Geschichte
Die Neu Samara Siedlung befindet sich in einer Steppenlandschaft, die
ursprünglich nur
von Nomadenstämmen besiedelt worden war. Dabei bildeten die
Flüsse Ural
und Samara in
etwa die Grenze zwischen dem baschkirischem und kasachischem
Siedlungsgebiet. Bis Ende des 18 Jahrhunderts war Ural auch die Grenze
des Russischen Reiches. Diese wurde von den Nomaden ständig
gefährdet,
so dass sich nur Kosaken (Abkömmlinge geflohener
russischer Bauern) am Fluß Ural niederliessen. Dann kam ein
grosser
Teil
des kasachischen Gebiets unter die russische Herschaft.
Ausgehend
vom Fluß Samara wurde das Land
nördlich des Flusses
von den russischen Siedlern besiedelt. Die Baschkiren haben es vorher
nur
als Weide für ihre Herden benutzt. Es wurde ihnen von den
russischen
Kaufleuten und Großgrundbesitzern billig abgekauft. Die
Baschkiren
wurden so in Richtung Nordosten in die heutige Baschkirische Autonome
Republik abgedrängt. Das Territorium, wo sich die
Neu-Samarasiedlung
befindet, wurde wahrscheinlich erst spät den Baschkiren abgekauft,
da
es
so weit nördlich liegt. Einzelne Siedlungen am nördlichen
Ufer des
Tocks
sind geblieben. Jedenfalls gehörte das Land, als die deutschen
Siedler hierhin kamen, den Russen.
Die mennonitische Bevölkerung in
Rußland hat sich im Laufe des 19.
Jahrhunderts stark vermehrt. Bei den Mennoniten gab es den Brauch,
dass der Grundbesitz ungeteilt einem Sohn vererbt wurde. So gab es
schon nach wenigen
Generationen viele landlose Familien;
diese mussten auswandern und neue Siedlungen gründen. Als die
Altkolonie Molotschna gegründet wurde, wurde ein Teil des Boden
nicht
an
die Kolonisten verteilt. Es wurde dann verpachtet und das Geld wurde
vornehmlich für
den Kauf von neuem Land benutzt.
Eine von diesen
neuen
Siedlungen ist die Neu-Samara Kolonie. 1890 haben
die Gnadenfelder und Halbstädter Gemeinden in Molotschna von den
Kaufleuten Iwan Pleschanow aus Samara und
Fedor Krassikow aus Busuluk 20388
Desjatinen für ca. 34 Rubel pro Desj. gekauft (Einzelheiten kann
man in
diesem Dokument nachlesen). Kurz vor der
Übersiedlung der Mennoniten hierher, wurde am Tock, in der
Nähe der späteren Mühle, eine Wassermühle gebaut.
Sie gehörte Pleschanow, der Verwalter war ein Mennonit Johann
Wall. Es ist zu vermuten, dass durch seine Vermittlung der Kontakt
zwischen Pleschanow und den Gemeinden zu Stande kam. Die Verhandlungen
wurden von Abraham Löwen, Wilhelm Derksen und Nachtigall
geführt. Das Land war vorher nie bearbeitet worden, es wurde also
ziemlich wahrsheinlich als reines Spekulationsobjekt gekauft, um es
später zu verkaufen.
Ein Teil der
Kaufsumme wurde von der Donschen
Agrarbank ausgeliehen, und sollte bis 1933 zurückgezahlt werden.
Da
auch nach der Aufnahme des Kredits nicht genügend Geld vorhanden
war,
wurden
auch sogenannte Freikäufer angesiedelt. Diese mussten einen Teil
des
Kaufpreises, 1120 Rubel, sofort bezahlen. Die anderen Ansiedler sollten
aus landlosen Familien stammen. Sie brauchten 560 Rubel von dem
Kaufpreis nicht zu bezahlen. Beide Gruppen mussten den restlichen
Betrag in Raten an die Gnadenfelder und Halbstädter Gemeinden
entrichten, zu denselben Bedingungen wie diese bei der Bank:
Freikäufer
120
Rubel pro Jahr ab
dem 1. Januar 1891, die Landlosen 78
Rubel und 38
Kopejken aber erst nach 10 Freijahren. Der Zinssatz betrug also 7,5 %.
Es gab 60 Freikäufer und
etwa
350 landlose Familien. Freikäufer bekamen 80 Desjatinen, die
Landlosen
40 Desjatinen. 1400 Desjatinen sollten nicht verteilt werden - sie
sollten verpachtet werden und zum Bau einer Mühle in Pleschanowo
benutzt. Da sich in erster Zeit keine Pächter gefunden haben,
wurde dieses Land 1892 zur Gründung des Dorfes Kuterlja benutzt.
Als erste sollten die Freikäufer
angesiedelt werden, vermutlich
damit sie den anderen ärmeren Kolonisten die Ansiedlung
erleichtern
konnten: 18 Familien in Kamenez, 22 in Pleschanowo und 20 in
Krassikowo.
In den Jahren 1891-1892 wurden die übrigen Dörfer
gegründet: Kaltan,
Lugowsk,
Podolsk, Donskoj, Dolinsk, Jugowka, Klinok, Kuterlja. Auf dem,
von dem Kaufmann Bogomasow
gekauftem Land wurde Bogomasowo
errichtet. Außerdem wurde von dem russischen Dorf Nowo-Nickoljsk
Land
erworben und auf diesem Ischalka errichtet.
Außer den Ansiedlern
kamen noch
reiche Großgrundbesitzer nach
Neu-Samara: Klassen und Reimer. Heinrich Reimer
besaß z.B. 5931
Desjatinen, das von ihm verwaltete Gut
seiner Schwester Anna hatte eine Grösse von 724 Desjatinen. Da er
nicht
alles selbst bearbeiten konnte, hat er 1908 das Gut von Anna an die
Siedler in Annenskoje verpachtet. Die Gutsbesitzer haben ihr Land
hauptsächlich von Slobotschikow gekauft.
Die neue
Siedlung gehörte damals zum Samara Gouverment, Buzuluker Ujesd.
Deshalb
wird sie auch Neu-Samara genannt, im Gegensatz zur Alt-Samara Kolonie,
die
schon 1859 entstanden war. 1934 kam Buzuluker
Ujesd in das damals
errichtete Orenburger
Gebiet.
1877 war zwischen Samara und Orenburg eine Eisenbahn gebaut worden. Die
Siedler reisten mit der Eisenbahn in kleinen Gruppen bis Sorotschinsk,
von dort fuhren sie auf den mitgebrachten Pferdewagen zum neuen
Wohnort. Es wurden auch landwirtschaftliche Geräte, Vieh und
Lebensmittel mitgebracht. Wer in welches Dorf kam, wurde schon in
Molotschna per Los entschieden. Nahe Verwandte sind dadurch auf
verschiedene Dörfer verteilt worden.
Viele der Ansiedler waren arm und hatten wenig Kapital
mitgebracht. Die ersten Jahre waren hart,
da
die Kolonisten sich die für die Wirtschaft notwendigen Geräte
und Vieh
erst nach und nach erwerben mussten. Deshalb wurden viele
landwirtschaftliche Produkte, die man auch selbst verzehren konnte, wie
z.B.
Butter, auf dem Markt verkauft. Die Ansiedler lebten zuerst in schnell
errichteten Erdhütten. Später wurden stabilere Häuser
gebaut. Der
Aufbau wurde auch durch periodische Dürrezeiten behindert: wie
z.B.
1906 als weniger geerntet wurde als man gesät hatte. Man bekam
aber
auch
Hilfe von der Mutterkolonie, z.B. nach der erwähnten
Mißernte. Viele
bekamen auch Geld von ihren Verwandten in Molotschna. Man half sich
aber auch gegenseitig indem man landwirtschaftliche Geräte und
Zugpferde
gemeinsam nutzte. Die Freikäufer hatten mehr Geld und konnten
deshalb
ihre Wirtschaften schneller aufbauen. Die anderen mussten sich Saatgut
und auch Mehl borgen.
Nach
und nach kamen aber die Kolonisten bis 1914 zu Wohlstand:
die Erdhütten wurden von richtigen Häusern
abgelöst, es
wurden Mühlen gebaut, in jedem Dorf gab es eine Schule und 1911
wurde
in Pleschanowo ein Krankenhaus gebaut. 1917 lebten in Neu-Samara 3670
Einwohner auf 35695 Desjatinen und es gab 9 Großwirtschaften.
Als es 1914 zum ersten Weltkrieg kam mußten viele junge
Neu-Samarer in der russischen Armee als Sanitäter dienen.
Während des
Krieges wurden in Neu-Samara österreichische Kriegsgefangene
untergebracht. Einige von diesen sind auf dann auf den Friedhöfen
der
Dörfer beerdigt worden. Nach der
Revolution 1917 meuterten die Truppen und flohen in das Landesinnere,
so konnten auch die eingezogenen Mennoniten nach Hause kommen. Nach der
Oktoberrevolution kam es zu einem Bürgerkrieg zwischen den
Bolschewiken
den "Roten" und ihren Gegnern den "Weißen". Die Mennoniten in
Neu-Samara sind dann zwischen die Fronten geraten. Beide Parteien
tauschten ihre schlechten Pferde gegen die guten Pferde der Ansiedler.
Viele wurden von einer der Parteien eingezogen und zum Dienst an der
Waffe gezwungen, was jedoch dem
mennonitischen Glauben widerspricht. Im Herbst 1919 konnten die Sowjets
ihre Machtstellung im Bereich Neu-Samara festigen und die Weißen
vertreiben. Die Siedler in Neu Samara mussten sich wohl oder übel
auf
die
sowjetische Herrschaft einrichten. Da es Befürchtungen gab, dass
die
traditionelle Lebensweise der Mennoniten unterdrückt würde,
hat man auf
Vorschlag von Cornelius
F. Klassen
beschlossen sich der damals
entstandenen Baschkirischen Republik anzuschließen. Dabei hatte
man
wohl an die am nördlichen Ufer des Tocks lebende Baschkiren
gedacht,
die damals streng gläubige Moslems und korservativ eingestellt
waren.
Aus Rücksicht auf den noch stattfindenden Krieg hat die
Sowietregierung
den Baschkiren außerdem etwas
mehr Freiheit gelassen.
Man hatte sich aber mit dem Anschluss an die Baschkiren
verrechnet: die administrative Einheit zu der Neu-Samara nun
gehörte,
Tok-Suranskij
Kanton, verlegte ihre ganze Verwaltung nach Pleschanowo und umliegende
Dörfer.
Die Neu-Samarer hatten darunter stark zu leiden: in ihren Häusern
mussten Quartiere eingeräumt werden, sie mussten Fuhrdienste
leisten
usw. Nach der schweren Zeit im Winter 1919-20 hatte man nach Moskau
Gesandte geschickt und die Verlegung der Verwaltung erreicht. Da 1920
im Rahmen des sogenannten Kriegskommunismus den Bauern Getreide
weggenohmen wurde, so dass nicht mal Saat übrig gelassen wurde,
gab es
1921 im ganzen Land grossen Hunger. Auch in Neu-Samara gab es
großen
Nahrungsmangel. Um Nahrung zu bekommen fuhren junge Männer nach
Sibirien um Kleider gegen Brot zu tauschen, viele sind dann an Typhus
erkrankt und nicht mehr zurückgekehrt. Durch
Hunger geschwächt sind auch viele
Dorfbewohner an Typhus und Malaria erkrankt. Erst
nach langen Verhandlungen durften internationale Hilfsorganisationen
ins Land. Die Mennoniten in Neu Samare haben dann Hilfe von der
AMR-Agentur
( American Mennonite Relief) bekommen.
Da die Regierung merkte, dass
es so nicht mehr weiter gehen
konnte, wurde den Bauern im Rahmen der Neuen Ökonomischen Politik
mehr
Freiheit gelassen. 1922 haben die Bauern etwas Saatgetreide
bekommen und die Lage normalisierte sich allmählich. Viele
Mennoniten
hatten kein Vertrauen in die Sowietregierung und haben diese
Gelegenheit genutzt um auszuwandern. Zwischen 1923 und 1928 sind allein
aus Neu-Samara etwa 700 Personen nach Kanada gegangen. 1926 lebten dann
nur noch 3071 mennonitische Einwohner in Neu-Samara.
Von 1922 bis 1929 konnten die Bauern wieder so wirtschaften wie vor der
Revolution. Die Guts-, Laden- und Mühlenbesitzer waren aber
vielfach
schon vorher enteignet worden und mussten fliehen. Es gab während
dieser Zeit auch schon religiöse Verfolgungen seitens der
atheistischen
Regierung. So wurde der Religionsunterricht in den Schulen verboten und
die Prediger wurden bedrängt.
1929-1930 wurde dann, wie überall in Russland, auch in Neu-Samara
die
Landwirtschaft kollektiviert. Alle mussten ihr Land, ihr Vieh und ihre
Gerätschaften
in die Kollektivwirtschaft einbringen. Die etwas reicheren Bauern
wurden als Kulaken
abgestempelt und zur Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt. Zuerst waren
alle Dörfer von Neu-Samara in einer Kolchose (Abkürzung
für
Kollektiwnoje
Chosjaistwo - Kollektivwirtschaft), die ihren Zentrum in Donskoj hatte.
Später bildeten 3 bis
4 Dörfer ein Kollektiv und 1934 wurde in jedem Dorf eine Kolchose
errichtet. Am Anfang gab es seitens der Bauern passiven Widerstand
gegen die Kollektivierung, so dass es z.B im nächsten Jahr nicht
genug
Futter gab um die Pferde durch den Winter zu bringen. 1931-1932 musste
dann das Land mit Kühen bearbeitet werden. Positiv anzumerken ist
aber,
dass in dieser Zeit auch die ersten Traktoren nach Neu-Samara kamen.
Dazu wurde dann die MTS ( Maschinen-Traktoren-Station ) auf dem
ehemaligen Hof von Jakob Wittenberg in Donskoj errichtet. 1933/34 wurde
die Strasse nach Sorotschinsk aufgeschüttet, geebnet und mit
Kiessand
vom Tock bedeckt.
1931 war eine Zäsur im religiösem Leben der Neu-Samarer: am 6
Januar
1931 wurden die Bethäuser in Donskoj und Pleschanow geschlossen.
Ende
1932 wurde auch das Bethaus in Lugowsk geschlossen. Als es 1937-1938 im
ganzen Land zu einer Terrorwelle kam, waren davon in Neu-Samara
insbesondere Personen betroffen, die sich im religiösem
Bereich
engagiert hatten.
Unter dem am 22 Juni 1941 ausgebrochenem Krieg zwischen
Deutschland und Sowjetunion haben die Russlanddeutschen besonders stark
gelitten. Alle deutsche Siedlungen westlich und an der Wolga wurden,
soweit es
die Sowjets schaffen konnten, nach dem Kriegsausbruch aufgelöst
und
"evakuiert", d.h. die Einwohner wurden nach Sibirien und
Kasachstan verbracht. Auch die beiden mennonitischen Siedlungen an der
Wolga Alexandertal ( Alt-Samara) und Am Trakt wurden aufgelöst.
Die
Neu-Samara Siedlung konnte aber weiter bestehen als, soweit ich es
sehe, die
westlichste mennonitische Siedlung überhaupt.
Die Bewohner von
Neu-Samara hatten es aber auch nicht leicht: nach und nach musste fast
die gesamte erwachsene Bevölkerung Zwangsarbeit in der Trudarmee
verrichten. Am 20. März 1942 wurden alle Männer im Alter von
17 bis 55
Jahren mobilisiert. Einige sind nach Molotow (heute Perm) Gebiet
Nord-Ural gebracht worden um Wald zu fällen. Da sie kaum Nahrung
bekamen sind die meisten von diesen Männern an Hunger und
Erschöpfung
gestorben. Am 6. November 1942 wurden dann alle Jungen ab 15 Jahren und
die übriggebliebenen Männer einberufen, am 12 November 1942
die Frauen
im Alter von 16 bis 50 Jahren. Die Männer sind grösstenteils
nach
Tscheljabinsk gekommen um in den Kohlegruben zu arbeiten. Die meisten
Frauen kamen nach Orsk (etwa 500 km östlich aber immer noch im
Orenburger Gebiet) und mussten in den nach dort verlegten Fabriken
arbeiten. Einige Frauen sind auch nach Dombarowka geschickt worden. Es
blieben also nur die Kinder, alte Leute und Leitungsangestellte, also
Kolchosevorsitzende, Brigadiere, Mechaniker usw. Sie mussten nun
alleine das Land bestellen, da mussten auch 13-14 Jährige
schwerste
Arbeit verrichten.
Auch nach dem Krieg durften die Leute nicht sofort
nach Hause zurückkehren, da bis Mitte der 50-er alle
Russlanddeutsche
unter der Kommandatur waren und es somit Beschränkungen der
Reisefreiheit bestanden. Aber auch danach sind viele nicht mehr
zurückgekehrt, da viele junge Menschen dort geheiratet und neue
Heimat
gefunden haben. Somit fehlte diese Generation in den
Dörfern nach dem Krieg, geblieben sind nur die, die damals noch zu
jung
für die
Trudarmee waren.
Nach dem Krieg herrschte in den Dörfern immer noch Hunger, da
viele Nahrungsmittel aus den Dörfern an die Stadtbewohner
geschickt werden mussten. Außerdem mussten auch noch die
Trudarmeer mitversorgt werden. Die Bauern mussten auch bestimmte
Abgaben an landwirtschaftlichen Produkten wie Eiern abliefern, die sie
auf ihren kleinen Privatwirtschaften erzeugt hatten, außerdem
mussten Zwangsanleihen an den Staat gezahlt werden. 1950 gab es eine
gute Ernte in Neu Samara, von dieser konnte ein Teil verkauft werden,
so dass die Leute wieder etwas Geld bekamen und sich Kleidung leisten
konnten. Im Laufe der 50-er Jahre wurde die materielle Situation immer
weiter verbessert, bis keine Zwangsabgaben mehr geleistet werden
mussten. In diesen Jahren gab es in der Landwirtschaft weitere
Mechanisierung, viele junge Leute, auch Frauen, sind zu Traktoristen
ausgebildet worden.
Aber die Menschen waren immer noch arm und lebten
sehr einfach. Elektrizität gab es schon in den 50-er Jahren, aber
sehr
schwach. Man benutzte Traktorenmotore als Antrieb für Generatoren.
Nachts wurde der Strom abgeschaltet, um Treibstoff zu sparen. Wenn in
der Kolchose Strom gebraucht wurde, z.B. für Melkanlagen, hatten
die
Privathaushalte das Nachsehen. 1960 wurde am Tock bei Krassikowo ein
Staudamm für ein Kraftwerk gebaut. Diese Station versorgte
dann
Krissikowo, Lugowsk und Podolsk mit Strom. Aber auch in anderen
Dörfern
wurden bessere Generatoren gebaut. Zum Schluss wurden dann alle
Dörfer
in Neu-Samara an das allgemeine Netz angeschlossen.
Da es am Anfang nur
ganz schwachen Strom gab, hatten die Privathaushalte außer
Glühlampen
fast keine Elektrogeräte. Ende der 60er Anfang der 70er gab es
dann
erste Kühlschränke. Überhaupt ging es den Menschen in
Neu-Samara in den
70-er und 80-er Jahren materiell wahrscheinlich am besten seit dem
Beginn der Ansiedlung. Viele konnten sich Autos leisten und in jedem
Haushalt gab es mehrere Fahrräder. Das hängt auch damit
zusammen, dass
die Deutschen sehr fleißig sind und auf den ihnen verbliebenen
0,25
Hektar Land Überschüse erwirtschaften konnten, die sie auf
dem Markt
verkauften. Geld wurde vor allem mit der Aufzucht von Ferkeln und
Polarfüchsen und Imkerei verdient.
Am 1. Januar 1967 wurde der Krasnogwardejskij Rajon gebildet, zudem
Neu-Samara
seitdem gehört (vorher gehörte Neu-Samara eine Zeitlang zum
Sorotschinsker Rajon). Rajonzentrum wurde Pleschanowo. Pleschanowo und
das nahe gelegene Donskoj sind seitdem stark gewachsen, da auch viele
Nichtdeutsche zugezogen sind. Aber auch andere Dörfer haben sich
vergrössert, so sind z.B. Podolsk und Lugowsk fast zu einem Dorf
zusammengewachsen. Die meisten Dörfer haben zusätzliche
Straßen
bekommen.
Wie in den anderen mennonitischen Siedlungen in Russland auch, wurde in
Neu Samara als Umgangssprache Plautdietsch gesprochen, ein
niederdeutsches Dialekt westpreussischen Ursprungs. Zwar wurde seit
dem Ende der 1930-er der Schulunterricht komplett in Russisch
geführt, in
den meisten Familien wurde aber der Gebrauch von Plautdietsch bis zur
Ausreise nach Deutschland weiterhin gepflegt (später auch in
Deutschland). Viele Kinder konnten bis
zu ihrer Einschulung kein Russisch. Auch sonst wurden noch viele alte
Bräuche und Traditionen weitergeführt. Insbesondere nach der
Verlegung des Rayonzentrums kam es zu einem starken Zuzug
russischsprachiger Personen. Damit war dann eine gewisse Russifizierung
von Pleschanowo und Donskoj verbunden.
Als es dann Ende der 80-er Jahre im Zuge der Perestrojka zu Lockerungen
bei Ausreisegenehmigungen nach Deutschland kam, sind auch die Deutschen
aus Neu-Samara ausgewandert. Die ersten sind schon 1988 nach
Deutschland gekommen, 1989 gab es dann eine grössere Anzahl der
Auswanderer. Obwohl sich am Anfang viele gegen die Ausreise
gesträubt haben, sind doch bis
heute etwa 95 Prozent der deutschen Einwohner von Neu-Samara nach
Deutschland gezogen.
An ihre Stelle und in ihre Häuser sind
dann Tataren, Russen, Mordwinen und Baschkiren eingezogen. Neu-Samara
hat somit als deutsche Siedlung, nach 100 Jahren Bestehen,
aufgehört zu
existieren.