In den ersten Jahren der
Ansiedlung konnte man sich wahrscheinlich die Dreschmaschine nicht
leisten. Später aber benutzte man wohl hauptsächlich diese,
da dadurch die Arbeit erheblich erleichtert wird.
Die
Grasmähmaschine
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Die Haspelmaschine (Lobogrejka)
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Anfänglich wurde das Getreide mit der Haspelmaschine geschnitten,
das geschnittene Getreide wurde von der Maschine nach hinten
befördert und musste von einem Helfer in regelmäßigen
Zeitabständen gebunden und zur Seite gelegt werden. Das war eine
schweißtreibende Arbeit, daher kommt auch der russische Name
für die Maschine - Lobogreika - der Stirnwärmer. Später
kamen die Harkmaschine und der Selbstbinder. Um eine Vorstellung von
der Ausstattung der Siedler an landwirtschaftlichen Geräten zu
geben, erwähne ich die Zahlen für Jugowka im Jahr 1914: 12
Dreschmaschinen, davon zwei mit Motorbetrieb und vier Selbstbinder.
Als Hilfskräfte beschäftigte man die Einwohner der
umliegenden Dörfer: Russen, Baschkiren und Mordwinen. Insbesondere
während der Ernte gab es einen hohen Arbeitskräftebedarf.
Auch sonst beschäftigten die Bauern Arbeiter, besonders wenn sie
noch keine erwachsene Söhne hatten. Im Gegensatz zur Mutterkolonie
gab es wohl nicht viele mennonitische Hilfsarbeiter, da jeder eine
eigene Wirtschaft hatte. Als kleine Anekdote am Rande kann man noch die
Versuche den
nicht-deutschen Hilfskräften Plattdeutsch beizubringen
erwähnen.
Die Landwirtschaft wurde durch das ungewohnte Klima und die Armut der
Siedler behindert. Die alte Heimat Molotscha befand sich in der
südlichen Ukraine am Asowschen Meer. Das Klima dort ist milder als
Neu Samara, wo es zu Temperaturausschlägen bis zu -35 Grad kommen
kann. Dazu kommt noch der Rhythmus der Niederschläge: schneereiche
Winter, trockene Sommer und regenreicher Herbst. Es gab periodische
Dürren, so in den Jahren 1906 (totale Missernte), 1911,1916 und
1921.
Es gab keine ausgeprägte Viehzucht. Anfänglich begnügte
man sich mit dem Vieh, das man in der Gegend kaufen konnte. Später
hielt man Ausschau nach besserem Zuchtvieh. Durch gemeinsam gekaufte
Zuchthengste, wurde die Pferderasse stark verbessert. Jeder Bauer
durfte nur eine
gewisse Anzahl Vieh auf die gemeinsame Weide treiben. Hatte jemand
mehr, so musste er sich mit dem einiger, der weniger hatte. Ein von der
Dorfversammlung beauftragter Hirte trieb das Vieh auf die Weide und von
der Weide zurück. Die Straße hatte die entsprechende Breite,
um die Herde morgens und abends aufnehmen zu können. Dieser
Viehtrieb wurde auch später beibehalten, als jede Familie nur 1-2
Kühe privat halten durfte. Als Kind habe ich das noch Ende der
80-er Jahre selbst erlebt.
Die Hauptstrasse "Sowjetskaja"
in Donskoj am Abend, 1980-er. Das Vieh kommt von der Weide.
Die
Schweinezucht besaß keine kommerzielle Bedeutung, sie wurde nur
für den eigenen Bedarf betrieben.
Besonders erwähnt müssen die großen Güter. Davon
gab es am Schluß 1917 neun, unter anderem: von Heinrich Reimer,
Klassen, Heinrich Dück, Thiessen, J.Voth, Warkentin und Franz
Regehr. Einen der größten Güter hatte Heinrich Reimer -
sein Landbesitz hatte eine Größe von 5.931 Desjatinen. Er
verpachtete einen Teil seines Bodens an die Siedler in Bogomasowo. Die
Bewirtschaftung dieser Güter kann sich nicht so stark von der in
den Mutterkolonien unterschieden haben. Außer einem
mennonitischen Verwalter wurden wohl nur nicht-deutsche
Arbeitskräfte beschäftigt. Ihre Siedlungen entwickelten sich
später zu kleinen Dörfern, so z.B. Novosjolki, Komsomolez,
Novojagodny und Alexejewka ( die Namen stammen aus der sowjetischen
Zeit ). Die Güter wurden schon bald nach der Oktoberrevolution
1917 enteignet und ihre Besitzer mussten fliehen.
Handel
und Handwerk vor der Kollektivierung
Nach und nach gab es in fast jedem Dorf einen Laden, der die
Dorfbewohner
mit notwendigen Waren versorgte und ihnen die Überschüsse an
Eiern und Butter abnahm. Die Milch konnte an eine Käserei in
Pleschanowo abgesetzt werden (die Käserei in Lugowsk wurde erst
nach der Kollektivierung errichtet).
Im Zusammenhang mit der Besteuerung der Mennoniten zur Finanzierung des Forsteidienstes entstand 1908 die folgende Liste der Geschäftsinhaber in Neu Samara:
Name des
Geschäftsinhabers |
Art des Geschäfts |
Wert des Geschäftes in
Rubeln |
Ort |
Johann Dick |
Laden |
7000 |
Dolinsk |
N. Enns |
Mühle |
1000 |
Dolinsk |
Franz Klassen |
Laden |
8000 |
Donskoj |
Jakob Wittenberg |
Maschinenlager |
3000 |
Donskoj |
Gerhard Neufeld |
Laden |
1300 |
Lugowsk |
Kornelius Regehr |
Laden |
10000 |
Podolsk |
Elias Regehr |
Laden |
5000 |
Pleschanow |
Kornelius Bergen |
Motormühle |
1000 |
Pleschanow |
Johann Wall |
Wassermühle |
20000 |
am Tock |
Insgesamt |
56300 |
|
Quelle: Manitoba Mennonite Historical Society
In Pleschanowo betrieb Franz Klassen, der
Großvater des
Cornelius F.
Klassen, einen Laden für Kolonial- und Schnittwaren. Er kam
schon bald nach dem Beginn der Ansiedlung nach Neu Samara. Er kaufte
die Waren in Sorotschinsk ein und brachte sie nach Pleschanowo. Nach
und nach weitete er seinen Handel aus. Bei seinen Fahrten nahm er die
Post der Einwohner mit. Überhaupt wurde in den ersten Jahren der
Postverkehr nach Sorotschinsk von den Händlern übernohmen.
Erst 1905 wurde in Pleschanowo ein eigenes Postamt gegründet.
Franz Klassen war so erfolgreich, dass er sich als Wohltäter
betätigen konnte: an Weihnachten lud er die Kinder des Dorfes zu
sich nach Hause, wo jeder mit einer Tüte Süßigkeiten
beschenkt wurde. Er war auch an dem Bau der Kirche in Pleschanowo
beteiligt. Sein Sohn Franz Klassen baute 1904 in Donskoj ein
zweistöckiges Haus mit Wasserheizung. Im unteren Stock wurde ein
Laden eingerichtet.
In Dolinsk war der von Johann Aron Dyck gegründete Laden sehr
erfolgreich. Er wurde später von seinem Sohn Johann
weitergeführt. Der Laden wurde in den 20-ern an Riesen
verkauft, der dann während der Kollektivierung enteignet wurde.
Das große Backsteinhaus ist seither als Riesen'shaus bekannt. In
Podolsk gab es das Geschäft von Kornelius Regehr, das 1908
von H.Warkentin gekauft und stark ausgeweitet wurde. In Bogomasowo gab
es sogar zwei Läden. In Kaltan gab es zwei Läden von Janzen
und Jakob Zimmermann. Einige Ladenbesitzer besaßen noch Land und
betrieben Landwirtschaft, wie z.B. Jakob Zimmermann.
Die Waren wurden aus Sorotschinsk, Busuluk, Samara und Ufa gebracht.
Verkauft wurden Zucker, Süssigkeiten, Pfefferkuchen,
Kolonialwaren: Tee, Kaffee, Vanille, Zimt, Gewürznelken,
verschiedene Nussarten, desweiteren Sonnenblumen-, Hanf- und
Leinenöl. Die Dorfbewohner konnten dort auch Schuhe und
Kleidungsstoffe kaufen. In den Läden gab es außer den
Regalen und Ladentischen auch Tische und Stühle, wo sich die
Kunden hinsetzen konnten um sich zu erholen, Neuigkeiten austauschen
oder Geschäfte besprechen. Bei Wunsch konnten sie eine Tasse Tee
oder Kaffee trinken. Da die Bauern den größten Teil ihres
Einkommens erst nach dem Verkauf der Ernte bekamen, brauchten sie ihre
Einkäufe nicht sofort bar zu bezahlen und konnten Kredit nehmen.
Die Schulden wurden in ein Schuldbuch eingetragen. Bei teuren Waren und
landwirtschaftlichen Maschinen wurde von dem Käufer ein Wechsel
ausgestellt.
In eine ganz andere Kategorie fallen die 2 Maschinenlager: das von
Jakob Wittenberg in Donskoj und das von Gerhard Dück in
Pleschanowo. Jakob Wittenberg gründete sein Geschäft 1906,
Gerhard Dück ein wenig später. Die Bauern konnten dort die
benötigen landwirtschaftlichen Geräte kaufen. Die Maschinen
wurden auch von den
umliegenden nicht-deutschen Einwohnern gekauft. Vermutlich
brauchte man zur Gründung eines solchen Geschäfts erheblich
mehr Kapital als bei einem Kaufladen, da die Maschinen sehr teuer
waren. Nach dem Haus von Jakob Wittenberg zu urteilen muss er einer der
reichsten Männer in Neu Samara gewesen sein (abgesehen von den
Gutsbesitzern vielleicht).
Anwesen von Jakob Wittenberg in
Donskoj