwas, wovon ich nicht alles verstand. Dann aber befahlen sie mich ganz nackt auszuziehen. Nun stand ich splintnackt, in dem wie meine Mutter mich geboren hatte. Zuerst beschauten sie meinen kranken Arm, dann aber fing man an zu fühlen, zu klopfen, zu drücken, zu streichen, auch nett auch grob. Das Geschwür hatte zu Hause nur grüngelbe, dünne, klebrige Flüssigkeit ausgesondert und nur so viel das es immer naß war. Hier reichte man mir ein Glas damit ich es unter dem Geschwür halte um die Flüssigkeit die aus dem Geschwür kommen werde, zu sammeln. Dann begann man den ganzen Körper zu streichen immer nach dem Geschwür hin. Anfänglich tropfte es recht rasch dann aber lies es so nach und nach, nach, es fing schon an Blut zu tropfen, aber noch wurde gestrichen. Als man aufhörte zu massagieren war das Glas halbvoll geworden. Der Arm wurde mir verbunden, aber ganz leicht, nur soviel das er mir nicht den Ärmel naß machen konnte, dann durfte ich mich ankleiden. Dann wurde mir die Anwendung einer Quarzwanne verschrieben die ich, in einer mir angezeigten Klinik, machen sollte. Dann sagte man mir, die Anwendung ihrer Heilmethode sei nur eine langweilige, an meinem Arm und wann es würde zu heilen, das würde die Zeit zeigen. Vorläufig solle ich so bei zwanzig Quarzwannen, immer um einen Tag, anwenden. Das sei die erste Kur, dann nach einer monatlichen Pause, würde höchstwahrscheinlich noch eine Kur folgen müssen. Mir wollte der Atem ausgehen. Ach, du ach! - Dann gab man mir den Richtungszettel, dann sagte ich Auf-wiedersehn und verließ das Kabinet. Ganz zufrieden über den recht schönen Erfolg des mühevollen Tages aber doch mit einem ersten Nachdenken über die zukünftige Tage ging ich nach Hause zu Erkins. Bei Erkins erzählte ich meine ganze Tagesgeschichte von Anfang bis Ende. Selbstverständlich war ich benötigt um einen guten Rat. Ich wollte doch gerne meinen Arm ausheilen, aber die Lebensmittel waren nicht genügend vorhanden. Auf so eine lange Kur hatte ich nicht gerechnet. Wie ich mich mit dieser meiner Frage zu Erkins verhalten habe, das weiß ich Heute schon nicht mehr. Aber man kam annehmen das Erkins allen Fleiß dran wandten, mir in meiner kritischen Lage zu helfen. Und sie halfen. Erkin sein Schwager war ein großer Oberst und diesen wollte Erkin nun fragen ob er nicht für mich Arbeit fände, doch mit der Bedingung immer um einen Tag in der Klinik eine Quarzbeleuchtung machen zu können. Alles ging wie geschmiert, dann dafür waren es Juden. Schon am nächsten Tag trat ich eine doppelte Arbeit an, ohne nach Dokumente zu fragen, ohne ein Gesuch zu schreiben. Mündlich versprach ich mir dieser Oberst sechzig Rubel den Monat zu zahlen und fertig. Ich wusste von kein Kontor, von keinem Buchhalter, von keiner Kasse oder sonst etwas, ich wusste nur meine Arbeitsstelle. Kein Kriegskomite, kein Hausbuch - ich brauchte nichts. Ich war wie im Versteck. Mein Arbeitsplatz war bei der Miliz im Hof. Voll und ganz im Schutz vor jeglichen Sturm d. h. Unangenehmlichkeiten. Dieser Hof hatte von der Straßenseite ein eisernes Tor. Die Auffahrt ging unter dem Milizhaus in den Hof. Der Hof war räumig, große Häuser mit blinde Wände, Wände ohne Fenstern, grenzten den Hof ab. Ein Haus aber stand im Hintergrund hoch und stark gebaut, zudem ohne jegliche Fenstern, diente als Waren- und Fruchtspeicher versehen mit einer großen eisernen Tür. An diesen Speicher war ein kleines Wächterhäuschen dran gebaut. Mit einem Fenster das nach dieser Speichertür schaute. Das Häuschen bestand aus einer Stube, ein kleines Koridor und ein nicht großer Stall, etwa für drei, vier Pferde. Futter für die Pferde - Heu und Hafer war genügend vorhanden. Brand - Kohlen und Holz für das Wächterhäuschen ebenfalls. In der Wächterstube stand der Herd, ein Bretterlager, ein Tisch, drei Taburet. Hier in diesem Häuschen wohnte ich einen ganzen Winter als Wächter. Jede dritte Nacht bewachte ich das Türenschloß welches draußen im Hof gut beleuchtet wurde, sitzend drinnen am warmen Ofen, durch dem Fenster gut zu sehen war. Die Stube konnte ich mir nach Lust warm heizen. Für die folgenden Nächte waren andere Wächter die dann, auch hier im Stübchen, ihre Wache hielten. Wirklich für mich und meine Lage eine passende Arbeit. Hier kochte ich mir ein Essen. Mein primetieves Küchengeschirr bestand aus einem Kastrollchen, Teller, Löffel, Kruschka und Messer. Mein Essen war über alle Massen einfach, obzwar ich doch Essen kochen gelernt hatte. Erstens, ich war hier ein zeitweiliger Gast und zweitens. Ich war sehr sparsam. Weil mir das wenige Geld für andere Ausgaben bleiben sollte. Im Laden kaufte ich Brot, Kartoffeln, hin und wieder Nudeln, alles nach Bedarf. Die zweite Arbeit die ich hier verrichtete, das war. Aus den Dörfern kamen hier hin und wieder Milizionäre gefahren, die dann ihre Pferde hier in den Hof, in den Stall stellten. Ihnen war ich, wenn sie Morgens kamen, behilflich beim ausspannen. Abends wenn sie dann wieder nach Hause fahren wollten, half ich sie die Pferde einspannen. Den Pferden Futter geben. Alles erträgliche Arbeit. Hier war ich ein freier Vogel. So viel freie Zeit und alles was ich machte, das machte ich für mich. Still zufrieden und vergnügt. Keine beständige Aufseher befanden sich neben mir. Ich wurde von niemanden nicht gescholten. Was ich machte und gemacht hatte war scheinbar immer gut. Ich war in meinem Sinn glücklich, so einfach sich auch meine Lebenslage hier gestaltete. Meine Heilkur befolgte ich regelmäßig nach Vorschrift. Bei Erkins kam ich, obzwar sie jetzt recht weit von mir wohnten, doch aber hin und wieder auf Besuch. Erkins hatten noch zwei Jungens zu Hause. Ein Jana, der schon als Parikmacher arbeitete und ein Joseph, in der neunten Klasse lernte er. Mit ihnen spielte ich dann manchmal Domino. Einmal traf es sich, das Joseph aus der Schule kam, warf seine Filzstiefeln in die Ecke und sagte: "Mama, die Filzstiefeln zieh ich nicht mehr an, die sind zerrissen." Tante Erkin sagte: "Ja, die fehlen dem Schuster zu bringen." Ich stand auf und beschaute sie mir und sagte: "Die kann ich auch flicken." Darauf sagte Tante Erkin, "richtig?" "Ja, ja, behauptete ich, das kann ich machen." Des andern Tages ging ich nach den Basar (Baracholka) und kaufte mir Zwirn, Pech, Nadeln, Pfriemen und Feile und das notwendige hatte ich nun um dem Joseph seine Stiefeln zu flicken. Dann holte ich mir dem Joseph seine Stiefeln ging nach Hause und richtete mir mein Stübchen zu eine Schusterei ein. Das schustern brauchte ich nicht zu lernen, denn das war mir sauer genug geworden schon zu Hause. Und hier aber wurde auch diese Arbeit zur Lust. Als ich nun die Stiefeln Erkins brachte die ich geflickt hatte mussten sie ja von jedem beschaut werden. "O, sagte Tante Erkin dann, dies ist ja "Prima" d. h. sehr gut." Ich seh du kannst auch noch Schuster sein.? "Jana, bring mal deine Stiefeln, mal sehen ob Wanja die auch machen kann." "Ja, sagte ich; die müssen versohlt werden, da fehlen die Sohlen." Darauf brachte man mir auch noch andere Stiefeln zu Sohlen und ich hatte wieder Arbeit. Als ich nun die versohlten Stiefeln brachte, waren Erkins schon völlig überzeugt, das ich ein Schuster sei. Daher mehr Schusterarbeit. Indeß hatten Erkins auch ihrem Schwager (Spirno so war sein Familienname) von diesen Schuster erzählt. Daraufhin brachte auch Spirno mir eines Tages recht viel Arbeit. Und solche schöne Stiefelchen waren das die ich flicken und versohlen musste. Nicht solche verflickte, wie wir zu Hause manchmal hatten. Ich holte noch mehr Pech und Zwirn und meine Schusterei stellte sich ganz auf breiten Fuß. So das ich, als ich erst mit Erkins und Spirno fertig war, schrieb ich auf ein Täfelchen: "Hier im Hof, Schusterei, versohle Filzstiefeln" und machte es draußen am Tor fest. Die Zahlung die ich dann für meine Schusterarbeit nahm, befragte ich mich bei den Schustern die auf der Straße saßen und schusterten. Die Zahlung die von Erkins und Spirno bekommen habe, das weiß ich Heute schon nicht mehr. Aber ihr Zuvorkommen an mir, wurde auf jeden Fall in Rechnung genommen. Über dieses alles kam ich auch bei Spirno und wie hier so auch bei Erkins wurde ich "Unser Wanja" genannt. Es gab noch eine Arbeit die doch weit besser bezahlt wurde wie ein Tag schustern. Meine Wächter das waren ja bekannte Stadtsbewohner die wussten auch recht viel Schleichwege wo man gut verdienen konnte. Die wussten auch oft, wenn es gab Eisenbahnwagonen auszuladen. Dann kamen sie oft voller Freude und sagten: "Wanja rasch, rasch, es gibt wieder einen schönen Braten." oder : "Heute gibt's wieder einen Bock zu schießen." Die Wächter suchten immer gute Arbeit. Nicht Holz oder Kohlen ausladen, sondern Essware verschiedener Art, damit auch nach getanner Arbeit noch etliche Brocken uns in die Tasche geschüttet wurden, außer dem Geld was wir dabei verdient hatten. Onkel Johann, Mamas Bruder hatte kein Geld um mir für die Reise nach Kujbyschew etwas zu borgen. Und wer hätte es gedacht, das ich schon um zwei Monate, vielleicht schon mehr Geld hatte als er? Hier in Kujbyschew fanden sich die ersten Steine für den Aufbau meines Glückes. Hier konnte ich verfügen mit meinem Geld, ganz nach meinem gutdenken. Alle Kleider welche ich kaufte, kaufte ich auf dem Basar. Ich kaufte folgendes: Einen schwarzen Halbpelz, Sonntagshosen, Hemde, Blusen, Schuhe, Sommermütze, Socken u. a. m. Eine Untugend, die sich mit mir befreundet hatte das war: Ich fing an zu rauchen. Dazu hatten mich die Nebenmenschen verholfen. Immer wenn ich den Milizionären das Pferd ausgespannt oder eingespannt hatte, dann zogen sie noch aus ihrer Tasche eine recht teure Zigarettenschachtel vor, öffneten sie und sagten: "Wanja, für den Dienst, bitte, eine Zigarette." Das war für mich ein duftendes Gewürz, daran hatte ich wirklich ein Gefallen. Es kamen manchmal auch zwei, drei Schlitten mit Gästen, dann aber, besonders wenn Unwetter war, kamen keine Gäste. An solchen Tagen fehlten mir schon die Zigaretten und es mahnte mich schon stark, Zigaretten kaufen zu gehen. Mit einmal erinnerte ich mich der Worte meines Papas. Bei einer schönen Gelegenheit sagte Papa mal zu uns Jungens: "Jungens! Ich rauch nicht und will auch nicht, das ihr rauchen sollt." Dies ging mir jetzt mehr zu Herzen, als damals, wo er es uns sagte. Und von Stund an warf ich diese Untugend. Und wenn mir die Milizionäre es wieder anboten, sagte ich ganz entschieden ab. Und so verstrichen Tag um Tag meine Wintertage. Schon hatte ich eine doppelte Quarzkur erhalten. Dann wurde mein Arm wieder besichtigt und man sagte mir: "Mehr können wir in einem Zug die Quarzkur nicht anwenden, der Körper hält es nicht aus. Aber um einen Monat fangen wir wieder an, dann beginnen wir mit Sonnenbad. Ich befragte mich wie es getan wird und weil es mir schien, dem ähnliches könnte ich vielleicht auch zu Hause tun, sagte man mir ganz zuverlässig: "Selbstverständlich könnte ich diese Kur zu Hause mit demselben Erfolg, tun, das Ergebnis würde sich bald zeigen." Gegenwärtig konnte ich aber noch keine besondere Veränderung am Arm bemerken. Aber ich verabschiedete mich mit der Klinik, aber noch nicht mit Spirno und Erkin. Ich lebte ja nur in sehr einfache Verhältnisse, aber nicht in schwere oder unerträgliche Verhältnisse. Zudem war ich auch sehr froh, das Mama in diesem Winter nicht durfte als Schweinehirte ausgehen, das ich den Anfang haben machen können. Daher wenn wir S. 455 verstanden haben, zog es mich auf keinen Fall nach Hause. Mit meiner K. hatte ich unaufhörlichen Briefwechsel, leider hatte sie im Verlaufe der Zeit einen Blinddarmanfall bekommen und habe sich müssen ins Krankenhaus einlegen lassen, wo man sie ihr dann auch den Blinddarm geoperiert haben. Als sie erst sei aus dem Krankenhaus nach Hause gelassen worden, sei dasselbe Schicksal ihrem Vater widerfahren. Auch er habe müssen sich den Blinddarm operieren lassen. - Ja, immer was Neues. Hier könnte man wahrhaftig sagen, wie es in einem Verse lautet:
Mensch! Merke das in allen Lagen,
Im Schmerz und in der Freude Schwall.
In bösen und in guten Tagen,
Es ändert alles doch einmal.
Des Menschen Leben ist ein ändern,
Das Schicksal wechselt in Gewändern,
Bald macht es trüb, bald wieder froh.
Es bleibt nicht so.
Mein Vaterhaus sollte mir aber doch noch zu einem kurzen Aufenthalt dienen, ehe ich denn gänzlich mit meinem Daheimsein abbrechen wollte. Um aber meinen Heimischen und ganz besonders der Mama ihre Stimmung zu heben wenn ich nun wieder heimkehre, so plante ich, womit ich dieses erzielen könnte. Nach etlichen hin und her denken, hatte ich es dochwohl. Wie es sich auch später zeigte, getroffen. Daher kaufte ich, ehe ich denn wirklich nach Hause fahren wollte, noch allerlei Kleider, feine Diffizitware, wie: Kleiderfarbe, Wollenfarbe, Blaus, Nadeln verschiedener Art, Stricknadeln, Häckelhacken, leichte Stubenpantoffeln, Schleudermaschinenöl, Hirschhornsalz u. a. Diese Ware war zu Hause unentbehrlich notwendig und doch beinah nicht aufzutreiben. Als sich dann mit der Zeit die gelinden Tage zeigten und den herannahenden Frühling anmeldeten, bat ich meinen Oberst, Spirno, um meine Entlassung, um doch noch vor dem Hochwasser nach Hause fahren zu können. Hierin war auch kein Aufhalten. Es hatte sich bei mir doch eine recht schwere Reise-hand-bogage angesammelt, das es mir zu denken gab, ob ich mit meinem schweren Hack und Pack würde in den Eisenbahnzug hinein kommen. Aber je mehr man sich unter verschiedenen Menschen aufhält und zuweilen noch im Menschengewühl sich befindet, desto rascher lernt man in Verhältnis schweren Lagen einen Ausweg finden oder einen Schlupfweg suchen. - - Als ich denn nun bei Spirno und Erkins den Abschied genommen hatte, fuhr ich zur Station, zum Wartesaal. Mein ganzes Benehmen hier auf dem Bahnhof als ich nach Kujbyschew kam war nicht zu vergleichen mit dem Benehmen, da, wo ich jetzt auf dem Bahnhof, Kujbyschew verlassen wollte. Damals war ich feige und wollte den Trägern nicht meinen fast wertlosen Koffer in die Hände geben um mich vielleicht rasch nur meine notwendige Richtung zu zeigen. Jetzt aber nachdem ich mir die Fahrkarte gekauft hatte, überlies ich dreist und gerne den Trägern meine wertvolle Sachen in den Zug tragen d. h. in den mir angezeigten Wagon. Etliche Tage vorher hatte ich schon brieflich, nach Hause, von meiner Heimkehr, berichtet. Von meinem, für mich zu betrachten, reichen Einkauf hatte ich aber gar nichts geschrieben. Wenn zu Hause Briefe eintraffen, so war ich es von jeher gewöhnt, das Mama immer die Briefe las. Daher war mein Brief nur eine kurze Nachricht von mir, gerade nur so viel, das ich mich fertig mache, Heim zu fahren. Weil ich doch glaubte, freundliche Mienen sehen zu können, wenn ich zu Hause selber meine Ware auspacken würde. Wahrscheinlich ist Papa nicht zugegen gewesen, als Mama den Brief vom mir gelesen habe, wohl aber die Kinder. Denn als Mama erst meinen Brief gelesen hatte, habe sie gleich gesagt: "Jetzt kommt der alte Hans wieder nach Hause." Und als ich wirklich erst zu Hause einkehrte, bei der ersten besten Gelegenheit sagte Neta, meine Schwester, mir diese Worte: "Jetzt kommt der alte Hans wieder nach Hause." "Ja, ja, so habe Mama gesagt, glaub es mir." Ich fühlte in Neta, das sie für mich ein Mitleidsgefühl hatte. Denn auch schon früher hatte ich vernommen, wenn Mama über mich ins laute Murren geraten war, versuchte Neta, nach Kindlicher Art, manchmal mich zu verteidigen. Für mich hatte solche Verteidigung doch keinen Verschlag, nur soviel, das ich wusste, das meine noch nicht Erwachsene Schwester ein Herz hatte, welches, im vollen Sinne dieses Wortes, mitfühlen konnte und den Kontrasten Unterschied der Behandlung aller Kinder, schon zur Genüge bemerkte.
Als ich den nun wirklich zu Hause ankam und schnaufend meine schwere Bogage ins Haus trug, war die Freude und das Wiedersehen groß. Die kleineren Kinder sahen neugierig meinen Reisekoffer an, ob wohl etwas für sie da drinnen sei. Nach einer kleinen Pause ging's an den Koffer. Was ich alles den kleineren gebracht hatte, das weiß ich schon nicht mehr, hauptsache war mir nur, Mama mehr zufrieden stellen. Und die schon angeführte Ware war ja wirklich nur für Mama, zudem noch im großem Überfluß. Und als erst alles ausgepackt war, hieß es auch wirklich: "Alles gut." Scheinbar alle waren jetzt guter Laune, auch ich fühlte mich gehoben, weil doch ich hatte etwas nützliches ins Haus gebracht. Jetzt glaubte ich wahrhaftig das Wort in die Tat umgesetzt zu haben: "Du bist ja schon groß." Aber vergiß nicht: "Und brennt dein Glück auch lichterloh, es bleibt nicht so." mit all dieser gebrachten Ware, verfügte nur Mama. Schon in den nächsten Tagen, nahm sie von diesem Überfluß, ging in die Nachbardörfer und vertauschte die Ware auf Essware, meistens nur für Bohnen und Hirsegritze. Sie war auch ein guter Kommersant, das brauchte sie nicht zu lernen. Leider viel zu schnell war all die überflüssige Ware verhandelt. Und wieder bewahrheitigte sich ein Sprichwort: "Wenn Hab und Gut verzehret ist, dann hat die Lieb ein Ende." Das vernahm ich recht bald, weil sie sich (Mama) geäußert hatte, das die Kuh und auch das Schaf, welches sie haben verkaufen müssen, nur für mich sei ausgegeben worden, um mich aus meiner Patsche zu helfen. Es kann sein, aber ich bezweifele es sehr.
Ich war wirklich auf dem letzten Schnee noch vor dem Hochwasser nach Hause gekommen. Wenn die Pferde auf der Schneebahn schon nicht mehr gehen konnten weil der Schnee schon wassrig war, so kannte man aber doch noch zu Fuß übers Feld gehen. Der lange Winter war wohl vergangen, aber bei Mama waren noch alle alten Grillen geblieben. Für mich war kein geeignetes Plätzchen mehr zu Hause. Daher fasste ich den festen Entschluß, weil die Umstände für mich günstig waren, zu heiraten. Schon gleich den ersten Sonntag ging ich zu meiner K. diese Frage zu entscheiden, denn ich hatte jetzt mir schon etwas verdient, worauf ich schon meinen eigenen Fuß stellen konnte.
Kapitel 101
Neuer Arbeitsplatz und Kurort.
April 1934. Auch meiner Katja hatte ich aus Kujbyschow einen Brief geschrieben, das wenn es möglich wäre, ich sie noch vor dem Hochwasser besuchen wolle. Daher müsse es jetzt wohl der letzte Sonntag sein, wo ich sie besuchen könne, denn für den nächsten Sonntag schon gab es keine Garantie noch ausgehen zu können weil sich jetzt schon das Schneewasser allerwärts zeigte. Froh und zufrieden lief ich den altbekannten Weg, schräge über das Feld nach Podolsk. Nach sechsmonatlicher Trennung war das Wiedersehen groß, als ich bei K. ins Haus trat. Und richtig heute hatte sie nicht umsonst gewartet. Wie es aber auch manchmal so wunderbar alles rauskommt. Heute war Begräbnis, Katja ihr alter Großvater Johann Neufeld wurde begraben. Heute war die Straße ziemlich wässerig, daher habe K. ihre Mama mit dem kleinen Kind nicht zum Begräbnis gehen wollen. Katja dagegen, in der festen Überzeugung das ich jede Minute eintreffen könnte, hatte sich angeboten zu Hause beim Kind zu bleiben, deshalb sollten sie sich nur alle fertig machen und zum Begräbnis gehen. So hatten sie es auch gemacht. Daher traf ich Katja ganz allein zu Hause.
Die Liebe war noch nicht erkaltet, denn wir fühlten die Wärme einer zum andern aber auch einer vom andern. Die lange Trennung hatte uns scheinbar noch fester einer zum andern verbunden. Wir glaubten schon beinah ohne viele Worte für immer verbunden zu sein. Der heutige Tag sollte die Entscheidung treffen auch von Seiten der Eltern. In diesen paar Stunden wo wir von niemanden gestört wurden, hatten wir uns schon gegenseitig das gewünschte "Ja Wort" für die Treue gegeben. Jetzt war noch geblieben bei den Eltern die Einwilligung zu erbitten. Als nun die Eltern von der Beerdigung nach Hause kamen, nahm ich mir ein Herz und fragte ob sie heute geneigt wären mich anzuhören, denn ich wolle Ihnen mein Vorhaben kundtun. Der Hausvater willigte ein und wir wurden gebeten in den Saal einzutreten. Als Gast natürlich gab man mir das Wort. All meine Kunst anwendend, versuchte ich höflich und bescheiden das Herz Katjas Eltern zu gewinnen um nicht mit einmal noch unbefriedigt von dannen zu gehen. Nach einem Kurzen ausfragen erklärte der Vater seine willige Zuneigung zu meiner Frage: "Die Katja nur zur Braut, zur Frau zu geben". Die Mutter dagegen wollte noch haben Katja sollte noch etwas älter werden. Darauf sagte ich: " Wir beide, Katja und ich, wir sind uns ganz einig auch ganz fertig, in recht baldiger Zukunft unser eigenes Heim zu gründen und sobald der Frühling in seiner schönen Pracht stehen wird, wollen wir gemeinsam unsere Laufbahn antreten.
Eine kurze Stille trat ein. Dann sagte ich: "Danke, Aufwiedersehen". Wir beide standen auf, gingen in Katja ihre Stube, nahmen unseren vorigen Platz wieder ein und machten Fortsetzung mit unserem Gespräch. Der Spruch: "Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet", hatte für uns beiden schon keine besondere Bedeutung mehr, daher wurden mehr von zukünftigen, bevorstehenden Dingen gesprochen. Heute kam auch schon die aller erste Frage die Katja mir stellte in Betracht: "Wo werden wir, wo wollen wir wohnen?" Womit werden wir uns beschäftigen ? Nun Katja hatte ja ihre Arbeit, damit war ich auch ganz zufrieden, aber ich...? Halt, sagte Katja dann, der Vorsitzende des Kollektivs habe sich geäußert, nur wenn ich würde im Kolchos arbeiten, dann gäbe er die Katja hin, anders würde er alles vereiteln.". Ich war damals jung und noch mehr unerfahren, ich lies mich, nur von sagen hören ins Bockshorn treiben. Das war Feigheit, so nenne ich es heute. Noch eine Neuigkeit erzählte Katja mir. Die MTS wolle bei ihnen im Kolchos in diesem Frühling ein Bewässerungsfeld einrichten und wer da wünscht zu arbeiten der könne sich hier melden. Der Vorsteher von dem ganzen Werk, wohne in Podolsk. Da gäbe es Erdarbeit, Holzarbeit auch anders und sobald das Wird fertig sei, könne man hier auch Landarbeit nach belieben finden. Dies gefiel mir schon und ich war voll und ganz geneigt hier anzugreifen. Heute war es ein besonders schöner Tag der Schnee verschwand fast bemerkbar, so das ich gezwungen war noch bei Tag meine Heimreise anzutreten, denn das angesammelte Frühlingswasser auf den Feldern könnte mir vielleicht auf etlichen Stellen Umwege machen lassen. Daher verabschiedeten wir uns auf etliche unbestimmte Tage. Sonderbar, der Abschied wurde scheinbar immer schwerer, dafür aber immer erquickender.
Als ich zu Hause war, schon gleich am nächsten Tag, erzählte ich alles meinem Papa:" Wie weit ich mit meiner Heiratsfrage sei, wann und was wir beide, Katja und ich tun wollten. Auch das in Podolsk sollte ein Bewässerungswerk gebaut werden, wo ich mir wolle eine Stelle beschaffen um dort zu arbeiten, und das ich mich dann müsse beizeiten melden, auch dann einstellen". Papa hatte an allem nicht einzuwenden als nur er sei mit allem einverstanden. Er wußte ja meine ganze Lage, inwendig auch auswendig. Mir war jetzt nur geblieben die paar Tage abzuwarten , wo der Schnee sollte gänzlich verschwinden und sofern der Weg betrocknet sei, wollte ich dann mein Heil und Glück fürs künftige Leben suchen und auch finden. Bald solle nun für immer die Grenze gezogen werden zwischen Jugendzeit und Mannesalter. Die Zeit, Lebensverhältnisse und Umstände alles harmonierte, um mir auf das gesagte und so oft gehörte Wort: " Du bist ja schon so groß", das letzte Siegel zu drücken. Für den Frühling gibt es recht viel Verschen , die oft unser Gemüt ermuntern und erheben. Etwas, was mir noch in Erinnerung ist geblieben schreibe ich nieder. Ein Vers aus einem Gedicht, welches wir in der Schule gelernt haben.
Der Lenz ist angekommen,
Habt ihr es nicht vernommen.
Es sagen euch die Vögelein
Es sagens euch die Blümelein.
Der Lenz ist angekommen.
Ein Vers von einem Lied:
Schöner Frühling komm doch wieder,
Holder Frühling komme bald.
Schmücke du uns Tal und Wiesen,
Schmücke uns wieder Feld und Wald.
Noch andere Strophen:
Die schönste Zeit im ganzen Jahr,
Das ist die Frühlingszeit.
Da wird das Herz so wunderbar,
Durch die Natur erfreut.
Der Frühling dieses Jahres sollte mir zur Grenze werden, zwischen Vaterhaus und eigen Herd. Er sollte mich äußerlich begleiten aus der Jugendzeit hinaus und in den Ehestand hinein.
Mit einem besiegelten "Du bist ja schon groß", trat ich nun vollständig, selbständig meine neue Laufbahn an. Die Frühlingssonne hatte den Weg schon etwas betrocknet, man konnte schon ohne besondere Mühe von Dorf zu Dorf gehen, daher rüstete ich mich zur Reise, wieder in das Dorf Podolsk, um mich dort, bei dem Bewässerungsbau einzurichten. Freudig, leichten Fußes in der frühen Morgenstunde ging ich den schon oft gemachten Weg und atmete frische, warme Frühlingsluft ein. Mich hörte und störte keiner, daher sang ich hin und wieder aus tiefster Brust mit voller Kehle ein Liedchen begleitet mit trillerndem Lerchengesang. Die ersten Frühlingsblümlein welche ich zu weilen am nahegelegenen Feldrand erblickte, verkündigten mit Glück und große Erfolge für mein zukünftiges Eheleben, denn so wollte ich es gerne haben.
Als ich nun beim Oberst des neuen Baues ankam und mich alles befragt und erkundigt hatte und dann schließlich mich anbot bei ihnen zu arbeiten, war er sehr willig mich anzunehmen denn solche Arbeiter wie du sagte er, jung und stark, die sind mir alle willkommen. Dann sagte er weiter: "Die Arbeit beim Bau habe schon angefangen, ich könne heute schon antreten". Ich erbat mich aber noch nach Hause zu gehen meine Arbeitskleider zu holen. Dann ging ich zu meinem Vetter und bat ihn ob ich nicht könne bei ihm einstweilen im Quartier sein dem ich glaubte doch bald Hochzeit zu feiern. Auch hier bekam ich ein "Jawort". Erfolgreich war der Tag gewesen, daher ich auch ganz zufrieden nach hause. Ja, lieber Leser, immer und allerwärts zu Fuß, o, wie viel Kilometer werden meine Füße im ganzen Leben gemacht haben, ich wäre wirklich neugierig dies zu wissen. Ich bin mir überzeugt, weit mehr als manch ein Auto gemacht hat und noch machen wird. Und dann wundern wir uns zu weilen, daß unsere Füße nicht mehr wollen und nicht mehr können.
Das ganze Ergebnis des verlaufenen Tages, teilte ich heute den Eltern mit, als ich nach Hause gekommen war. Womöglich war heute der ganz letzte meines Verweilen´s im Elternhause. Ich machte wieder meinen Reisekoffer fertig. Legte all meine Kleidung hinein, fragte Mama ob sie mir noch könne etwas von Bettsachen geben, einen leeren Strohsack, ein Leintuch, ein Kissen, die Decke, das wäre wohl alles. Als erst alles zu Hauf gelegt war und es bis zur Decke kam, dann mußte ich sie doch noch denken helfen an das Wort, daß sie zum russischen Freund gesagt hatte: " Der Junge ist groß, für die Arbeit, gebt ihm eine Decke". Darauf hin legte sei mir diese Decke hin. Von den Betten die ich von meiner Oma erbte, habe ich nie etwas bekommen, daher war ich jetzt zu dieser Decke zudringend. Mit dem Milchfahrer der die Milch aus unserem Dorf zu der Käserei fuhr, besprach ich es, das ich mit meinen Sachen bei ihm mitfahren könnte, bis zur Käserei wollte ich dann schon mit dem Milchfahrer aus Podolsk mitfahren. Auf solcher Art kam ich, nachdem ich zu Hause Aufwiedersehen gesagt hatte, nach Podolsk.
Eine traurige Begebenheit
Es begab sich aber zu der Zeit des größten Hochwassers, daß Katja ihr Vater von der höheren Behörde eine dringende Zuschrift erhielt, eiligst sich in ein dreißig Kilometer entferntes Dorf, stellen sollte. Der Weg war unfahrbar, nicht Wagen, nicht Schlitten konnte man mehr benutzen. Diese Reise konnte man nur zu Pferd. Er war noch gar nicht gesund an seinem geschnittenem Blinddarm. Weil es aber eine dringende Sache hieß, war er gezwungen ob wohl oder Übel doch zu reiten. Der Kolchos gab das Pferd dazu, damit er den Befehl ausrichten konnte. Als er aber diese beschwerliche Reise gemacht hatte und an den angewiesenen Ort kam, wurde er doch aber wunderbar in Empfang genommen, über jegliches Erwarten. Ihm wurde das Pferd abgenommen, selber wurde er verhaftet, man kerkerte ihn ein. Von dort aus wurde er verschickt, hatte auch noch einmal der Familie Nachricht geschickt, daß er mit ihm schwach sei, zudem machte ihn der Blinddarm noch sehr zu schaffen, die Kost nicht entsprechend, er würde es wohl nicht durchmachen. Den Grund und die Ursache das man ihn verhaftet hatte, hat niemand je erfahren. Das Haus war nun geschlagen durch diesen großen Verlust, die Krone des Hauses war dahin, Katja ihre Mama mit ihren sieben Kindern war die Stütze genommen. Katja jedoch hoffte in baldiger Zukunft einen Ersatz zu bekommen, der ihr von Stund´ an immer teurer wurde.
Meine Arbeit
Als ich mich denn nun bei meinem Vetter einquartiert hatte, ging ich auf die Arbeit. Es waren etwa fünfzehn - zwanzig Mann im ganzen, die hier arbeiteten. Anfänglich gab es nur Erdarbeit. Es wurden lange Erddämme aufgeschüttet, dessen Oberfläche ganz waagerecht war, wo dann später das Wasser entlang gehen sollte. Die Erden, die für den Damm gebraucht wurden, wurde nicht hingebracht, sondern an jeder Seite ausgehoben und ausgegraben mit dem Spaten. Der Abstand vom Damm bis zum Graben war nach Vorschrift 1,5 m. Selbst der Graben auch 1,5 m breit. Jedem Arbeiter wurde des Morgens 10 Meter abgemessen. Dann musste die Erde ausgegraben, ausgeschaufelt und auf den Damm geworfen werden, bis es die notwendige Höhe erreicht hatte. Dann wurde der leere Graben gemessen wieviel Erde ausgegraben sei, es wurde jeden Tag jedem seine Kubatur angeschrieben um am Ende des Monats die Zahlung zu bekommen. Geld gab es nicht, aber für jeden Kubikmeter ausgehobene Erde gab es ein gewisses Maß schönes, weißes Mehl. Die Zahlung war nicht schlecht. Den Preis habe ich schon vergessen. Die Länge des ganzen Dammes betrug wohl 1,5 Kilometer. Die Höhe angefangen von 1,6 m verminderte sich bis 0,3 m. Da wo der Damm erst niedriger wurde, angefangen von 1,0 Meter Höhe langte die Erde für den Damm nur von einer Seite.
Diese Arbeit war für mich die materielle Grundlage meines neu angefangenen Lebens. Mit ganz besonderer Energie arbeitete ich recht fleißig für den "eigenen Herd". Hier war mein ganzer Verdienst nur von meinen Kräften und meinem Wollen abhängig. Mich hinderte nichts und ich brauchte mich in meiner Arbeit keinem unterordnen. Daher schaffte ich, wie man oft pflegt zu sagen, aus Leibeskräften. Ich gestehe es heute, es war manchmal bißchen zu grob, in zwei bis drei Stunden hatte ich fast jeden Tag meine Tagesnorm gemacht. Ich schaffte an manchen Tagen bis zu sechs Tagesnormen. Auf der Ehrentafel hielt mein Name den ersten Platz von Anfang bis Ende. Die Ehrentafel jedoch war mir Nebensache, die Hauptsache war mir der Verdienst, denn nur davon hing mein gegenwärtiges irdisches Glück ab. Rauchpausen gab es bei uns fast keine. In zwei Monaten hatte ich sechs Säcke voll Mehl verdient, das Mehl war damals teuer. Einen Sack Mehl verkaufte ich, das gab mir für die erste Zeit das notwendige Handgeld. Das andere Mehl blieb für meinen Tisch.
Mein Kurort
Weil ich fast keine Schmerzen an meinem schlimmen Arm fühlte, daher konnte ich auch so hart schaffen. Er war noch immer aber ich sollte und wollte ihn aber doch auch kurieren. Als die Tage erst wirklich wärmer wurden, machte ich es mir zur täglichen Pflicht, beständig das Geschwür am Arm an der Sonne zu wärmen. Unser Arbeitsfeld war in der Nähe eines Flusses, etwas zwei Kilometer vom Dorf entfernt. Die meisten Arbeiter fuhren zu Mittag nach Hause. Ich dagegen hatte mein Mittag ( Milch und Brot ) mitgenommen zur Arbeit. Die Mittagszeit nutzte ich aus um meinen Arm zu heilen. Wenn ich erst Mittag gegessen hatte, dann legte ich mich im Sonnenschein am Damm, wo auch kein Luftzug war zur Ruh. Ganz besonders war ich besorgt um meinen Arm. Den Handärmel schob ich hoch und lies dem Geschwür die größte Sonnenwärme verspüren. Alltäglich, die ganze Mittagspause widmete ich meinem kranken Arm. Obwohl es mir manchmal fast zu warm war in der Sonne zu liegen, war mein Geschwür jetzt Trumpf und eine bessere Kur durfte schon nicht sein. Die Sonne hat Wunder getan. Mein Geschwür am Arm war binnen eines Monats geheilt.
22.02.84
Kapitel 102
Hochzeit 1934
Das lang ersehnte Morgenrot in seiner glorreichen Pracht war erschienen und kündigte den ganz nahen Aufgang der glänzenden, lebenbringenden Sonne an.. Das war der Sinn und das Motto für meinen neuen Lebensabschnitt. Wie ein Reh im weiten Walde lief auch ich mit heiterem Gemüt nun meine Straßen. Wie ein Lämmlein auf grüner Weise im warmen Sonnenschein hin und her hüpft und ist lustig und vergnügt in seinem Sinn. So ein empfinden bemerkte ich auch in mir in diesen Tagen. Die Arbeit war mir Lust - das Leben eine Wonne. Hin und wieder meine Katja besuchen gehen auf ein Stündchen war nun rasch getan. Uns beiden ging es nun so, wie ein Verschen lautet:
Die schöne Katja den Wanja hatte,
Schon lange gewonnen das Herz voller Lieb
Und Wanja den Guten mit fröhlichem Mute
Schon lange sehnend zum Hochzeitstag trieb.
Ein Gedanke aber beschattete unsere Hochzeitsfrage. Das war, das Katjas Papa nicht zu Hause war. Nach etlichen Tagen bei gemeinsamer Unterhaltung kamen wir zu dem Entschluß, das wohl ein Warten auf Papas Heimkehr zwecklos sei. Daher beschlossen wir eines Tages Mama noch mal zu fragen, ob wir recht bald heiraten könnten auch wenn der Papa nicht zu Hause ist. Weil nun Jakob Neufelds Verhaftung nicht die erste in diesem Dorf war und aber noch niemand von den Betroffenen zurück gekommen war, so konnte man auch hier an Nachhause kommen nicht denken. Jedoch Katjas Mama lehnte diese Frage ganz ab. Sie sagte: "So lange Papa nicht zu hause ist, gebe ich keine Einwilligung dazu!" Dann fragte ich sie: "Und wenn Papa überhaupt nicht kommt oder vielleicht zehn Jahre fort bleibt, was dann?" Sie schwieg, dann fügte ich noch hinzu, das wir über kurz oder lang doch noch Hochzeit machen werden. So hatte den das Gespräch mit Katjas Mama ein Ende für dieses Mal. Wir beide, Katja und ich ließen uns weiter aber mit nichts mehr vertrösten. Und eines Tages meldeten wir Mama ganz entschieden, daß wir am zehnten Juni Hochzeit feiern wollten. Auch meinen Eltern meldete ich von unserem Vorhaben, schenkte ihnen noch einen halben Sack Mehl von meinem Verdienst, das, wenn sie wollten, konnten sie das Mehl verkaufen um etwas Taschengeld für die Hochzeit zu bekommen. Das Mehl für die Hochzeit versprach ich zu geben, damit Katjas Mama ihr Mehltrog nicht zu hart abgegriffen wurde. Ebenfalls hielt ich ihr auch etwas Geld vor, um den Kindern Geschenke, für uns, kaufen zu können. Um bei den Leuten den Gedanken, das Katja ja nur das Stiefkind sei, zu vertuschen. Wenn ich nun jetzt zurück denken, so hat damals unser Vornehmen auf keine Hindernisse nicht gestoßen, denn unsere Vorbereitung zur Hochzeit geriet wohl. Das deuteten mir ja die Blümlein am Feldrain. Als nun der zehnte Juni vor der Tür war, wurde die große Querscheune ausgeräumt und sauber gemacht. Sogar die Nachbarn waren uns behilflich. Die Natur stand in ihrer schönsten Blütenpracht, alles war grün und duftig, daher sollte auch die ganze Scheune mit grünen Zweigen und zum Teil auch mit Blumen ausgeschmückt werden. Wahrhaftig eine "grüne Hochzeit". Es gab viel zu tun, ganz besonders aber für mich. Nach Sitte und Gebrauch musste der Bräutigam in erster Linie alles helfen hinbringen und herbringen. Er musste die Rolle eines fleißigen Laufburschen spielen. Am Tag vor der Hochzeit wurde gebacken und gekocht. Den fertigen Teig für das Gebäck musste ich zu den mir angewiesenen Frauen tragen. Ein auswärtiger Bräutigam, so wie ich einer war, wurde dann manchmal von recht witzigen Frauen, auch tüchtig aufs Korn genommen. Ob er vielleicht leicht wäre ins Bockshorn zu treiben. Die Bänke zur Hochzeit mußten aus dem ganzen Dorf, auf dem Wagen zusammengefahren werden. An jedem Haus mußte ich dann höflich eine Bank borgen, um damit doch recht viel Leute den jungen, fremden Bräutigam zu sehen bekamen. Und wiederum, wenn jemand recht frechen Ulk treiben wollte, dann mußte ich auch Erklärungen geben um nur nicht zu zeigen, daß ich schnell befangen sei. Unser Polterabend, so wie auch der Hochzeitstag, es war nicht ein lautes Hochzeitsfest. Schnaps und Wein war nicht vorhanden. Am Polterabend wurden ich und Katja mit allerlei kleinen Geschenken beschenkt. Es wurde gespielt und gesungen, wie geistliche so auch Volkslieder, begleitet mit Musik. Geschenke waren recht viel man konnte sie auf einen Tisch schön zusammen packen. Der ganze Hochzeitstag verging ebenfalls mit Musik und Gesang , ebenso auch abends. Die Hochzeit damals, im Vergleich zu den heutigen, war sehr arm, daher konnte ich (man ) auch nichts anderes sagen als :
Mein Herz es hing an Katja nur,
Und nicht an teurer Garnitur.
Nicht die großen, vielen wertvollen Geschenke halten den geschlossenen Ehebund zusammen, sondern eine wahre Treue.
Wo Lieb und Treu die Wache hält,
Da ist das Haus recht wohl bestellt.
So sollt es sein in aller Welt,
Dann wär die Welt ein Friedenszelt.
Kapitel 103
Eigener Herd 1934
Flitterwochen, im russischen ist es etwas verständiger, da heißt es Honigsmonat. Das waren die ersten Tage unseres Ehelebens. Ich glaubte den Gipfel des Glückes erreicht zu haben. Da war es mir so, ich weiß ja selbst nicht wie. Ich befand mich auf einer Stufe, wo ich nun selber Hausvater geworden war - ein kontraster Wechsel. Das Quartier bei meinem Vetter hatte ich verlassen, wogegen ich jetzt eine geräumige Stube im Hause meines Schwiegervaters eingenommen hatte, nicht nur eine Stube, in einem gewissen Sinn, ein ganzes großes Haus. Auch nicht nur bei diesem Haus blieb es, denn die ganze große Wirtschaft musste besorgt werden. Und weil der Schwiegervater nicht war, wurde die ganze Arbeit die sonst einem Hausvater zusteht, mir anvertraut. Weil doch die Schwiegermutter außerdem noch mit ihren vielen Kindern zu schaffen hatte. Wenn ich einstweilen auch als ein großer Hausvater, so war ich doch beflissen, wenn auch vorläufig nicht mein eigenes Haus, so doch aber meinen eigenen Herd zu besitzen. Letzteren war sehr leicht möglich, denn im Mehlkasten war dazu schon genügend Vorrat vorhanden. Die Quartieranten, die in Schwiegervaters Haus wohnten sahen es ein, das den jungen Leuten d. h. uns, nun nach Regel und Recht das Quartier gehörte, daher räumten sie dasselbe. Wir durften uns nun ganz breit und bequem in demselben einrichten. Das tägliche Brot hatten wir, aber wieviel anderes fehlte noch. Ich fing so zusagen von Null an.
Denn mein ganzes Hack und Pack,
Hatte Raum in einem Sack.
Kleider, Kissen und ein Deckchen,
Das war mein ganzes Reisepäckchen.
Die ganze industrielle und materielle Lage im ganzen Reich besserte sich bemerkbar. Die Handelsware wurde verschiedenartiger. Im Laden tauchten recht oft schon fertige Kleider auf. Verschiedenes Küchengeschirr kam zum Vorschein. Sportware. Allerhand Süßigkeiten wie auch Karamelbonbons und vieles mehr. Bei meinem Vetter wo ich anfänglich im Quartier stand, wurde ein Laden eröffnet und was dabei ganz besonders war, er wurde mit verschiedener Ware versehen, versorgt und so reich , daß es den Leuten wunder nahm, wie so was möglich wäre, nach vielen Jahren so reich zu sein. -Doch Halt! Fast all diese Ware wurde nur für Getreide verkauft. Ja, wo kann man Getreide hernehmen?. Die se Frage mußte gelöst werden. Und diese Frage lösen war nicht schwer. Also, im Kolchos arbeiten, da gab es Einheiten, auf die Einheiten gab es Getreide und für das am Staat abgelieferte Getreide konnte man die notwendige Handelsware bekommen.
Nicht lange nach unserer Hochzeit war die ganze Bauarbeit auf unserm Bewässerungsfeld beendigt. Ich wurde übergeführt um in der Brigade im Kolchos zu arbeiten. Die Aussichten waren alle auf eine sehr reiche Ernte. Das gab mir dann auch Lust, recht tüchtig einzulegen, d. h. arbeiten, um den Eigenen Herd hoch zu stellen. Jung und gesund war ich, zudem half noch die Ehrentafel ein etwas. Wovon die Leute schon gut wußten, ganz besonders der Brigadier. Daher wurde ich an schwere aber auch an wertvolle Arbeit angestellt. Aber auch hier arbeitete ich mit Lust und Liebe. Denn die Ernte versprach einen guten Ertrag und demnach würde dann auch unser Verdienst sein. Die Kraft und die Gesundheit erlaubten es mir, die Rauchpausen bei meiner Arbeit die ich verrichtete fast gänzlich zu vergessen. Ich rauchte ja nicht, daher sollte ich statt Rauchpausen besser Ruhepausen sagen. Wenn auch manchmal recht müde, so war ich doch in meinem Sinn zufrieden im Hinblick auf den reichen Einkauf der im Herbst womöglich könnte gemacht werden. In manch einer Arbeit hatte ich aber auch Glück und Erfolg. Fast alles wurde mit Händen geschafft und gemacht, wogegen in gegenwärtiger Zeit alles mechanisiert ist. Einen sehr passende und erfolgreiche Arbeit die ich damals machte war solche: Auf einer Tenne-Dreschdiele wurde mit der Dreschmaschine, die mit einem Motor betrieben wurde, gedroschen. Ich, einer von den starke, mußte Fuder abladen, mit noch einen meines gleichen, abwechselnd. Diese Arbeit ist uns schon bekannt von S. 467. Also, Ruhepausen nach jedem Fuder. Neben dieser Dreschdiele gar nicht weit entfernt etwa sechzig Meter war eine andere Diele, da wurden Sonnenblumensamen ausgeklopft auch Maiskolben abgeschält. Auf dieser zweiten Diele arbeitete meine Katja. Ihre Arbeit war Sonnenblumenscheiben ausklopfen. Hier nutzte ich meinen abwechselnden Ruhepausen aus und ging dann immer rasch zu ihr und half ihr dann Samen ausklopfen. Oder wenn sie beim Mais saß, half ich ihr Maiskolben abschälen. Die Ernte war groß, dem entsprechend war auch das Wetter schön, bis spät in den Herbst hinein. Wir beide hatten viel verdient, sehr viel. Als der Kolchos die Jahresrechnung machte dann nahm ich nach gutdenken für uns auf ein Jahr das Getreide nach Hause, soviel für Brot und die übrigen Ausgaben, das übrige ließ ich dem Staat. Wenn ich nicht irre, waren es wohl zehn Zentner Weizen, die ich dem Staat gelassen hatte.
Im großen Stall, der anschließend an unserem Haus stand wo wir, ich und Katja wohnten standen fünfundzwanzig Pferde die unserer Brigade gehörten. Diese Pferde wurden von zwei Männern betreut - besorgt. Eines Tages anfangs Winter, nahm einer von diesen Knechten die Rechnung. Schon gleich meldete ich mich hier als Pferdeknecht zu arbeiten. Es wurde mir erlaubt. Für mich zu betrachten eine über alle Massen passende Arbeit. Warum denn? Ganz einfach: Das Ruhebett im Zimmer. Die Pferde im Stall. Das Futter in der großen Querscheune. Das wäre eine kurze, schlagfertige und lakonische Antwort. Wieder eine Arbeit wo noch nebenbei konnte etwas gemacht werden. Denn wenn ich Pferde morgens und abends mußte, so war ich ja am Tag mehr oder weniger frei. Zwölf Arbeitspferde und der Zuchthengst die hatte ich zu betreuen. Das, wenn es nun nötig war irgend wo hinfahren, war für mich fast ohne Beschwerden, zudem der Hengst mußte ja auch von Zeit zu Zeit seinen Promenaden (Ausritt) machen.
Es gab im Kolchos nicht nur Weizen, sondern auch verschieden andere Frucht. Roggen, Kartoffeln, Mais, Sonnenblumensamen, Wassermelonen, Gurken und noch natürlich allerhand anderes. Solche Frucht fahren dazu mußten auch Säcke sein. Zehn Säcke kaufte ich im Laden um nicht immer borgen zu gehen. Damit mir die Säcke nicht so rasch verschwanden und auch nicht leicht verschwanden., zeichnete ich sie. Ich machte einen eiförmigen Stempel, etwa fünfunddreißig auf zwanzig ein. Mit Schreibname und Dorfname. Johann Walde, Podolsk und stempelte nun alle meine Säcke. Die konnte mir nun keiner vertauschen. Als ich meine Frucht aus dem Speicher (Lager) holte, und der Speichermann meine gestempelten Säcke sah, schickte er eines Tages den Vorsitzenden des Kollektivs zu mir, meine Säcke zu betrachten, die mit einem Stempel seien. Solche Säcke wollte er auch im Kolchos haben. Daher mußte ich auch noch ein Kolchosstempel machen mit der Aufschrifft "Rot Front" . Wieder ein Steinchen für mich in die Tasche.
Kapitel 104
Nur für Getreide 1934
"Nur für Getreide" so begrüßte unser Warenhändler seine Käufer die in den Laden kamen. Und wenn den Käufern vor Wunder fast die Augen übergehen wollten über so einen reichen Laden mit so viel verschiedener Ware was noch nie dagewesen war, dann wiederholte er sein Begrüßungswort: "Nur für Getreide". Das aber schreckte nicht besonders viel Leute, denn dazu war die Ernte in diesem Jahr zu gut gewesen. Und manch einer konnte sich einen guten Einkauf gönnen. Eines Tages vor Neujahr ging auch ich in den Laden einkaufen. Ich machte einen Einkauf, wie noch nie zuvor, aber auch nie mehr nachher. Ich kaufte verschiedenes Glasurgeschirr: Einer Kasserollen große, kleine. Eine große Teigschüsseln, Wäscheschüsseln, Suppenschüsseln, kleine und größere. Verschiedene Teller. Suppenlöffel, Eßlöffel, Durchschlag. Schöpper u.a.m. wie Kaffeekesseel, Fleischmaschiene usw. . Dann ging es an die Schnittware, anders gesagt Meterware. Hier gab es wahrhaftig ein ganzer Haufen auf dem Warentisch. Für Katja zu Kleider, ebenfalls auch für mich zum Sonntag, zu Arbeitskleider. Kattun, Flanell, Leinwand, Leintücher, Kopftücher, Taschentücher usw. Für mich noch ein Fahrrad. Dies war für den ersten Anlauf genug. Diese Ware konnte ich aber unmöglich alle nach Hause tragen, daher trug ich es vorläufig zu meinem Vetter, der Laden war ja in seinem Haus. Hier machte ich nun eine Teilung mit der Ware. Ein und das andere trug ich nach Hause, aber denn besseren Teil ließ ich hier bis Neujahr, denn das sollte für Katja ein schönes Neujahrsgeschenk sein. Am anderen Tag fuhren wir beide, Katja und ich noch in zwei naheliegenden Baschkiren Dörfer und kauften auch da noch was wir dann noch nicht hatten wie einen Anzug für mich, auch einen Regenmantel. Möglich das noch verschiedenes mehr, denn ich habe doch schon mehreres vergessen. Vor Sylvester (Neujahrsnacht) holte ich alle gekaufte Ware nach Hause zu Hauf. Katja wußte davon nichts. Als ich am Neujahr Morgen all meine Pferde besorgt hatte, ebenfalls auch Frühstück gegessen hatte, dann brachte ich das Neujahrsgeschenk ins Haus und legte der Katja es auf den Tisch. Die Freude war übergroß. Man kann sogar vor Freude weinen. Das habe ich im Legen gesehen, auch selber erfahren. Das Küchengeschirr betrachten, bewundern und aufräumen dauerte auch nicht besonders lange. Dann kam es bis zur Meterware, hier gab es bewundern, befühlen, betragen, bemessen. Berechnen und ein verteilen. Dann sagte sie: " Dies gibt Bettsachen, dies gibt Kissenbezüge, dies gibt für mich zum Kleid und dies ein Kleidchen und dies gibt Wiegensachen, das letzte kam nur halblaut über die Lippen. Sie lebte in Hoffnung, denn ein Baby war im Anzug. Wir feierten ein Glückliches Neujahr, froh und ganz zufrieden waren wir in unserem Sinn. Wir fühlten uns glücklich, ja glücklich über alle Massen. Wir hatten einen erfolgreichen Anlauf gemacht. Wir konnten es in unseren Eheleben einen guten Anfang nennen. Doch Halt ! - Im Volksmund heißt es: Guter Anfang - schlechtes Ende. Sollte an dem wohl etwas war sein? Um uns mehr darauf einrichten zu können, dann betrachten wir uns noch einmal den Vers auf S. 495. Das wird uns dann bewahren vor großer Täuschung.
Kapitel 105
Ein schöner Erbteil 1934
Mein Schwiegervater Jakob Neufeld, war wohl der reichste Bauer im ganzen Dorf. Das haben wir schon gelesen. Aber er war auch Kinderreich. Sein großes Haus war auch dem entsprechend mit recht viel Möbel bestellt. In der Ehe lebte er schon mit der zweiten Frau. Von der ersten Frau hatte er vier Kinder. Jakob, Neta, Katja, Hans. Von denen die ersten drei verheiratet waren. Mit der zweiten Frau hatte er noch sechs Kinder: Lena. Anna, Heina , Peter, Liese, Mariechen. Meine Lebenserfahrungen haben eigentlich mit all diesen Kindern nichts zu tun. Aber um dem Leser dieser Zeilen ein klareres Bild zu geben, wie sich mein Leben in diesem Hause gestaltet hat, muß ich also ein kleines Familienregister aufschlagen. - Als ich denn nun schon einige Zeit verheiratet war, wurde von den älteren Geschwister, das heißt Katja ihre Geschwister, Jakob mit seiner Frau, und Neta mit ihrem Mann, der Mama eine Frage gestellt. Ob sie nicht wolle ihre große Wirtschaft, weil Papa nun nicht mehr war, etwas verkleinern, denn sie könne ja in ihren gegenwärtigen Verhältnissen unmöglich alles bestreiten und besorgen, das ganze Vermögen könne Schaden leiden, und wenn es nicht beizeiten unter bessere Aufsicht genommen werden würde, könnte ein und das andere in Nicht vergehen. Nach dem damaligen Gesetz sollte eigentlich den ersten vier Kindern ihr Teil aller Güter zufallen. Aber der Mutter zu Gunsten, gaben sie so einen Vorschlag. Alles von ihrem gegenwärtigem Gut, welches sie entbehren konnte, solle sie den ältesten Geschwistern abteilen. Dann aber wollten sie in Zukunft, keine weitere Ansprüche machen auf ein Erbteil von dem was noch vorhanden sei. Nach Regel und Recht sollte ein Dokument aufgestellt werden, diesem Vorschlag entsprechend, und mit einem Stempel besiegelt werden. So wurde es auch gemacht. Das Hauptwort bei der Verteilung all ihrer (übrigen) Sachen hatte jedoch die Mutter, um auch nicht von unserer Seite sie in enge Schranken zu stellen. Nun fing die Mutter an aufzuteilen und wir brachten es einstweilen alles zu Papier um es dann unter uns vier Kindern zu verteilen. Es gab doch recht viel was sie abteilte. =Schrank, Kommode, Ruhebänke, Tische, Stühle, dem Papa seine Kleider alle, das Fußzeug, Fahrrad, Hobelbank mit allem Zubehör(Gerät), Schmiedegerät u. v. m. Den andern ihre Sachen habe ich vergessen, ich weiß nur was uns damals zufiel. Mein Teil das war: Eine Schlafbank, ein runder Tisch, zwei Rohrstühle und das wichtigste für mich war, die Hobelbank mit allem Gerät. Dem Hans als zwanzig jährigen Bengel fielen dem Papa seine Kleider, Schuhe, Stiefeln, und das Fahrrad zu. Der Hans hatte sein Teil in einer kurzen Zeit verpraßt. Ich gebe ein kleines Beispiel an: Im Nachbardorf brach Feuer aus, ein Haus brannte, bei uns im Stall standen Pferde, es wurde sogleich eingespannt, in alles Eile Fässer auf den Wagen gestellt um beim Feuer Wasser bei fahren zu können. Der Hans zog auch in aller Eile sich die schönen Schuhe an die er vom Papa geerbt hatte. Nun Feuer ist Feuer, dort gehts durch dick und dünn. - Und als wir nach hause kamen warf er seine Schuhe welche jetzt zu gar nichts waren, auf den Misthaufen. Von schonen und sparen wußte Hans gar nichts, richtiger wollte davon nicht s wissen. Er tat sich groß wenn er jeden Abend konnte im Anzug und Stiefeln auf die Straße gehen. Jedoch mein Erbteil, wenn auch die Möbel schon veraltet ist, so ist die Hobelbank mit fast all ihrem damaligen Gerät noch in brauchbarer Ordnung und könnte noch bei vorsichtiger Behandlung lange ihre Dienste leisten, obzwar ich es schon fünfzig Jahre benutzt habe.
Kapitel 106
Ein gewöhnliches Alltagsleben.
Wenn man eine lustige Tour (Reise) ins wunderschöne Gebirge übernimmt, so bringt es viel Vergnügen, Ergötzung, Erholung. Freude, aber auch Ermüdung und zuweilen auch Schmerz mit sich. Freudig ist man gestimmt, sobald der Gipfel eines schönen Berges erreicht ist. Man hält ein wenig Rast und erquickt sich an dem, was man sehen kann und dann - geht's weiter. Wohin? - Den Berg hinunter. - Das ist ein Bild von unserem Leben.
Nach glücklichem Neujahrsfest, wo wir uns so glücklich und reich fühlten, ging es dann wieder ins Alltagsleben hinein. Neben meiner Stallarbeit, beschäftigte ich mich recht freudig an meiner Hobelbank. Ich machte ein Kinderstühlchen, obzwar ich noch nie so was gemacht hatte. Aber diese Kunst hatte ich bei Papa abgesehen. Dann machte ich eine kleine Fußbank. Weil den Dorfbewohnern bald kund war, womit ich mich beschäftigte, so bekam ich auch recht bald verschiedene Bestellungen. Die Hobelbank hatte mir nie Mußetage gegeben, keine Freizeit.
Für unseren Tisch mußte auch gesorgt werden und um in Zukunft Fleisch zu haben, mußte ein Schweinchen sein. Katja ihr Onkel kam uns hier entgegen. Bald nach unserer Hochzeit, gab er uns für ein ganz billigen Preis ein Ferkel. Das Ferkel brachte uns mit der Zeit noch zehn Ferkel und wurde zuletzt ein recht großes auch ein sehr fettes Schwein. Auch der Kolchos kam uns entgegen, Für einen festen preis erhielten wir ein Kuhkalb. Uns beiden kam es aber zu lange vor, zwei Jahre zu warten, bis dann dieses Kalb eine Kuh sein würde, daher sammelten wir so rasch wir konnten Geld zusammen und kauften uns hier im Dorf eine Kuh.
Der kalte Winter war schon vergangen, Die Sonne schien schon höher auch wärmer, als eines Tages meine Katja mir sagte, daß unser Erstling sich womöglich schon zum Ausflug gemeldet habe. Ich ging sofort zu unserer Nachbarin die eine Hebamme war und fragte was ich nun zu tun habe. Sie befahl augenblicklich Katja ins Entbindungsheim zu fahren. Es dauerte auch nicht lange, so hatte ich angespannt und brachte sie dann ins Nachbardorf in das mir angewiesene Entbindungsheim. Von hier aus fuhr ich dann in mein Heimatdorf zu meinen Eltern und borgte mir dann die Wiege für unseren Erstling. Neugierig als ein junger Vater fuhr ich dann noch beim zurückfahren wieder ins Entbindungsheim im mich zu erkundigen was uns der Storch wohl gebracht habe. - Ein Mädchen. - Ach alles nach Wunsch und Willen. Ganz zufrieden in meinem Sinn fuhr ich nach Hause. Zu Hause teilte ich meine Freude, mit den unsrigen auch mit dem Nachbar der meines gleichen, dem aber schon etliche Tage früher ein Erstling, ein Söhnchen geboren war. Erst nach recht vielen Jahren wo uns das Lebensschicksal ein Wiedersehen gestattet hatte und wir uns Lebensbilder aus tiefer Vergangenheit vorhielten - erzählten. Wiederholte er, was ich schon längst vergessen hatte. Als ich ihm die Freude, das uns ein Kind geboren sei, erzählt habe, habe ich gesagt: " Mein Herz sei nun so groß, es könne da drin ein Leiterwagen umdrehen."- Nach Verlauf einer Woche durfte ich auch meine Katja wieder nach Hause holen. Nun ging alles wieder wie zuvor. Und doch - mit dem Kind hatte es ein ganzes Haus voll Arbeit gegeben. Auch für mich, denn die schwerere Arbeit wollte ich der Katja nicht schaffen lassen. Alls es erst schöner wurde fing ich an für unser Kind ein Kinderfederwagen, zu machen, denn im Laden waren zu jener Zeit noch keine. Als ich es fertig hatte war es auch ganz gut ausgefallen, leider Gummireifen hatte es nicht, daher Knisterte es immer beim fahren. Im Sommer sind wir auch sogar zu Fuß nach Klinock mit dem Kind im Kinderwagen, zwölf Kilometer spazieren gegangen. Wir werden nun eine andere Frage verhandeln. - Das Kalb war nun ein Jahr alt, welches wir vom Kolchos erhielten. Es war ein rotes Kalb, nur über dem linken Auge hatte es einen kleinen dunkeln Fleck, so groß wie ein Zehnkopekenstück, aber nicht besonders bemerkbar. Dieses Kalb, jetzt schon eine Färse, hatte auch noch Tücke an sich. Es wollte nur ungern in der Herde bleiben, oft klagte der Hirte über das schlechte Tier. Es mache ihm viel Mühe. Von dem tückischen und ungehorsamen Vieh haben wir gelesen. Ich glaubte dem Hirten, weil ich selber solch ein Vieh hütete.
Eines Tages, es war noch in der Frühlingszeit, kam ein Regierungsvorsteher der schloß mit den Leuten einen Vertrag, die da sollten Vieh verkaufen, ganz egal, ob Kuh, Kalb, Schwein oder Schaf. Er bot einen ganz schönen Preis je nach Gewicht, aber erst im Herbst zu einer bestimmten Zeit wolle er dann das festgesetzte Vieh holen kommen. Auch wir verhandelten unsere Färse. Aber in diesem Sommer machte uns dieses Tier viel Spaß. Eines Tages kam es aus der Herde nicht nach Hause. Es war gerade ein regnerischer Tag. Nun hieß es für mich, ob wohl oder übel, ich mußte hinaus es suchen gehen. Ich wurde naß, es wurde finster, ich fand es nicht und war gezwungen nach Hause zu gehen. Am folgenden Tag, ob ich nun wollte oder nicht , ich suchte unsere Färse. Ich hatte schon alle Gärten, alle Hecken durchgestreift und nichts gefunden. Dann weiter ging ich in die Nachbardörfer die Herden durchschauen. Auch da fand ich es nicht. Am dritten Tag ging ich zu den Baschkieren, die an der anderen Seite eines großen Flusses wohnten und sah dort erst eine Herde, dann auch noch eine andere Herde durch. Ich glaubte es gesehen zu haben, aber der Hirte behauptete er habe kein fremdes Vieh in der Herde, als nur sein eigenes. Diese, unsere Färse hatte sich wahrscheinlich an dem regnerischem Tag den Kopf ganz mit nasser Erde eingesudelt, jetzt war es wohl trocken aber noch nicht abgerieben. Hier auf dem Felde lies er mir die Färse nicht aus der Herde treiben. Weiter sagte ich dem Hirten auch nichts und ging dann nach Hause. Abends jedoch ging ich wieder in das Baschkierendorf eilig genug um das Vieh von der Steppe abzuwarten. Hier schon ehe ich die Färse griff, sagte ich dem Hirten mein Zeichen an der Färse, beim Auge. Ich mußte ganz energisch auftreten, er wollte sie mir nicht fangen lassen. Als ich aber doch die Ferse am Strick hatte und ihr die Stirn sauber gemacht hatte, kam au h das kleine dunkle Fleckchen zum Vorschein. Weiter hatte ich nichts zu sagen, ich führte meine Färse nach Hause und fertig. - Dies war der erste Skandal mit unserer Kuh. Nun war der Sommer vergangen, gerne genug hätten wir schon die Färse dem Staat abgeliefert, aber die Zeit war noch nicht abgelaufen, daher hieß es noch geduldig warten. Der Herbst war schon ziemlich vorgerückt, die Leute hatten ihre Gärten schon fast alle leer, daher war es auch schon nicht mehr so genau wenn mal irgendwo ein Kalb oder eine Kuh in die Gärten geriet. Jedoch zur Nacht mußte alles Vieh zu hause sein, daß war so Ordnung. Es traf sich aber wieder, das unsere Färse gesucht mußte werden, für dieses mal suchte ich aber recht lange und fand nichts. Ich hätte die Färse auch schon gerne geschlachtet, denn die kalte Tage erlaubten es auch schon. Auch hin und wieder ein Nachbar schlachtete schon sein Kalb. Es wußten auch schon recht viel Nachbarn das meine Färse wieder verschwunden sei, weil ich doch so viel Leute fragte, ob nicht jemand meine Färse gesehen habe. Mit einmal sagte mir jemand: "Die wird irgend wer geschlachtet haben und du suchst, dann kannst du dich tot suchen und du wirst sie nicht finden. Such nur bei den Leuten, die schon ihr Vieh geschlachtet haben. Geh such mal bei dem I. der hat auch schon geschlachtet. Ich faßte Mut und ging. Als ich nach dem I. kam, war nur seine Frau zu Hause. Hier fragte ich sie , ob sie schon ihr Kalb geschlachtet haben. "Ja" sagte sie gleich. Ich sagte dann weiter. Meine Färse ist uns fort gekommen und wir finden sie nicht , ich wolle jetzt das Leder von ihrem geschlachteten Kalb sehen. Die Frau sagte: " Du kannst auch sehen, aber wir haben unser Kalb geschlachtet." Dann sagte ich der Frau mein Zeichen beim Kalb und wir beiden gingen bei ihnen in die Scheune das Leder beschauen. Ich zog das Leder von der Stange runter, drehte es mit den Haaren nach oben und richtig, es war unsere Färse. Die Frau war ja natürlich ganz bestürzt, und was sollte sie dazu sagen? Ich sagte nur: "Jetzt brauche ich auch weiter nicht suchen, denn ich habe unsere Färse gefunden". Am Abend kam dann auch I. zu mir und brachte die unangenehme Sache aufs Reine. Es sollte nur nicht im Dorf laut werden. -Aber es kam doch zum Vorschein. Ich glaube bestimmt, wenn er dies gewußt hätte, dann wäre doch wohl das Leder spurlos verschwunden. Dann natürlich hätte ich bis heute suchen können und hätte es nie gefunden. Wieder eine Schererei mit der Kuh.
Wir werden noch etwas verweilen bei unserem Vieh. Um eine gewisse Zeit, ferkelte unsere Sau. Sie brachte zehn Ferkel und alles recht schöne Dinger. Wir waren dazu natürlich froh und machten auch schon Pläne. Selbstverständlich, wer macht es wohl anders? Aber um etliche Tage schon, bekamen die Ferkel Durchfall, eins nach dem anderen und zwei davon blieben auch schon tot. Da half uns auch kein pflege, der Durchfall dauerte fort. Da hätte man sagen können:
Hör mal Frau Sau, Wenn ich dich wo recht beschau,
Das es mich verdrüst, wie du deine Kinder erziehst.
Ganz beschissen, Tag aus Tag ein,
Quirksen sie rum, als müßt es so sein.
Was sollte ich aber machen, wenn so dann bleiben sie dir alle tot. Ich meldete es in der Brigade den Arbeitern: und sagte "für einen billigen Preis gebe ich sie alle hin nur das ich davon los komme". Und richtig, ich wurde sie alle los. Mit solch einem Plan hatte ich nicht gerechnet. Auch die Färse, auch die Ferkel hatten uns nicht viel gebracht, als nur Müh und Sorgen. So wie wir sehen, wieder ein Strich durch die Rechnung. Geld konnten sich die Leute hauptsächlich machen, wenn sie ein Kalb, oder eine Färse, oder Ferkel, oder ein Schaf verkaufen konnten. Im Kolchos gab es kein Geld auf die Einheiten, aber Geldsteuer wie Obligationen wurden zu jener Zeit große aufgelegt, so das man manchmal nicht ein noch aus wußte, wie man die bezahlen sollte. Nur eine Kuh durften die Leute halten, und die einzige sollte alles austun. Die eine Kuh sollte die Familie nähren, sollte aber auch viel Butter geben zum verkaufen, um Geld zu bekommen für alle notwendigen Ausgaben. Daher war es immer ein harter Schlag, wenn ein Mißgeschick einlief.. Unsere Kuh die wir hatten, gab wohl schöne Milch, aber gar nicht viel. Nun traf es sich , das alles Vieh ärztlich untersucht werden mußte und, o Weh unsere Kuh war bruzelos erfunden. Und solche kranke Kühe wurden ohne weiteres dem Staat zu Fleisch abgeliefert. Für einen festen Preis nach Lebensgewicht bekam dann der Betreffende die Zahlung. Um eine andere Kuh kaufe zu können mußte unbedingt noch ein schöner Zustoß von Geld sein. Der Kolchos kam ja solchen Leuten auch entgegen und teilte ihnen dann eine Kuh ab, - aber leider, solche Kühe waren niemals die Besten, daher war es immer ein gewisser Verlust wer dann eine Kranke Kuh hatte. Also die Lebenssonne schien nicht immer heiter am Himmel für uns, das haben wir jetzt in dieser Zeilen gelesen. Im Volke wird manchmal gesagt: "Ach , ein Tier ist schließlich kein Mensch, es wird schon irgendwie werden". Es ist in allen Fällen noch irgend wie geworden. Als aber unser Erstling erkrankte und nach etlichen Tagen über keine Linderung zu bemerken war und auch keine ärztliche Hilfe anschlug, dann trübte sich unser Blick weit mehr als bei Mißerfolgen in der Wirtschaft. So schmerzlich wie es nicht war, aber auch unser liebstes mußten wir loslassen. Unser zehn monatiges Kind , unser Liebling, Schoßkind, unsere Freude, unser erstes Töchterchen schloß ihre zärtlichen Äuglein für immer am 28. Dezember 1935.
So ein Schicksal das wollte uns ganz nieder drücken. Meine Katja war es doch wohl zu schwer geworden, sie konnte es fast nicht ertragen, ich konnte sie gar nicht genug trösten, denn wieder und immer wieder hat sie dann geweint. Diese unsere Traurigkeit war noch nicht vergangen als sich eines Tages wieder was Neues zeigte. Es war in den Neujahrstagen. Eines Morgens kam ich in Haus Frühstück essen. Katja jedoch hatte den großen Verlust noch nicht vergessen und war daher gar nicht mehr so sprachlustig wie vorher. An diesem Morgen war sie besonders still. Als wir nun gegessen hatten, blieb ich noch ein Weilchen am Tisch sitzen und schaute wie Katja den Tisch abräumte. Da bemerkte ich mit einmal das Katja mit der linken Hand den Tisch abwischte, das hatte ich noch nie gesehen. Ich fragte ganz erstaunt was denn diese bedeuten sollte? Diese meine Frage, hatte doch wohl noch gänzlich bewirkt, das sie fast wie Ohnmächtig willenlos wurde. Sie fing wieder an zu weinen, legte dann den Tischlappen weg und sagte, das sie ganz krank sei. Ich jedoch hatte nicht ganz gut verstanden und so fragte ich noch einmal. Aber dann gab sie mir schon keine Antwort und ich bemerkte das ihre Zunge und der rechte Arm gelähmt waren. Wenn auch nicht ganz aber doch ziemlich bemerkbar. Sprechen konnte sie auch aber doch undeutlich. Ich wandte mich an die Ärzte und die erklärten. Es sei von großer Aufregung. Sie solle mehr Gedankenverstreuungen haben. Viel frische Luft genießen und sich viel mit fremden Leuten sich unterhalten um die eigenen häuslichen Gedanken mehr von sich zu tun, dann würde es sich alles verlieren. Um diesen Rat zu befolgen habe ich anfänglich doch ziemlich helfen müssen, denn ohne meiner Hilfe wollte es fast nichts geben. Oft spazieren gehen und immer ein Gespräch führen das doch das häusliche Leben nicht sollte erwähnt werden. Katja ihre Tante Liese war uns darin auch sehr behilflich, sie kam auch recht oft zu uns zu Gast und verstand es meisterhaft ihr verschiedenes zu erzählen und auch mit recht komplizierten Handarbeiten, wie stricken und Häckeln ihr alle dumme Gedanken aus dem Kopf zu schlagen.
Und ganz richtig hatte die Ärzte. Um eine gewisse Zeit verschwand dieses Übel.
Ja, das war ein Neujahr im Verhältnis zu dem vorigem Neujahr wie Tag und Nacht. Jenes Neujahr war voller Freude und dies Neujahr voller Schmerz und Leiden, - Wahrhaftig: Denn wird nicht über froh, - es bleibt nicht so.
Wenn Sturm auf Sturm das Herz uns preßt,
Dann auch der Frohsinn uns verläßt.
Als alle Jünglinge geboren 1912 unseres Bezirks an der 1933 in die Rote Armee sollten einberufen werden, mußten wir alle verschiedenartig, auch ärztlich untersucht werden. Die meisten natürlich wurden dann recht bald in den Staatsdienst einberufen. Ich, auch noch etliche meines gleichen, wurden frei gesprochen. Aus welchem Grund weiß ich eigentlich nicht, aber wir deuteten uns selbst das Rätsel, wir waren Söhne gläubiger Väter. Und so glaubten wir , mit heiler Haut davon gekommen zu sein Wir wurden ganz frei gelassen.
Die Zeit der Dienstjahre verging, ich hatte schon vergessen das ich vielleicht noch Dienstfähig wäre. Schon kehrten unsere Rotarmisten, meines gleichen zurück, sie hatten ausgedient. Eines Tages jedoch, es war im Februar 1936, ganz unerwartet, bekam ich eine Nachricht mich schleunigst im Bezirk, in die Militärabteilung zu stellen. Als ich dem nun des anderen Tages hin fuhr, hatten sich meines gleichen aber schon viele eingefunden und kamen auch noch immer mehr dazu. Dann mußten wir uns wie die Soldaten alle in Reih und Glied stellen, und ein Kriegsoberst las uns dann ein Dokument vor: Das wir alle nun, auf einen Monat, sollten in Sorotschinsk, einen Kriegsunterricht erhalten. Damit sollten wir vorbereitet werden für den Dienst in der Roten Armee.
Das war für uns alle ein unerwartetes und ungewünschtes Vergnügen. Aber wir müßten zu bösen Spiel, doch eine freundliche Miene machen, ob Wohl oder Übel. Die meisten waren ja schon längst Väter. Etliche hatte schon paar Kinder. Ich aber war gegenwärtig Kinderlos, und war jetzt in dieser Hinsicht, als wenn so einigermaßen zufrieden. Denn Katja konnte sich ohne Kind auf jeden Fall besser helfe, als mit einem Kind. So dachte ich.
Als nun der monatliche Unterricht zu Ende war, wurden wir alle für zehn Tage nach Hause gelassen, damit ein jeder für seine Familie das notwendigste beschaffen konnte. Ich persönlich hatte nicht viel beizuschaffen, denn auf längere Zeit war meine Katja wohl recht gut versehen. Nur die lange Trennung machte uns traurig. Denn genau um zehn tage sollten wir uns wieder einstellen wo wir dann für zwei oder drei Jahre in den gesetzlichen Staatsdienst fahren sollten. Das war für uns allen eine harte Nuß. Zehn Tage Urlaub und keine Freude dabei. Ein jeder von uns beiden hatte nun viel zu denken was uns eigentlich die Zukunft bringen würde. Vieles wurde natürlich gemeinsam besprochen. Aber ein jeder von uns beiden hätte auch seine eigene Gedanken und Pläne über die Zukunft bringen würde. Vieles wurde natürlich gemeinsam besprochen. Aber ein jeder von uns beiden hatte auch seine eigenen Gedanken und Pläne über die Zukunft. Ich stellte mir von der Zukunft so ein Bild vor: Über den Verlust des Kindes war ich mehr zufrieden und dachte dabei, wenn ich nach Verlauf der Dienstjahren nach Hause komm, dann fang ich mit meiner Katja wieder ein frisches Leben an, genau so wie von Anfang. Katja dagegen dachte ganz anders, sie wollte einen Ersatz für das gestorbene Kind haben, damit sie doch in Zukunft einen Zeitvertreib habe, denn anders würde sie sich Tod grämen. Und in diesen paar Tagen könnte ich ihr hiermit behilflich sein. Doch aber nur ungern erfüllte ich ihr diesen Wunsch. Ich habe es nie erfahren, aber ich glaube diese Zudringlichkeit sollte eine Versicherung sein auf meine Wiederkehr. Ja der Tag des Abschieds war gekommen. Nun hieß es wieder:
Dunkler Tag in meinem Leben.
Da ich mußte ich von dir gehen.
Mußte dir den Abschied geben,
sagen auch. Auf-wie-der-sehen.
Je schwerer man das Wort "Aufwiedersehen" sagt, desto ernster stellt sich die Frage, ja werden wir uns auch aber wirklich Aufwiedersehen?
Ja für uns gab es ein Wiedersehen. Aber?... Lieber Leser vergiß nicht diese Punkte.
Kapitel 107
Meine Dienstjahre
Zur festgesetzten Zeit trafen wir alle im Bezirk beim Militärhaus ein. Von hier aus wurden wir auch alle ohne verweilen nach der Stadt Busuluk geschickt, wo sich dann schon ein ganzes Bataljon bildete. In Busuluk blieben wir nur ganz wenig Tage und schon von hier in einen Militärszug von lauter roten Wagon´s gesetz und dann ging es für lange Zeit dem Osten zu. Es war ungefähr Mitte April als wir Busuluk verließen. Wenn man uns auch nicht sagte, wo wir hinfuhren, aber auf den großen Bahnstationen lasen wir ja doch. - Omsk - Tomsk - Nowosibirsk - Drasnojarsk - Tschita - Komsomolsk - Wladiwostok und noch weitere. Die Hälfte unserer Kameraden auch ich wir wurden in Sutschansk abgeladen, die andere Hälfte wurde übers Meer nach Sachalin geschifft. Unsere Reise dauerte vierundzwanzig Tage. Wir hatten in unserem Militärszug alles mit. Eßwaren und unsere eigene Küche. Wir waren auf der Reise mit allem versorgt, nur ins Bad gingen wir zuweilen wenn wir bei große Städte vorbeikamen. Endlich waren wir am Ziel. Gebiet Sutschansk, Dorf Jekaterinowka. Hier hielt unser Militärszug und schon erscholl unser Befehl. "Hack und Pack ausladen". Es dauerte fünfzehn Minuten und der ganze Zug war leer. Einen Kilometer vom Dorf Jekaterinowka lagerten wir uns am Waldesrand. In aller Eile wurden Zelte aufgeschlagen. Die Zelte hatten wir natürlich mit. Mit einem Traktor brachte man uns auch recht viel Bretter, für Bretterlager im Zelt. Schon in Busuluk waren wir Soldaten schon alle nach Spezialität und Abteilungen geteilt: Denn in so einem großen Revier da fehlten: Schuster, Schneider, Sanitäre, Koch, Friseure, Holzarbeiter, Zimmerleute, Tischler, Maler, und alle solche Soldaten fanden sich. Ich kam anfänglich in die Tischlerabteilung. Unser Batalion war ein Baubatalion, daher waren wir alle Bauarbeiter. Es wurden hauptsächlich Häuser gebaut. Auch Festungen wurden gebaut, denn wir waren auch ganz nahe am Japanischen Meer. Nur ein halber Kilometer trennte uns vom Meer. Im Sommer haben wir oft im Meer gebadet. Meine Arbeit war so zusagen nur Türen und Fensterrahmen zu machen. In der Nähe unseres Lagers befand sich ein Fluß von hier mußten etliche Soldaten das Wasser für die Küche trage. Ganz von Anfang noch wo wir uns immer zur Kontrolle in Reihe und Glied stellen mußten, fragte der Oberst eines Tages den Soldaten: " Wer versteht von euch große Wasserfässer zu machen ?" Einer meldete sich. Dann befahl er diesem Soldaten ein Schritt vorzugehen, dann sagte dieser Soldat: " Allein kann ich solche Arbeit nicht machen, ich muß noch jemanden haben, der mir dabei hilft". Wieder fragte der Oberst: " Wer will helfen." Mir scheint der Oberst hatte noch nicht ganz gefragt, dann sagte ich recht laut: " Erlaubt mir zu helfen." Auch ich durfte vortreten. Die Wasserfässer fehlten um Wasser beim Bau beizufahren, auch für die Küche das Wasser beifahren zu könne. Wenn ich auch schon recht vieles machen konnte, aber Wasserfässer hatte ich noch nicht gemacht, daher wünschte ich auch dieses noch machen zu können. Dieser Soldat war ein Jahr jünger als ich und ich wollte bei diesem noch was lernen. Und ich habe bei ihm auch etwas gelernt. Nein, nicht nur etwas, sondern sehr viel und dieses habe ich bis auf den heutigen Tab nicht vergessen! Und wer diese Zeilen liest, dem rate ich auch das zu lernen. Was ich vor so vielen Jahre bei diesem Soldaten gelernt habe. Das war Qualitätsarbeit. Nun fingen wir beide an zu arbeiten. Er machte eine Schablone und nach dieser Schablone machte ich dann weiter. Als ich etwas gemacht hatte zeigte ich ihn meine Arbeit. Er schaute sie an und dann sagte er ich solle es noch besser machen. Ich machte weiter und dann zeigte ich es ihm wieder. Dann sagte er wieder : "O, Iwan, so geht es nicht , weißt du was Iwan, ich werde dir was sagen , aber sei nicht beleidigt. Wenn du dieses befolgen wirst, wirst du dein Lebenslang sagen, dieses hab ich beim Stepan gelernt und zudem es wird dir nie gereuen und du wirst oft gut haben dabei. Und nun höre, was ich dir sagen will: "Wenn du was machst, sei es nun was es will, ob einfache, schlechte Sachen. Oder ob schöne Sachen, was es nicht ist, aber mach es schön und akkurat und du wirst selber Freude daran haben. Und richtig von jener Zeit bekam ich ein ganz anderes Auge für das was ich machte und gemacht hatte. Die Worte von Stepan klingen mir heute noch im Ohr: "Was es nicht sei, mach es akkurat!" Ein kleines Beispiel führe ich an; welches sich in meinem Leben zugetragen hat: In einer großen Sägewerkstatt wo viel Sägestühle standen mußten Staketen geschnitten werden. Hier gab es Abfälle auch viel Staketen. Alle Tischler warfen die Staketen zu Hauf, sie kamen kreuz und quer zu liegen, ebenfalls auch die Abfälle. Eine ganze Tagesarbeit, es gaab ein riesen Haufen. Ich aber, dachte an Stepan: "Was es nicht sei, mache es akkurat." Ich legte meine Staketen und die Abfälle hier beim schneiden neben mir akkurat alles schön zu Hauf. Jedoch in der Rauchpause wurde über mich noch etwas gelacht: Der Iwan Iwanowitsch macht es akkurat, sogar die Abfälle legt er schön zusammen und hatten ihre Freuden daran. Als die Arbeitsschicht zu Ende was, mußte auch alles aufgeräumt werden. Mein Aufräumen war jetzt Kinderspiel, den anderen ihres dauerte viel länger und jede Stakete mußte wieder angefast werden und zudem noch aus dem großen Haufen rausgerissen werden um es schön zusammen legen zu können. Hier war: " Wer zuletzt lacht, lacht am besten." Nun wollen wir aber weiter Fässer machen. Dem Stepan seine Lehre nahm ich gerne an. Und als wir dann das erste Faß fertig hatten. Ach war das eine Lust, ich freute mich über unser eigenes Werk. So, sagte Stepan: Jetzt gieß Wasser ins Faß und du wirst dich überzeugen, es wird gut sein, denn es wird nicht einen Tropfen durchlassen. Es war aber auch wirklich wahr , war Wasserdicht. Der Stepan war und blieb mir ein guter Kamerad in der ganzen Dienstzeit. Fässer haben wir ja nicht viel gemacht, wir gingen dann wieder in die Tischlerei über. Aber später hab ich in meinem Leben diese Arbeit hin und wieder gemacht. Einmal machte ich einen Wasserständer vier Meter hoch und vier Meter im Durchmesser. Das was ein Behälter, wo ich etwas zaghaft dran ging, aber ich brachte es fertig.
Die Arbeit im Dienst wurde bezahlt, leider bekamen wir kein Geld auf die Hand, es wurde uns alles auf unseren Namen geschrieben und als wir erst nach zwei Jahren nach Hause fahren wollten, hat man es uns alles ausgezahlt. In zwei Jahren waren nur noch eintausendneunhundert Rubel übriggeblieben. Viele haben lange nicht so viel erhalten, etliche vielleicht auch mehr. Aber ich war nicht immer Tischler. Es gab ja im Dienst auch große Feiertage, die auch heute noch gefeiert werden. Wie: Der 1. Mai , Tag der Roten Armee, Oktoberfest und andere. Dann mußten auch Losungen und Plakaten ausgehängt werden. Ja, aber die mußten auch geschrieben werden. Und auf die Frage wer kann Losungen schreiben? Meldete ich mich und als ich schon etwas fertig hatte und der Oberst es sah. Dann sagte er: " Das ist ja mehr als gut, jetzt haben wir einen Kunstmaler für unseren Klub." Ohne weiters wurde ich von meiner Tischlerarbeit befreit und wurde nun Klubmaler. Dies war für mich eine über alle Massen schöne, passende, saubere, leichte Arbeit. Was mir dabei so sehr gefiel. Ich war mein eigener Herr. Ich war im großen und ganzen kein untertäniger. Keine Arbeit, kein Marschunterricht, keine Morgen oder Abendkontrolle gingen mich was an. Einen Durchlaß um in die Stadt zu gehen, bekam ich wann ich wollte, ich brauchte nur zu sagen; mich hat der Oberst gerufen, oder ich muß nur für den Klub etwas holen usw. Ich wurde vom Oberst sogar in andere Klubs geschickt um dort manchmal zu helfen, so das ich nie hab müssen auf die Uhr schauen um nicht zu verspäten. Kam ich spät nach Hause, dann durfte ich morgens auch länger schlafen. So recht passend für mich, denn ich war so zusagen mein eigener Herr. Die Politstunden musste ich aber mitmachen oft sogar Vorlesungen Hut zu sein, denn es waren dort viel Koreaner, bei welchen oft Spione entdeckt wurden. Die Japaner hatten Verbindung mit den Koreanern und dadurch wurden oft Spionagearbeit gegen unser Reich getrieben. Unsere Regierung traf aber rechte Maßregeln gegen solche Schädlingsarbeit. Die Koreaner wurden Massenhaft nach Mittelasien evakuiert und dadurch geriet auch die Schädlingsarbeit ins Stocken.
Es war an einem Sonntag vormittag, ich ging auf den Basar, ich hatte hier in den Buden schon für meine Malerarbeit gekauft: Pinsel, etwas Tusche und anderes, als ich nun die Reihen der sitzenden Spekulanten und Warenverkäufer hielt mich mit einmal jemand an und fragte ob ich ein Maler sei: "Ja" -O, Sagte dann dieser Freunde." Dann können wir zusammen womöglich ganz gute Geschäfte machen, wenn du willst, dann schließen wir einen Freundschaftsbund, ich könnte dich sehr behilflich im Malen sein. "Ja", sagte ich, "ich mag noch immer was lernen". "Nun sagte er weiter, dann gehen wir zu mir nach Hausee, und dort befreunden wir uns dann schon ganz frei."
Ich gebe noch eine kurze Beifügung.
Ein Dienstjahr war vergangen. In des war unser Halbbatallion von Jekaterinowka nach Wladiwostok über gesiedelt worden. Hier wohnten wir in der Vorstadt bei Wtoraja Retschka, deshalb befand ich mich nun auf dem großen Basar in Wladiwostok.
Nun ging ich mit meinem Freund und Maler nach Hause zum Freund. Es war ziemlich weit zu gehen, zudem gingen wir, so kam es mir wenigstens vor, nur Umwege und Schleichwege. Ich gab Obacht wo wir gingen um auf der Rückkehr nicht zu irren. Mir kam es verdächtig vor, deshalb merkte ich mir jedes Haus oder Gegenstand. Engstrassen und Sackgassen und verschiedene Durchgänge passierten wir. Endlich waren wir zu Hause. Ein Häuschen, des Beachtens kaum wert. Nichts Auffallendes und auch nichts schönes was drinnen zu sehen. An der Wand hingen freilich auch selbst gemalte Bilder, die mich aber gar nicht anzogen. Ich dachte bei mich selbst "Schöner Freund, ich kann schönere Bilder malen als du". Das Zwiegespräch fing ja auch sofort an. Zuerst wurde eifrig vom malen gesprochen. Dann erkläre er sich willig für mich Material beizuschaffen um mir mein malen zu erleichtern. Wenn ich dann am nächsten Sonntag wieder ihn besuchen würde, dann würde er mir schon weit mehr zeigen können, denn er habe eine schöne Möglichkeit dazu und so kamen wir in unserem Gespräch so ganz unbeachtet auf ein ganz anderes Thema, welches wir nun als Freunde zusammen behandelten. Ich war Soldat. Er war Zivil. Als ich nun glaubte es könnte langen, für mich wäre es Zeit abzubrechen, schaute ich, als recht erschrocken auf die Uhr und sprang auf, und sagte ich muß gehen, sonst komm ich zu spät und dann gibt es Karzer und dann kann ich nicht mehr kommen und ich möchte doch noch mehr von ihm haben. Damit war er auch ganz einverstanden. Ich nahm noch höchst freundlich Abschied von ihm und eilte nun nach Hause. Den Heimweg merkte ich mir aber schon tüchtig. Als ich nun in meine Kriegsabteilung kam, ging ich zu meinem Oberst und erzählte ihm mein Sonntagserlebnis. So genau wie ich nur konnte bezeichnete ich den Weg, die Straßen, Gänge, das Haus, auch meinen Freund den ich gefunden hatte. Mein Oberst machte davon Notiz und lies mich dann frei. Jedoch um zwei Tage, Morgens vor der Arbeit, mußten sich alle Soldaten, auch ich, in Reihe und Glied stellen, dann gab der Oberst Befehl: "Walde fünf Schritte vorgehen und umdrehen ." Ich wußte noch gar nicht was dieses zu bedeuten hatte. Dann sagte der Oberst weiter: "Achtung, Walde Iwann Iwanowitsch hat soldatische Wachsamkeit gezeigt, er hat vorigen Sonntag ein Spionennest entdeckt, für diese seine Wachsamkeit sei ihm vor euch allen ein Lob gebracht und wünschen er möge auch ferner wachsam sein und ihr alle, nehmt ein Beispiel von ihm."
Dann gingen wir alle, ein jeder auf seine Arbeit. Ich aber war froh, auch frei von diesem Maler.
Einmal wurde ich auf meine Dienstreise kommandiert in eine andere Kriegsabteilung. Ich sollte dort die Rote Ecke für die bevorstehende Wahlen ausschmücken, denn da sei viel zu schreiben. Texte, Losungen, Plakaten u. v. m.. Ich war etliche Tage dort. Ich hatte viel Arbeit, sogar bis spät Abend. Die Soldaten schliefen alle als der Oberchef mir dann noch einen leeren Platz in der großen Kaserne anzeigte, der am Ende des oberen Teiles, des zweistöckigen Nachtlagers sich befand. Als ich dann so gut eingeschlafen war, krachten auf einmal zwei Flintenschüsse los: Alarm, Manöver! Ich sprang aus dem Schlaf auf, hatte aber vergessen das ich oben lag und so kam ich auf alle viere unten auf den haarten Fußboden an. Ich hatte mich hart gestoßen , konnte mich aber doch noch rasch ankleiden und kam fertig mich draußen in Reihe und Glied aufzustellen. Die Geschwindigkeit in Bereitschaft zu stehen wurde kontrolliert. Ein zweikilometer Marsch wurde gemacht und dann war Schlußsignal , alle durften wieder zur Ruhe gehen.
Der Aufenthaltsort aller Soldaten ist immer sehr beschränkt, der Spielraum klein, freie Zeit außer Sonntag fast keine. Die meiste freie Zeit brachten wir im Sommer am Meeresufer, am Badestrand zu. Dies war uns ein großer Vergnügungsort, denn da kam ja auch Zivilvolk hin, dort konnte man sich auch von anderen Dinge erzählen , als nur eine Kasernensprache führen. Auch gab es Gelegenheiten sich mit Mädchen zu unterhalten. Der warme Ufersand war ein warmes Sonnenlager für jung und alt. Inzwischen ein Bad machen, dann wieder in den warmen Sand uns einwühlen, war ja wirklich nur zur Gesundheit. Im Gespräch mit den Stadtmädchen, zuweilen waren auch Studenten wo man dann vom Lernen sprach. Bei so einem Gespräch äußerte ich mich , das ich trotz dem Dienst doch große Lust habe zu lernen. Auf diesen meinen Wunsch bekam ich auch schon von einer Studentin eine erwünschte aber auch geradezu eine gewitzte Antwort. Sie sei fertig mich vorzubereiten auf das Institut, sie könne mir einen Vorbereitungsunterricht erstatten. Dann wäre ich fertig in das Institut einzutreten. Das alles sei gar nicht so verhängnisvoll. Für diese Sache war ich jetzt entflammt, fragte aber sogleich, wie es anzufangen sei. Dann sagte sie mir, Tags sei sie im Institut, abends von 20: 00 - 22:00 Uhr könne sie mich unterrichten." "Wo?" Fragte ich . Dann sagte sie mir, Straße, auch Hausnummer, es sei ein Speisesaal und da solle ich nur nach Guß fragen und also bald würde man mich einlassen. Sie war eine Ukrainerin.
Der Sonntag ging zu Ende. Guten Erfolg. Montag fragte ich meinen Oberst, ob ich Abends dürfte in die Stadt gehen, da und da wolle ich einen kleinen Unterricht anhören. Um dann für das Institut vorbereitet zu werden. "Ja, ja, nur lernen," sagte er dann. Alls nun der Abend herbei kam, nahm ich Heft und Bleistift und ging zum Unterricht. Ich natürlich fand die genannte Straße, Hausnummer auch den Speisesaal und auch die Guß. Nachdem wir uns begrüßt hatten, setzten wir uns an einen Tisch. Der Speisesaal war ganz leer aber schön warm und hell drinnen, die Arbeitszeit war aus, daher war er geschlossen. Ich legte schön mein Heft und den Bleistift auf den Tisch und wartete nun auf das Kommende. Das Gespräch fing natürlich pädagogisch an. Ganz nach Regel und Recht, wie es sich gebührt. Leider ganz unbemerkt kamen wir aus dem Geleise und das Gespräch geriet auf ein anderes Thema. Ganz vergnügt waren wir dabei ohne sich zu genieren. "Wir wollten ja lernen?" Sagte ich dann inzwischen. "Ach, ja, meinte Guß dann aber wir wissen ja allerhand zu erzählen, noch ein bißchen und dann fangen wir an, aber Morgen ist ja auch noch ein Tag und der Winter ist lang, daß bekommen wir noch, gut?" für mich war das gar nicht so gut, ich war ja Soldat und hier jeden Tag spazieren gehen, das könnte auf die Länge nicht taugen. Als meine Zeit abgelaufen war, stand ich ganz entschlossen auf und sagte ich muß gehen, ich bin Soldat. Nun gut, Morgen gehen wir ans Werk. Also für heute "Gute Nacht". Sagte Guß dann.
Ich bekam auch für den nächsten Abend einen Durchlaß. Und so gingen ich dann wieder um mich unterrichten zu lassen. Als wir dann wieder am Tisch saßen, fragte ich der Guß ob sie nicht wisse wo eine Universität sei wo man könnte Fernkursen nehmen um weiter lernen zu können. Sie gab mir auch eine Adresse.
"Nun jetzt wollen wir auch ans Werk gehen", sagte ich dann. Leider kamen wir gar nicht ins Fahrwasser, alls nur das ich denken mußte:
Und hab ich mich ein bißchen dumm,
Dann fällst du schon von selber um.
Ich war mich schon ganz überzeugt, der Guß fehlt ein Gußack (Mann). Ich war ja nicht ledig, ich hatte ja zu Hause eine Familie und zudem, mein glückliches Eheleben wollte ich für keinen Preis aufgeben verunehren. Daher gab ich keine Zuneigung zu diesem Trick. Auf jeden Fall gingen wir beide enttäuscht nach Hause. Guß womöglich, das sie vergeblich die Angel rausgeworfen hatte und ich hatte vergeblich gewartet Unterricht zu bekommen. Mit reinem Gewissen ging ich meine Straße, denn ich hatte meiner Katja ehrlich versprochen treu zu bleiben. Da gehört wahrhaftig viel Kraft dazu. Hungrig zu sein, den Speck vor der Nase liegen zu sehen und hungrig wieder weg zu gehen. Das kann nicht ein jeder.
Ich war Maler, eine saubere Arbeit, daher bat ich den ältesten Wirtschafter, er solle mir doch auch saubere Oberkleider geben, damit ich mich auch könnte angenehm Kleiden. Er ging damit ein und erhielt nach Wunsch ein paar Hosen, solche waren nur ein einziges paar im Warenhaus. Es waren hellblaue Hosen. Niemand hatte solche Hosen wie ich. Auch mein Soldatenmantel blieb rein und sauber. Ich ging und war stolz auf mich selbst. Auch meine Decke war dementsprechend neu, wogegen etliche Soldaten nur einfache Decken hatten. Zwei Fälle möchte ich angeben die sich mit meinen Sachen abspielten: Eines Tages stand ich wie gewöhnlich auf, die Soldaten waren schon alle zur Arbeit gegangen. As ich in den Speisesaal gehen wollte war mein Mantel fort, ein dreckiger hing aber in der Garderobe. Ich meldete es gleich dem Wirtschafter und sagte das dieses absichtlich gemacht worden sei. Meinen Mantel habe ich gekennzeichnet, ich brauche nur die Soldatenreihe entlang zu gehen, dann könne ich ihm schon sagen welches mein Mantel sei. "Nun" , sagte er dann, "wenn das wirklich so rasch geht, dann machen wir es und du sollst deinen Mantel wieder haben. Als die Soldaten alle zu hause waren, gab er Befehl: "Alle Soldaten in Reihe und Glied im Hof aufstellen!" Dann ging ich die Reihen entlang und sagte zu ihm er solle jetzt näher kommen, ich sehe ihn schon. Der getroffene Soldat stritt anfänglich, denn seine Mantel habe unter dem Kragen seinen Namen, ich aber sagte zu ihm und mein Mantel hat hier in der Kragenspitze eine kleine Kopfnadel, die ich ihm dann zeige. Der Wirtschafter befahl augenblicklich den Mantel zurück zugeben. Der Soldat mußte zur Strafe in der Kaserne die Diele waschen.
Die Bettsachen wurden jeden Sonnabend, wenn es schönes Wetter war, ob Sommer oder Winter, hinaus ins Freie getragen um auszulüften, auszutrocknen, auszustauben. Vor der Arbeit wieder hinein getragen. In der Kaserne wurde am Tag von den Diensthabenden Soldaten einen Generalreinigung gemacht. Nun geschah es einmal, das meine Decke umgetauscht war, es hatte mir jemand eine schlechtere Decke hingelegt. Auch die Decke hatte bei mir ein Zeichen, wovon nur ich allein wußte. Am Tag, wenn die Soldaten alle auf der Arbeit waren, dann ging ich die Bettreihen entlang und suchte meine Decke. Als ich sie gefunden hatte, merkte ich mir das Bett und am Abend als die Soldaten alle zu Hause waren, rief ich natürlich wieder den Wirtschafter, erklärte ihm wann und wo meine Decke verschwunden war. Meine gefundene Decke hatte auch schon einen Namen, auf einer Ecke recht grob mit Kopierbleistift geschrieben. Ich aber hatte in meiner Decke in einer Ecke einen roten Faden eingezogen, der nur schwach zu bemerken war. Als ich ihnen dann mein Zeichen sagte, war meine Tatsache bekräftigt. Ich erhielt meine Decke und der Soldat erhielt eine Strafe.
Ein erschreckendes Bild beim Badestrand.
Ein wunderschöner Sommertag. Damals arbeitete ich noch als Tischler in der Tischlerei. Die Tischlerei befand sich ganz nahe am Meeresufer. Als nun der Arbeitstag zu Ende war, wollten wir noch schnell etwas Schwimmen gehen. Unsere ganze Brigade lief nun zum Ufer. Andere Leute waren hier keine als nur wir zwölf Mann. Bei diesem Wasser schwamm im Wasser eine Verbotsgrenze, die da anzeigte, wie weit man Schwimmen durfte. Es was ein langer Wasserstrick gezogen recht weit vom Ufer an welchen um jede zehn Meter eine Tafel schwamm mit der Aufschrift "Verboten". Also weiter durften wir nicht schwimmen. Aber etlichen von unserem Soldaten gelüstete es doch über den Strick hinweg noch weiter ins Meer zu schwimmen. Auch ich war dabei, denn es schwimmt sich ja so leicht im tiefen Wasser. Als wir denn nun nach unserer Meinung weit genug geschwommen waren, machten wir Kehrt. Aber mit einmal tauchte ein Wassertier aus dem Wasser an die Oberfläche auf und ganz in unserer Nähe so das wir uns fast zu Tode erschreckten. Wir sahen nur, wie wir rascher ans Ufer gelangen konnten. Wir alle erblaßten wie ausgewässertes Fleisch. Wir waren für immer geheilt über den Strick zu schwimmen. Was das für ein Ungeheuer war, weis ich immer noch nicht. Es sah aus wie ein Skorpion, ein Leib wie ein Kuhkalb (Kuttelsack). Ja, das ich heute noch zittere, wenn ich daran denke.
Einmal war Überschwemmung. Es regnete und regnete und regnete, scheinbar ohne Aufzuhören, fast zwei Tage. Das halbe Dorf Jekateronowka stand schon im Wasser. Unsere Kasernen standen etwas hoch am Berge. Das Wasser natürlich besuchte auch unsere Kasernen. Es kam vom Berge an unsere Kasernen so toll, das es zu den Fenstern hinein und durch die Kasernen an der anderen Seite zur Tür hinaus lief. Wenn so, dann vergeht jegliches Lachen. Um die Vesperzeit hörte es auf mit regnen, aber das Wasser kam und kam noch immer von wer weiß wo. Die Kriegstanke wurden raus gerufen zu helfen. Viele Leute wurden in Sicherheit gebracht. Das Vieh brüllte, es war recht weit zu hören, es war wirklich erschreckend. Heuschober, hölzerne Speicher, ebenfalls auch hölzerne Häuser die in den Wasserstrom gerieten, alles ging ins Meer hinein. Wir Soldaten stiegen auf unseren ganz nahelegenden Berg und schauten dann vom Berg auf diese traurige Szene. Es war als sei alles im Meer.
Es war am Sonntag, ein schöner Sommertag. Recht viele Soldaten befanden sich im Freien, unser Revier war recht groß. Fast alle Soldaten hatten eine Beschäftigung. Fußball, Tennis, Handball, Schach, Domino waren vorhanden. Wer spielte Harmonika, wer schrieb einen Brief oder las ein Buch. Nun war es Zeit Mittag zu essen. Der Speisesaal faste ungefähr zweihundert Mann, daher mußte in zwei, drei Schichten gegessen werden. Wenn dann der Ältesten Befehl gab: "Erste Schicht in Reihe und Glied aufstellen, abzählen und dann" und dann "An die Tische Marsch"! Dann wußte schon jeder seinen Platz. Zu zehn Mann am Tisch. Die Zeit zum Essen war immer sehr kurz. Es mußte rasch gegessen werden. Und wer dann nur langsam aß, blieb zuweilen hungrig. Ich persönlich konnte das frisch gekochte heiße Essen fast nicht essen, wie oft habe ich mir die Zunge und Gaumen verbrannt, wie oft nur zwei, drei Löffel voll von einem Teller Suppe gegessen, dann stellte man schon den heißen Brei hin. Nicht das rasche essen sondern das heiße Essen essen, daß war für mich eine große Qual. Etliche Soldaten, die konnten die heiße Kost schlucken, wie sie kam, ich aber gar nicht. War die Zeit rum, dann hieß es: "Fertig, aufstehen, hinaus, Marsch"! Wie oft habe ich mehr wie die Hälfte stehen gelassen. An diesem Sonntag kam ich in die dritte Schicht. Die zweite Schicht war noch in der Speisehalle, wir andere alle waren hier draußen um nicht das Kommando zu überhören, wenn es mit einmal hieß: "Dritte Schicht, aufstellen zum Essen gehen". Etliche von der ersten Schicht, die schon gegessen hatten, fingen an zu erbrechen, und immer mehr fingen an zu erbrechen, schon waren acht Soldaten ins Krankenhaus gefahren und viele andere aber machten noch immer Fortsetzung. So, das schon ein ganzes medizinisches Personal auf dem Hof war. Koch und Küche wurden augenblicklich geschlossen. Mittagessen wurde nicht weiter ausgeteilt. Milizionäre kamen und waren auch tätig. Die Schlußfolgerung war: "Schädlingsarbeit, das Mittag war vergiftet." Schon hier gleich, wurde unser Hochoberst verhaftet und weggeführt. Haben ihn auch nie mehr gesehen. Das Giftmaß war für den großen Kessel mit Suppe zu klein gewesen um alle Soldaten tot zu legen. Gestorben war keiner, aber die Soldaten lagen herum wie Fliegen. Die dritte Schicht blieb an jenem Sonntag ohne Mittagessen.
Noch zwei Wasserbadvergnügungen möchte ich hier mitteilen. An schönen windstillen Tagen zeigte das Meer einen prächtigen großen Wasserspiegel. Wenn dann die Sonne des Morgens am Horizont aus dem Wasser stieg, dann war das Meer von der Sonne bis ans Ufer so feuerrot, daß man fast nicht hinschauen konnte. Wirklicht eine Pracht. Einmal stand an einem nicht großen Meereshafen ein Schiff. Ich war neugierig das Schiff zu besehen, daher ging ich die lange Brücke vom Ufer bis auf das Schiff und bewunderte vom Schiff aus das stille Meer. Es gelüstete mich zu baden. Von der Lust gings über auf die Tat. Ich hatte schon immer gehört: Je tiefer das Wasser, desto leichter ist das Schwimmen. Das möchte ich probieren. Ich zog die Kleider aus und sprang vom hohen Schiffsbord wie ein Fisch ins Wasser. Mir war das Schwimmen wichtig gewesen, aber das ich von so einem hohen Sprung auch dementsprechend so tief ins Wasser kommen würde, daran hatte ich nicht gedacht. Jetzt in diesem für mich gefährlichen Moment war nur eines geblieben, so rasch wie möglich an die Luft zu kommen. Das machte mir viel zu schaffen und als ich dann doch endlich an die Oberfläche kam, war ich so erschöpft, das ich an Schwimmen schon nicht mehr dachte. Ich suchte nur die Hängeleiter zu erreichen, um auf das Schiff zu klettern. Diese Neugierde hätte mir bald dem Odem genommen. Auf dem Deck waren auch keine Matrosen die mir hätten helfen können, die waren alle aufs Land gegangen. Diese Neugierde war für immer gestillt und so weiß ich auch heute noch nicht ob es im tiefen Wasser leichter zu schwimmen ist. Ein Vergnügen, in stürmischen Meereswellen ein Bad zumachen. Je länger und je größer der Sturm, desto größer die Meereswellen. An einem stürmischen aber doch warmen Sommertage zeigte sich auch das Meer wütend. Es hatten sich auch schon über einen Meter hohe Wellen gebildet, die sich bei unserem Meeresstrand, beim Badeort, auf das flache, sandige Ufer, eine nach der anderen anliefen. Bis auf nichts liefen die hohen Wellen sich aus, dann aber lief das Wasser gleich ins Wasser gleich ins Meer zurück, bis dann wieder die nächste Welle kam und mit voller Wucht aufs Land lief. Je größer die Wellen sind, desto größer ist der Abstand zwischen den Wellen. Auch dieses zu sehen ist ein interessantes Bild. Wer es zum ersten mal sieht kann sich nicht sobald satt sehen. Hierzu könnte ein Liedervers passen. Das Lied haben wir als Kinder in der Schule oft gesungen. Es war ein Lied von einer Sägemühle am Wasser:
1. Dort unten an der Mühle
Saß ich in süßer Ruh,
Und sah dem Räderspiele,
Und sah den Wassern zu.
2. Sah zu der blanken Säge,
Es war mir wie ein Traum..
Sie bahnte lange Wege,
In einen Tannenbaum.
3. Die Tanne war wie lebend,
in Trauermelodie.
Durch alle Fasern bebend,
sang diese Worte sie.
4. Du kehrst zu rechter Stunde,
o Wanderer, hier ein.
Du bist's, für den die Wunde
Mir dringt ins Herz hinein.
5. Du bist's, für den wird werden
wenn kurz gewandert du,
dies Holz im Schoß der Erden,
ein Sarg zur langen Ruh.
6. Sechs Bretter sah ich fallen,
da war's ums Herz mir schwer.
Ein Wörtlein wollt ich lallen,
da ging das Rad nicht mehr.
In diesem warmen windigen Unwetter gedachten wir, etliche Soldaten, zu baden. Nein, nicht zu baden, sondern in den Wellen zu spielen. in der Mittagspause liefen wir aus der Tischlerei bis ans Ufer, warfen rasch die Kleider von uns und liefen nun im Wasser der ausgelaufenen Welle ins Meer hinein. Es waren ungefähr zehn, zwanzig Meter von Welle bis zur Welle. Wir liefen rasch in dem flachen Wasser der folgenden kommenden Welle entgegen. Sobald die Welle dann ganz nah war, drehten wir uns rasch um, sprangen etwas hoch, und setzten uns dann auf die Welle, die jetzt schon unter uns war, und ehe wir auf dieser Welle so recht zum sitzen kamen, waren wir schon aufs weiche sandige Ufer getragen worden. So wiederholten wir dann dieses Spiel, bis unsre Lust in dem Wellenspiel gestillt war.
Auf solche Art wie wir Soldaten hier in den Wellen spielten, dem ähnlich schleifen sich gewöhnliche scharfeckige Steine zu Kieselsteinen aus. An steinigen Ufern werden die Steine von den starken Wellen am Ufer anfänglich nur langsam hin und her gekantet. Davon stößt sich Stein an Stein und die scharfen Ecken von dem beständigem Zusammenstoßen fangen an, sich abzurunden. Mit der Zeit rollen sie im Wasser schon leichter hin und her, auch schon etwas weiter wie anfänglich und mit der Zeit schon gibt es von diesen Steinen rundliche, glatte, geschliffene Kieselsteine. In so einem Unwetter macht das Meer ein gewaltiges Getöse. An den Ufern, wo solche Steine sind, da gnottert, knackert und rauscht es gewaltsam. Ein dumpfes Grollen als aus tiefer Erdenkluft ist weit auf den Lande hörbar. Ein wahrhaft stürmisches Meer kann große Schrecken wachrufen.
Einkäufe.
Wenn uns Soldaten das verdiente Geld auch nicht ausgezahlt wurde, es blieb ihnen bis zur Heimreise. Jedoch ein etwas erhielt jeder Soldat, jeden Monat. Um allerhand Kleinigkeiten kaufen zu können, wie zum Beispiel: Zigaretten, Kino - Theater, Zirkus und anderes. Wer sein Geld nicht verschwenderisch verpraßte, der konnte sich recht bald auch größere Sachen kaufen. Zigaretten und Theater brauchte ich nicht. Kino hatten wir unser eigenes mehr wie genug. Und so war ich denn bestrebt, für mich etwas wertvolles zu kaufen, nicht für mich alleine, auch für meine Katja. Denn das zweite Jahr unseres Dienstes neigte sich allmählich dem Ende zu, obzwar man uns auch inzwischen sagte: dass wir womöglich drei Jahre würden dienen müssen. Für mich hatte ich gekauft eine schöne Sommermütze, eine Taschenuhr und einen goldenen Zahn ließ ich mir einstellen. Der Zahn kostete 150 Rubel. Für Katja hatte ich etwas von Kleider gekauft. (Chinesenware). Einen großen Reisekoffer hatte ich uns schon lange selber gemacht. Denn je weiter es kam, desto mehr dachte man an Nachhausefahren. Auch schöne lederne Sonntagsstiefel hatte ich uns selber machen lassen vom Lagerschuster, leider kurz vor der Heimfahrt wurden sie uns gestohlen. Ach war mir das schade.
Briefwechsel.
Ich und Katja hatten beständigen Briefwechsel. All zu oft trafen die Briefe aber nicht ein, denn wir waren ja weit, weit im fernen Osten. Die Sehnsucht einer zum anderen war ja groß, daher schrieb man auch gerne Briefe und wenn was wichtig war, von dem wurde aber dann auch schon gewiß geschrieben. Und eines Tages erhielt ich einen Brief, woraus ich auch gleich heitere Gesinnung merkte, denn weiter hieß es: ich bin ganz zufrieden, ich lebe in Hoffnung - mein Wunsch geht in Erfüllung. - Also demgemäß mußte ich jetzt auch eine Antwort zurückschreiben. - Ja, die ganze Lage und alles, was zu Hause vorging und noch vorgehen könnte, machte mir viel Gedanken. Dies war der Anfang. Ich trug in mir eine stille unheimliche Ahnung. Ich war mit mir gar nicht zufrieden. Aber so wie bei allen anderen, Soldaten so verging auch bei mir Monat um Monat in Erwartung der Dinge in Zukunft, wovon ich mir keine Vorstellung machen konnte. Zu Neujahr 1937 erhielt ich einen Brief von Katja. Wünschte mir viel Glück zum Neuen Jahr und gratulierte mich mit einem Söhnchen "Wanja", der den 13. November geboren sei. Nun habe sie den Ersatz für unser gestorbenes Kind vor Augen. Nun habe sie wieder einen schönen Zeitvertreib. Nun würde wieder alles besser gehen. Nun würde die Zeit auch wieder rascher gehen. - Ganz zufrieden. Aus den folgenden Briefen, die ich dann noch weiter erhielt, vernahm ich nur Zufriedenheit, Zufriedenheit. Hier hätte man der Katja sagen sollen: "Nur wird nicht über froh, es bleibt nicht so." - im Kolchos war viel Arbeit, auch Frauen und Kinder mußten arbeiten: erstens weil so viel Arbeit im Kolchos war und zweitens mußte gearbeitet werden, um Brot zu verdienen, denn nur davon lebte man. Die Kinder dem Alter nach wurden alle untergebracht und versorgt und besorgt - in Kinderkrippen, im Kindergarten, im Kinderheim. Die Arbeitszeit hatte zu jener Zeit keine begrenzte Stunden: Nur eine Losung war: "Von Früh bis Spät, oder von Finster bis Finster."
Wir Soldaten fingen an die Monate unseres Dienstes zu zählen - noch vier, noch drei u.s.w.
Eines Tages erhielt ich einen Brief von Katja - sie schreibt, sie sei krank. - Der folgende Brief war - "die Gesundheit will sich immer noch nicht finden." - Der dritte Brief lautete: "Ich bin sehr krank." Und etwas weiter blieben die Briefe schon ganz aus. - Was konnte und was sollte ich denken. War nur geblieben, die Zeit abzuwarten. Dann aber eines Tages erhielt ich wieder einen Brief. Meine Mama schreibt: "Wir haben Katja auch das Kind zu uns genommen, weil Katja schwer krank liegt und niemand ist, der sie besorgt. An gesund werden ist schwer zu glauben, daher sie, ob du kannst nach Hause kommen." Mit diesem meinem Brief ging ich nun zu meinen Vorgesetzten, zum Obersten. Als ich ihm meine ganze Lage geschildert hatte, sagte er: " Todesfälle, das wäre vielleicht geltend, aber Krankheitsfälle, dafür gibt es keinen Urlaub. Beruhige dich nur, es wird vielleicht doch noch besser werden." --- Aber bei mir fand sich keine Beruhigung. - Wie lange es dauerte, weiß ich nicht. Wieder ein Brief von Mama, sie schreibt wieder: "Wanja, deine Katja liegt sterbenskrank, wenn du sie noch willst am Leben sehen, dann ist es höchste Zeit, dass du kommst." - Ich ging auch mit dem zweiten Brief zu meinem Oberst. Die ganze Lage hatte sich hier aber noch nicht geändert. Die Antwort, die mein Oberst mir gab, war im Grunde genommen dieselbe, die auch vorher, nur das er noch hinzufügte: " Nehmen wir an, dass du fahren darfst. Der Weg ist weit, zwei Wochen gehen drauf, nach Hause zu fahren, wenn sie, deine Frau in diesen Tagen stirbt, wo du auf der Heimreise bist, so hast du sie doch nicht gesehen, und du mußt aber wieder zurück. - Oder anders: du fährst nach Hause und bist höchstens zehn Tage zu Hause und deine Frau stirbt aber nicht in dieser Zeit, - du mußt aber unbedingt wieder zurück fahren. Und was ist der Schluß? Du hast dich nur höchst aufgeregt und aber doch nichts erreicht. Zudem, die Dienstzeit geht zu Ende, und dann fahren wir alle nach Hause. Ist verständlich?" Ja, ich hatte verstanden und doch konnte ich es nicht verstehen.
Ich war betrübt in meinem Sinn,
denn all das Frohsein war dahin.
Die Tage verstrichen nur sehr langsam, die Arbeit war mir nicht mehr eine Lust, sondern eine Last. Ja, ich kam so weit, dass mir die Heimat in Abscheu wurde, wenn ich dachte, bald nach Hause fahren zu können. Und was sollte ich zu Hause? Die Katja könnte gestorben sein, die Wirtschaft womöglich verschleppt sein und was sollte ich wohl auf so einem öden und verwaistem Platz? Das neue Jahr 1938 war vor der Tür und was wird es mir bringen?
Gar manches kann ja auch vergehen,
jedoch das Weltrad bleibt nicht stehen.
Wenn ich auch in meinem Sinn recht betrübt war, so wurden mir in dem Lärm aller Soldaten doch alle dummen Grillen aus dem Sinn geschlagen und im Strom des Soldatenvergnügens mußte ich doch noch wieder freundliche Minen machen.
Eines Morgens, als wir Soldaten alle geweckt wurden, hatte ich in der Nacht einen Traum: mir träumte, "wir Soldaten wurden alle geweckt, wir sprangen alle auf und kleideten uns an, doch als ich wollte die Stiefeln anziehen, waren meine Stiefel ganz zerrissen. Beide Stiefel hatten in der Sohle ein großes Loch." In der freien Zeit am Tage erzählte ich den Traum meinen Soldaten aus unserer Gruppe. Ein Soldat sagte darauf: "Dieser Traum hat was zu bedeuten." Er würde Abends nach der Arbeit zu der Frau unseres Wirtschafters gehen, denn die sei an ihm bekannt, weil sie auch aus demselben Dorf sei wie auch er und die würde ihm womöglich den Traum deuten können. Dieser Soldat, auch der Wirtschafter mit seiner Frau, das waren Mordwiner. - nun kam dieser Soldat und erzählte mir die Deutung dieses Traumes: "Das ist - sagte er zu mir - dir steht eine große Reise bevor", damit sollte ich rechnen.
Und richtig, eines Tages wurde ich in den Stab gerufen. Ich ging zum Oberst und meldete: "Auf sein Befehl sei ich erschienen." Dann sagte er zu mir: "Geh an die Kasse und erhalte dein verdientes Geld für die ganze Dienstzeit. Abends nach der Arbeit gibst dem Wirtschafter all deine Arbeitskleider ab. Morgen frühmorgens kommst in den Stab, um deine Dokumente und den Fahrschein zu bekommen. Du wirst aus der Armee demobilisiert. Du fährst für immer nach Hause." - Ich und ein Abram Penner, wir wurden nach unserer Rechnung ungefähr fünfzig Tage früher aus dem Dienst gelassen. Die anderen blieben, wie wir später erfuhren, noch alle fast zwei Monate länger. Auf meine Frage, die ich meinem Oberst stellte: "Warum wir zwei deutsche Soldaten so unerwartet, zudem noch früher als eigentlich Zeit sei, entlassen werden?" Gab er mir zur Antwort: "ist nichts besonderes, zudem ihr seid nicht allein, die andere deutsche Soldaten aus der anderen Hälfte unseres Batalions sind auch noch dabei. Hier ist der Fahrschein für euch alle. Die Verantwortung ruht auf dich. - Deine Pflicht wird nun sein, auf der Reise diese Gruppe Soldaten nach Bedarf mit Brot und Zucker zu versorgen, ebenfalls inzwischen auch ein Bad zu machen. Dieser Fahrschein ermöglicht euch alles zu erhalten. Verstanden?" - Verstanden, sagte ich dann. Bei mir aber war die Freude, nach Hause fahren zu können, nicht groß. Warum es so war, weiß ich selber nicht. Als ich es dann den Soldaten mitteilte, dass ich nach Hause fahre, waren etliche Soldaten froher als ich, denn sie tanzten und hopsten vor mir wie kleine Buben. Einer aus unserer Gruppe erbat sich gleich bei mir meine saubere blaue Hosen ihm umzutauschen. Als ich meine Kleider alle abgegeben hatte, war ich fertig zur Fahrt,. Dann nahm ich von den Soldaten Abschied und etliche schrien fast vor Freude: "Domoj - Domoj - Domoj -Nach Hause!" -
Noch eine kleine Shetagurowa-Geschichte kann man hinzu fügen, denn sie hat sich gerade zu unseren Dienstjahren zugetragen. Eine Sowjetbürgerin aus dem bevölkerten Europäischen Teil unseres Reiches namens Shetagurowa hatte zugunsten unseres ganzen Reiches eine Losung entworfen. Einen Aufruf gemacht: "Mädchen! Nach dem fernen Osten!" Denn der ferne Osten sollte bevölkert werden. Es sollte dochwohl ein Ersatz für die evakuierte Koreaner sein, von welchen wir auf S. 546 gelesen haben. Hierauf wurden massenhaft Werbungen im westlichen Teil unseres Landes von jungen Mädchen gemacht. Darauf kamen zu jener, unserer Dienstzeit, ein Militärzug nach dem anderen mit jungen Mädchen nach den fernen Osten. Dahin, wo auch viel Soldaten ihren verpflichteten Staatsdienst hielten. Alle Mädchen hatten auch hier volles sowjetisches Bürgerrecht, wie zum Arbeiten so auch zum Lernen. Sie wurden planmäßig in Bezirke verteilt, mit einer Absicht, auch mit den diensthabenden Soldaten in Freizeit oder Sonntagen Umgang zu haben. Hatte sich dann ein Soldat verliebt mit einem Mädchen, was eigentlich auch gar nicht auffallend war, so war der betreffende Soldat schon nach Abschluß seiner Dienstzeit geneigt statt nach Hause zu fahren dort an Ort und Stelle sein eigenes Heim zu gründen. Solche Fälle waren nicht wenig. Solche junge Leute beanspruchten dann auch ihr gutes Vorrecht, zudem erhielten sie auch anfänglich ein solides Unterhaltungsgeld, erhöhten Arbeitslohn, Quartier u.a.
Solch eine Gans war dochwohl auch meine Guß. Womöglich hatte sie in der Nase, mit mir einen eigenen Herd aufzubauen, um dann auch von dem großen Vorrecht Gebrauch zu machen, mit welchem so viel Soldaten gelockt wurden, nur um dort im fernen Osten ansässig werden. Die Zahl solcher zurückbleibenden Soldaten war gar nicht so gering. - Es lohnte sich. Später erst, nachdem, wie wir gelesen haben auf Seite 551, das Guß eine Studentin war, habe ich es ganz und gar bezweifelt, das sie eine Studentin ist, ich glaub, sie war auch nur eine von den angeworbenen Mädchen, die nun alles anwendeten um einen schönen Bock zu schießen. Bei uns schlug es fehl und wenn sie nicht mutlos geworden, dann wird sie schon andere Buben aufs Korn genommen haben (Korn - ?????).
Kapitel 108
Die Heimfahrt nach dem Soldatendienst.
Domoj! So schrien die Soldaten, als ich den Abschied von ihnen nahm. Am Tag unserer Abfahrt erschienen auch die anderen deutsche Soldaten aus dem anderen Halbbatalion mit welchen wir zwei Jahre getrennt waren. Alle zusammen gingen wir zum Bahnhof, wohin wir auch noch von vielen anderen unseresgleichen begleitet wurden. Wenn wir, wie wir wissen, beim in den Dienst fahren auch nur in kleinen roten Warenwaggonen fuhren, so hatten wir jetzt aber das Glück, in einem Passagierzug zu fahren. Unsere Gruppe zählte, mir scheint, es waren sechzehn Mann. Als nun der Zug kam und wir den vorläufig zurückbleibenden Soldaten noch unsere letzte Wünsche, dass auch sie recht bald nach Hause fahren dürften, gesagt hatten, stiegen wir in den Zug. Mit einem lauten schrillen Pfiff meldete die Lokomotive unseres Zuges die Abfahrt an. Rauchend, mit zischendem Volldampf ruckte sie dann unseren Zug los. Etliche aus unserer Gruppe stießen einen erleichterten freudevollen Seufzer aus mit den Worten: "Jungens, wir fahren. - Wir fahren nach Hause." Ich war ja selbstverständlich auch bei der Sache, aber eine wahrhaftige Freude empfand ich nicht. Nun, die Reise aber, war ja, wie alle Reisen sind, ohne besondere Erlebnisse oder Abenteuer. Es ging von Tag zu Tag näher nach Hause. Wenn unsere Hinreise vierundzwanzig Tage dauerte, so legten wir die Heimreise in sechzehn Tagen zurück. In unserem Zug fuhren auch viel andere Soldaten aus verschiedenen Militärabteilungen, die auch schon ausgedient hatten, nach Hause. Und immer noch auf den großen Stationen stiegen frische demobilisierte Soldaten in den Zug. In den ersten Tagen auf unserer Heimreise kamen zuweilen auch Militärwerber in den Zug, um dann von den demobilisierten Soldaten für sich in ihre Kriegsabteilung freiwillige Diener zu werben, die dann als Kommandeure arbeiten sollten. Der Werber las schon im Zug einen Vertrag vor, womit sie den angeworbenen entgegen kommen würden: "Folgendes - Freiquartier, die Geldsummen erhöhten Monatsgehalts, jährlich verlängerter Urlaub, ein schönes Unterhaltungsgeld, unentgeltlich die Familie überführen zu dürfen (wer eine besitze) und anderes mehr." Auf so ein verlockendes Spiel willigte ein und der andere Soldat ein und der Werber schrieb dann ihre Namen bei sich ins Heft und sagte: " ich gehe von Waggon zu Waggon und werbe noch mehr Soldaten, und alle, die ich dann geworben habe, sollen auf der noch vor uns liegender großen Station Blagodatnaja aussteigen" dann wolle er alle geworbenen Soldaten sammeln, um dann mit allen zusammen in ihre Kriegsabteilung zurück zu fahren. Als nun die Station Blagodatnaja kam, waren wir neugierig zu sehen, ob der Werber wohl außer unserer zwei Soldaten noch mehr Liebhaber würde gefunden haben - und richtig, eine ganze Gruppe sammelte sich an.
Ich war angeregt davon und war schon geneigt, solche Gelegenheit auszunützen. Der Zug ging und wir, obwohl noch sehr fern, aber wir näherten uns der Heimat zu. Auf diesem Thema hin fing ich mit unseren deutschen Jungens das Gespräch an: "Horcht mal, - wir haben schon oft davon gesprochen, wenn wir die Gelegenheit hatten zusammen zu sein, - dass, wenn wir würden ausgedient haben, wir nicht mehr im Kolchos arbeiten wollten. Eine passendere Gelegenheit kann es schon nicht geben, als das wir uns werben lassen und so ein vortreffliches Gehalt bekommen können. Wer hat Lust, sich noch werben zu lassen - ich bin ganz dafür." Die Antwort darauf war: "Wir fahren erst nach Hause und dann werden wir schon sehen." Wenn ich für diese Sache auch große Lust zeigte, so wollte ich aber doch nicht ganz allein von den unsrigen in der weiten Ferne zurückbleiben. Als nun aber wieder ein Werber, ein Militäroberst, in unseren Waggon kam und anfing zu werben, dann sagte ich zum wiederholten Mal zu den unsrigen: "Ich laß mich werben, wer will noch?" Dann fielen sie über mich her und sagten: "Du bist ja dumm, wir fahren nach Hause." - Und wieder zog ich zurück. Der Werber ging dieses mal ohne jemand geworben zu haben, weiter in den nächsten Waggon. Ich fing jetzt aber eindringlich mit den Jungens an, von dem werben lassen zu sprechen, leider war es nutzlos, sie blieben auf das ihrige. "Wir fahren nach Hause." - Ich jedoch sagte dann ganz entschlossen: "Wenn ihr dann auch nicht wollt, ich will aber und wenn jetzt ein Werber kommt, so laß ich mich werben." Und es dauerte auch gar nicht so lange, kam wieder ein Werber. Als der Werber nun seinen Vertrag vorgelesen hatte und auch noch verschiedene Erklärungen gegeben hatte, ließ ich mich anschreiben. Von den unsrigen tat's aber keiner mehr. Der Werber nannte mir dann auch eine Station, wo ich aussteigen sollte, um dort seine geworbene Leute zu sammeln. Selber ging er dann in den nächsten Waggon, weiter zu werben. Bis zu angewiesenen Station waren es noch zwei Stunden fahren. Aber als wir uns dieser Station näherten, machte ich mich bereit, packte meinen Koffer, verabschiedete mich mit den Jungens und machte mich an der Türe, wie man sagt, sprungbereit. Die angesagte Station war erreicht, ich stieg aus dem Waggon und hier an der Tür blieb ich stehen und schaute das hin und her Laufen aller Menschen zu. Doch sah ich aber noch keine Soldaten mit einem Koffer draußen an den Waggonen stehen. Als nun die Bahnhofsklingel die Abfahrt anläutete und alle Menschen ihren Zug wieder eilig bestiegen, sah ich niemand, der lange Bahnhofsteig war ganz menschenleer. Der Zug rückte los und für mich war in diesem kurzen Augenblick nur eines geblieben, wenn ich nicht hier alleine bleiben wollte. Nur einsteigen und weiterfahren. - Natürlich lachten mich die Jungens aus, aber ich sagte: " Es werden ja noch mehr Werber kommen und eines Tages laß ich mich doch werben, der Weg ist noch weit." - Aber es kam kein Werber mehr.
Den halben Weg von unserer Heimreise hatten wir zurück gelegt, etwa acht Tage hatten wir, waren wir schon gefahren, es könnte auch schon Zeit sein, ein Bad zu machen. Wir besprachen uns, unsere Gruppe, es auf der ersten großen Station die da bald kommen würde, zu tun. Wir stiegen aus, meldeten dem Bahnhofsoberst unser Vorhaben, damit wir nach dem Bad mit dem nächstfolgenden Passagierzug dann wieder weiter fahren konnten. Für ein organisiertes Soldatenvorhaben waren gewöhnlich die Türen allerwärts frei. Ein langer Aufenthalt war beim Bad auch nicht, denn wir waren recht bald mit allem wieder fertig. Mit Brot und Zucker wohl versorgt, stiegen wir noch vor Abend in den nächstfolgenden Zug und fuhren weiter. Nach Soldatenart wurde dann noch Abendbrot - Brot, Zucker und Tee - gegessen. Nach dem angenehmen Bad, nach dem heißen Tee übergaben wir uns der Nachtruhe. Im Waggon wurde es stiller, das allgemeine Gespräch wurde weniger. Das Ticken der Räder auf den Eisenbahngeleisen vernahm man immer deutlicher, aber so nach und nach ohne es besonders zu bemerken, schliefen wir einer nach dem anderen ein. Gerade hier, in dem oben erwähnten Bad, hatten sich die ungewünschten Freunde, von denen wir auf Seite 305 gelesen haben, zu mir gesellt, welche mich dann auch begleiteten bis zu Hause, bis dann der Arzt ihre Existenz aufhob.
Als wir von Wladiwostok bis zum Uralfluß den langen Weg zurückgelegt und den ganzen Asiatischen Erdteil vom fernen Osten bis zum Westen durchquert hatten, fuhren wir über die Uralbrücke bei Orenburg in unsere heimatliche Hauptstadt Orenburg ein. Bis zu unserer Station "Sorotschinsk" waren noch fünf Stunden Fahrt geblieben. Obzwar es Winterzeit war, so war uns doch die Aussicht aller Felder und Hügel sehr bekannt und ein jeder phantasierte schon voreilig, wie er sein eigen Heim begrüßen würde. Nur ich allein war beschwert mit Gedanken über das unerwünschte Schicksal, was meiner wartete, wenn ich erst die Schwelle meines Heimes betreten würde. Zehn Mann von unserer Gruppe waren schon zwei Stationen früher ausgestiegen, weil sie aus einem anderen Bezirk waren. Wir andere hatten auch schon alle unser Gepäck bereit und waren froh, dass wir bei hellem Tage unsere Station erreichen konnten, und wenn alles zu Glück ging, wir noch einen Transport finden könnten, um dann noch die letzten 60 km fahren zu können, so könnten wir noch vor Abend ein jeder bei sich zu Hause sein.
Endlich Sorotschinsk erreicht, man vernahm schon dass die Bremsen angezogen wurden. Etliche stießen ein halblautes "Hurra-a-a, wir sind zu Hause!" aus. Als wir nun ausgestiegen waren und den weitergehenden Zug noch mit einem kurzen Blick begleiteten, hörte ich wieder einen Erleichterungsausdruck: " So, das haben wir hinter uns, jetzt wird uns keiner mehr kommandieren." Dann eilten wir alle in den warmen Wartesaal, es war Ausgangs Januar, draußen war es recht kalt, zudem stürmte es etwas. Wir Jungens waren alle von verschiedene Dörfer, doch aber nicht weit von einander, wir wußten alle, wer wo wohnt. Als wir uns nun hier im Wartesaal befanden, und auch schon etwas beruhigt hatten und wir dann Rat hielten, wie weiter machen, kam zufällig der Vorsitzende unseres Kollektivs in den Wartesaal, und als er uns erblickte, noch ehe wir uns begrüßt hatten, sagte er schon zu mir: "Aber, Walde, sieh dass du rasch nach Hause kommst, denn deine Frau liegt in den letzten Zügen." - Das war eine Begrüßung, die ich noch nicht vergessen habe und auch nicht vergessen werde. (Heute zu betrachten, könnte man sagen, er hätte doch diese traurige Nachricht mir etwas leichte, netter mitteilen können.) Das hätte der Vorsitzende sich doch gewiß denken können, das wir ohne dem so rasch wie möglich doch alle nach Hause wollten. Wozu denn so einen mitleidslosen Stoß ins Gemüt? - unwillkürlich erinnerte ich mich seiner Worte, die er noch als Jüngling im lustigem Kreise der Jugend gesagt hatte. Wenn in unserem Dorf Begräbnis, Beerdigung war und wenn auf dem Friedhof wir Gräber erst anfingen das Grab zuzuscharren, dann sei er immer bestrebt, so rasch wie möglich die größten harten Erdklöße auf den kahlen Sarg zu schütten, damit das unheimliche laute Knottern den Menschen ein wahrhaftiges Schaudern durch Mark und Bein gehe.
Die MTS und die Kolchose hatten zu jener Zeit nur Automaschinen - Lastmaschinen oder Bordmaschinen wurden sie genannt und zu dem nur sehr wenig. Autobußen, Taxi, Selbstablader kannte man noch gar nicht. Das Wetter war stürmisch, sogar etwas Schneegestöber. Die Wege im Winter für Maschinen nicht geeignet, daher befanden sich noch weniger Maschinen auf Reisen, weil die Fahrer nicht im Schnee wollten liegen bleiben, ganz besonders, wenn sie alleine fahren sollten. Der Vorsitzende war auf seinem Schlitten zu Pferd nach Sorotschinsk gekommen, zudem wollte er erst am nächsten Tag nach hause fahren und uns fünf Mann, ein jeder mit seinem Reisekoffer, konnte er ja unmöglich mitnehmen. Nun fragten wir ihn, ob er nicht wisse, wo wohl eine Maschine zu finden wäre, denn ein jeder Kolchos hatte seine eigene Auffahrt in Sorotschinsk. Er nannte uns eine Auffahrt und sagte: " da würde auf jeden Fall noch eine Maschine stehen, aber der Fahrer wagte sich nicht allein die Fahrt zu übernehmen, weil es doch ganz gehörig stümte." Als wir nun alle zu dieser Auffahrt kamen und auch schon die Maschine im Hof stehen sahen, waren wir ganz freudig gestimmt, denn hier könnte es womöglich glücken, heute noch nach hause zu kommen. Als wir nun den Fahrer fragten, ob er uns nicht wolle auf seiner Maschine mitnehmen bis unsere Dörfer, schüttelte er nur den Kopf. Er sagte: " In solchem Wetter bleiben wir irgendwo im Schnee stecken." Aber wir gaben ihm eine ganz sichere Antwort: "Wir sind Soldaten, wir müssen heute nach Hause, wir kommen allerwärts durch, das solle er uns glauben." Und richtig, das durften wir ihm nicht noch einmal sagen. "Gut" - sagte er und schon kurbelte er seine Maschine an. Etliche Minuten, und wir verließen Sorotschinsk. Bis zum Raion, Bezirk, wo wir uns melden wollten beim Kriegsoberst, waren es 40 km, und weiter bis nach hause noch 15-20 km. Wir Soldaten auf der offenen Maschine im dünnen Kriegsmantel und ledernen Schuhen bei so einem Unwetter fingen schon an, auf der Maschine zu tanzen, denn uns fror. Daher waren wir auch gar nicht verlegen, wenn wir hin und wieder im Schnee etwas stecken blieben, denn dann ging's mit Hurra an die Arbeit, wovon wir natürlich warm wurden. Nun waren wir im Raion, beim Kriegshaus daneben stand auch eine Speisehalle in welcher wir, wenn wir uns erst beim Kriegsoberst gemeldet hatten, essen wollten, wenigstens, etwas heißen Tee trinken, denn wir waren verfroren, das wir klapperten, wir konnten kaum sprechen. - So, gemeldet hatten wir uns, - jetzt noch rasch etwas heißer Tee und weiter. Wir waren aber noch nicht bis zur Speisehalle gekommen, da begegnete uns ein Mann auf der Straße, ein Werber. "Oh",- sagte er mit erhobener Stimme, - "ihr kommt mir zur rechten Stunde, ich seh, ihr seid frisch gebackene Soldaten, solche kann ich gut brauchen, auch helfen." Dann sagte er weiter: "Wo wollt ihr jetzt arbeiten, ich kann euch mehrere Arbeitsstellen verschaffen, nur frisch drauf los." Dann fing er an, aufzureihen: "Bei jener Schule im Dorf L. fehlt ein Buchhalter, im Krankenhaus im Dorf P. fehlt ein Wirtschafter. Dort fehlt ein Tischler. Dort fehlt ein Warenhändler. Dort ein Sportler u.s.w. Wer da will, kann Morgen schon anfangen zu arbeiten. " Auch hier war ich wieder einer, der auf so einen Vorschlag einging. Die anderen schlugen mit der Hand und sagten: "Wir fahren erst nach Hause", und gingen zur Speisehalle. Ich allein ging mit dem Werber zurück ins Haus, um eine Bittschrift zu schreiben, leider ich war noch gar nicht warm und meine Hand konnte noch gar nicht schreiben, daher bat ich den Werber, er solle für mich schreiben, ich würde es dann schon irgendwie unterschreiben. So machte er es auch. Ich sagte, dass ich willig sei in der Schule L. als Buchhalter schaffen. - Aber mit solch einer Bedingung... Dann erklärte ich ihm in kurzen Worten meine häusliche Lage, von welcher ich nur wußte, aber noch nicht gesehen hatte, dass ich auf jeden Fall Morgen noch nicht könnte anfangen zu arbeiten, denn das würde die Zeit zeigen. Wenn er nun damit einginge, dann sei auch ich bereit, meinen Dienst zu leisten. Er bekam einen klaren begriff von meiner Lage, und sagte sein Jawort dazu. Und nun lief ich eiligst in die Speisehalle, denn dort warteten meine Jungens alle auf mich. Weil aber schon der Tag geneigt hatte, so hatten unsere Jungens schon keinen Tee angetroffen, hatten dagegen im Büfett ein Gläschen genommen und hatten sich in meiner Abwesenheit schon ganz gewärmt. Nur mein Gläschen stand noch voll auf dem Tisch. Wir eilten so rasch wie möglich weiter zu fahren, denn es könnte bei so einem Stümwetter rasch dunkel werden, daher hatten wir keine Zeit, noch lange zu sitzen. Deshalb nahm ich mein Gläschen, leerte es und schon sprangen wir auf die Maschine und mit Vollgas ging's los, der Heimat zu.
Von der letzten Haltestelle
bis zu meines Hauses Schwelle
trug ich meine schweren Sachen,
konnt' dabei ganz warm mich machen.
- Der Fahrer hielt die Maschine an, wir drückten ihm das
Fahrgeld in die Hand. Aufwiedersehen. - Wir sind zu Hause.
Kapitel 109
Wie es Daheim war
Im Stürmwetter, im leisen Schnee mit meinen schweren Socken, hatte ich nun den letzten halben Kilometer zu Fuß gemacht.Jetzt war an Frieren nicht einmal zu denken. Keuchend und ganz außer Atem ging ich nun in den Hof meines Elternhauses. Draußen, noch an der Tür stellte ich meine Sachen hin um einen kleinen Augenblick zu verschnaufen. Gerade in diesem Moment kam auch mein Papa, der im Dorf gewesen war, in den Hof gegangen. Wir beide trafen uns hier daraußen an der Tür. - Eine kleine Stille trat ein, dann jedoch hatte er sich schon so weit gefaßt, daß er unter Tränen und mit leiser Stimmen mir sagen konnte: "Wanja, erschrick nicht, - du hä-ä-ä-lst deine Katja nicht mehr." Dann gingen wir mit meinen Sachen ins Haus. Als ich nun gerade die warme Stube betrat, hatte Mama, die gerade bei Katja am Krankenbett saß, es schon vernommen, daß gerade jemand gekommen war. Daher kam sie nun schnell aus der hintersten Stube dem Fremden zu begegnen. Als sie mich nun sah, gab sie mir rasch ein Zeichen mit den Fingern auf den Lippen. - Ich wußte sofort;
Es durfte also nicht laut gesprochen werden. Dann trat sie ganz nahe an mich heran und sagte: " Mit Katja sieht es sehr schlecht aus." Mama meinte, daß sie augenblicklich sterben könnte, wenn ich nun, ohne sie zuvor vorbereitet zu haben bei ihr ans Krankenbett treten sollte. Daher fragte sie mich, ob ich nicht ein Geschenk für sie mitgebracht habe. "Ja, natürlich", sagte ich dann. Ich öffnete gleich meinen Koffer mit den Geschenken. Oben aber lagen auch noch die Apfelsinen, die ich zusätzlich noch mitgebracht hatte. Weiter durfte ich auch schon nicht kommen. Mama nahm eine Apfelsine zwischen Zeigefinger und Daumen und sagte: "Es langt." Dann ging sie in die große Stube zu Katja , zeigte ihr die Apfelsine und sagte: "Schau mal her, Katja." Ich ging mit klopfendem Herzen leise bis zur letzten Tür nach und lauschte mit angehaltenem Atem, was Katja nun wohl sagen würde. Dann vernahm ich die schwachen Worte: "Wanja ist gekommen. Wo ist er?" Darauf sagte Mama: "Wie kannst du das sagen? Woher weißt du das? Außerdem, wirst du nicht erschrecken, wenn er kommt?" "Nein, laß ihn nur kommen," sagte Katja dann. Mama drehte sich um und machte mir einen Wink. Nun machte ich mich ganz stark um ganz ruhig und gelassen ins Krankenzimmer zu treten und bei meiner Katja keine Aufregung zu zeigen. Welche Gedanken mich überfielen in der Zeit, wo ich von der Tür bis ans Krankenbett ging, weiß kein Mensch, auch ich nicht mehr. Ich weiß nur, daß meine Vorstellung von diesem Bild keine Ähnlichkeit mit der Wircklichkeit hatte. Oh, - oh, wo ist meine Katja? Wie war sie einmal und was ist von ihr übriggeblieben? Totenbleich, mager, ein wahrhaftiger Todesschatten. Wo ist die frohe, freundliche Jugendaussicht? Wo sind die geröteten Wangen? Wo ist das traute liebliche Augenpaar in dem so viel mehr als Worte zu lesen waren? Ich glaubte etwas von dem vorigen zu sehen und sah es nicht. Nur ihre schwache Stimme zeigte noch Ähnlichkeit mit der Vorigen. - Nun stand ich am Bett etwas gebeugt vor meiner Katja, unsere Blicke begegneten sich. Ich sah in ihre trüben Augen und sie wahscheinlich in meinen betrübten Blick. Ich reicht ihr nun die Hand auf das langersehnte Wiedersehen. Darauf sammelte sie noch so viel Kraft und hob auch ganz langsam ihre bleiche, fast durchsichtige Hand und legte sie in die meinige. Auf mein Begrüßungswort gab sie keine Antwort. Dann ließ ich ihre Hand wieder behutsam los, und sie schloß wieder die Augen. Als ich mich nun neben ihr auf den Stuhl gesetzt hatte, zeigte Mama mir auch noch unser Kind, den Wanja. Es war nun ein Jahr und zwei Monate alt. Hier wollte mir der Verstand stehen bleiben. Ich war still - ja ganz still. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, ich wußte auch nicht, was ich fragen sollte. Ein jämmerliches Bild, schauderhaft anzusehen. Sowas hatte ich im Leben noch nicht gesehen. Es war ganz mit Skorphulös bedeckt, ganz besonders der Kopf. Der ganze Kopf war mit einer Borkkruste von Blut und Eiter bedeckt. Das eine Ohr schon ganz verfressen, hatte schon keine Ähnlichkeit mehr mit einem gesunden Ohr, außer daß etliche Fetzchen wie blutiges Fleisch hingen. - Ach, ach - Kann das wohl noch ein Mensch geben? Ob das Kind nun große Schmerzen hatte oder ein großes Unwohlsein fühlte, weiß ich nicht, aber es weinte viel und war sehr unruhig. Man konnte das selbsverständlich nicht mit einem gesunden Kind vergleichen. Lieber Leser, stelle diese Worte (ein jämmerliches) auf die Punkte von S. 538, so bekommst du die Antwort auf jene Frage, und du wirst wissen was für eine Ahnung mich damals schon beschlich. Um es zu glauben lies noch einmal S. 566, die sechste und siebte Zeile. - Deshalb wollte ich mich schon im Zug werben lassen. Ich hätte schreien können ohne eine Gefahr zu sehen. So war mir zumute. Nach einer ganz kurzen Ruhe machte Katja wieder die Augen auf. Ich stellte ihr auch etliche Fragen - ganz leise gab sie dann auch Antwort darauf. Nun schien es, als schaute sie etwas lebhafter aus. Ich ging und holte alle Geschenke, die ich für Katja mitgebracht hatte. Und als ich ihr nun eins nach dem anderen zeigte, vernahm ich in ihren Gesichtszügen ein kleines Lächeln. Wie erleichtert sagte sie dann mit einmal diese Worte: "So jetzt will ich auch wieder leben." "Das freut mich", gab ich zur Antwort. - Dann aber schloß sie wieder die Augen. Währenddessen war es Abend geworden. Im Dorf hatte man schon gehört, Walde Johann ist nach Hause gekommen. Daher kamen am Abend auch schon Gäste zu uns. Um Katja nicht ohne Aufsicht zu lassen, blieben wir mit den Gästen in der großen Stube. Damit es Katja nicht zu hell wurde, stellten wir die Petroleumlampe auf den Tisch. Unsere Unterhaltung war gar nicht laut. Ich aber gab immer Obacht auf Katja, und hin und wieder gab ich ihr einen Schluck zu trinken. - Die Gäste gingen nach Hause. Dann machten wir Vorbereitungen zum Schlafen gehen. Mama sagte zu mir: "Obwohl du zwar müde von der Reise bist, so wirst du wegen all dieser Aufregung doch nicht schlafen können,deshalb wirst du heute Nacht die Wache bei Katja halten. - Neben Katjas Bett stand ein Glas Tee, Medizin und ein Löffel. Etwas weiter zu den Füssen stellten wir die Lampe auf einen Stuhl. Dann rückten wir eine leichte Ruhebank näher zu diesen Stühlen, worauf ich mich dann ganz nahe bei Katja etwas hinlegen wollte. Ich legte mich mit dem Kopf zum anderen Ende, damit ich Katja fortwährend ins Gesicht schauen konnte. Die Lampe hatte ich nieder gedreht, damit sie ganz schwach leuchtete. Ich war nun mit Katja ganz allein in dieser Stube. Um Mitternacht, wo alles schlief und still war, rief Katja: "Wanja, schläfst du?" Ich richtete mich sogleich auf und fragte: "Katja, was willst du?" Dann schaute sie mich eine Weile an und sagte dann: "Wanja, ich will lieber sterben." Ich schaute sie nur an, sagte aber noch nichts, denn ich dachte, sie würde noch mehr sagen. Dann aber sagte sie: "Wanja, du sagst ja nichts." Jetzt war ich aber doch gezwungen etwas zu sagen. Und so sagte ich: "Katja, ganz wie du willst, so will auch ich." - Was sollte ich auch anderes sagen? Sagen: "Stirb nur", war nicht schön. Oder sagen: "Nein, ich laß dich nicht sterben", ging auch nicht. Daher wiederholte ich noch einmal: "Ganz wie du willst." Ein Weilchen schaute sie mich noch an, dann sagte sie noch: "Wanja, mach aus unserem Kind einen guten Menschen." Dann schloß sie wieder die Augen. Das waren die letzten Worte, die meine liebe Katja mir noch kurz vor ihrem Sterben gesagt hat. Ob sie Schmerzen hatte, kann ich nicht sagen, sie verhielt sich sehr ruhig, hatte die Augen meistens geschlossen. Nur wenn sie trinken wollte, öffnete sie die Augen. Die Bestellung war gemacht, weiter hatte sie nichts mehr zu sagen. Sie war mit Allem fertig. Sie hatte auch meine Heimkehr abwarten können. Von Stunde zu Stunde zeigte sich schon immer bemerkbarer das sichere herannahende Ende. Der Atem war schwer, immer langsamer hob und senkte sich die Brust. Das Herz schlug unregelmäßiger. Ein leises Rufen vernahm sie immer weniger. In solch einem Zustand verharrte sie noch ein paar Tage. Der Werber im Bezirk hatte sobald ich sein Kabinet verlassen hatte die Schule L. Benachrichtigt, daß er einen demobilisierten Soldaten, Namens Walde Iwan Iwanowitsch für sie als Buchhalter geworben. Weil ich mich aber noch immer nicht eingefunden hatte, waren sie gezwungen mich aufzusuchen. Zwei oder Drei Tage nach meiner Rückkehr kam zu uns ein Vorsteher der Schule L. um mich zu suchen und zu holen. Ich hätte ja in keinem Fall auf mich warten lassen, wenn es nicht um meine Katja so stände wie es stand. Daher bat ich ihn, meine Lage zu bedenken, auch sollte er noch nach meiner Kranken schauen kommen, damit er glauben könnte, daß gewiß heute oder morgen sich alles ändern würde, und ich mich au meinen angewiesenen Platz stellen würde. Damit hatte ich nun den Vorsteher abgefertigt. Er fuhr nach Hause. Meistens hütete nur ich Katjas Bett in diesen Tagen, denn ich hatte ja auch nichts anderes zu tun, als meine Katja zu beobachten und ihr hin und wieder ein paar Tropfen Tee einzuflößen. Am dritten Februar kam eine Tante Becker meine Katja besuchen. Sie saß auch nicht lange bei meiner Katja, denn Katja hatte ja auch nichts mehr zu beanspruchen. Tante Becker ging auch recht bald wieder nach Hause. Mama geleitete sie noch hinaus. Ich saß bei Katja. Mit einmal hustete Katja, als habe sie sich verschluckt, dann hob ich sie rasch etwas vom Kissen indem ich sie mit dem Arm unter die Schulter faßte. Da kam auch schon Mama in die Stube. Als sie aber sah, was ich gerade machte, zeigte sie aber sehr zudringend, rasch, rasch niederlassen. Sie sah in diesem Augenblicklich schon mehr als ich. Als ich sie nun losgelassen hatte, merkte ich auch schon, was mir ihr vorging. Ihre ganze Gesichtsgestalt gewann ein anderes Aussehen. Noch einmal öffnete sie die Augen und schaute uns dann scheinbar klar an. Mama bückte sich sofort nieder und fragte ob sie was wolle, sie neigte ihr Ohr zu ihren Lippen und horchte nun ihre schwache Stimme, ihre letzten Worte: "Die Engel kommen mich holen." Dann schloß sie die augen für immer. Das Krankenbett gehütet sechs Monate. Daher heißt es auch:
Der Kampf ist aus,
Die Schmerzen sind vorüber.
Im Vaterhaus,
Dort sehen wir uns wieder.
Johann Walde 3.v.rechts
mit den Eltern und
Geschwistern am Sarge
seiner Frau Katharina
geb. Neufeld. 1938. |
Wie Katja, so auch wir durften nicht mehr das Bett hüten. Jetzt fing eine andere Arbeit an. Ich ging jetzt sofort zu Tante Becker und fragte ob sie nicht wolle an meiner Katja den letzten Erdendienst erweisen: sie fertig machen zur Beerdigung. Dann ging ich zum Brigadier - ein Pferd für den morgenden Tag bestellen, um nach Podolsk 12 km zu fahren und ein Sarg für Katja bestellen. Ebenfalls dem Brigadier melden, dass er das Grab bestelle zu graben und noch anderes. Am nächsten Tag fuhr ich nach Podolsk den Sarg bestellen, denn Katja war eine Kollektivistin dieses Dorfes. Dann fuhr ich zu Katjas Schwester und befragte mich nun alles ausführlich, wie Katja sei erkrankt u.s.w. Es brachte mir ja natürlich gar nichts, als das ich nur erfuhr, wie alles geschehen war. Nun erzählte meine Schwägerin, Katja ihre Schwester, mir folgendes: " Alle Frauen im Kolchos haben müssen im Sommer weit vom Dorf auf der Steppe Sonnenblumen schiebern. Bei den Sonnenblumen sei ein Tabor gewesen, wo auch eine recht schöne Bude, eine Traktorwagenbude, gestanden habe. Ein schwarzes Gewittergewölk sei aufgestiegen, welches auf großen Regen gedroht hatte. Die Frauen haben geeilt mit ihrem Schiebern bis zur Bude zu gelangen, ehe es regnen würde. Es hatte ihnen gelungen. Zwei von all den Frauen hatten aber zu Hause kleine Brustkinder, eine davon war meine Katja. Die zwei Frauen waren sich nun einig geworden nach Hause nach ihren Kindern zu laufen, vielleicht kämen sie noch vor dem Regen fort. Und so gings im vollem Trab nach Hause. Leider hatte sie der Regen doch übereilt, zudem nicht nur gewöhnlicher Sommerregen, nein, noch vermischt mit großem Hagel. Die Frauen seien vom Schiebern schwitzig gewesen und nun wurden sie von dem kaltem Hagelregen ganz naß und waren dabei recht verfroren, weil es doch ein paar Kilometer zu laufen war. Hier habe Katja sich zu sehr erkältet und schon am nächsten Tag sei sie erkrankt. - Das war der Anfang von ihrer Krankheit.
Der Sarg war bestellt, um einen Tag durfte ich ihn holen. Dann fuhr ich nach Hause, weil noch recht viel getan werden mußte. Der Begräbnisbrief - die Einladungen mußten auf die Dörfer verschickt werden und verschiedenes anderes.
Die Begräbnisfeier fand den 6-ten Februar 1938 statt, zu welcher auch meine Dienstbrüder und alle nahen Verwandte erschienen waren. Sie legten alle ihr gefühlvolles Mitleid bei. Zur Erinnerung vom Begräbnistag sind mir noch etliche Photobilder zurück geblieben. Auf dem Friedhof, wo meine Mama ruht, wurde auch meine liebe Frau - Katja - begraben.
Kapitel 110
Ein frisches Leben beginnt.
Der Wunsch, den ich vor genau zwei Jahren in meiner Brust hegte, und nur zum Teil meiner Katja gesagt habe, ist nun fast wörtlich in Erfüllung gegangen. "Ich will, sagte ich damals, wenn ich ausgedient habe, ein frisches Leben anfangen." Dies geschah. Ich fing wirklich ein frisches Leben an. So lesen wir (Seite 538, die vierte Zeile) von meinem Wunsch: "Ich wollte, weil unser Erstling gestorben war, wenn ich ausgedient hatte, zu zweit wieder ein frisches Leben anfangen." Diese meine Worte sind auch in Erfüllung gegangen. Wenn uns nun selbst die Worte, die ich nun zitieren, niederschreiben will, nur eine ganz kleine Veränderung zeigen, so zeigt die Wirklichkeit aber eine himmelhohe Veränderung: " Ich wollte mit meiner jungen Katja ein frisches Leben anfangen" - und - "Ich konnte mit dem Jungen meiner Katja ein frisches Leben anfangen". Gerade hier, vom zweiten Satz, der unterstrichen ist, fangen wir ein frisches Leben an. Meine ganze Lebenslage war nun nicht zu beneiden. Den - wie konnte ich mit dem Jungen meiner Katja ein frisches Leben anfangen? Oder sogar - wie sollte ich mit dem Jungen meiner Katja ein frisches Leben anfangen? Wie sollte ich nun ein frisches Leben anfangen, mit meinem Wanja? Nun es wäre ja schon irgendwie geworden, aber wie? Diese meine kritische Frage, gab mir viel zu schaffen, der ich jetzt allein war, um dieses alles durchzudenken. Der ich jetzt geschlagenen und betrübten Herzens dastand. - da kam Mama mir entgegen mit zwei kostbaren Worten. - Erstens: "Für jeden Topf ist auch ein Deckel und diesen Deckel wirst du auch schon finden, deshalb nur nicht den Mut sinken lassen!" Das war ein Trost. Zweitens: "Über deinen Wanja mach dir keine schwere Gedanken, den werde ich versorgen und pflegen, bis du den Deckel zum Topf gefunden hast." Das war für mich ein unerwartetes Entgegenkommen. Daher kann ich diese Worte nicht anders nennen, als "Großmut und Wohltat". Dazu lesen wir uns noch die zweitletzte Zeile S. 26. Das Letzte war für mich, wie ein Stein vom Herzen gefallen.
Mit einem erheitertem Gemüt konnte ich jetzt meine bevorstehende Arbeit antreten. Schon den zweiten Tag nach Katjas Begräbnis packte ich meine unentbehrlichen Sachen in den Koffer und fuhr in die mir angewiesene Schule, um dann dort, wie wir schon wissen, zu arbeiten. Diese Schule befand sich im Dorf Lugowsk, 1 Km entfernt vom Dorf Podolsk, wo ich einst gewohnt hatte. Als ich mich mit dem Direktor dieser Schule bekannt gemacht hatte und den Umfang meiner Arbeit gesehen hatte, war es mir so, ich könne noch mehr schaffen. Auch der Direktor sah, weil ich in Soldatenkleider war, dass ich ein demobilisierter Soldat war, daher bot er mir auch noch andere Arbeit an. Ob ich nicht wolle als Leiter der Kriegskunde und auch noch Physkulturlehrer (Sportlehrer) zu sein? Mit großem Vergnügen willigte ich ein, worauf ich dann auch gleich als vollberechtigter Lehrer Freiquartier erhielt. Weil denn auch schon das ganze Lehrerpersonal von meiner Trauer gehört hatte, erwies es mir auch Achtung und Anerkennung. Ebenfalls alle Schüler, mit denen ich Umgang hatte, zeigten Freundlichkeit und Ehrerbietung. Und ohne es zu bemerken, war ich aus der Traurigkeit in die volle Freudigkeit des Lebens geraten. Mir schien die Sonne wieder aufgegangen zu sein. Da, wo das Leben vor etlichen Tagen den Reiz verloren hatte, da hatte sich nun freudige Energie zur Arbeit gefunden. In der zehnklassigen Schule, wo ich nun arbeitete, war, so viel wie ich weis, noch nie ein Buchhalter gewesen. Die abgelassenen Gelder von der Staatsbank für die Schule verbrauchte der Direktor ganz nach seinem Gutdünken, hatte daher auch wenig Acht gegeben auf die regelmäßige, buchhalterische, gesetzlich vorgeschriebene Geldeinteilung. Das Geld wurde für bestimmte Zwecke abgelassen: für Lehrerlohn, Schularbeiterlohn, Lehrbücher und Anschauungslehrmittel, Brand, Fahrgeld, Sportinventar und anderes. Da, wo ich jetzt als Buchhalter beständig für die Schule das Geld in der Staatsbank erhielt, verteilte ich das Geld nach gesetzlicher Vorschrift und das Geld für Sportinventar wurde nun auch strengstens nur für Sportinventar verbraucht. Für diesen Zweck war solange noch nie Geld abgebröckelt, daher war die Schule in diesem Fach arm. Jetzt aber nützte ich als Sportlehrer und Lehrer der Kriegskunde meine Rechte aus. Wenn das abgeteilte Geld auch nicht gleich den ersten Monat alle Bedürfnisse decken konnte, so hatte ich aber doch in einer Kürze recht viel angeschafft, gekauft. Fürs Kriegswesen kaufte ich Gasmasken, Kleinkaliberflinte, Patronen, Zielscheiben, Schießscheiben und anderes. Für Physkultur und Sport: zwanzig Paar Ski, Luftflinten, dazu Patronen und Kugeln, Volleyball, Fußball, machte auch einen Springgaul oder Springbock, Trampolin, verschrieb Sportkostüme und anderes.
Weil es denn jetzt in dieser Hinsicht so eine rasche, kontraste Veränderung ins Bessere gab, so war ich bei allen Schülern beliebt und hatte mir eine recht gute Autorität erworben. So dass mir das Arbeiten mit den Schülern eine wahre Lust und ein großes Vergnügen war. - Die Gabe zum Singen besaß ich auch im vollen Maße, daher hatte ich mit der Schülern auch Singstunden. Wenn ich auch nicht überhäuft war mit Arbeit, so hatte ich aber doch keine Freizeit zum langweilen. Materiell hatte ich keinen Mangel, denn ich erhielt für meine Arbeit ein recht schönes Gehalt. Und doch mangelte mir etwas, ja mir fehlte etwas: "Der Topf hatte immer noch keinen Deckel." Ich besaß eine überflüssige Liebe und Wärme, und es war noch niemand, dem ich davon konnte etwas spüren lassen. Es fanden sich Stunden, wo mich eine Sehnsucht nach einem Schätzchen beschlich, mit anderen Worten, nach einem liebevollem Weiblein. Als Lehrer hütete ich mich, mit zeitweiligen Liebschaften zu beschäftigen, ganz besonders genierte ich mich eine Zuneigung zu den Mädchen der älteren Klassen zu zeigen, denn dann hätte ich auf jeden Fall alle Achtung verloren. Es waren doch recht viele fast meines gleichen. Hierin jedoch habe ich mich im strengen Rahmen halten können. Und deshalb ging meine Arbeit so glänzend mit schönem Erfolg.
Schon war der schöne Frühling vergangen, die Sommerferien fingen an. Alle Schüler, eine Klasse nach der anderen, wurden für die Sommerferien entlassen. Die meisten Schüler fuhren nach Hause, etliche aber auch ins Pionierlager. Die Lehrer nutzten den schönen Sommerurlaub so gut wie möglich aus. Etliche waren in der Studienzeit, wo sie mußten zur Session fahren, Examen abgeben. Etliche fuhren in den Kurort und versch. mehr. - Ich blieb auch nicht ohne Beschäftigung. Ich fing an, mein früheres Hab und Gut zu suchen und zu sammeln, denn das war zum Teil wirklich verschleppt geworden. Ein und das Andere, was mir wichtig war, brachte ich zu Hauf, d.h. in Schutz. Vieles jedoch habe ich nicht gefunden, zum Beispiel, das viele Küchengeschirr. Von Katja ihrem Verdienst im Kolchos, von der letzten Ernte, von dem erhaltenem Getreide auf ihre noch verdiente Einheiten im verflossenem Jahr, hatte Katja noch nichts verbraucht. Denn sie war von meinen Eltern als krank von Podolsk nach Klinok geholt worden. Das Getreide lag bei ihrer Stiefmutter auf dem Boden. Ich ging in die Kolchosverwaltung, nahm beim Buchhalter eine Ausschrift, wann und wieviel Getreide auf Katja ihre Rechnung erhalten war. Dann ging ich zu Katjas Mutter, zeigte es ihr und sagte: "Dies Getreide werde ich zurück im Kolchos in die Hilfekasse bringen, damit es mir bleibt." Es war ja schon genug verschleppt worden. So tat ich es dann auch. Hierüber war meine Schwiegermama mir sehr böse. In den Kolchosverwaltung meldete ich von meinem Vorgang, es war niemand, der mir es als ein Unrecht anrechnete.
Wenn das Suchen nach dem Küchengeschirr auch nutzlos war, aber nach einem Deckel, von welchem wir schon eine Vorstellung haben, fing ich schon ernstlich an zu suchen und gab auch gar nicht die Hoffnung auf, ich mußte ihn finden und fand ihn. Aber es hatte seine Beschwerden, von denen ich später erst erfuhr. Es fanden sich genug Deckel, das ich auch aufpassen mußte, nicht zu stolpern über sie, - aber sie paßten nicht. So dass etliche Leute, die es alles merkten, mir schon sagten: Zwei Warnungen:
1. Blinder, tu die Augen auf:
Heirat ist kein Pferdekauf.
2. Mutter tot, Vater blind
Sieht nicht mehr sein eigen Kind.
Diese Warnungen begleiteten mich stets in meiner Suchzeit. Etliche Mädchen aus den älteren Klassen waren aber auch nicht aus einfachen Teig geformt, die waren schlau, denn bei günstiger Gelegenheit ließen sie es mir merken, dass sie eine Anziehungskraft besaßen. - Jedoch verlorene Mühe.
Bevor man Schuhe kauft, werden sie angepaßt. Diese Regel galt auch für mich. Eines Tages, in der schönen Sommerzeit, erhielt ich eine herzliche Einladung mit der Bedingung, sie aber auch zu befolgen und zur festgesetzten Abendzeit mich einzustellen. Die Hausmutter mit ihrer Tochter waren nun fleißig beschäftigt, mir ein ausgezeichnetes, fast nie dagewesenes Abendessen zu bereiten. Ein schönes Abendessen zu jener Zeit verachtete ich auch auf keinen Fall, ließ es mir auch nicht durchgehen. Daher nach Soldatenart, zur bestimmten Zeit, war ich da. - Ach, war ich doch aber ein angenehmer Gast. Wie wurde ich aber so bejammert und bedauert, dass mir meine Katja gestorben war. Und wie gerne würden sie mir Hilfe erweisen, wenn ich etwas näher wohnen sollte. Wie oft hatten sie doch der Katja geholfen, da wo ich im Dienst war. Katja ihr Kind habe sich schon fast zu ihnen gewöhnt. Die Hausmutter spielte hier die Hauptrolle, während die Tochter sich mehr bescheidend verhielt. Zudem, sagte sie dann, ist meine Tochter auch eine Katja. - Ja, hier schien es, einen Deckel gefunden zu haben. -Wir, die Tochter und ich wurden nun allein gelassen, wir setzten uns an den Tisch, die Mutter wünschte uns noch einen schönen Appetit, ebenfalls auch eine freudige Unterhaltung. Dann verließ sie das Zimmer. Also nichts zu befürchten, jetzt sollten wir unter uns noch den letzten Knoten lösen. - Das Abendessen schmeckte vortrefflich, ausgezeichnet, wirklich ein passendes Mahl- leider nicht ein passender Deckel. Da war nichts zu lösen. - Der Abend verstrich mit einem gleichgültigen Gespräch. Mit den Worten: Ein herzliches Dankeschön für die Bewirtung - Aufwiedersehen! - verließ ich das Haus.
Ein guter Freund an mir, wohnhaft in einem entlegenem Dorf, hatte eine überaus freimütige Schwester, die war allerwärts auf dem Platz, auch oft da, wo kein Platz war, man durfte sie niemals suchen. Dieser Freund lud mich ebenfalls zu einem freundlichem Besuch zu sich ins Haus ein. Als ich nun zu ihnen kam, es war ein schöner Sommerabend, saß seine Schwester, die damals gar nicht bei ihm wohnte, hier bei ihm draußen vor der Tür, sang schöne Jugendlieder und begleitete ihren Gesang mit der Gitarre. Ich grüßte ganz bescheiden und fragte, ob mein Freund zu Hause sei. Sie legte die Gitarre hin und führte mich ins Haus zu ihrem Bruder. Dann verließ sie uns und ging wieder singen und spielen. mein Freund interessierte sich ganz besonders für meine gegenwärtige Lage und erwies auch sein Mitleid an mir. Dann rief er seine Schwester durch das offene Fenster. Alsbald trat sie auch ins Zimmer und fragte, was er wünsche. Dann fragte er sie, ob sie nicht wolle uns mit einem Abendessen bedienen. Sofort ging (die besprochene Sache) los. Er selbstverständlich stellte zu Ehren für so einen gewünschten Gast noch paar Gläschen auf den Tisch mit einem Fläschchen dabei und ein schönes Abendessen wurde verzehrt. Unterdes ging seine Schwester wieder spielen und singen. den ganzen Abend entlang hatten wir vieles zu erzählen, begleitet mit Gitarrengesang. Dann aber war Zeit, nach Hause zu fahren, mein Fahrrad stand draußen vor der Tür. Ich verabschiedete mich mit meinem Freund, draußen sagte ich zur Sängerin "Gute Nacht" setzte mich aufs Rad und lies es langsam vom Hof fahren... Wieder eine Angel umsonst ausgeworfen...
Das Abendbrot ein gut's Gericht,
Fleisch war's mit schöner Sooß'.
Jedoch der Deckel paßte nicht,
Er war mir ja zu groß.
Weil ich aber von meiner Jägerei nicht viel Geschrei machte, glaubte Mama dochwohl, dass ich nicht finde. Ich kam ja inzwischen nach Hause, interessierte mich auch, wie es mit meinem Wanja stehe. Mama ihre Heilmittel, obzwar sie ja nur Hausmittel waren, hatten jedoch vieles schon erreicht, das Kind sah schon nicht mehr so vernachlässigt aus. Zuweilen teilte ich ihnen, den Eltern, etwas Unterhaltungsgeld mit. Und so wollte Mama, guter Meinung, mir in meiner einsamen Lage dochwohl etwas behilflich sein. Daher sagte sie eines Tages, bei guter Gelegenheit, sie glaube bestimmt für mich einen passenden Deckel gefunden zu haben. Dann nannte sie mir eine Person und fing an, ihre guten Seiten hervorzuheben. Zu allererst, sagte sie dann weiter, sie ist eine tüchtige arbeitsame Wirtschafterin, gutmütig, geduldig, einfach und verschiedenes mehr. Diese genannten schönen Eigenschaften deutete ich für mich ganz anders. - Geduldig - wollte ich nennen langsam oder faul. Einfach - wollte ich als nicht schön oder nicht hübsch betrachten. Arbeitsam könnte man ja schon glauben. Aber ich schaute gegenwärtig nicht nach einem arbeitsamen Esel, sondern nach einem zierlichen Reitpferd. Daher lehnte ich diesen Rat voll und ganz ab. Auch dieses war vergebliche Mühe, denn der Deckel war zu alt.
Nun aber hatte ich mit einem Mal einen Deckel entdeckt, der aber etwas im Hintergrund lag. Den wollte ich mir aber unbedingt von näher betrachten. Der könnte, so glaubte ich, für mich passend sein. Eines Tages, wieder in der schönen Sommerzeit, fragte ich einen von meinen Bekannten, wie und wann ich wohl konnte die F. mir fangen, um mit ihr ein Gespräch anzuknüpfen. - Jedoch er wußte nicht. - Dann faßte ich mir ein Herz und ging nach meinem Gutdünken direkt zu ihr ins Haus. Ich fragte natürlich, ob mit F. zu sprechen sei: sie wurde gerufen und als sie kam, bat ich sie, um Paar Worte mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Wir gingen in den Garten und setzten und gegeneinander ins grüne Gras. Das Wort natürlich hatte ich. Alle, schon vorher bedachten Fragen stellte ich. Leider vorläufig fanden sie noch keinen Anklang. Doch aber sie mußten beantwortet werden. Im Laufe unseres Gesprächs merkte ich sehr bald eine kleine Zuneigung zu meinem Wunsch, aber von der anderen Seite das große Gegenteil. Alles stellte sie in Frage. Und hier sah ich schon ein klares Bild: "Sie wollte nicht, sie konnte nicht, sie durfte nicht selbständig handeln." Anders gesagt: sie wollte erst um Erlaubnis fragen. Ich erklärte ihr meine ganze Lage, dann ließ ich sie frei bis zum nächsten Abend.
Des anderen Tages fuhr ich noch zu meinem Freund, es war Abend, denn des Abends wollte ich ja wieder zu meiner F. gehen, um das gestrige Thema weiter zu besprechen. Ich glaubte, meinem Freund von meinem gestrigen Abend zu erzählen. Darüber lachte er und sagte: "Das habe ich heute schon im Dorf gehört, das F. habe gestern Abend einen Freier gehabt." Dann sagte er weiter: "Auf jeden Fall wird dochwohl nichts rauskommen, denn ihr Bruder, etwas älter als sie, habe sich so ausgelassen: "Den Freier laß nur kommen, den treib ich mit dem Stallbesen vom Hof, der hat bei uns nichts verloren." - "Gut, sagte ich, dann weiß ich auch, wie ich meine Pistole laden muß." Oder auf was ich heute warten kann. Unterdes war es schon Abend geworden und ich ging, um mein Heil weiter zu versuchen. F. wartete schon auf mich, denn sie wußte, dass ich unbedingt wieder kommen würde. Wir gingen wieder in den Garten und nahmen den gestrigen Platz ein, aber in keinem Sinne als Verliebte, sondern nur um Paar Worte zu sprechen und dann...- Ich fragte gar nicht, nun was hat man dir alles gesagt, denn das glaubte ich schon alles zu wissen, weil ich von dem Stallbesen wußte. Daher fragte ich "für was hast du dich F. entschlossen, bist du geneigt, mir deine Liebeshand zu reichen, ich wünsche sie von Herzen zu umfassen". Doch dann fragte sie, wo ich arbeite und was für eine Arbeit ich habe. Ich erklärte ihr alles genau, wie es war, ohne jegliche Unwahrheit zu sagen. Nebenbei dachte ich aber "Jetzt weiß ich schon ganz bestimmt, was von meiner Sache wird rauskommen, - Null und Nichts." Sollte ich aber bei euch hier im Kolchos ein stiller Kolchosarbeiter sein, dann tätest du mich nehmen, aber jetzt steck ich zu tief im lustigen, lautem Leben und habe zu viel Verkehr mit all den Schülern in der Schule. Daher sagte ich zu F.: "Bedenke es gut, mir scheint, du siehst nur meine Kleider, aber das Herz siehst du nicht, daher glaube ich, du denkst ganz falsch über mich." - Dann gab sie vor: sie habe eine alte Mutter, die müsse versorgt werden, die könne sie nicht allein lassen. Auch für dieses Wort fand ich eine Antwort: "Du hast noch vier Geschwister und alle sind sie älter als du, da dürfte deine Mutter doch gar nicht allein bleiben. Aber glaub es mir, deine Mutter ist alt, über lang oder kurz, dann kann auch sie sterben und dann wird sie dich allein lassen, für immer. Dann wirst du an meine Worte denken, leider dann wird's zu spät sein." Sie war sich ihrer Meinung sicher und blieb bei dem ihrigen. Dann schlossen wir mit unserer ernsten Durchsprache. Wir standen auf, ich gab ihr die Hand mit den Worten "Lebe wohl" und verließ sie zur selbigen Stunde. - Auch ich hatte vergebens die Angel ausgeworfen.
Im Verlaufe vieler Jahren hatte ich die Gelegenheit, mich zu interessieren für die Lage meiner gewesenen F., ob sie noch lebe oder wie sie lebe. Ich erfuhr, dass sie noch lebte, auch dass sie in ihrem Leben oft genug gesagt habe: "Warum? Warum?" Die Mutter habe sie verlassen, allein gelassen, und so ist heute noch eine alleinstehende Person von über 70 Jahren und hütet dem Bruder(mit dem Stallbesen) seine Großkinder, bei denen sie jetzt auch wohnt. - Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Erst lachte F., sie hat mich fortgetrieben,
Jetzt lache ich, sie ist allein geblieben.
Von F. nun bin ich frei, das macht mir kein Verdruß.
Noch hab ich Schrot und Blei zu einem andren Schuß.
Wenn ich nun ein wahrhaftig glückliches Leben fürs ganze Leben erreichen wollte, so durfte ich in keinem Fall gleichgültig zu dieser Sache mich verhalten. Mich begleitete auch fortwährend ein Verschen:
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet.
Mein gegenwärtiges Suchen nach einer passenden Lebensgefährtin war sehr lange nicht zu vergleichen mit dem vormaligen Suchen, da wo ich noch ein Jüngling war. Für eine kurze freudige Flitterwoche hätte man auf jeden Kreuzweg und Fußsteg etwas finden können, jedoch das wäre über alle Maßen zwecklos gewesen. Eine weitere schwere verhängnisvolle Frage für mich war: - ich war kein Jüngling mehr, ich war Witwer, zudem noch mit einem Kind. Und sofern ich mit jemand anknüpfen wollte, durfte diese Frage nicht verschwiegen, verheimlicht werden. Nicht nur das allein. Ich durfte meine ganze Lage in keinem Fall kein schönes Kleidchen anziehen, d.h. verschönern, bei der die nach ernsten bedenken meine treue Lebensgefährtin werden wollte. Das hätte bei meiner Geliebten große Täuschung gegeben und bei mir große Beschuldigung, daher:
Blieb bei jenem Fischerort,
Leer die Angel hangen.
Weiter suchen - muß sofort
Wieder angefangen.
Die Sommerferien waren vergangen, auch der Lehrerurlaub war zu Ende. Bei der Schule zeigte sich wieder lautes, heiteres Leben. Lehrer und Schüler, alle hatten wieder ihre vorige Arbeitsplätze eingenommen. Von Langweilen war keine Spur. Und doch fühlte ich im tiefen Inneren ein Etwas - nach Beerdigung. Nach lieben und geliebt zu sein. - In einem Vers lautet es:
O lieb so lang du lieben kannst,
O lieb so lang du lieben magst.
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du am Grabe stehst und klagst
vielleicht zu wenig geliebt zu haben.
Kapitel 111
Lebensversicherung.
Während meiner Dienstjahren, da wo ich nicht zu Hause war, hatten die Diensthabende der Lebensversicherung im Bezirk es doch verstanden, meiner Katja die Lebensversicherung so wichtig zu machen, dass sie sich habe versichern lassen auf eine Summe von 1000 Rubel. 6 Monaten hatte sie regelmäßig die aufgelegte Geldsumme gezahlt. Doch als sie erst erkrankte, war die Zahlungslust verschwunden und damit dochwohl alles aufgehoben. Ich persönlich wußte von all diesem gar nichts. Als Katja nun gestorben war und die Diensthabende der Lebensversicherung sich doch mit der Zeit interessierten, warum Katja denn eigentlich aufgehört habe, das Versicherungsgeld zu zahlen, wurden sie mit Schrecken gewahr, das Katja schon eine geraume Zeit zurück gestorben sei. - Und so geschah es, dass Ich eines Tages, da wo ich schon in der Schule arbeitete, aus dem Bezirk aus dem Versicherungskontor eine Zuschrift erhielt, dass ich mich daselbst stellen sollte. Als ich nun in dem Versicherungskontor erschien und man mich ausgefragt hatte, ob ich wirklich Katjas Mann gewesen bin, teilte man mir ausführlich alles mit, dass Katja sich habe versichern lassen. Jetzt aber, da sie gestorben ist, treffe mir gesetzlich das ganze Versicherungsgeld. "Bitte schön, geht zur Kasse und erhaltet 1000 Rubel." Mit einem widerlichen Gefühl erhielt ich das Geld. Mir war zumute, als habe ich meine Katja für 1000 Rubel verkauft. Dies Geld hatte meine Herzenswunde wieder etwas berührt. Um den aufgefrischten Trauer mehr und rascher zu vergessen, legte ich diese Geld erstweilen in die Sparkasse. Dies war ein tüchtiger Zustoß zu dem Geld, was schon in der Kasse lag, welches ich aus dem Dienst mitgebracht hatte. Wenn ich gegenwärtig auch noch nicht wußte, was ich in Zukunft kaufen würde, aber etwas wertvolles sollte es doch geben.
Kapitel 112
Fortsetzung von 110.
Das Schuljahr 1938-39 hatte begonnen, ein jeder, wie die Schüler, so auch die Lehrer, waren vertieft in ihrer Arbeit. Auch ich hatte genug zu tun. Zu dem, was anfänglich scheinbar Nebensache war, das stellte sich immer mehr in den Vordergrund und wollte schon ganz Hauptsache werden. - Allein sein war mir zu einsam, daher fing ich ganz entschieden an zu suchen, ob ich vielleicht doch recht bald mein wahres Glück finden könnte.
Das Oktoberfest war gekommen, 2-3 Tage war man frei von der Arbeit. Ich ging nun zu meinen Eltern spazieren nach Klinok, das 10 Km entfernt lag um mich auch noch über mein Kind zu erkundigen, um dann am nächsten Tag wieder die Rückreise zu betreten. Am zweiten Feiertag, als ich nach Hause ging, ging ich durch das Dorf Pleschanowo. Hier in diesem Dorf arbeitete mein früherer Schulfreund im Warenladen als Handelsmann. Ich hatte ihn schon lange nicht gesehen, daher wünschte ich, mich mit ihm etwas zu unterhalten. Als ich in den Laden kam, waren keine Käufer im Laden und wir unterhielten uns eine Weile ganz allein, niemand störte uns. Es war ja noch Feiertag. Mit einmal vernahmen wir draußen ein Gelächter von etlichen Personen. - Die Tür wurde geöffnet und es traten drei erwachsene Mädels in den Laden. Sie waren scheinbar ganz freudig gestimmt, von Feigheit vorläufig keine Spur. Es waren Melkerinnen aus der Milchfarm. Als diese drei Käufer sich nun dem Ladentisch genähert hatten, erklärte die eine ganz frei und freudig dem Händler, das haben am Vorfeiertag Prämie bekommen, je zu 20 Rubel, und nun wünschten sie sich, dafür etwas zu kaufen. - Ich stand hier in der Nähe, gelehnt an den Ladentisch und betrachtete nun die frohgestimmten Käuferinnen, die den Handelsmann doch recht viel zu fragen hatten. Doch die Käuferin, welche nach meiner Seite hin stand, bemerkte es augenblicklich, dochwohl mit einer Vorahnung, das ich dochwohl ein Fischer sei. Sie zeigte schon keine Lust, etwas zu kaufen, als nur, dass sie zu den anderen Mädchen sagte: "Kommt, wollen gehen." Jedoch die anderen beiden Mädchen waren gar nicht so rasch fertig zum gehen und was sollte sie wohl treiben - es war ja Feiertag. Ich aber nutzte diese kurze Gelegenheit aus, und betrachtete mir dieses Fischlein von oben bis unten. Auf die Frage der zwei Mädchen zu der dritten: "Warum kaufst du nichts?" folgte nur die Antwort: "Kommt, wollen gehen". Und so gingen sie.
Ich und der Handelsmann waren nun wieder allein. Wir konnten uns nun wieder unterhalten. Doch jetzt wurde ein ganz anderes Thema besprochen. Ich interessierte mich natürlich, wer denn eigentlich diese Mädchen gewesen seien. Oh, sagte er, diese Fischchen hat noch niemand gefangen, da könntest du gewiß einen Fang machen. - Dann ging auch ich nach Hause. Voll von diesem (besonderem, zufälligen, unerwarteten) Zusammentreffen, hatte ich in den nächsten Tagen viel zu denken. Im Laden noch hatte ich mich nach ihren Namen erkundigt. Sie hießen "K", "L", "S" = Sara. Die Sara hatte mich mit ihrem ganzen äußerlichem Benehmen, auch mit ihrer ganzen Gestalt am meisten gefesselt. Daher wurde nur sie für mich zur Zielscheibe. Mein größtes bemühen war nun so schnell wie möglich das Zusammentreffen zu erdenken.
In der Schule, wo nun die Arbeit im vollem Tempo wieder weiter ging, waren meine Gedanken stets gerichtet auf das Wohl meiner Zukunft, so rasch wie möglich mein Glück zu schmieden. - Der Schulwirtschafter, mit dem ich zusammen in einem Schulquartier wohnte, war ansässig im Dorf Pleschanowo, da wo ich diese Mädchen gesehen hatte. Sein Haus stand neben dem Haus dieser Sara ihre Eltern. Als ich nun, voll von meinem Vorhaben, dem Wirtschafter mitgeteilt hatte, erklärte er mir, das er der rechte Vetteronkel über Sara sei. Nun planten wir schon beide, wie ein Zusammentreffen mit Sara zu machen wäre. - Bald darauf erzählte er mir, das in ihrem Dorf eine Hochzeit stattfinden werde. oh, sagte ich, dann ist diese meine Frage gelöst. Du brauchst nur bei dem Bräutigam auswirken, dass ich auch zur Hochzeit eingeladen werden, weiter bedarf ich nichts. Die ganze Hochzeit war ja nur Nebensache, mir fehlte ja nur der eine Hochzeitsabend, um dort aus dem lustigen Jugendkreis mein schon vorher ersehenes, erwünschtes Blümlein zu packen. - wenn nun mein erdachter Plan ausfallen würde, so müßte für den Abend auch ein warmes Plätzchen gesucht werden. Daher ging ich zu meinem Freund und bat ihn um eine warmen Aufenthaltsort für diesen Abend. Denn draußen war es voll Winter. Nun war der Hochzeitstag gekommen, zum Abend war auch ich erschienen. Als unbekannter Gast, hielt ich mich ganz bescheiden zu den älteren Gästen, die im Vorzimmer verweilten.
Alle Gäste hier schauten dem lustigen Spielen und Tanzen der hoch freudigen Jugend zu. Der große Saal war voll, so dass man gern inzwischen etwas an die frische Luft gehen wollte. Von Zeit zu Zeit gingen, bald etliche Jungens, bald etliche Mädchen hinaus ins Frische. Alle mußten sie durchs Vorzimmer bei uns vorbei gehen. Also, dachte ich bei mir, ist dies der geeignetste Moment, meine Sara zu fangen. Jetzt mußte nur die Zeit abgewartet werden, bis auch sie würde mit einmal hinausgehen wollen. Für mich, der ich hier im Vorzimmer auf der Warte saß, dauerte es natürlich lange. Jedoch mit einmal eilten wieder die Mädchen hinaus, auch Sara war diesmal dabei. Gleich stand auch ich auf und folgte ihnen nach. Und noch ehe sie alle den letzten Kleiderraum zur letzten Außentür hinausgingen, rief ich, meiner Meinung nach, etwas achtungsvoll: "Sara Jakowlewna, ein Moment". Aber meine Sara lief mit den anderen Mädchen noch weiter hinaus und ich hörte noch das Gelächter: "Was will der Russenbengel dann noch von mir?" (Auf dieser Hochzeit war die Braut eine Russin, daher waren auch viele russische Gäste, so das Sara auch wirklich glauben konnte, dass ich ein Russenbengel sei.) beim hinauslaufen hatte ich sie nicht zu halten gekriegt. Wohl aber würde ich sie fangen, beim herein kommen, den ohne Palto (Mantel) würden sie ganz bestimmt nicht lange bleiben. Ich hielt mich hier im dunklen Kleiderraum auf, bis sie wieder zurück kamen. Jetzt also packte ich sie mit so einem festen Griff, dass an ein durchwutschen, ausreißen gar nicht zu denken war, obzwar sie im ersten Augenblick auch versuchte loszukommen. Deutsch, im bittenden Ton, sprach ich sie an. "Ich wolle sie nicht verführen, ich wünschte nur den Rest des heutigen Abends mit ihr eine stille Unterhaltung zu haben, sie solle sich daher ergeben und mir meine Bitte gewähren." Und nun fühlte ich, das ihr Widerstreben nach und nach nachließ und brauchte schon nicht mehr so festhalten. Auf meinen Vorschlag, das Palto anzuziehen welches hier hing, willigte sie ein. Ehe ich sie aber ganz losließ, umarmte ich sie und drückte sie aus Liebe und aus Herzenslust. Als wir uns nun angekleidet hatten, gingen wir, ohne diese Hochzeit beendigt zu haben, zu meinem Freund in das warme Stübchen, wovon wir schon wissen, um dort unsere Bekanntschaft weiter zu machen, oder sogar fester zu machen. Ach war dieses doch ein schöner Abend. Ohne ein Jawort von meiner Sara erhalten zu haben, konnte ich sie umarmen auch zärtlich küssen. Ich fühlte, ich ahnte, ich glaubte fest mein wahres Glück nun gefunden zu haben. In so einem Sinn fing unser Bekanntwerden an. Ein kontraster oder himmelhoher Unterschied mit all den vorhergehenden Zusammentreffen oder Bekanntwerden. Dieser Abend sollte nun im vollem Sinne dieses Wortes die letzte Entscheidung treffen. Hier sollte nun eine sichere, dauerhafte Grundfeste gelegt werden, für unsere bevorstehende Zukunft. Um dieses zu erreichen, durfte nur Liebe, Geduld, Treue und Wahrheit benutzt werden. Anders jedoch könnte unser Lebensschifflein auf Klippen geraten, wo es dann sicherlich scheitern würde.
An diesem Abend wollten wir uns gegenseitig anpassen, kennenlernen. Einer dem anderen seine Biographie, mit anderen Worten sein bisherigen Lebenslauf erzählen. Die Hauptrolle in dieser stillen Abendstunde spielte ich. Ich war ja etwas älter, als meine neben mir sitzende Sara, hatte schon in meinem bisherigen Leben recht vieles erfahren, das sehen wir aus all den schon niedergeschriebenen Geschichten. Leider von solchen Geschichten erzählen das war nicht die Hauptsache. Hauptsache war, einer dem anderen mehr von seinem eigenen Charakter und seiner eigenen Beschaffenheit mitzuteilen, ohne jegliche Prahlerei und Hochmut. Die vielen Erfahrungen vieler Menschen haben es schon reichlich bewiesen dass, wer auf Hochmut baut, erleidet in seinem leben Schiffbruch, daher auch das Sprichwort: "Hochmut kommt vor dem Fall". (Eigentlich steht es in den Sprüchen, in der Bibel! - Anmerk.)
Was mir bis heute noch im Gedächtnis geblieben ist, das waren zwei Fragen: die erste durfte und konnte auf keinen Fall verschwiegen werden und das war, ich mußte meiner Sara berichten dass ich kein lediger Fischer oder Freier sei, sondern ein Witwer, ja sogar noch mit einem Kind von anderthalb Jahren. Die zweite Frage war: weil ich doch schon eine Frau gehabt hatte und mit ihr, wenn auch nur eine kurze Zeit gelebt hatte, so doch auch recht viele schöne Stunden gehabt hatte, die mir noch nicht vergessen waren, so könnte ich, wenn ich mit Sara nun ein weiteres gemeinsames Leben führen wollte, bei einer für mich nicht günstigen Gelegenheit ihr einen nie zu vergessenden schmerzhaften Vorwurf machen, mit den Worten: "Ach, meine Katja war doch viel besser als du!" Daher sagte ich es ihr schon gleich, ich wolle mich sehr bemühen, solche Worte nie zu sagen und sollte es vielleicht aber doch mit einmal geschehen, dann bat ich sie heute schon um Verzeihung (Es ist in meinem ganzen, langen, gemeinsamen Eheleben nie vorgekommen, dass ich bin auf diesen Gedanken gekommen, so was zu sagen. Ich schlußfolgere daraus, das nicht ich, sondern meine Sara hat sich so aufgeführt, dass sie einen viel wertvolleren Ersatz für Katja war, als ich je geglaubt hätte. Das ist ein unbeschreibliches Glück.). auch andere Fragen wurden beleuchtet, inzwischen begleitet mit fühlbaren, heißen Liebeserweisungen. Der schöne Abend war viel zu rasch zu Ende. Es mußte Schluß gemacht werden.
Ehe wir denn von diesem warmen Plätzchen aufbrachen, bevor ich Sara nach Hause begleitete, fragte ich sie noch ganz bescheiden: ob ich am nächsten Sonntagabend sie wieder besuchen dürfe? - sie erlaubte es mir. Dann begleitete ich sie nach Hause. Mit einem heißen Kuß und ein baldiges Wiedersehen, verließ ich sie an der Schwelle ihres Hauses und trat nun, bei Winternacht, zu Fuß, fünf Km meine Heimreise an. Hier könnte man sagen:
Im Winter, wenn es frieret,
Im Winter, wenn es schneit,
Ein Treffen mit dem Liebchen,
Dann ist kein Weg zu weit.
Kein Wind, auch kein Frost waren je so groß, mir das all sonntägliche Wiedersehen mit meiner Sara zu verhindern. Leichten Fußes ging ich nach Hause in der vollen Hoffnung, für dieses Mal nicht umsonst meine Angel ausgeworfen zu haben, denn erst nur nach einem wöchentlichem Bedenken sollte dann, so wollte ich es gerne haben, das Jawort für mich kommen, um dann auch weiter und weiter für die erste Zeit das Zusammentreffen zu genießen oder zu pflegen, um dann aber auch noch vorläufig unbestimmten Zeit das letzte und das allerbeste Zusammentreffen zu bestimmen, welches man Hochzeit nennt. Ich war mit meinem Denken noch gar nicht zu Ende, die 5 Km waren zurück gelegt, ich war zu Hause. Mit frischer Energie und frohem Mut verrichtete ich dann wöchentlich meine Schularbeit, wo ich aber doch schon am Montag auf den kommenden Sonntagabend wartete. Meine Zusammentreffen, meine Unterhaltungsstunden mit Sara waren sehr beschränkt. Sara war Melkerin in der Milchfarm, sie wohnte mit anderen Melkerinnen bei der Milchfarm im Quartier. Für alle Mädchen auf der Farm war diese Arbeit eine schwere, harte, beständige, fast unerträgliche Arbeit. Zwölf kühe pro Person mußten gefüttert, getränkt, geputzt, gemolken werden und das alles ohne jegliche Ruhetage tagaus, tagein, jahraus, jahrein, Sommer und Winter. Und kam erst die Zeit, wo die Kühe anfingen zu kalben, dann mußte die erste Zeit jede vierte Stunde gemolken werden, Tag und Nacht. Wenn sich aber noch das kalben verzog auf etliche Wochen, sogar etliche Monate, wie lange mußte dann so eine arme Melkerin bei den Kühen sitzen und melken, jede vierte Stunde. Da kann man wahrhaftig glauben, dass sie zuweilen todmüde gewesen sind, denn sie waren ja fast die ganze Zeit im Stall, ja, als ob mit den Kühen zusammen gebunden. Daher konnte ich nur am Sonntagabend kaum zwei Stunden, hier im Quartier bei den Melkerinnen, ich möchte noch hinzufügen, bei den Kühen, die kaum 5 m weiter standen, abgesondert durch eine Mauerwand, mit meiner Sara eine kurzweilige Unterhaltung haben.
Unsere Unterhaltungszeit war fest bestimmt, von 8 Uhr bis 10 Uhr, auch nicht länger. Zu dieser Zeit gingen dann die anderen Melkerinnen gewöhnlich auch etwas spazieren. Auf solche Art blieben wir beide dann allein. Aber ich wiederhole es noch einmal, nur zwei Stunden, dann waren auch schon wieder die Mädchen da, denn vor dem Schlafengehen war noch wieder eine Arbeit bei den Kühen zu verrichten. Obzwar ich vor dem Spazieren mit meiner Sara noch gar nicht so besonders eilte zu heiraten, so war ich aber doch, als ich erst sah, wie schwer Sara mit all ihrer Arbeit belastet war, bald anders gesonnen. Ein Ausweg war nur, um meine Sara von dem schweren Arbeitsjoch zu befreien, und das war heiraten, je früher je besser. Daher war meine ganze Spazierzeit mit Sara etwas über zwei Monate. Ohne vorher etwas gesagt zu haben, als ich nun eines Abends wieder gekommen war, sagte ich zu Sara: "Geh, melde deinen Eltern, das heute noch wünsche mit ihnen zu sprechen, die Einwilligung von ihnen zu bekommen, dich zu heiraten." Es war wie für Sara, so auch für meine zukünftige Schwiegereltern eine unerwartete, überraschende Meldung. Jedoch um eine halbe Stunde fing unsere allgemeine Beratung an. Auf meine schlichte, freie Frage, ob sie nicht wollten mir ihre älteste Tochter Sara geben, um sie zu heiraten und für mich als zukünftige Frau zu nehmen. Darauf erhielt ich ein williges "Ja". Gleich darauf, hier schon, wurde gleich besprochen, wo, wie und wann die Hochzeit feiern. Eine Frage nur beunruhigte Saras Eltern. Der Papa sagte: "Ihr Geldsack sei aber nur dünn." Darauf erwiderte ich: "Sie sollten sich darüber keine Gedanken machen, alle Geldausgaben mache ich, denn das aller wertvollste Geschenk hatte ich von Ihnen schon bekommen (Sara)". Mit erleichtertem Gemüt und heiteren Minen nahmen sie meinen Vorschlag entgegen. Um zwei Wochen, so wurde besprochen, würden wir dann unsere Hochzeit feiern. Damit war nun unsere Beratung zu Ende und ein kleines Stündchen dürften wir beide, Sara und ich, noch alleine verweilen. Drei Abende aus unserer Spazierzeit konnte ich als besonders glückliche nennen. Der erste Abend, wo Sara ihre Zuneigung zeigte, um bekannt zu werden. Der zweite Abend, wo sie dann schon völlig ihre Einwilligung gab, meine Gehilfin zu werden. Und der dritte Abend, wo auch ihre Eltern keinen Widerwillen zeigten. Ohne Scheu auch ohne jegliche Hintergedanken oder List konnte ich nun mein Glück für die bevorstehende Zukunft weiter schmieden. Kurz gesagt, wir waren beide freudig gestimmt. Ein Spruchwort : "Man ist gehoben, dass man kaum den Erdboden unter den Füßen spürt." Damit war der Freiabend zu Ende.
Kapitel 113
Die zweite grüne Hochzeit.
Zwei Wochen Vorbereitungszeit zur Hochzeit -das war verhältnismäßig sehr wenig. Diese ganze Vorbereitungsarbeit war meistens nur auf Saras Eltern abgesehen. Sara schrieb wohl eine Bittschrift an die Vorsitzenden des Kollektivs um sie zu entlassen, jedoch so rasch ging es doch nicht. Daher war sie doch noch etliche Zeit an ihre Arbeit gebunden. Erst nur ganz kurz vor der Hochzeit wurde sie entlohnt. Ich dagegen hatte mit all den Vorbereitungen weniger zu tun. Einzig und allein, ich suchte und kaufte weißen Stoff zum Brautkleid, brachte es dann Sara, damit sie sich dann könnte das Brautkleid nähen lassen. Dem Schwiegervater brachte ich das notwendige Geld, der dann nach unserer Berechnung alles kaufen und beschaffen sollte. Ich bemerkte, dass er diese ganze Arbeit mit Liebe und Lust verrichtete, war es doch wohl die erste Tochter, die sie nun ausfertigen wollten. Nicht nur das allein, mir schien, ich hatte bei Saras Eltern großes Anerkennen, daher hatte ich auch lieb gewonnen. - Meine Schularbeit mußte ich aber doch pflichtgetreu Tag für Tag machen. Da gab es keinen Heiratsurlaub, wie es heut zutage gibt. Wollte ich mich inzwischen erkundigen über die ganze Vorbereitung, das konnte ich nur am Abend tun. 5 Km zu Fuß gehen, manchmal noch im losen Schnee, das war dann immer ein recht schöner Spaziergang. Sara ließ sich ihr Brautkleid von einer bekannten Schneiderin nähen. Das Geistige und erfrischende Getränke besorgte der Schwiegervater. Das Gebäck und anderes hatte die Schwiegermutter zu bestreiten. Der Polterabend (anders gesagt, der Geschenkabend) sollte in Saras Elternhaus statt finden. Am Hochzeitstag sollte hier auch gegessen werden. Selbst die Hochzeit sollte im Kolchosklub gefeiert werden, der sich hier schräg über der Straße befand. Mit der Einladung mußten wir uns sehr beschränken, d.h. im engeren Rahmen halten, denn Bekannte und Verwandte waren beiderseits zu viel. So viel Gäste könnte ein gewöhnliches Wohnhaus unmöglich fassen. Zudem war es ja Winterzeit. Selbstverständlich gab es Beleidigungen, aber was konnte man machen? Daher wurden nur die allernächsten auswärtigen Gäste eingeladen, d.h. aus den Nachbardörfen. An der Zahl waren ungefähr 35-40 Paar. Die Dorfbewohner samt der ganzen Dorfjugend waren ja alle freundlich eingeladen, auch beinah das ganze Lehrerpersonal.
Nun waren die tage der emsigen Vorbereitung zu Ende. Der letzte Sonnabend, wo der Polterabend (Geschenkabend) sein sollte, war gekommen. Auch an diesem Tag noch hatte ich ohne eine Unterbrechung meine Schularbeit zu machen. Als ich nun meine letzte Unterrichtssunde antrat und in die Klasse ging, machten die Schüler, die von meiner Hochzeit schon wußten, mir einen netten, stichligen, halblauten Vorwurf, indem sie sagten: "...und wir dachten, wir würden diese Stunde schon frei sein, ist ja Sonnabend!. Ganz richtig. Aber ich durfte keine Stunde auslassen. Als nun der Unterricht zu Ende war, war mir eines geblieben - so schnell wie möglich meine Reise anzutreten, denn die Abendzeit war ganz nahe. Daher war an kein Essen zu denken, nur noch andere Kleider anziehen, und, wie man sagt, im Galopp fort. - während unserer Spazierzeit hatten ich uns Sara uns doch recht viel Versprechungen gegeben, das haben wir schon etliche Blätter zuvor gelesen, das einer dem anderen nie dürfe oder wolle Herzeleid, Beleidigung, Täuschung oder Schmerzen verursachen. Ein schöner Vorsatz, nicht wahr? Und doch, schon am Geschenkabend bereitete ich meiner Sara, wider meinen eigenen Willen, eine große Unannehmlichkeit. Nämlich, so sehr als ich auch geeilt hatte, ich kam doch etwas zu spät. Es waren schon etliche Gäste zum Abend erschienen. Es kam aber doch alles ins richtige Geleise und erfolgreich wurde dieser Abend beschlossen.
Von den Poltergeschenken kann man folgendes berichten: jene Zeit im Vergleich mit der gegenwärtigen Zeit war eine recht arme, daher waren auch nur die Geschenke von geringen Wert. Ausführlich kann ich es schon nicht mehr beschreiben, aber wir wurden doch mit allerlei beschenkt. Es war etwas Küchengeschirr, Tafelgeschirr, Handtücher, Kattunware, Löffel, Gabeln, Messer usw., alles hatte Raum auf einem Tisch. Damit war der Polterabend (Geschenkabend) zu Ende.
Am Hochzeitstag als schon die Gäste reichlich erschienen waren, wurde zu Mittag gegessen. Meine Sara war indes schon geschmückt worden. Nachmittag gingen wir und auch noch andere Liebhaber zum Photograph, der hier ganz in der Nähe wohnte, und ließen uns noch photographieren. Dann versammelten wir uns alle im Klub. Hier wurde gespielt, musiziert, getanzt und gesungen. Inzwischen hielt ein Lehrer eine Einleitung, Belehrung für das junge Brautpaar. Nach dem Abendessen wurde im Klub Fortsetzung gemacht, hier beteiligte sich meistens nur die Dorfjugend, die auswärtige Gäste waren rechtzeitig nach Hause gefahren. Als der Hochzeitsabend zu Ende war, gingen auch wir dann zu Sara nach Hause. Ein und das andere wurde dann noch im engeren Familienkreis beim Nachtessen besprochen und verhandelt, über den ganzen gewesenen Hergang der Hochzeit. Dann aber mußte auch ich, nein, nicht nur ich, sondern wir, ich und Sara, uns aufmachen und zu mir nach Hause fahren, denn Morgen, am Montag früh, mußte ich schon in der Schule sein. Daher räumten wir zusammen, packten unser Hab und Gut ein, - Sara ihre Kleider, etwas von Bettsachen, die Geschenke, die alle in einem Korb Raum hatten, packten alles auf den Schlitten und Saras Onkel fuhr uns dann noch spät ins Nachbardorf. Wir verabschiedeten uns mit unseren Lieben. - Die Hochzeit war aus.
Kapitel 114
Das zweite Eheleben beginnt.
Die Arbeit in der Schule war wie vor, so auch nach der Hochzeit ohne jegliche Veränderung, ganz ein und dieselbe geblieben. Mein persönliches Leben jedoch konnte einen kontrasten Wandel verzeichnen. Denn der Witwerstand war zu einem Ehestand geworden. Nicht nur das allein. Wenn die Schularbeit bei den Schülern bis dahin war die wichtigste Beschäftigung gewesen, so war nun das neu gegründete Heim von recht fleißigen, zarten Händen, mit großer Sorgfalt recht heimisch und bequem eingerichtet geworden. Selbstverständlich wurde mir dieses Heim zum Lieblingsort geworden. Verse aus einem Lied lauten:
1.Ich liebte über alles wohl
Mein selges trautes Heim
Dort lebte ich einst wonnevoll,
da möchte ich oftmals sein.
2.Und wie der Wellen Wechselspiel,
im großen Ozean,
so wechselt auch der Menschen Ziel,
und ändert seine Bann.
3.Und steh ich nun beim Monden Schein,
am fremden fernen Ort,
dann schleicht ein stilles Sehnen ein,
Und stets hör ich das Wort.
Chor: Mein Heim, mein Heim, du bist so schön,
Dich rühm ich frei und laut.
Mein Heim, mein Heim, die bist so hold,
Und traut, du bist so hold und traut.
Noch andere Verse, die diesem ähnlich sind:
"Sucht man auf Erden ein schönes Plätzchen,
das kann man finden beim lieben Schätzchen."
"Du bist so schön, ich geh nicht fort,
an deinem Herzen ist der schönste Ort."
"Das sind die glücklichsten der Stunden,
wo sich zwei Herzen treu verbunden."
Aus diesen kurzen Gedanken sehen wir, das mein Los auf ein unaussprechlich großes Los gefallen war. Besser wäre schon nicht zu wünschen. Meine Wahl hat mich im Leben nie gereut. Sara war mir mein Leben lang mein Leben lang eine treue Gehilfin und eine liebe Lebensgefährtin. Ich habe in meinem Leben manchmal den Ausdruck gebraucht : " Eine bessere Lebensgefährtin kann man nicht finden." Ich kann mich auch gut erinnern das, während unserer Spazierzeit, da wo ich sah, wie schwer die Melkerinnen mit schwerer Arbeit belastet waren, zu Sara gesagt habe: "so schwer sollst du bei mir nie arbeiten, wenn du nur das Quartier mir nett und fein heimisch einrichten wirst, dann den Tisch nach Möglichkeit decken wirst, d.h. kochen und backen nach guter Art verrichten wirst, dann will ich voll und ganz mit allem zufrieden sein, auch nie über etwas murren, ja sogar auch dann, wenn es manchmal nicht nach Wunsch und Willen ausfallen würde. Von meiner Seite wolle ich dann nach Möglichkeit das treffende und das fehlende immer beschaffen." Von Anfang bis heute, fast 50 Jahre, hast sie kunstvoll, pflichtgetreu, ohne Unterlaß, dazu auch noch mir zu Lieb ihre Arbeit nach Möglichkeit, den verschiedenen Lebensverhältnissen gegenüber, treu erfüllt. Ich bin stolz auf mein Weiblein, auf meine Sara.
Indem ich nun wieder das Wort oder den Namen "Sara" geschrieben habe, bin ich unwillkürlich auf einen Gedanken gekommen, der mich in die weite Vergangenheit, ja bis zurück in die Dorfschule führt.
Ich war damals im fünften oder sechsten Schuljahr. In der zweiten Klasse war von all den Mädchen auch ein Tinchen, das heißt Tina oder Katja. Dieses Tinchen hatte besondere Eigenschaften an sich, sie führte sich auffallend auf, ganz besonders, wenn der Lehrer sie etwas fragte. Drei Klassen waren im Schulzimmer, daher, wenn der Lehrer dann sagte: "Jetzt wird Tinchen antworten," dann war ich immer neugierig, das Tinchen zu beobachten, sie stand dann auf, denn Kopf etwas eingedrückt, nach einer Seite gehalten, mit freundlicher Mine, kauerte sich dann etwas hin. Gar keine klare Antwort, obzwar ganz richtig geantwortet. Ich persönlich hatte mich an das Tinchen so verekelt, das ich schon damals dachte: "Eine Frau oder ein Kind, oder richtiger gesagt, ein Tinchen werd ich im Leben nicht haben." - Und was meint ihr, meine erste Frau war ein Tinchen. Ich aber habe sie nie Tinchen genannt. Ich nannte sie Katja. Und schon eine Woche nach der Hochzeit wurde sie von allen im ganzen Hause Katja genannt. Trotz mein festes Vornehmen, so war ich doch an einem Tinchen hängengeblieben.
Von den noch kleineren Mädchen in der ersten Klasse, war auch eine Sara. Die war sehr skrofulösig, ihr ganzes Gesicht war voll kleine Geschwürchen, an den Ohren, an den Augen, unter der Nase, an den Lippen und wer weiß, wo noch. Die kranken Stellen waren zuweilen eitrig. Von dem nicht waschen können, war sie ganz schmutzig im Gesicht. Die Augen selbst waren auch eitrig. Die Nase war immer naß, zuweilen grün-nass, abwischen war fast nicht möglich, mit all den rohen, nassen Geschwürchen, daher sah das Mädchen nicht anziehend, unappetitlich, eklig aus. Auch hier hatte ich dieselben Gedanken: "Eine Sara werde ich im Leben nicht haben". Auch hier fügte sich mein Lebensschicksal so, dass ich jedoch in späteren Jahren eine Sara fand, die mir nicht ein Ekel war, sondern das Gegenteil, den sie hegte in sich so eine wunderbare entzückende Anziehungskraft, so das ich auch an einer Sara hängen blieb.
Wir haben uns etwas mit Nebengedanken beschäftigt, daher gehen wir wieder zurück zu unserer Schularbeit.- Schon anfangs Schuljahr traf in unserer Schule ein zugereister Schulinspektor ein, der auf jeden Fall seine bestimmte Schulfragen zu regeln hatte, zum Beispiel, für Aufklärung u.a. Mit Hilfe dieses Inspektors trat ich nun das Fernstudium an, in einem pädagogischen Technikum, das sich in der 100 Km entfernten Stadt Busuluk befand. Nun war ich Fernstudent geworden, ich hatte viel zu lernen, denn all mein Wissen war noch nicht zu beneiden. In den Winterferien war ich selbstverständlich nach Busuluk zur Session gefahren, da wurde ich erst recht inne, wieviel ich noch im Lernen nachzuholen hatte. Daher hatte ich noch viel Arbeit, um zur Frühlingsession zum Examen fertig zu werden. Die junge Frau wollte ich aber auch nicht Aufsicht lassen, deshalb schenkte ich auch ihr nach Lust und Möglichkeit meine Aufmerksamkeit. So das sich keine Freizeit für etwas Nebensächliches für mich fand. Noch gar nicht so besonders viel Tage in meinem Eheleben waren vergangen, so war auch schon der Frühling da, mit ihm auch die Examenszeit, die dann wieder im Technikum mußte abgehalten werden. Hier gab es für uns beide ein Scheiden auf etliche Wochen. Die Reise nach Busuluk, die 100 Km, wollte ich auf meinem Fahrrad machen. Denn zu der waren Automaschinen wenig und Autobuße gar keine. - Nun kam der Tag meiner Abfahrt. Wir verabschiedeten uns herzlich, wünschten einer dem anderen noch alles Beste, ich setzte mich aufs Rad und fuhr dann los. Ich war noch nur ganz wenig gefahren, als es mir beifiel, das ich nicht alles hatte mitgenommen. Daher drehte ich rasch und fuhr zurück. Als ich nun ins Zimmer trat und meine Sara aber mit so einer raschen Umkehr nicht gerechnet hatte, bemerkte ich bei ihr ein etwas, für mich auch ganz unverhofft, was ich so lange noch nie gesehen hatte, das in dieser meiner gang kleiner Abwesenheit, sie ins richtige Weinen geraten sei. So unverhofft und rasch wie ich erschienen war, so rasch wollte sie auch ihre Stellung ändern, um nicht zu zeigen, dass sie geweint hatte. Jedoch die Spuren zeigten mir zu klar, das wirklich Geschehene. Auf meine Frage, was denn geschehen sei, gab sie mir keine Antwort. Auf meine zweite Frage: "Du fängst dich dochwohl jetzt schon an zu sehnen?" - darauf verzog sich ihr Gesicht in ein wehmutsvolles Lächeln. Ich hatte es geraten. Ich umarmte sie, ich hätte sie drücken können ohne Ende. Dieses war mir ein klarer beweis, wie mit einem Liebessiegel versichert, dass meine Sara mich aus wahren Herzensgrund liebte. Diesen Augenblick kann ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Jedoch als wir uns nun wieder beruhigt hatten, und ich noch das mir fehlende genommen hatte, betrat ich von neuem meine Fahrt.
Kapitel 115
Das Motorrad.
Von Busuluk war ich nun heimgekehrt, ich war wieder zu Hause. Meine Frühlingsexamen waren zu Ende, und mit einem reichen Lehrprogramm fürs nächste Jahr war ich nun wieder versorgt. Sara hatte in meiner Abwesenheit doch schon recht viel bestritten, denn neben unserem Quartier hatten wir auch noch einen Gemüsegarten, wo man den auch recht oft beschäftigt war. Ich persönlich hatte vom Schuldirektor für die Sommerferien auch Arbeit bekommen, die Renovierung der Schule samt Internat mit all den Schularbeitern durchzuführen. Hier war ich nicht so beständig Tag für Tag, wie beim Unterricht, angebunden. Ich hatte auch inzwischen freie Stunden, wo ich dann auch eins und das andere für mich bestreiten konnte. Eines Tages erzählte Jemand mir, eine für mich ganz wichtige Neuigkeit: dass der Vorsitzende der Bezirkwarengesellschaft sich ein Motorrad gekauft habe und wolle es auch schon wieder verkaufen. Hierzu spitzte ich schon die Ohren, diesen Leckerbissen tät ich gern genießen. Ich dachte:
Wenn hier das Glück mir günstig wär,
und ich dies Rad mir könnte kaufen,
dann wär ich ein gemachter Herr,
zu Fuß dürft ich dann nicht mehr laufen.
Daher eilte ich so rasch, wie möglich, mich zu erkundigen, ob es denn wirklich wahr sei. Dieser Vorsitzende war wohnhaft in Pleschanowo, auch da wo meine Schwiegereltern wohnten. Und richtig, nicht umsonst war ich gelaufen. Der Handel schlug nicht fehl, das Rad kaufte ich. Hierin eine kurze Erklärung: ich hätte ja das Motorrad nie bekommen, denn Liebhaber und Käufer waren auch in der Nähe genug, die es wohl hätten gekauft, aber: erstens, es war teuer; zweitens, die Kollektivisten insgesamt hatten nur einen dünnen Geldsack, weil sie alle im Kollektiv nur auf oder für Einheiten arbeiteten. Ich jedoch könnte mir diesen Schmaus gönnen. Meine Sparkasse erlaubte mir so einen Luxus anzuschaffen. Mit meiner damaligen Geldkasse ist der Leser schon bekannt. Im ganzen Bezirk war zu jener Zeit (1939) nur ein einziges Motorrad und das hatte ich. Wenn dann auf der Straße durch irgend ein Dorf fuhr und zu hören war es weit, denn damals fuhr nur selten eine Maschine auf der Straße, dann kamen Kinder groß und klein, ja zuweilen auch alte Leute bis an die Straße, um nur das Wunderding zu sehen, das doch so rasch fahren konnte. Machte ich dann inzwischen noch irgendwo halt, dann waren augenblicklich die Kinder wie Ameisen um mein Rad versammelt. Es war ja etwas noch nie dagewesenes.
Diese Szene wäre zu vergleichen mit so einem Beispiel: wenn jemand gegenwärtig auf der Straße sollte einen Löwen oder Tiger oder Elefanten führen, auf jeden Fall würden auch viele Zuschauer zusammen laufen. - Wenn ich heute zurück denke an jene Zeit, dann bin ich doch recht viel gefahren, habe recht viel bestreiten können und das alles verhältnismäßig in einer Kürze, weil das Rad doch so schnell lief. Zu meiner Schande muß ich aber auch gestehen, und wieviel Fahrten werden aber auch unnötig gemacht sein worden, wo meine Sara nicht immer wird zufrieden gewesen sein, sie dann zu Hause oft allein bleiben mußte. Heute erkenne ich meine Schuld, heute aber ist es zu spät, alles anders zu machen. Nicht umsonst heißt es:
Lebe so, dass wenn du stirbst,
wünschen wirst, gelebt zu haben.
Ich war ja ein Mensch wie alle andere Menschen. Wenn ich aber meine Dienstkleider - Kriegsform anlegte und mich dann aufs Motorrad setzte, dann glaubte man von mir mehr als ich in Wirklichkeit war. - So ein Fall: bei einer passender Gelegenheit, wo ich in dem Dorf Podolsk, bei so einer Motorfahrt Halt machte und sich auch schon gleich etliche Leute ansammelten, mein Fahrzeug zu bewundern, sagte eine ältere Frau: "Walde, Walde - wenn deine Katja jetzt mit einemmal dich sehen sollte, sie würde sich über alle Maßen wundern, was für ein großer, allbekannter Mann du geworden bist". - Ich war ja aber doch nur der alte Hans, wie wir auch schon vorher gelesen haben. Es ist aber womöglich eine gewisse Wahrheit in dem Sprichwort: "Kleider machen Leute".
Ein kleines Abenteuer bei einer Spazierfahrt.
Johann Walde mit seinem
Bruder Jakob auf dem
Motorrad „Krasnyj Oktjabr“
nach dem Militärdienst
im Herbst 1938. |
Auf dem Motorrad übernahm ich auch große Strecken zu fahren. Bei einer passenden Gelegenheit traf ich mit meinem Freund und Dienstbruder zusammen. Einer von uns beim Gespräch kam auf einmal auf so eine Idee: "Wir könnten ja auf dem Rad mal zu unseren anderen Dienstbrüdern spazieren fahren." Der Vorschlag war nicht schlecht, aber die Reise war etwas weit. Es waren fast 150 Km. Aber wer nichts wagt, gewinnt auch nichts. Wir übernahmen uns so einen Spaß. Er war auch Lehrer und hatte dann auch Zeit dazu. So eine Reise würde auf jeden Fall drei Tage in Anspruch nehmen. Unerfahren noch, statt das wir uns zur Fahrt einfache Kleider anzogen, da wo es beim fahren gewöhnlich ziemlich staubt. Die Sonntagskleider hätten wir in einem Täschchen mitnehmen können. Da zogen wir schon zur Fahrt die saubere Sonntagskleider an. Ich vorsichtshalber legte mich in die volle Soldatenform, um mehr geschützt zu sein, wenn auf der Reise irgend eine Kontrolle uns mit dem Querstock mit einmal Halt gebieten sollte. Mein Freund aber hatte sich ein schneeweißes Hemd angezogen, ein Halstuch (Krawatte), einen schwarzen Kostüm (Anzug), ganz nach Lehrerart. Und so begaben wir uns am kommenden Sonnabend in aller Frühe auf die Reise, um den langen Tag dann vor uns zu haben, aber auch bei hellem Tage noch bei unseren Freunden einzutreffen. Wir wollten in das Dorf Kitschkass fahren, von welchem wir schon gelesen haben. Da, wo ich vor Jahren gerichtet wurde. Bis dahin ging die Reise ausgezeichnet gut, die größte Strecke hatten wir längst hinter uns. Man hätte wahrhaftig sagen können: "Über den Hund wir und über dem Schwanz kommen wir auch." Es waren nur noch drei Km bis ans Ziel. Den langen nicht hohen Berg ging unser Rad pfeilgeschwind, fast wie auf Flügeln hinunter. Doch da, mit einem Mal unerwartet erblickte ich eine recht große Staubstelle, die ich jetzt schon, mit so einer Geschwindigkeit, nicht ausweichen konnte, daher hielt ich Kurs geradezu durch den Staub. Der Staub aber war sehr locker, zudem auch recht tief, so das man die Schuhe vollschöpfen konnte. So rasch, wie wir fuhren, so rasch aber auch blieb unser Rad im Staub stecken, wie angeklebt. Ich natürlich fiel mit dem Rad zusammen um, aber mein Freund der schoß über mich, wie ein Schwimmer ins Wasser in den tiefen Staub. Gestoßen( verletzt) hatten wir uns beide nicht, denn dazu war der Staub zu weich und zu tief. Wir standen nun beide auf, ich hatte mir nur das eine Bein voll Staub gemacht, aber mein Freund in seinem Sonntagskleid - sein weißes Hemd, sein Gesicht, aber, aber und noch einmal aber, wie ein Neger so schwarz war er, nur die Augen waren weiß. Jetzt fing erst das Lachen an, wir hätten uns krank lachen können und es nahm kein Ende. Zudem, wo sollten wir uns jetzt waschen, auf der freien Steppe ringsum kein Wasser. Wir waren gezwungen, so schmutzig wie wir waren, in das Dorf zu fahren, zu obendrein wußten wir auch nicht, wo unsere Freunde wohnten, das mußten wir erst befragen.
Als wir denn nun bei unseren Freunden auf den Hof kamen, fing das Lachen von vorne an. Hier jedoch verhalf man uns zu einem gründlichen Bad, so das wir bald wieder uns selber ähnelten. Das war ein Abenteuer, darüber haben wir noch in späteren Jahren oft gelacht. Am nächsten Tag, am Sonntag, feierten wir ein frohes Wiedersehen. Es hatten sich doch noch mehrere Freunde eingefunden. Am Montag dann traten wir unsere Heimreise an, ohne besondere Ereignisse gehabt zu haben. Das war eine Fahrt, solche kann man nicht vergessen.
Noch ein Ereignis vom Motorrad fahren.
Das Radfahren war immer ein schönes Vergnügen, solange alles in Ordnung war, wenn es dann aber inzwischen tückisch wurde, das ich auch nicht immer wußte, woran es liege, dann kam es auch umgedreht vor, dass ich es auch habe nach Hause geschoben. Eine komplizierte Sache war es für mich, das Benzin und das Öl zu bekommen. Tankstellen waren zu der Zeit noch nirgends, daher mußte ich immer bei den Autofahrern betteln, zudem noch irgendwo draußen auf den Wegen. Oft genug traf es sich auch, dass sie nicht Benzin hatten, oder auch nicht geben wollten. Hier paßt es mir, noch hinzuzufügen: die Rauchware, wie Zigaretten und Tabak, war auch selten zu kaufen, daher war immer eine Nachfrage nach Tabak. Daher geschah es auch oft, das einer den anderen fragte: "Hast nicht was zu Rauchen?" Auch mich, der ich nicht rauchte, hat man oft nach einer Zigarette gefragt, ganz besonders, wenn ich jemand auf der Steppe aufhielt und nach Benzin fragte. Nun war ich auch einmal wieder auf einer langen Reise, jedenfalls über 100 Km. In die Warenladen schaute ich gerne allerwärts hinein. Es war schon auf der Heimreise, als ich auch wieder bei einem Laden Halt machte. Wie gewöhnlich bei einer langen fahrt hatte ich meine ganze Kriegsform angelegt, an der Brust etliche Abzeichen, an der Mütze eine Fliegerstaubbrille. Auf vielen Stellen hatte man noch nie ein Motorrad gesehen, so auch hier. Also das Rad, meine Kleidung, auch mein Benehmen bei solch einer Gelegenheit machte dann bei den Leuten einen besonderen Eindruck. Als ich nun in den Laden kam, waren alsbald aller Augen auf mich gerichtet, denn es waren doch etliche Käufer hier im Laden. Die Verkäuferin hatte dochwohl soeben Tabak erhalten nun den Käufern je zwei Päckchen. Hier, dachte ich bei mir, kann ich womöglich für die Zukunft einen schönen Bock schießen. Als nun die Käufer fertig waren, gingen sie ja auch einer nach dem anderen hinaus. Blieben aber alle bei meinem Rad stehen, auch diejenigen, die gekommen waren, um in den Laden zu gehen. Nun war ich und die Verkäuferin allein im Laden geblieben. Diesen Augenblick nutzte ich aus, ging ganz frei und frech näher zu ihr, zog meine Geldtasche heraus, zeigte damit, dass ich ein Mann mit Geld sei und nicht nur einfach so in den Laden gekommen war. Dann sagte ich ganz furchtlos zu ihr: ich sei ein besonderer Käufer, schaute dabei etwas schräg in die Höh, als rechne ich etwas nach, dann sagte ich weiter: ich wolle bei ihr all ihren Tabak nehmen und wenn auch gleich 100 Päckchen. Sie wurde ganz bleich und sagte dann ängstlich: "So viel kann ich nicht." Dann aber erweichte ich etwas und sagte weiter: "nun gut , 50 Päckchen aber unbedingt, und sie solle es mir schön einpacken." Dann natürlich fing sie ihre Arbeit an, zählte mir 50 Päckchen hin, sie wurden alle eingewickelt, eingebunden, ich zahle ihr das treffende Geld, nahm meine Ware und mit den Worten - Dankeschön, Aufwiedersehen!- verließ ich den Laden. Draußen standen recht viele Leute und bewunderten das Rad. Jedoch, als ich kam gingen sie etwas zur Seite, ich packte meine gekaufte Ware drauf, kurbelte an und mit Volldampf ging es los. Mein Plan aber, den ich mir in dem Laden vorgestellt hatte, ging wirklich in Erfüllung. Ich dachte folgendes: " Sofern ich wieder jemand bitten werde um Benzin, für Tabak werde ich bestimmt bekommen." Daher steckte ich gleich zwei Päckchen in die Tasche. Als nun bei meiner Fahrt das Benzin zur Neige ging, war ich gezwungen wieder eine Maschine anzuhalten. Als nun eine Maschine in Sicht kam, machte ich Halt, stellte mich im Weg und hielt dann den Autofahrer an. Ich fragte ihn höflich: ob er nicht Benzin habe und mir nicht wolle meinen Benzinbehälter füllen. Die Antwort war: "Das wird wohl nichts geben." Dann sagte ich weiter: "Du hast vielleicht was zu rauchen?"-
"Auch das nicht, suche selber, wo ich was schießen kann." Aha, dachte ich dieses wollte ich gerade hören, faßte dann nach einem Päckchen Tabak, zeigte es ihm und fragte: "Vielleicht hast du aber jetzt Benzin?" Ach, - mit aufgesperrten Augen sagte er dann ohne weiteres Weigern: "Stell dich näher, gleich werde ich dich tränken." Beide fuhren wir uns noch glückwünschend auseinander. Mein Plan ging in Erfüllung, die Benzinfrage war für mich weiterhin kein Problem mehr.
Kapitel 116
Die Renovierung der Schule
Zwischendurch einen lustigen Ausflug zu machen, so wie wir es gelesen haben in der vorigen Geschichte, bringt ein wahres Vergnügen. Jedoch die Renovierung durfte nicht ohne Aufsicht bleiben, ebenfalls auch nicht unterlassen werden, denn für so eine Arbeit will der Sommer meistens zu kurz sein. Daher packten alle die arbeiten konnten mit an: - Die Wächter, Putzfrauen, der Heizer, die Köchin und Waschfrau aus der Speisehalle, die diensthabenden Mädchen, ja sogar meine Sara und ich packten mit an um rechtzeitig mit Allem fertig zu werden. In dieser Zeit renovierten Sara und ich uns auch ein leeres Schulquartier nach unserem Geschmack. Und als aller fertig war zogen wir in dieses Quartier ein. Der Schulwirtschafter hatte seine Arbeit auch mit dem Pferdeknecht und Hofarbeiter. Er fertigte Brand (Holz und Mist) für die Schule zum Winter an. Als dann die Lehrer von ihrem Urlaub so nach und nach wieder zurück kamen, um sich für das bevorstehende Schuljahr fertig zu machen, waren wir zurückgebliebenen Arbeiter mit der Arbeit fertig. Schule, Internat und Speisehalle, alles wartete darauf um die frischen Schüler in Empfang zu nehmen. Sogar das große und hohe Blechdach unserer zweistöckigen Schule hatten wir schön rot angestrichen. Man konnte es schon von weitem sehen, denn es zeichnete sich von all den grünen Bäumen bemerkenswert ab und winkte den kommenden Schülern ein herzliches Willkommen zu. Jetzt waren alle Lehrer wieder beisammen und unsere Arbeit wurde betrachtet und für gut befunden. Auch ich war sehr zufrieden, das ich es so machen konnte. Dazu hatten wir uns ja auch alle Mühe gegeben. Alles war schön, doch eines hatte ich zu schön gemacht, und zwar das leere Quartier, welches ich für uns eingerichtet hatte. Schon nach etlichen Tagen meldete mir der Direktor, daß ich das Quartier räumen sollte, denn er wollte es einnehmen. Ich war damit nicht einverstanden und weigerte mich. Es kam sogar zu einem ernsten Wortwechsel. Aber ich merkte bald, daß ich das Feld wohl räumen werde müssen, denn ich hatte im Obertäschchen nichts was mir vielleicht eine Stütze hätte sein können. Außerdem kam auch schon die nächste Zugeschichte, scheinbar mit einem Diplom, der dann schon ohne weiteres meine Stelle als Lehrer einnehmen sollte, und ich dann nur als Buchhalter stehen blieb. Demzufolge hatte ich auch gesetzlich kein Schul- noch Freiquartier zu verlangen. Kurzum, meine Karre stand schief, und ich hatte nichts mehr zu wollen, ich hatte abgespielt, hier hieß es - matt. Doch mich jetzt weiter als Gängelband zu gebrauchen, das erlaubte mir mein eigenes ich nicht. Ohne viel darüber nachzudenken schrieb ich eine Bittschrift um Entlöhnung, nahm die Rechnung und fertig war die Sache.
Kapitel 117
Eine Reise in den Kaukanus 1939
Die Zeiten sind veränderlich, man kann nicht immer lachen.
So ging es auch mir. Da, wo ich vor etlicher Zeit noch so begeistert, mit großem Vergnügen und zudem noch mit einem gewissen Stolz meine mir anvertraute Schulrenovierung durchführte, und die gesamte Arbeit scheinbar glänzend zu Ende ging, und ich später sogar noch Lobesworte für die geleistete Arbeit empfing, da wollte es sich in meinem Sinn gar nicht klären, daß ich jetzt arbeitslos war. Jeder erdachte Plan, samt den schönen Hoffnungen in meinem Herzen für das zukünftige Schuljahr war in so einer kurzen Zeit in den brausenden Wellen der Gegenwart auf Klippen geraten und hatte mein Schicksal völlig zertrümmert. Das wallende Blut und ein energischer Geist der jungen Leute läßt nicht zu, daß sie so schnell aufgeben, auch wenn sie manchmal unerwartet in eine Patsche geraten. Das Erste und Allernotwendigste war für mich nun nach einer Arbeit zu suchen um das Leben weiter fristen zu können. Aber das Lehrjahr hatte schon begonnen, und alle Schulen waren schon mit Lehrern versehen, so daß für mich keine Aussicht für eine Arbeitsstelle in unserem Bezirk bestand, zudem noch für so eine vielseitige Beschäftigung wie ich sie hatte. Ich hatte ja ein Motorrad, und so machte ich mich auf den Weg in die nächstliegenden Bezirke. Doch leider wo ich auch eintraf, immer gab man mir dieselbe Antwort: "Alles besetzt und vernommen." Nun war wirklich guter Rat teuer. Durch Nachforschen und Fragen war aber bald ein Variante gefunden: Eine Frau, die bei uns wohnte, hatte bei sich einen Schüler ihrer Verwandten in Kaukasus. Er sollte eigentlich nach Hause gebracht werden, falls sich die Gelegenheit bieten würde um ihn mitzuschicken. Mir war der Kaukasus zu der Zeit zwar völlig fremd, doch ich hatte große Lust dahin zu fahren und dort eine Arbeitsstelle zu suchen. So gab mir diese Frau mit der Bedingung den Schüler mitzunehmen eine Adresse, wo ich mich dann erstmal niederlassen könnte um eine Arbeit zu suchen. Diese Adresse war die Stadt "Gudermes", nicht weit von der großen Stadt "Grosnyj". Dieser Vorschlag war mir sehr passend, und ohne viel Zeit zu verlieren packten wir unsere Sachen und zogen so schnell wie möglich los. Die Hinreise mit der Eisenbahn verlief gut und ohne jegliche Strapazen. In Gudermes angekommen gab ich den Schüler unversehrt bei den Verwandten ab. Da unsere Wirtin selber Lehrerin war, bekam ich in großer Eile und nach kurzem Nachfragen einen Hinweis. Doch auch hier fand ich nichts Vorteilhaftes zu meinen Gunsten, sondern nur die uns schon bekannte Antwort: "Alles besetzt und vernommen." Nun begab ich mich noch in die Großstadt Grosnyj um vielleicht da etwas zu finden. Doch meine Dokumente die ich besaß, waren nicht entsprechend genug um wirklich Arbeit zu finden. Und so war ich gezwungen unverrichteter Dinge wieder die Heimreise anzutreten. Meine Suche nach Arbeit stieß hier auf etliche bedenkliche Fragen und Hindernisse die mit verhängnisvollen Ausgängen verbunden waren. Das Allerschlimmste war, daß in diesen Tagen ein Krieg mit Finnland ausgebrochen war und nun eine starke und rasche Einberufung vieler Menschen an die Front vollzogen wurde. Gerade Männern meines Alters traf das unerwünschte Los. Daher war mir hier ferne von Daheim sehr unwohl zumute, statt Arbeit zu finden sogar noch unerwartet an die Kriegsfront zu müssen. Trotzdem fuhr ich in die nahegelegene Stadt "Ordshonikidse" um dort, wenn auch nur flüchtig, alle ihre hervorragenden Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Das schönste Bild, welches mir von Allem noch heute klar vor Augen steht, ist die ganze große Übersicht dieser ganzen Stadtsgegend. Wie bezaubernd fesselte es mich, von einer Anhöhe die ganze umliegende Gegend, man könnte sagen stundenlang zu betrachten. Ein Naturliebhaber wie ich kann so was auch gar nicht außer Acht lassen. Es war damals eine schöne Herbstzeit. Die Sonne schien hell und klar, kein Wölkchen am ganzen Himmel. Die ganze Stadt lag mit ihren schon fast gelben Bäumen vor mir wie auf einer Handfläche. Im Osten zog sich das hohe Gebirge mit den ewig bedeckten Schneegipfeln. Sie boten einen herrlichen Anblick, wenn am frühen Morgen beim Aufgang der Sonne, die sich zuerst noch hinter den Bergen befand, und die Einwohner der Stadt sie noch nicht sehen konnten, dann bildete sich hoch oben an der Oberfläche der großen Schneemassen ein blendender goldener Lichtstreifen in der ganzen Gegend, bis dann endlich die Sonne ihren hellen Schein, über den Berggipfeln hervorkommend, in die Stadt werfen konnte. Wunderbare Pracht. Entzückt über so eine wunderschöne Aussicht konnte man wahrhaftig von all meinem Vorhaben vergessen. Doch halt! Ich mußte mich wieder fassen und mich in mein eigenes Treiben hineinlassen. Nach ganz kurzem Aufenthalt hier in Ordshonikidse fuhr ich nach Hause. Recht viel Geldausgaben gemacht und wenig oder gar nichts erreicht. Die Fahrt mit der Eisenbahn dauerte etliche Tage. Auch hier im Eisenbahnwagon wurden durch Kontrolle etliche Männer in meinem Alter abgesetzt und ohne weiteres an die Front geschickt. Bei so einem Zwischenfall bemerkte man unwillkürlich, daß sich in der eigenen Brust der Pulsschlag bemerklich verschärfte. Daher war mein größter Wunsch wenigstens nach Hause zu kommen, um wenn es schon sein mußte dann von zu Hause aus loszuziehen in den unerwünschten Krieg. Meine ganze Lage, einschließlich der Reise hatte sich wohl auf mein ganzes Nervensystem ausgewirkt, denn ich fühlte an meinem ganzen Körper ein Unwohlsein. Unerwartet, fast plötzlich entdeckte ich am ganzen Körper, hauptsächlich aber an den Händen bis zu den Ellebogen einen juckenden Ausschlag in einer größeren Form, daß ich sogar meine Hände vor den anderen Passagieren versteckt hielt. Als ich dann erst zu Hause war, konnte ich aber durch ärztliche Hilfe bald von diesem Übel befreit werden. Das Schulqartier, welches wir hatten, mußten wir schon vor meiner Fahrt räumen. Ich kann es nur meinen guten Schwiegereltern verdanken, die schon lange gestorben sind, daß sie uns ihre Türen öffneten und wir bei ihnen Unterkunft fanden, obwohl ihre Wohnfläche auch nur klein war.
Kapitel 118
Die Dorfschule in Kuterlja
Als ich mich nun im Heim bei meinen lieben Schwiegereltern nun wieder etwas erholt hatte, auch meine ungesunde Hände wieder schön aussahen, ging das Denken und Suchen nach einer Arbeitsstelle wieder los. Meiner Leistungsfähigkeit nach hätte ich ja auch Recht bald eine andere Arbeit finden können doch hatte ich schon meine Lebensfreude und Vergnügen im Lehrerspiel gefunden. Welche ich jetzt schon gar nicht aufgebe wollte. Mein Schwager war Lehrer in Kuterlja, mein Bruder war Lehrer in Klinok, meine Schwester lernte in Marxstadt.
Wohl auch auf diesem Gebiet, - und das alles trug bei, das ich so fest an meinem Vorhaben blieb. Nun aber ganz unerwartet eines Tages löste sich diese für mich schon so verhängnisvolle frage und wie es schien ganz einfach und leicht. - In unserem Dorf wo ich wohnte, im Dorf Pleschanowo sollte eine nicht volle Mittelschule eröffnet werden. Laut Vorschrift aus dem Bezirk wurde die betreffende Lehrerzahl aus vielen anderen Schulen komplektiert. Jetzt gab es freie Lehrerplätze. Auch mein Schwager musste seinen Wohnort verlegen.
Diese Gelegenheit nutzte ich so rasch wie möglich aus. Ich fuhr in den Bezirk und bat um Ausstellung zu bekommen in der Schule meines Schwagers arbeiten zu dürfen. Diese meine Bitte gewährte man mir und mit einem entsprechenden Dokument diese schon erwähnte Schule zu übernehmen fuhr ich fröhlichen Mutes nach Hause. Hier gab es kein Zögern in den nächsten Tagen trat ich meine erwünschte Arbeit in der für mich so passenden Schule an. Das bekannt werden mit allen Dorfschülern dauerte gar nicht lange - ich hatte sie bald alle um mich, wie eine Henne ihre Kückelein, weil ich ein Kinderfreund war und bin.( Nebenbei noch eine kleine Begebenheit: nach 43 Jahren, wo ich noch gewöhnter Art das alte Kuterlja besuchte und bei etlichen von meinen damaligen Schülern einkehrte wurde ich mit einem herzlichen Willkommen und freudevollen Worten. Dies ist ja unser gewesener Lehrer" begrüßt. Das waren schöne Erinnerungen von früheren Zeiten.)
"Jetzt jedoch machen wir wieder Fortsetzung von meiner Arbeit. Je weiter, desto mehr vertiefte ich mich in meine
Vergnügen bringenden Arbeit. Das Leben hatte wieder seinen vollen Reiz (Auflebung) gefunden.
Voller Freude verstrichen die kurzen Wintertage."
Doch Halt! "Dann wird nicht überfroh, - es bleibt nicht so."
Schon war der halbe Februar verstrichen, die anhaltende Kälte hatte doch wohl ihren Höhepunkt erreicht, der Thermometer zeigte noch immer über 30°C Frost, aber drinnen in der warmen Stube fühlte man sich behaglich und wohl wenn man in der Familie oder wie wir es pflegten zu tun, an den langen Winterabenden über das unlängst vergangene unruhige Leben über ein und das andere zu plaudern. Das Gespräch über den Finnländischen Krieg war in dem eigenen Heim mehr verstummt, - aber dort in der weiten Ferne noch nicht, dort war noch im vollen Sinne des Wortes: Krieg.
Und eines nachts, wir schliefen schon, da klopfte es an das dick befrorene Fenster dumpf und scharf. Und wir hörten die Worte: "Macht auf und lasst mich ein." Als wir nun die Tür öffneten, trat mein Onkel, der in diesem Dorf Vorsitzende im Kolchos war, ein. Wir merkten schon gleich Unangenehmes und er sagte zu mir: "Hans, ich hab dir eine ungewünschte Nachricht gebracht. Um zwei, drei Stunden sollst du reisefertig sein. - Ich wusste schon mehr als er sagte - Krieg. Dann sagte er weiter: "Hier hast du noch ein Laib (buchanka) Brot für die Reise und sobald die Pferde gefüttert sind geht´s los, früh morgens sollt ihr euch im Bezirk einfinden. Es sind noch zwei Männer im diesem Dorf, denen gehe ich es auch gleich melden."
Die letzte Nacht im warmen Haus,
Das ging bis auf den Grund der Seele.
Und wenn ich heute daran denk,
So möchte ich davon nicht erzählen.
Zitternd am ganzen Körper, blieben wir beide, Sara und ich, ja sogar sprachlos, ein Weilchen stehen. Hier half kein Seufzen noch Stöhnen es musste fertig gemacht werden. All zu rasch waren diese paar Stunden verflossen. Und das eine einzige Wort beim Abschiednehmen, Auf Wiedersehen sagen, war schier nicht möglich, es wollte im Halse stecken bleiben. Und so trennte ich mich von Kind und meiner lieben Sara, vielleicht für immer und ging mit meinem leichten Gepäck, ein Brot, Löffel und Krug in die eisige Kalte Winternacht hinein, wo wir drei Männer, dann auf Schlitten in den Bezirk gefahren wurden. Hier im Bezirk wo aber auch noch viele andere sich eingefunden hatten, wir alle wurden gleich am nächsten Tag weiter transportiert bis zur Bahnstation Sorotschinsk. Auch in Sorotschinsk wurden wir ohne großen Aufenthalt gleich weiter gestellt.
Unser Militärzug hatte allerwärts freie Bahn, er fuhr wie man sagt, auf grüner Straße direkt dem vorgeschriebenen Ziele zu. Eine einstweilige Militärsiedlung für unser Militär war in der Stadt Bugulma. Baschkirskie Republik wenn ich nicht irre. Hier wurden wir gänzlich Kampflektiert, ein kurzgefasstes Kriegsprogramm gingen wir durch und damit waren wir festig für die Front. Als wir nun in Bugulma angekommen, hatten wir gar nicht weit zu gehen bis unsere Militärsiedlung, denn unweit vom Bahnhof stand der Eisenbahnclub der schon darauf eingerichtet war, Kriegsmilitär in Empfang zu nehmen. Er faste in seinem Raum bei 800 Mann. Gleich am Anfang wurden wir in Gruppen verteilt, dazu wurden wir alle in Reih und Glied gestellt, unser Militärkommando stand vor uns und las uns verschiedene Vorschriften vor, worauf wir strengstens zu achten hatten. Dann wurden namentlich etliche aus den Reihen gerufen die als Gruppenführerkommandeure angestellt wurden. Auf solcher Art wurden auch Köche angestellt. Ebenfalls auch Schreiber für das Stabkontor, hier zu kam auch ich an die Reihe. Dann wurden wir in Militärform umgekleidet und in den weitren Tagen war unsere Beschäftigung nur Kriegsunterricht und Schießenlernen.
Ich persönlich hatte es gar nicht schlecht; Die Rechnung über Schussmaterial zu führen, täglich den Koch in seiner Arbeit kontrollieren und andere Schreibarbeit machen, das war persönlich meine Beschäftigung, auch gab es für mich auch noch oft am Abend Arbeit, aber das war alles erträglich, statt mit den anderen allen draußen auf dem Felde oder im Walde bei kalter Winterzeit im Schnee oder im Schutzgraben liegen und schießen lernen. Dann aber ungefähr nach dreißig, vierzig Vorbereitungstagen eines Abends wurden wir wieder alle ohne Ausnahme in Reih und Glied gestellt.
Es wurde uns ein Kriegsbefehl vorgelesen, der lautete: "In selbiger Nacht unser ganzes Kriegsmilitär zu bewaffnen, mit allem Zubehör versehen und Bereitschaft stellen, um früh Morgens punkt 8 Uhr, auf der Bahnstation den bereitstehenden Militärzug zu besteigen, der uns dann gerade zu in die Frontlinie stellen würde. Ohne jegliche Ausnahme, wurden dann noch wiederholt. Dann wurden wir freigelassen und die emsige eifrige Bereitmachung ging im volle Tempo los. Die Abendstunden langten - wir waren ganz fertig. Und nun erschalte der letzte Tagesbefehl: "Zur Nachtruhe". Achthundert Mann in dem großen Club, dreistöckige Bretterlager wo Mann an Mann, wie Heringe im
Salzfass dicht nebeneinander lagen, da war in diesem Augenblick, im großen Club eine Totenstille. Wo sonst in dieser Stunde, wenn sich alles zur Ruhe begab, noch etwa im Halbton geplaudert wurde oder hier und da ein halblautes Gelächter erscholl, da wusste in dieser Abendstunde niemand, aber auch nicht einer, etwas zu erzählen. Still, still, mäuschenstill, sogar das Atmen war stiller wie sonst.- Kaum zu glauben. Auch weiter des Nachts, - kein Schnarchen war zu hören, nur hin und wieder ein gedämpftes, aufhaltendes Husten war bemerkbar. Ich glaube, in jener Nacht hat wohl niemand geschlafen. Ganz gegen Morgen, da ich dem Atmen noch meines Nachbars wo nichts von Atmen vernehmbar war,
stieß ich ihn ganz leise mit dem Ellbogen an und fragte: "Schläfst du?" Gab er zur Antwort, ebenfalls kaum zu hören: "Ei du schläfst?" Weiter war nichts zu fragen, weiter war auch nichts zu sagen. Ich wiederholte, eine Totenstille.- Eine Fliege hätte fliegen können, man hätte es gehört. Ein jeder war für sich eingenommen. Ein jeder wird in dieser Nacht noch an Heimat und Haus, Weib und Kinder gedacht haben und an den bevorstehenden Stunden und Tage die wir also bald entgegen gingen.
11.12.84
Nun war die Nacht zu Ende.
Ein lautes- "Auf"- erscholl
und sie Soldatenhände
Bewegten sich wie toll.
Die Kleider anzulegen,
Die Hosen, Hemd und Schuh.
Dazu auch Mantel, Mütze,
Geschah in einem Nu.
Wer hier sich nicht bewegen kann,
Um rasch die Kleider anzulegen.
Der ist und bleibt ein fauler Mann.
Im Dienst, auf allen seinen Wegen.
Disziplin blüht Disziplin und ganz besonders in Kriegeszeit.
Hier muss alles flink vorwärts gehen. Kaum waren wir in den Kleidern, so erscholl auch schon der zweite Befehl: "In Reihe und Glied aufstellen." Um dann in den Speisesaal, zum Frühstück zu gehen. Als wir nun gegessen hatten, erscholl für uns zu besehen, der letzte Befehl in diesem Militärlager: "Frist, fünf Minuten, mit Flinte und Ranzen in Reihe und Glied aufstellen." es gab wohl ein Rennen, aber zur festgesetzten Zeit, standen wir fertig und im Hof in Reih und Glied.
Nun übernahm unser Truppenführer das Kommando. Da hörten wir die laut befehlende Stimme über den ganzen Hofraum erschallen: "Achtung" und hier in diesem Moment, wo wir alle gespannt horchten, was weiter kommen werde, geschah mit mir plötzlich, unerwartet etwas, was ich selber nicht begreifen noch überlegen konnte. Es wurde mir schwindelig im Kopf, ich bekam heftige, stichartige, fast unerträgliche Schmerzen am Hinterkopf, so das ich stehend an meinem Nachbarn fiel, der mich aber doch in diesem Augenblick packte bei und mich doch aufrecht zu halten. Sie sagten ein lautes: "Hallo" und der Truppenführer war gezwungen inne zu halten mit seinen weiteren Kommandos. Schon kam er eiligst zu uns her und schrie mich hart an: "Mach keinen Kram hast verstanden?" Und befahl meinen Nachbarn, mich loszulassen.
Dann sank ich aber doch zusammen und konnte kaum noch sagen, das ich große Kopfschmerzen habe. Der Truppenführer befahl nun, mich in die Kaserne zu führen und fügte noch hinzu: ,Dem werden sie schon die Grillen austreiben der Kriegstribunal, der zaudert nicht lange der gibt ihm eine blaue Bohne und dann ist er rasch geheilt. - Er glaubte, ich verstelle mich nur. Nun hörte ich aber noch ein wiederholtes: "Achtung, - vorwärts, - Marsch!". Mich aber brachten meine Kameraden in die Kaserne, dann aber sprangen sie dem losmarschierenden Truppenteil nach. - Ich lag in der Kaserne und hatte große Kopfschmerzen. Es kamen auch alsbald die Lagerärzte um mich zu untersuchen, jedoch waren sie recht grob bei all diesem, denn sie glaubten wahrscheinlich auch, das ich mich nur verstelle und dumm habe, - ich wolle nur nicht an die Front. Natürlich war ja das auch was furchtbares, aber ich war tatsächlich krank, keine Verstellung.
Ich wurde in das Lazarett gebracht, ein Kriegsprofessor wurde gerufen um mich auf den Grund hin zu untersuchen. Er untersuchte gar nicht lange, dann sagte er mit Bekräftigung zu den neben mir stehenden Ärzten: "Dieser Soldat hat ausgedient, von ihm gibt es kein Krieger mehr, er unterliegt der Entlassung." Ich befand mich im Lazarett, durch Spritzen war es mir erträglicher geworden und schon am Vormittag vernahm ich mit einmal, als sei eine Unruhe im ganzen Korpus ausgebrochen, in den Korridoren konnte man auch ein lautes Sprechen feststellen, was sonst doch nicht war, hallte in den großen Lazaretträumen von einem bis zum anderen Ende.
Auch in unser Krankenzimmer kam eine Krankenschwester, wie von einem starken Wind hergetrieben und teilte uns die letzte Übergabe aus dem Rundfunk mit. "Friede, Friede, - der Krieg habe ein Ende." - Das war ja auch wahrhaftig eine Freude, kein Wunder, das alles jauchzte und schrie": Friede, Friede. ! - Auch teilte man mir schon mit, das unser Truppenteil im Eisenbahnzug ganz fertig zu Abfahrt gewesen sei und da sei unerwartet der Befehl gekommen "Halt" zu machen. - Wegen dem Frieden. Und so kamen unsere Soldaten alle wieder zurück in die Kaserne. Um etliche Tage aber kam unser Befehl und unser Truppenteil wurde doch noch zur Front gestellt. Was die Soldaten weiter verrichtet haben, ist mir unbewusst aber sie waren noch sechs Monate dienstpflichtig. Eine Kurzzeit von etwa dreißig Tagen verweilte ich im Lazarett, dann aber war ich wieder, soviel gesund das ich schon glaubte meinen Dienst weiter machen zu müssen, aber eines Tages gab man mir alle Dokumente, ich wurde entlassen erhielt eine Freikarte für die Heimfahrt und war damit dienstfrei. Es war Frühling, gerade die Zeit des Hochwassers, im Eisenbahnzug hatte es ja für mich keine besondere Bedeutung, doch als ich erst auf unserer Bahnstation in Sorotschinsk musste aussteigen, da stand ich auf dem Bahnhof in Winterkleider und Filzstiefeln und wusste nun nicht wie ich die letzten sechzig km bis ins Heimatdorf zurück legen würde. Gerade in so einer Zeit wo es noch nicht Maschinen noch Pferde diese Strecken fuhren. Wie es nun nicht war, ich war, ich war gezwungen diesen nassen Frühlingsweg zu Fuß zu gehen. In Sorotschinsk übernachtete ich schon sehr früh am nächsten morgen trat ich dann meine bevorstehende Reise an. Über Nacht war das Tauwasser mehr von den Wegen abgezogen und mit einem Stock in der Hand, der mir passend sein könnte, dazu ohne jegliches Gepäck, ging ich dann mutig mit einem unehrlichen Trieb nach Hause. Die Reise war ja beschwerlich, nicht Winterweg, nicht Sommerweg, alles mussten meine Filzstiefel durchwaten, aber noch bei Sonnenschein vor Abend kam ich noch nach Hause. Fast drei Monate waren seit jener schauerlichen, kalten, finstern Winternacht, wo ich meiner Sara das ungewisse Aufwidersehen sagte, vergangen. Die Begrüßung war jetzt doch mit jenem Abschied nicht zu vergleichen. Das kann nur verstehen, der solche Proben im Leben gemacht hat. Nun war ich wieder zu Hause, nun war ich wieder bei meiner Schule, jedoch vorläufig ruhte ich noch von all meinen Strapazen.
In meiner Abwesenheit war der Unterricht in der Schule, fast ohne Unterbrechung fortgesetzt worden. Der Vorsitzende des Kollektivs hatte sich bemüht und hatte für diese Schule eine Lehrerin gefunden, eine junge, eine ledige, wie es später schien, ganz nach seinem Geschmack. Hier war ja auch nichts zu tadeln. Nach etlicher Ruhezeit, wo auch schon der Frühling in seiner schönen Pracht stand, fuhr ich in den Bezirk, schon wieder auf meinem Motorrad, in die Abteilung für Volksaufklärung, und erkundigte mich über meine weitere Arbeit. Zeigte meine Dokumente, das ich nun wieder dienstfrei sei und verlangte gesetzlich, meine frühere Arbeitsstelle einzunehmen zu dürfen. Der Oberst über Volksaufklärung, - richtiger Volksbildung war mit allem einverstanden und gesetzlich erhielt ich eine Vorschrift in der Schule mein Lehramt wieder anzutreten. Doch, Halt, der Vorsitzende des Kollektivs war auch kein Dummkopf, er ahnte mein Vorhaben, das ich nun wieder wie zuvor hier arbeiten wollte. Er fuhr nun eiligst auch zu dem Oberst für Volksbildung in den Bezirk und brachte mir eine Handschrift das ich mich wieder beim Oberst einzufinden solle. Ich roch schon den Braten, der Vorsitzende wollte seine Lehrerin behalten, denn ich als Lehrer, könnte ihn vielleicht zu weit in seine Spielkarten gucken, das wäre ja ein unpassendes Geschäft. Daher fingen die Reibungen an. Ich fuhr wieder in den Bezirk mit dem Vornehmen mein Ich zu behaupten, mein Ich vorzustehen, denn dazu, hatte ich gesetzlich alle Rechte. Nun war ich beim Oberst, freundlich u bescheiden unterhielten wir uns, sein Bestreben war mich mit guten Worten von dieser Schule loszumachen, ich solle eine andere Schule, in einem abgelegenen Russendorf übernehmen, auch andere Vorschläge gab er. Jedoch ich wollte damit nicht eingehen und ging auch nicht damit ein, denn es war ja das Dorf, wo meine Großeltern gelebt hatten, ein deutsches Dorf fast wie meine Heimat. Ich fragte ihn nur, ob ich was ungesetzliches von ihm verlangte. - "Nein" sagte er, aber... . dann unterbrach ich ihn wieder und sagte: "Dann gib mir nur wieder eine Anstellung in dieser Schule zu arbeiten." Dann gab er mir wieder ein Dokument meine Arbeit anzutreten. Recht kühn erwies ich mich bei meiner Arbeit, jedoch mit den Gedanken. Mit dem Vorsitzenden in einen heißen Konflikt zu kommen. Wie gedacht, so geschah es auch. Hier stießen zwei harte Steine zusammen. Ein jeder wollte sein Ich beweisen. Auch er fuhr wieder in den Bezirk, kam ohne Vorschrift zurück, nur mit der Nachricht, der Oberst bat mich höflich ihn noch einmal zu besuchen. Ehe ich noch fuhr, überlegte ich meine Kühnheit und doch so traurige Geschichte. Ich dachte darüber nach, wenn ich nun aber doch hier bleiben würde denn gesetzlich hatte ich ein volles Recht dazu, dann könnte mir jedenfalls viel Unangenehmes wiederfahren, was mir nicht nutzen noch Glück, sondern auf allen meinen Wegen nur Schaden und Unglück bringen würden, denn die Einstellung und Anschein genügten schon für das Bevorstehende. Ich ergab mich in meinem Sinn und hoffte auf einen guten Ausgang für meine weitere Lebenslage - dann fuhr auch ich wieder in den Bezirk zu meinem Oberst. Unser Treffen und unser gegenseitiges Austauschen beruhte sich auf die Oben erwähnten Worte u Gedanke zu. Obendrein gab er mir noch einen ganz guten Vorschlag um mich nur von meiner Schule abzulenken. (Dabei dachte ich aber noch nebenbei: "Den Bock den der Vorsitzende des Kollektivs jetzt schießt, den werdet ihr beide euch ganz gewiss teilen.")Und dieser Vorschlag war: "Ich sollte doch in Stadt Orenburg auf ein Jahr die Deutschlehrerkurse antreten, dann bekämme ich ein Diplom als Deutschlehrer in den Mittelschulen zu arbeiten." Damit war ich einverstanden und nun wurden auch schon Dokumente angefertigt um sie in der Stadt im Lehrerinstitut aufzuweisen zu können. Das war also für das nächste Schul- und Lehrjahr 1940/41. Denselben Sommer verbrachten wir noch im Dorf Kuterlja weil wir ja im Frühling uns einen Gemüsegarten eingesetzt hatten und der musste im Sommer besorgt werden und im Herbst eingebracht werden. Die Sommerferien in der Dorfschule waren in früheren Zeiten lang, drei bis vier Monate, da konnte ein arbeitslustiger Lehrer im Sommer recht viel Nebenarbeit machen u sich seine Lebenslage materiell recht schön verbessern. So machte auch ich es in jenem Sommer. Es fanden sich Kollektivisten die bauten sich ihre eigene Häuser und gewöhnlich fehlten solchen Leuten Facharbeiten wovon ich beinah in allem gute Kenntnisse besaß z.B Glas-, Zimmer-, Tischlerarbeit. Solche Arbeit fand ich dann für mich zur Genüge, so das ich gar nicht langweilen brauchte. Das Lehrer sein hatte für mich seine besondere Bewandtnis, daher hielt ich zu jener Zeit so zäh an dieser Arbeit. Selbstverständlich war nicht immer alles gut, doch was mir gefiel, das war: Eine physisch leichte u saubere Arbeit. Immer im trockenen, warmen Zimmer. Keine Sorge Brand machen zu müssen. Auch immer Freiquartier. das waren gute Lebensverhältnisse. Daher hatte sich doch wohl, auch schon lange her, bei den Deutschen das Sprichwort gefunden. "Ich möchte gerne im Winter Hitze und im Sommer Lehrer sein." das heißt, wie im Sommer so auch im Winter, frei von beständiger Arbeit. Hiermit wollen wir die Schule in Kuterlja für immer vergessen.
Kapitel 119
Das Studienjahr
Das kommende Studienjahr brachte für mich auch seine Beschwerden mit sich, die man auch Besorgnis nennen kann. die aller größte sorge war, wo ich meine Frau und Kind ein Obdach verschaffen könnte. wo sollte ich hin? Der erste Zufluchtsort,der erste Bergungsort, das waren ja immer, meine lieben Schwiegereltern. von ihren guten Eigenschaften, uns beiden gegenüber, habe ich schon erwähnt. Daher war der erste Ausweg für mich, zu ihnen. Als ich nun ihnen mein ganzes Vornehmen mittlerweile, das ich auf ein Jahr wollte lernen fahren und mein Wunsch und meine Bitte ihnen sagte, ob nicht Sara mit dem Kind ,mit dem Wanja, für diese Zeit bei ihnen wohnen könnte, da erhielt ich, ohne langes darüber denken, die Antwort - Ja. Wen ich heute über die Verhandlung dieser Tage nachdenke, so war es von meiner Seite nichts mehr als Frechheit und Unbescheidenheit ihnen gegenüber, von ihrer Seite mir gegenüber nur Milde und Gütigkeit. So sind gute Eltern ihren Kindern gegenüber. Jetzt war meine Frage gelöst zu meinem Gunsten. Wieder fingen wir an, wie man sagt, Sack und Pack über zu fahren. Wie viel Unbequemlichkeiten haben wir doch den lieben Schwiegereltern verschafft. Ob die Wohltaten die wir ihnen getan haben, dieses alles werden gedeckt haben, steht in Frage?! Der Vorrat von Brot, Kartoffeln u Geld das ich Sara für das ganze Jahr zurück ließ, war nicht groß, so das auch hierzu der Schwiegervater seine milde Vaterhand aufgetan hat, obzwar auch sie nur ein spärliches Leben führten. - In solchen Verhältnissen verließ ich das Heim und fuhr lernen, in der Hoffnung, nach der Studierzeit, über eine Jahr, doch wieder auf breitem Fuß leben zu können. Laut Vorschrift, zum 1 September des neuen Schuljahres traf ich, somit auch viele andere Studenten von weit und breit, beim Lehrerinstitut in Stadt Orenburg ein. Wir alle wurden in Klassen verteilt es waren wohl acht oder neun Klassen. Unser Klassenlehrer war ein Pole, schon ein älterer Mann, er beherrschte perfekt die deutsche Sprache. Er hatte den Titel Professor der Fremdsprachen. Hatte er doch, wie er später erzählte, fünf Jahre in Deutschland, fünf Jahre in Frankreich, auch fünf Jahre in England die Sprachen gelernt. Schon in der ersten Unterrichtsstunde fiel sein Augenmerk auf mich und auf seinen Vorschlag wurde ich zum Klassensprecher gewählt. In unserer Klasse waren deutsche, russische, ukrainische auch andere Studenten, diese alle sollten nun in einem Jahr Deutschlehrer werden, für die Mittelschulen. Und etliche von diesen, verstanden soviel wie gar nichts von der deutschen Sprache. Daher war mir das Lernen, im Vergleich zu solchen Studenten, wirklich ein Kinderspiel. Mein Lernen war hauptsächlich gerichtet darauf, wie ich in Zukunft den Schülern nach dem Lehrprogramm, das Material beibringen würde. Weiter brauchte ich nichts. Oft habe ich mich in den Unterrichtsstunden gelangweilt. Ich hatte das Deutsch schon in der Schule gelernt und all die Regeln und Rechtschreibungen waren ja noch im Gedächtnis geblieben. Mein Studiengeld was wir monatlich erhielten, verbrauchte ich sehr sparsam. Mein Magen musste sich zu einer beschränkter Norm gewöhnen, nur um etwas aufsparen zu können, damit ich etwas nach Hause bringen könnte, wenn ich in den Neujahresfeiern nach Hause fahren würde. Wenn auch nicht viel, aber zwanzig Kilo Mehl brachte ich zu Neujahr nach Hause. Ein kleiner Zustoß zu dem was wir noch hatten. Wohl einen Tag vor Neujahr am späten Abend, da wo die Türen schon für die Nacht verriegelt waren kam ich nach Hause. Sara, mit der Petroleumlampe in der Hand, kam und öffnete mir die Türen. Im ersten Augenblick stutzte ich denn in so einer schon übervollen Blütenzeit, hatte ich mir sie nicht vorgestellt, auch noch nie gesehen, denn es waren nur noch fünfundsiebzig Tage bis zur Entbindung geblieben, daher war sie gesund für mich noch immer ein wahrhaftig reizendes Frauenbild. Freudig und vergnügt verbrachten wir die Neujahrstage. Doch nach den kurzen Feiertagen musste ich wieder fort, um mein Studium weiter zu machen. Die Sorgengedanken häuften sich jetzt aber noch mehr, über die zukünftige Lebenslage meiner Familie, besonders meiner Sara. Meine Schwiegereltern, auf dessen Schultern nun all das kommende lag, erklärten sich wieder bereit, meiner Sara in jeglicher kritischer Lage nach Kräften zu helfen. Ich solle nur meine Sache erfolgreich beenden, es würde schon alles werden. Selbstverständlich war es mir tröstend. Nun war der Unterricht wieder im vollen Gange.- Eines Tages fragte unser Klassenlehrer mich, ob ich nicht eine Nebenarbeit übernehmen wolle, die er gefunden habe. Sie sei leicht und für eine gute Zahlung. Ich war willig, obzwar ich noch nicht wusste, was es für eine Arbeit sein könnte. Ich hatte mich ihm schon lange anvertraut, daher glaubte ich fest, diese Arbeit auch wirklich machen zu können. Nun fragte ich aber doch schon recht neugierig, was es denn für Arbeit sei. Dann sagte er mit freundlicher Miene: "Im Fliegertechnikum Deutschlehrer zu sein." Er glaubte auch ganz entschieden, das ich diese Arbeit ohne besondere Mühe machen könne, denn darauf hin, habe er schon im Kadettenkorps das "Jawort" gegeben. Doch hier stutzte ich unwillkürlich. Ich glaubte vielleicht irgendwo eine Schreibarbeit zu machen, aber Deutschlehrer im Fliegertechnikum zu spielen, das glaubte ich nicht machen zu können. Aber er war sich seiner Meinung sicher und schickte mich diese Arbeit zu übernehmen. Unser Lehrerinstitut und das Fliegentechnikum standen ganz nahe nebeneinander deswegen war es für mich auch ganz passend. Als ich nun mit wehmütigen Herzen in den Fliegerkorps ging um mich mit der bevorstehenden Arbeit bekannt zu machen, da geriet ich noch mehr in Staunen denn ich sollte nicht den Fliegerstudenten, sondern das Fliegerkommando zweiten und dritten Ranges die deutsche Sprache lehren. Aber auf die Zusage meines Klassenlehrers willigte ich auch hier ein; jedoch mit einem kleinen Zweifel. dann bekam ich auf die Hand Lehrer - auch ein wöchentliches Stundenprogramm, wurde auch in die Lehrerliste eingetragen. Nun war ich Deutschlehrer im Fliegertechnikum geworden. Weit von dem Starrköpfigen Vorsitzenden des Kollektivs in Kuterlja. Zudem hatte ich keine Kopfschmerzen mehr. Meine jetzige Arbeit war mir über alle Massen passend. Ich lernte im Institut in der zweiten Schicht, mehr Abend. Im Fliegertechnikum waren meine Lehrstunden in der ersten Schicht, gewöhnlich bis Mittag. Ach war das aber eine schöne Arbeit, ich wünschte mir damals, diese Arbeit lebenslang machen zu können. Wenn ich dann mit meiner einfachen Lehrermappe in Zivilkleidern in die Klasse eintrat und dann alle Fliegerkommandeure in ihren Fliegeruniformen wie mit Kommando aufstanden ein jeder auf seinem Platz Kerzengerade stand und warteten auf mein Begrüßungswort um darauf einstimmig eine laute Antwort zu geben, dann fühlte ich mich anfänglich selber nicht so hoch geachtet zu sein. Nach der ersten Stunden ging ich extra zum Oberst und bat ihn mir, der ich doch ein einfacher Student war, solche ehrwürdige Begrüßung nicht zu erweisen. Dann sagte er ganz ruhig u gelassen in einer ehrfurchtsvollen Weise: "Das ist Kriegsordnung, Schuld und Pflicht eines jeglichen, sich ordnungsgemäß zu verhalten." Dann fügte er noch hinzu: "Und wenn jemand meine Aufgaben nicht erfüllen noch befolgen würde, sei es ihm gleich zu melden." Ein wahres Vergnügen mit solchen disziplinierten "Schülern" zu arbeiten. Nach verlaufen eines Monats erhielt ich auch meinen ersten Lohn. Das war doch weit mehr, als vom Munde etliche Rubel aufsparen. Jetzt konnte ich meiner Familie etwas mehr zukommen lassen, und so verstrichen die Tage einer nach dem andern, jedoch in den Märztagen wartete ich schon alltäglich auf Nachrichten von zu Hause. In diesen Tagen sollte der Storch in meiner Familie erscheinen. Und ganz richtig, wie geraten, im halben März kam eine Nachricht das uns ein Töchterchen geboren und vorläufig alles in Ordnung sei. Jetzt konnte ich mich mehr beruhigen, ich lernte und arbeitete und wartete auch auf das Ende des laufenden Schuljahres, dann sollte ja doch alles wieder in die Gleisen kommen. Der Frühling trat ein und schon wurde immer mehr von dem bevorstehenden Frühlingsexamen gesprochen. Auch mit dem oder bei dem Jahresexamen hatte ich fast keine Arbeit, alles gab ich glänzend ab. Schon vor Abschluss des Lehrjahres gab man uns eine Liste von vielen Schulen aus allen Bezirken des Gebiets, wohin dann die Lehrerschaft einen jeden neuen Lehrer hinschicken wollte um dort dem Staat für das Lehrjahr zwei Jahre abzuarbeiten. Mir persönlich wurde diese Liste vom Klassenlehrer eingehändigt und gesagt:" Ich dürfte, für mein ausgezeichnetes Lernen, mir nach Wunsch und Willen eine Schule aussuchen in der ich arbeiten wolle und das sollte dann mein zukünftiger Arbeitsplatz sein." - Ich wählte mir eine Schule unweit von der Stadt Busuluk im Kurortbezirk Borowoje etwa über Hundert km von unserem Heimatdorf, so da man zuweilen auch nach Hause könnte. Im Verlaufe des ganzen Lehrjahres hatte sich auch noch immer etwas Zeit gefunden andere Bücher zu lesen, die ich mir dann aus der Stadtbibliothek holte, in welcher eine große Auswahl von verschiedenen Büchern war. Freier Zugang war hier gewöhnlich am Sonntag von früh Morgens, bis spät Abend. Bis zum ersten Juli sollte unser Unterricht mit allen Examen fertig sein, auf das ein jeder, in den Sommerferien, könnte in seine angewiesene schule fahren um sich dort, wie mit der Schule, auch mit dem Lehrerkollektiv, so auch mit der bevorstehenden Arbeit bekannt zu machen. es war gerade am Sonntag den 22sten Juni als ich in die Bibliothek ging, denn ich glaubte bis zum 1sten Juli könnte ich noch ein Buch durchlesen. Als ich in vielen Büchern kramte und mir ein Buch suchte. Saß die Bibliothekerfrau an ihrem Tisch, nur ich war in diesem Moment in dem großen Bibliothek Raum, da kam eine Frau, ganz aufgeregt, setzte sich ohne weiteres neben der Bibliothekerin und teilte ihr mit:" das Deutschland, - Hitler habe Krieg angestiftet mit Russland und dringt nun mit starkem Kriegsmilitär ohne jeglichem Stillstand über die Reichsgrenzen in Russland ein. Komm nur und schau, wie auf der Straße, unter jedem Lautsprecher die Leute stehen und horchen, die Sendung vom Sowjet- Informations- Büro. Auch ich lief schon ohne ein Buch auf die Straße und richtig, anfänglich jede 15 Minuten erscholl die laute ernste Stimme des Direktors aus dem Lautsprecher: Hier spricht Sowjet- Informations- Büro, Sendung und wie folgt......." Bleich und erschreckt gingen die Leute so nach und nach auseinander. - Furchtbar, - wer so was nicht persönlich erlebt hat, hat nicht immer eine wirkliche Vorstellung davon. Nun, alles Volk hatte ja seine Arbeit, wie in Fabriken, Werkstätten, Schulen, in der Stadt, so auch auf dem Lande und obwohl die Arbeit auch grundverschieden war, so war in diesen Tagen bei allen, allen Leuten nur ein Thema welches besprochen u verhandelt wurde:" Krieg, und wieder nur Krieg. Die ganze Lernarbeit im Institut war gar nicht mehr interessant, denn schon in den nächsten Tagen wurden schon mehrere Studenten einberufen- in den Krieg. Daher wurde von der Lehrerschaft beschlossen mit allem zu eilen um alle Studenten diplomiert auseinander fahren zu lassen. In diesen Tagen ließ sich unsere Klasse mit etlichen von unseren Lehrern photographieren wovon ich noch ein Photo zum Andenken habe. Ich hatte ja aber auch noch eine Nebenarbeit, wie wir wissen im Fliegertechnikum und als ich nun, wie gewöhnlich zum Unterricht ins Technikum kam, wurde ich sogleich in die Buchhalterei gerufen. "Man sagte mir kurz und bündig, klar und deutlich es sei Krieg, alle Flieger seien schon fort, ich habe schon nichts zu schaffen, ich sollte nur noch mein letztes Gehalt erhalten beim Kassierer und damit sei für immer unsere Sache erledigt." Also war Schluss gemacht mit dem Fliegerinstitut und mit meiner schönen Arbeit. Man konnte sich für die Zukunft keine Pläne machen, es war eine wehmutsvolle Unruhe in allen. Die Studenten/innen welche aber noch nicht einberufen waren, obzwar schon mit dem Diplom in der Tasche, konnten aber nicht nach Hause fahren, denn erlag schon eine Vorschrift bei der Direktion unseres Institutes, das alle Studenten ohne Ausnahme und ohne jeglichen Aufenthalt in die Sowchose unseres Gebietes auf die Heuernte fahren sollten. Ich erhielt einen Ausweis mit einer Gruppe von zwölf Mann, acht Studentinnen und vier Studenten in einem weit abgelegenen Sowchose zu fahren. Als wir nun hier erschienen, wurden wir mit einem Traktor in einer Traktorbude weit in die öde Heusteppe gefahren, wo schon viele, viele Hektar gemähtes Gras lag, richtiger schon in Heuschwaden lag. Dieses schon trockene Heu sollten wir in der Steppe in Heuhaufen zusammenfahren. So weit das Auge sehen konnte, kein Baum, kein Stauch, kein Dorf, nur Heuschwaden waren zu sehen. Hier wurde unsere Bude aufgebaut, der Traktor fuhr wieder fort und wir verhätschelte Studenten, die wir außer einem Bleistift und Lehrbuch nichts anderes in der Hand gehalten hatten, sollten jetzt plötzlich eine große Heugabel nehmen und arbeiten. Das wollte uns schwer in den Sinn.
Aber wo wollten wir hin? Uns blieb immer nur eine kurze Erklärung: "Krieg". Unsere Bude stand neben einem ganz kleinen Fluss, wo kaum Wasser zum Trinken und zum Waschen war. Acht Mädchen und vier, Jungs waren nun in der öden Steppe die einzigsten Einwohner dieser Bude. Man könnte es ein Zigeunerleben nennen. Es wurden uns auch schon recht bald aus dem Sowchos drei Leiterwagen mit sechs Ochsen gebracht sie hatten auch genügend grobe Heugabeln mitgebracht. Dies alles stand uns jetzt zur Verfügung nur anpacken und fertig. Das Essen versprach man uns drei mal täglich, regelmäßig zur bestimmten Zeit zubringen. Die Ochsen füttern d.h. auf die Weide zu lassen und zu tränken wurde uns überlassen. Gras war genug, die Steppe war groß genug, aber ohne Aufsicht durften sie nicht grasen. Sonst würden sie sich zu weit entfernen von unserer Hütte. Dies war unser erster Vorbereitungstag. Der Brigadier, der auf seinem Reitpferd war, verließ uns jetzt u wir zwölf Mann blieben nun alle als wirkliche Wirtschafter zurück. Unsere Traktorbude welches nun unsere zukünftige Herberge war, war nun ganz einfach. Kein Stuhl, kein Tisch, kein Schlaflager als nur der Bretterboden. Unsere Koffer mit unseren Schulkleidern stellten wir an die Wand entlang, trugen für unser Nachtlager von dem gewählten Heu in die Bude, ein jeder hatte seine Decke vor und somit waren wir denn jetzt fertig hier zu schlafen, um dann Morgen nach Frühstück unsere physische Arbeit zu beginnen. Unsere Bude schützte uns nur vor dem Regen wenn es geregnet hätte, aber sonst auch nichts weiter. Die kühle Nächte waren jedoch zu kühl, um unter unseren dünnen Decken ruhig schlaffen zu können. Beinah wie die Ferkel wühlten wir uns dann zuweilen in dem frischen Heu ein. Nun geschah auch noch etwas Furchtergreifendes. Als wir am Morgen aufstanden, unsere Decken zusammen legten, das Heu in der Bude mit den Füßen etwas zusammen schoben, entdeckten wir eine Schlange unter dem Heu auf dem Bretterboden. Nicht alle waren in der Bude, aber doch alle die, welche drinnen waren und die Schlange gesehen hatten, sprangen mit einem wilden Geschrei zur Tür hinaus. Totenbleich standen die Mädchen draußen vor der Tür und sprachen nur von fortlaufen. Die Schlange wurde erschlagen, aus der Bude wurde alles rausgetragen u ganz ausgesäubert, dann trugen wir vom neuen alle Koffer hinein, frisches Heu wurde gründlich durchgesehen und dann auch hineingetragen um nur nicht wieder so einen ungewünschten Gast über Nacht in der Bude zu haben. So ein Abenteuer wollte keiner zum wiederholten Male erleben. Zu dieser Zeit war auch schon das Frühstück gekommen. Als wir nun alle gegessen hatten, auch unsere Ochsen schon beigeholt waren, fingen wir Junges an die Joche anzulegen (einzuspannen). Etliche von den Mädchen, die auch alle neben uns standen, meldeten mir einmal; der Brigadier komme im vollen Trab wieder zu uns. Als wir nun eingespannt hatten, war auch schon der Brigadier bei uns zog in aller Eile ohne vom Pferd zu steigen eine Zuschrift aus der Tasche und las ein Familienname uns vor und fragte: "Ob so einer unter uns wäre?" "Ja", meldete sich einer von uns Jungs. Dann sagte er weiter: "Nimm deinen Koffer, setz dich auf den Wagen zu dem Kutscher welcher euch das Frühstück brachte und stell dich eiligst in den Dorfsowjet, du wirst einberufen in den Krieg. Wir verabschiedeten uns alle mit diesem Studenten und heute sagen wir, es war damals für immer - für immer. Unsere Lage an jenem morgen bat uns nichts erfreuliches. Die Nacht war kühl - schwach geruht. Die Schlange hatte uns den Frohsinn genommen. Der Student, der den Abschied genommen hatte und dann still und bedrückt uns zurückließ, alles bewirkt auch an uns anderen allen ein ernstes Nachdenken. Nun waren wir nur noch elf geblieben, wir verteilten uns auf unsere drei Leiterwagen, trieben die Ochsen bis zu den ersten Heuschwaden und fingen nun an Heu auf die Wagen zu laden, nun um es zu schobern, anders gesagt, im Haufen zu setzen. - Schwerer Anfang, ungewohnte Arbeit, weit von Heimat und Haus, keine Arbeitskleider, in den sauberen Schulkleidern waren wir hier auf fremder, öder Steppe. Wenn auch anfänglich nur ganz langsam, aber bis zum Abend hatten wir doch schon ein paar Haufen zusammen gesetzt. Es war ja nur ein mühevolles arbeiten, die Mädchen verstanden ja gar nicht die Heugabeln zu halten, je näher der Abend kam, desto mehr sprachen die Mädchen von Schlangen gelegen zu haben, daher legten sie sich mit Furcht und Zittern am nächsten Abend zur Ruhe. Eine Petroleumlampe hatten wir nicht, die wir hätten anzünden können um damit den Mädchen etwas die Furcht zu lindern. Sie kauerten sich alle dicht nebeneinander um sich wärmer zu halten aber auch ihr beängstigendes Zittern zu mindern. Wenn auch müde von der Tagesarbeit so hatten sie aber noch immer was zu erzählen, jedoch inzwischen atemanhaltend lauschten sie, ob nicht unter uns etwas verdächtig rascheln könnte. Dann aber gewann die Müdigkeit die Oberhand und alle schliefen wir ein. Die nächsten Tage verstrichen ohne besondere Ereignisse und wieder tauchte mit einmal der Brigadier, in der Ferne zu uns reitend auf. Augenblicklich beschlich uns Jungen ein unheimliches Behagen. Gespannt schauten und horchten wir, als er sich näherte, was denn jetzt wieder los wäre. Und richtig wieder zog er ein Papier aus der Tasche mit Zuschrift, solche und solche Namen sollten sich in den Dorfrat stellen. Es traf unseren anderen beiden Jungens. Auf dem Wagen, der uns das Mittagessen brachte, fuhren auch diese beide Studenten von uns, in die dunkle Zukunft hinein. Über unsere Arbeit sagte der Brigadier nicht viel, ob gut, oder nicht gut, sie wurde ja gemacht und was wollte er auch viel sagen? Es waren ja doch nur Studentenmädchen die sich für die gesamte Futteranfertigung wenig interessierten. Mit den Worten: "macht nur, macht nur weiter" ritt dann wieder weiter, seine andere Arbeiten nach zu kommen, und so blieb ich nun allein mit meine acht Mädels und sechs Ochsen und machten, unsere Arbeit so gut wie wir konnten, weiter. Das Essen war nicht schlecht, darüber konnte man nicht klagen. Es war besser als unser Studententisch in Orenburg beim Lernen. Aber die zwei monatlichen Sommerferien hier auf fremder Steppe zu verbringen, damit hatte doch wohl keiner von uns gerechnet. Bei der Arbeit im Heu veralteten unsere Kleider, sie fingen an zu zerreißen, meine Hose hatte auf den Knien schon Löcher das man schon die Mütze durchschieben konnte. Für mich persönlich blieb nichts weiter zu denken als nur eines: Wenn jetzt aber der Brigadier mit einer Zuschrift kommt, dann ist sie aber ohne der Richtung von wo der Brigadier gewöhnlich auftauchte. Aber ich blieb noch immer zurück. Warum? Diese Frage konnte ich mir nicht beantworten. Die Sommerferien gingen zu Ende, auf unserer Steppe standen schon recht viel Heuhaufen geschobert. Es waren schon die letzten Augusttage, uns alle beunruhigte es schon, das wir uns nicht zur rechten angewiesenen Zeit konnten in unseren Schulen, wo wir arbeiten sollten, zum neuen Schuljahr, fertig machen. Wir alle glaubten fest, das man uns hier bei dieser Arbeit bis zum Winter lassen würde, denn ungeschobertes Heu lag noch sehr viel auf der Steppe, daher meldeten wir dem Kutscher der uns nun wieder das Essen brachte ganz konkret: "Mehr Essen brauche er uns nicht bringen, Morgen in aller Früh, spannen wir die Ochsen ein und kommen dann mit Sack und Pack in den Sowchos gefahren, nehmen die volle Rechnung für unsere Arbeit und ein jeder fährt dann in seine betreffende Schule zu seiner bestimmten Arbeit." Wie gesagt, so auch getan, wir kamen in den Sowchos, gingen zum Buchhalter, zeigten unsere Dokumente auf, das wir eigentlich schon sollten auf unseren Arbeitsplätzen sein, verlangten ganz gebieterisch unseren Lohn und machten dann mit allen Zeremonien im Sowchos Schluss. Ungern wollte der Oberst vom Sowchos damit eingehen, aber unsere Studenten zeigten hier, das sie diese ihre Sache besser konnten angreifen als die groben, ungeschickten Heugabeln auf der Steppe. Wir sagten nur: "Für uns gibt es kein zurück als nur, er solle uns unaufhaltsam noch zur Bahnstation fahren und dazu heute noch, sonst würden wir uns bei der höheren Behörde beklagen, die würden dann schon Ordnung machen." - Das glaubte der Oberst und noch an dem selben Tag wurden wir mit dem Traktor zur Bahnstation gebracht. Hier verabschiedeten wir Studenten uns alle miteinander, wünschten uns gegenseitig Glück, Erfolg und auch ein Wiedertreffen, dann fuhren wir per Eisenbahn, ein jeder in die Richtung wo sein zukünftiges Glück, Erfolge und auch ein Wiedertreffen, dann fuhren wir per Eisenbahn, ein jeder in die Richtung wo sein zukünftiger Arbeitsplatz sein sollte, der eine nach Osten, der andere nach Westen. Ich persönlich fuhr dem Westen zu, in die Schule zu Browoje wie wir schon wissen. Als ich mich bei meiner angewiesenen Schuldirektion einfand und so ganz bescheiden meine Dokumente aufwies, schaute man mich verwundert an. Erstens, ich kam ja mit Verspätung, das wäre ja vielleicht auch nicht das schlimmste gewesen, aber bedauernd sagte man mir: "Es seien recht viel evakuirte Juden gekommen, denen alle bürgerliche Rechte seien eingeräumt worden und von denen sich auch Lehrer gefunden haben, die auch meine vakante Stelle eingenommen haben, daher sei nun keine Aussicht für mich in ihrer Schule Arbeit zu finden. Ohne mich hier lange aufzuhalten fuhr ich in die Stadt Busuluk, um dort in der Abteilung für Volksbildung doch gesetzlich meine angewiesene Arbeitsstelle einnehmen zu dürfen. Auch hier erhielt ich dieselbe Antwort. "Kein freier Platz, die evakuierten Juden haben alles eingenommen, ihnen gehören jetzt alle Vorrechte." Hier war ich gezwungen meine Schularbeit aufzugeben. - Nun folgte ich den folgenden Gedanken, der mich immer noch begleitet hatte und mein ganzes Gemüt quälte Mann könnte mich mit einemmal irgendwo tappen und auch ohne viel zu fragen an die Front zu mobilisieren, daher zog ich nun vor so eilig wie möglich nach Hause zu fahren, um doch den Erstling, das Töchterchen das Sara geboren hatte, zu sehen. Das Wiedersehen mit meiner Sara, jetzt, schon im September, war lange nicht zu vergleichen mit dem vorherigen Wiedersehen zu Neujahr. Dort, wie wir schon gelesen haben, war sie frisch, gesund und wohlmütig, nun aber war sie bleich, mager und krank und hatte kein heiteres Aussehen. Jedoch das Kindlein war so einigermaßen brav, es war im sechsten Monat und schaute mich mit seinen unschuldigen Äuglein recht fein und neugierig auf dem Schoße seiner Mutter an. - Nun war ich nach recht viel Erlebnissen wieder zu Hause, es musste aber auch jetzt wieder ein neues Lebensprogramm aufgestellt werden.
Dazu gehörte zuallererst eine Arbeit suchen, um Geld zu verdienen, ganz ohne ging es nicht. Ich suchte auch gar nicht lange, unweit von meinen Schwiegereltern im Dorf Pleschanowo im Vieharztrevier trat ich als Buchhalter an. Diese Arbeit war nicht schwer, ich war auch gar nicht überhäuft mit Arbeit, es verdiente zwar nicht viel, aber ich war, man könnte direkt sagen, zu Hause. Jetzt sich weit in die Ferne zu begeben war doch zu gefährlich, es war ja Krieg. Unsere Viehärzte in unserem Revier betreuten das Vieh in den umliegenden Kolchosen. Dazu hatte jeder Arzt sein Pferd. Zwei Pferde standen im Stall auf unserem Territorium, wo wir alle arbeiteten. Wenn die Pferde manchmal frei waren, durfte auch ich sie zuweilen nutzten um für mich in meiner Wirtschaft etwas beizufahren, denn wir hatten ja auch ein paar Schafe, sowie zwei Ziegen die im Sommer gemolken wurden und für sie musste dann zwischendurch auch mal Futter beigefahren werden. Auch wenn es sein musste, leistete ich solche Dienste meinem Schwiegervater. Oder u.a. in die Mühle fahren oder Stroh beifahren. Es wurden aber immer noch Männer an die Front mobilisiert, auch ein Vieharzt von den unsrigen musste eines Tages fort, der sogar etliche Jahre älter war als ich. Sonderbar und wir Deutsche blieben immer noch zurück. Sollten wir wohl mit heiler Haut davon kommen? War zu bezweifeln, denn der Feind drang mächtig, schonungslos, ohne Aufhalten immer tiefer in das Land, und wir würden zu Hause hinterm warmen Ofen, ohne jegliche Sorge sitzen können? Aber als erst die Reihe bis zu den Deutschen kam, dann kam es aber auch, wie man sagt: "Grob und dick." Hiermit schließen wir mit dem Studienjahr bei Friedenszeit ab.