Kapitel 120

Der große Vaterlandskrieg 1941-1945

Schon acht Monate ging der schreckliche Krieg. Der Kalender zeigte schon März und immer noch ohne jegliche Veränderung übergab der Direktor im Lautsprecher die Letzten Sendungen:" Der Feind dringt gewaltmäßig immer tiefer in das Land, stiftet große Verheerungen und Vernichtungen an usw." Der ernste und entschiedene Aufruf galt:" Alles Volk, alle Kräfte drauf und dran, nur um den Feind zu besiegen." Viele tapfere Krieger standen schon lange an der Front im Verteidigungskrieg, die Heimat und Haus verlassen hatten nur um den Frieden wieder herzustellen. Diese Krieger alle mussten aber auch mit allem Notwendigen versehen werden, um siegesbewusst um der Gegenwehr zu streiten, zu kämpfen. - Brot, Technik, Kohle, Kleider, o wie viel muss dann im Hintergrund erzeugt und gebaut werden, um nicht mit leeren Händen zu kriegen. Auch hierzu müssten große Arbeitskräfte sein.
Es war im März Monat, als eines Tages im unserem Bezirk eine extra Zuschrift kam das binnen vierundzwanzig Stunden, jung und alt, fast die ganze Gesamtbelegschaft - Kollektivisten, Arbeiter und Diensthabendem, versehen mit Essware und Unterwäsche sollten reisefertig für den Dienst in die Armee am nächsten Tag zur Bahnstation gefahren werden. Eine bemerkbare Unruhe entstand im ganzen Dorf. Ein langes Zaudern und Plaudern gab es nicht, ein jeder hatte seine eigene Beschäftigung um nur in dieser kurzen Zeit fertig zu werden. Alle Frauen und Hausmütter hatten voll zutun, um ihre Männern und ihren Söhnen etwas zu backen und fertig zu machen. Viele, so wie auch ich mussten ihre Arbeiten abgeben. Wie es denn nicht war, aber binnen einem Tag waren wir fertig. Am Abend noch kamen zu uns, zu meinem Schwiegervater noch zwei Nachbarn um noch kurz über unsere bevorstehende Sache zu sprechen:" Wer wie fertig sei zu so einer Reise, wer wie viel mitnehmen würde, oder könne, denn Brot hatten nicht alle Kollektivisten genügend um es mitnehmen zu können." Es waren ja aber auch wohlhabende Leute da, die ihren Reisesack fest bis Oben füllen konnten. Von solchen Leuten sagten wir dann:" Solch einer, der wird schon durchkommen.
Aber der arme Mensch der kaum für ein paar Tage ein Stückchen Brot mit sich nehmen kann, wogegen andere noch Speck und Fett haben, der wird vielleicht recht bald einbüßen müssen." Da fragte mich einer von den Nachbarn:" Ei wie stellst du dir dein Fortkommen vor?" - Um meinem Schwiegervater, der auch hier saß, nicht mit trüben Gedanken sitzen zu lassen, sagte ich ganz frei uns furchtlos:" Ich? Ich weiß nicht allerwärts, wenn mein Reisesack auch nicht zum platzen voll ist, so hab ich aber in meinem Oberstübchen einen Vorrat, der mich allerwärts zu Gute kommt, denn ich kann als Zimmermann, Tischler, Maler, Glaser, Buchhalter, Lehrer u. a. arbeiten und damit komm ich allerwärts wie auf ebener Bahn durch." Fast wie beneidend sagte man mir: "Dann bist du wirklich ein begabter Mann "- Und so ging dann ein jeder nach Hause, im Morgen früh in die uns unbekannte Zukunft und bevorstehendes Schicksal uns zu übergeben. Nur die alten Väter, und Mütter die Kinder, Traktoristen und Kabinenführer blieben zurück. Am nächsten Tag wurden viel Schlitten eingespannt und die Leute wurden alle sechzig km bis Sorotschinsk zur Eisenbahnstation gefahren. Hunderte und Hunderte Männer wurden in Eisenbahnwarenwagen verladen. Etwa zu fünfzig Mann im Wagen. Kahle, leere Bretterlager nahmen wir ein. Ein kleiner Gussofen stand in der Mitte des Wagens, kalt und ohne jeglichem Brand. Auch kein Wassergefäß befand sich hier. Unsere Schlitten samt den Kutschern verließen uns nun und die ganze Belegschaft blieb in den kalten Wagen zurück. Unser ganze Militärszug wurde nun vorläufig in eine Eisenbahnsackgasse geschoben. Anfänglich glaubten wir doch recht bald loszufahren, daher blieben wir drinnen im Wagen. Aber es dauerte bis in die nacht, bis endlich unser Zug losrückte. Jedoch wir fuhren gar nicht eine große Strecke, dann stellte es sich wieder. Und wieder standen wir etwas abseits. Weil es aber in den Wagen recht kalt war, fanden sich beherzte Männer, die dann ausgingen um irgendwo Brand zu erobern. Kohlen, Bretter und was sie nur erwischen konnten, wurde beigeschleppt. Bald war es denn auch im Wagen etwas lustiger. Die Fahrt geschah meistens nur Nachts. Wohin es eigentlich ging, wusste ja niemand von uns. Nur soviel wussten wir, es ging dem Osten zu. Statt nach der Front, so wie wir anfänglich alle glaubten, ging es jetzt immer tiefer in den Hintergrund hinein. Zwei Wochen ein und dieselben Strapazen nun nicht zu verfrieren. - Nun aber hatte eines Tages diese "Wohlfahrt" ein Ende. Stadt Korkino wurde endlich unsere Endstation, wo wir dann mit Sack und Pack aussteigen mussten. Ich persönlich fühlte mich Körperlich unwohl, hatte Kopfschmerzen. Wir mussten uns auf Kommando in reih und Glied stellen und mit unserem schweren Handgepäck losmarschieren. Wir gingen etwa ein km. Da stießen wir an ein Lager von lauter lange Erdhütten etwa zwanzig an der Zahl. Hier wurde Halt gemacht, man erklärte uns; " nun seien wir zu Hause." Unser Führer der sich jetzt als Lagerkommandant vorstellte, gab nun weitere Befehle, die strengstens sollten beachtet werden. Dann sagte er weiter:" Jede Erdhütte hat zehn Zimmer, jedes Zimmer fast zwölf mann, in jedem Zimmer sind zweistöckige Bretterlager, zu je sechs mann. Auch ein Kochherd steht drinnen." So wie wir standen, so mussten wir uns zu zwölf mann abzählen und dann der Reihe nach in die Baracke gehen. Ich hatte schon große Kopfschmerzen und sah schon die ganze Welt für immer einen Dudelsack an, d.h. mir war schon alles ganz einerlei, ich wusste kaum mehr, wo ich mich befand. Im Strom meiner Zwölfzahl kam ich ja bis in ein Zimmer, wo ich dann augenblicklich meinen Rucksack in die Ecke stellte mich darauf setzte den Kopf an der Wand lehnend und vor Kopfschmerzen nicht ein noch aus wusste. Alle Männer hatten schon ihre Plätze eingenommen, nur ich saß fast bewegungslos hielt ich mir den Kopf und stöhnte. Unsere Männer wussten ja schon das ich Kopfschmerzen hatte, aber keiner von uns hatte Tabletten für Kopfschmerzen. Da ging Jakob Petker einer von unseren zwölfen zum Kommandanten, der sich noch immer hier befand und meldete ihm, das einer von seinen zwölfen heftig Krank geworden sei. Der Kommandant schaffte auch recht bald Hilfe bei. Da war auch schon ein Schlitten gefunden und ich wurde noch selbigen Abends zwei km. in ein Krankenhaus gefahren. - Meine Kopfschmerzen waren wieder solche wie damals in Bugulma.(Seite 656) - Hier im Krankenhaus erfuhr ich, das die gesamte Bevölkerung an Ort und Stelle wohl noch nie gehört hatten, das in Russland Russlandsdeutsche wohnten, geschweige noch gesehen hatten. Daher sah man mich für einen Faschisten, einen Hitlerfritz an und glaubten fest, ich sei schon ein gefangener Fritz von der Front. Die Kranken schämten sich vor mir und wollten gar nicht mal sprechen zu mir. Im ersten Augenblick sprach ich nur wenig, denn ich konnte vor Kopfschmerzen kaum "ja" und "nein" sagen. Der Arzt der mich untersuchte sprach nur in Gegenwart der Kranken, das ich ein Faschist sei, aber er erwies mir doch ärztliche Hilfe, wenn auch nur einfach und ungern. Seinen Namen weiß ich Heute noch:" Gapeschko." Aber als ich bei mir mehr Linderung eintrat, so das ich schon mehr sprechen konnte, erklärte ich allen hier, das ich kein Faschist sei, habe selber nie einen gesehen und sei wahrhaftig ein gehbürtiger Rußländer. Das alles kam ihnen Komisch vor, aber weil ich denn ganz geläufig russisch sprechen konnte, fingen sie doch an milder zu werden; aber doch misstrauisch. Zehn Tage hatte ich nun im Krankenhaus gelegen, ich fühlte mich auch schon wieder munterer, da sagte mir der Arzt6, mehr könne er nicht tun, ich unterliege der Entlassung, aber vorsichtshalber wolle er mir ein Begleitschreiben geben und ich solle noch nach Tscheljabinsk zum Professor fahren und mich noch einmal untersuchen lassen. Mit so einem Begleitschreiben entlies er mich und ging dann wieder zu den unsrigen in die Baracke, von welchen wir schon wissen. Zu meinem großen Erstaunen sah ich, das unser Barackenterritorium mit einem Stacheldrahtzaun umzäunt war. Vorne eine Wächterbude mit Wächter stand. Den Einlass zu den unsrigen wollte man mir nicht gewähren, aber notlich mit großer Erklärung lies man mich ins Lager, aber ein zurück gibt es nicht, wurde mir dann gesagt. Im Großem und Ganzen ein verdächtiges Leben. Nun hier war ich wieder bei den Unsrigen die mir dann schon alle Neuigkeiten unserer persönlichen Lage mitgeteilt hatten und das wir nun gleichberechtigt mit 2 beliebige Gefangenen sind - d. h. ohne bewaffnete Begleitung nicht einen Schritt machen dürfen. Es sei auch schon ein Lagerarzt im Lager angetreten, ein Jude von welchem wir schon zur Genüge wissen. - Nichts erfreuliches. - Aber eine kleine schimmernde Hoffnung auf Entlassung heiterte mich doch noch etwas auf. - Mein Begleitschreiben vom Arzt aus dem Krankenhaus zeigte ich dem Lagerkommandanten und glaubte nun fest das er mir würde die Erlaubnis geben, nach Tscheljabinsk zum Professor zu fahren, aber er sagte:, Gib es dem Lagerarzt." - So tat ich es dann auch. Dieser Jude, sehr hilfsbereit sagte dann zu mir:" Mach dich nur bereit, Morgen fahren wir nach Tscheljabinsk." - Am anderen Tag früh Morgens wurde ich vom Lagerarzt gerufen um schon zu fahren. Es stand auch schon eine Lastmaschine im Lager, daneben auch der Lagerarzt, auch ein bewaffneter Soldat. Nun wollte ich vom Lagerarzt mein Begleitschreiben, an den Professor, haben. Dann sagte er so ganz bescheiden nach jüdischer Art:" Der Soldat hier, habe es, der würde mich schon zum Professor bringen." " Wie?" sagte ich, ein Begleiter? Ein Soldat mit der Flinte? Ich bin kein Verbrecher, auch kein Gefangener, ich kann allein nach Tscheljabinsk fahren." - Dann mischte der Soldat sich schon ein und sagte:" Schweigen, - setz dich auf die Maschine und packte seine Flinte fester an." Hier sah ich schon, das wir ganz und gar als Hitlers Fritze behandelt wurden und auch schon Faschisten genannt wurden. Hier war nur geblieben zu schweigen und gehorchen. Und so wurde ich zum Professor gebracht, wie ein Arrestant, hinter der Flinte.

Beim Professor angekommen, wurde ich untersucht. Das Ergebnis lautete:" Für den weiteren Dienst untauglich, unterliegt der Entlassung." Dieses Dokument händigte er dem Soldaten aus. Jetzt glaubte ich wieder nach Korkino zu fahren und dann schon wie folgt, wieder nach Hause. Mit diesem Bescheid verließen wir beide dann den Professor und gingen hinaus. Unsere Maschine war indes weiter gefahren und ich glaubte der Soldat führe nicht dorthin, wo die Maschine sei. Ich musste vorgehen, er folgte mit der Flinte nach. Die Straßen und der Weg auf welchen wir gingen kamen mir aber höchst verdächtig vor, durfte aber nichts sagen, denn die Flinte war hinter mir. Ich musste nur gehen wie der Soldat sagte, - bald rechts, bald links. Wir waren schon eine schöne Strecke außerhalb der Stadt gegangen, als wir zu einem großen Lager kamen. Hier an der Wachbude hieß es ,"Halt," dann machte er die Tür auf und hieß mich hinein zu gehen. Zu der hiesigen Wache sagte er dann:" Hier habt ihr einen und ich gehe zum Mittag, ich gehe nach Hause," fügte er noch hinzu. Nun saß ich hier in der Wachstube und wartete, bis dann endlich die Mittagspause rum gehen sollte. Als dann eine Stunde vergangen und mein Soldat sich noch nicht eingefunden hatte, bat ich der Wache, ob sie nicht per Telefon anfragen wollten, wo denn mein Soldat verbleibe. Doch darauf erhielt ich eine kurze scharfe Antwort:" Der wird schon kommen wann er will." Ich war gezwungen weiter zu warten. - Zwei Stunden waren vergangen und noch kein Soldat zu sehen. Und wieder bat ich ganz kläglich:" Sie sollten doch nach meinem Soldaten fragen, die Mittagspause sei ja schon längst vorbei." "Schweig und halt das Maul," folgte darauf die Antwort. Das war für mich schon mehr wie verständlich. So saß ich hier dann bis gegen Abend und kein Soldat ließ sich sehen. Die Wache wechselte sich ab, die Nachtwache trat nun ihren Dienst an und nun wurde ich von der neuen Wache gefragt wer ich sei. In aller kürze erklärte ich ihnen dann, wie ich eigentlich hierher gekommen sei und dass ich schon von Mittag auf einen Soldaten wartete, der mich abholen wollte und noch immer nicht gekommen sei. Ohne jegliches anhalten fragte ich gleich, ob sie nicht so gefällig sein wollten und per Telefon nachfragen, ob mir nicht könnte geholfen werden? Jetzt erhielt ich eine Antwort, die mir bis heute noch in den Ohren:" Mach das du ins Lager kommst und komm uns nicht in die Nähe." Er machte die Innentür auf und trieb mich sehr unsanft ins Lager. Ich setzte mich nun auf die Erde mit dem Gedanken, hier neben der Bude doch bemerken zu können, wenn mein Soldat mit einmal doch noch auftauchen sollte, das ich dann auch gleich fertig wäre. - Es wurde dunkel und hier auf diesem Platz bei kalter Frühlingszeit, wo noch hin und wieder Schnee lag, konnte ich ja doch nicht nächtigen. Zudem verspürte ich schon Hunger. Ich war gezwungen mir den Lagerkommandanten aufzusuchen, um ein Abendessen und ein Nachtlager zu erhalten. - Der Lagerkommandant war gefunden. Es war hier ebenfalls so ein Lager von lauter Deutsche aus der Krim, so wie wir es auch waren. Wir alle in Korkino waren noch unlängst vom Orenburgergebiet gekommen und bildeten das zwölfte Baulager, diese alle waren schon im Herbst gekommen und hatten schon den kalten Winter durch gemacht. Hier stand ich nun vor dem Kommandanten mit meiner Frage. Natürlich musste ich auch hier wieder meine ganze Lage erzählen, wer ich sei, von wo ich komme usw. Als er mich nun angehört hatte, sagte er:" Brot hab ich keins, aber ein Nachtlager kann ich dir geben." Er führte mich in die Baracke, suchte einen freien Platz von denen die in der Nachtschicht arbeiteten und hieß mich hier zu lagern. Er ging hinaus und ich blieb hier hungrig im halbdunkeln und halten Raum stehen. Jedoch hier half kein Sinnen, so wie ich jetzt war, angekleidet und in Lederstiefeln legte ich mich auf das leere Brettlager. Wie ein Hund kauerte ich mich nun zusammen und zitternd mit den allerverschiedensten Gedanken verbrachte ich fast schlaflos die lange Nacht. Die Baracken im fünften Baulager waren aber lange nicht zu vergleichen mit den Baracken in Korkino im zwölften Baulager. Dies waren nicht Erdhütten mit Stuben für zwölf Mann und ein Kochherd, wie wir schon wissen. Sondergroße Scheunen zusammen genagelt von Brettern bezogen mit Leinwand in der Mitte ein paar Gussöfen, zweistöckige Holz - Brettlager für etliche hundert Mann, das war die Komfortable Wohnung für den Deutschen zu jener Zeit. Hier erzählte mir keiner, die ganze Lebenslage der Leute im Lager, so wie sie mir in Korkino, da ich aus dem Krankenhaus kam, erzählt wurde. Zum staunen, ja sogar zum schreien war es, was ich hier von Stunde zu Stunde sehen musste. Meine erste Nacht hier in diesem fünften Baulager war zu Ende. Die Zeit war herangerückt, wo alles Volk, alle Männer zur Arbeit geweckt werden sollten. Und nun geschah etwas - ein etwas schauderhaftes, was ich im Leben noch nicht gesehen noch gehört hatte. Es steht mir wie heute noch vor den Augen. Noch schliefen, noch lange alle Arbeiter auf ihrem Lager. Da kam der Kommandant mir noch zwei Arbeitern in die Baracke. Schon gleich von der Tür an fing er an, jedem Arbeiter an die Füße zu rütteln, auch recht grob, wer die Füße von so einem unsanften Griff nicht einzog, das war dann schon ein sicheres Zeichen das derjenige schon gestorben war. Dann befahl er den Arbeitern diesen Mann hinaus zuschleppen. Draußen im Lager stand ein Kastenschlitten, wo dann die toten Männer hineingelegt - hinein geworfen wurden. Auf solche Art ging dann der Kommandant von Mann zu Mann durch die ganze Baracke. Die toten Männer wurden zum Lager hinaus gefahren und erst dann erscholl der Weckruf zum aufstehen. Wenn dann bei jemanden beim Aufstehen der Nachbar fehlte der wusste schon, das der gestorben ist und man ihn schon weggetragen hat. Mit dem Aufstehen begann nun vom neuen wieder wie gewöhnlich der unruhige Tageslärm und mit ihm auch die qualvollen Arbeiten, ohne je ein Ende zu sehen. Ich richtete mich auf und sah dem Gewühl aller unzufriedenen, hungrigen, schmutzigen und schwachen Männer zu. Viele von ihnen sahen recht verwahrlost aus, sie rasierten sich selten. Viele von ihnen schliefen, ohne sich die Oberkleider zum Schlafen gehen auszuziehen, denn es war eine Bärenkälte in den Baracken. Nach dem Frühstückessen ging es dann auf die Arbeit. Gruppenweise, in Reih und Glied in strengster Ordnung abgezählt. Mit bewaffneten Begleiter gingen alle arbeitsfähigen Männer zum Lagertor hinaus zu ihren Kilometer abgelegenen Arbeitsstellen. Die Hauptarbeit aller Arbeiter war meistens nur Erdarbeit. Es wurden große Fundamente Ausgegraben und dieses alles bei Winterzeit, bei Frost und Schnee- näher zum Frühling dann bei Schnee und Regen. Nun war es im Lager fast still geworden, denn nur etliche Kranke oder schon ganz geschwächte Männer waren zurück geblieben, die dann aber auch hier von dem Kommandanten eine gewisse Arbeit verrichten mussten. Oder in den Baracken oder im Hof war immer was zu tun. Als ich mich dann so das ganze treiben hier an Ort und Stelle angesehen hatte in welchem ich mich befand und mich der Hunger doch schon gehörig quälte, ging ich wieder zum Kommandanten, um doch schließlich mal gefüttert zu werden. aber wie gestern so auch Heute, eine abschlagende Antwort: "Ich kenne dich nicht und habe auch kein Brot". - Dann ging ich zur Küche um dort mein Heil zu versuchen, vielleicht könnte ich beim Koch meine ganze Lage von "A" - "Z" zu erzählen um in soviel zu bewegen mich williger füttern zu wollen. Aber ein satter ist dem Hungrigen Mensch gar kein Gefährte. Daher war es schwer etwas zu bekommen, aber nur mit einer Bedingung: "Wenn du für die Küche wirst Holzhacken, dann geben wir dir eine Suppe". Ich hatte schon so einen großen Hunger das ich mit allem einverstanden wäre, nur um etwas essen zu können. Nach getaner Arbeit, wie war mir damals die warme Suppe so wohl. Der Hunger war ja einstweilen gestillt, aber doch nicht auf lange, dann meldete er sich wieder denn es war ja nur ein jämmerliches Süppchen. Trotz alledem war ich aber noch fest der Meinung rausgerufen zu werde, wo man mich wieder würde nach Korkino fahren und ich dann wie folgt, so wie wir schon wissen, so recht bald würde ganz nach Hause fahren dürfen. Daher hielt ich mich immer noch in der Nähe bei der Wachbude auf, damit man mich nicht lange zu suchen brauche, wenn mit einmal meine Maschine käme. Aber ich wartete umsonst. Ich war wieder gezwungen mir eine Suppe zu verdienen. - Der Abend nahte schon kamen die ersten Arbeitergruppen von der Arbeit. Viele von ihnen hatten nasses Birkenholz aus dem Wald mitgebracht, selber bei der Arbeit nass geregnet. Mit dem mitgebrachten Holz wollte in den Gussöfen nicht brennen, es qualmte und rauchte und dusterte drinnen mehr wie draußen. Nach dem Abendessen dann, suchte ein jeder wie er seine nassen Kleider und Fußlappen bei diesem Verhältnismäßig kleinen Gussofen trocknen konnte. O, was gab es hier nicht alles. Schlagen, streiten, fluchen, - ein jeder wollte näher an den warmen Ofen treten. Ein und der andere glaubte größere Vorrechte zu haben indem sie dann sagte:" Ich habe mehr Holz gebracht als du." Und so ging es dann bis spät in die Nacht hinein. Der Kleine Ofen war immer besetzt mit Menschen bis am frühen Morgen. Ich, der ich hier ein wild fremder Mensch war, ich kam nie in die Nähe des Ofens und am Tag wurde er nicht gefeuert, denn da war kein Holz. So vergingen etliche Tage, für mich keine Veränderung auch vorläufig keine Hoffnung auf Befreiung. Ich lebte wie ein Tier, welches sich keine Pläne machen konnte, als nur für den Morgen etwas zu finden, und das ein Stückchen Brot. Etwa eine Woche war vergangen, die Frühlingssonne fing an wärmer zu scheinen. Sie durchwärmte schon das dünne Bretterdach mit die überzogene Leinwand. In der Barake auf dem oberen Bretterlager vernahm man in der Mittagszeit schon eine gewisse Wärme von Oben her. Schon eine Woche hatte ich Nachts immer in Kleidern geschlafen, auch die Lederstiefeln nicht geworfen, weil ich befürchtete man könnte mich bestehlen d.h. alles fort nehmen, denn ich war im Vergleich zu den anderen, ganz gut gekleidet. Nun gedachte ich in einer Mittagspause, da wo die meisten Arbeiter nicht zu Hause waren, mal die Oberkleider und die Stiefeln auszuziehen und auf den oberen Bretter etwas zu ruhen. Die Stiefeln, die sonst ganz leicht von den Füßen gingen, wollten jetzt nicht von den Füßen, aber mit etlicher Mühe zog ich sie doch von den Füßen. Da bemerkte ich das meine Füße ziemlich angelaufen waren. Ich machte mir deutlich diese Schwulst sei davon, das ich die Stiefeln schon eine ganze Woche nicht ausgezogen hatte, also daher komme die Schwulst. - Nun kletterte ich hoch und fand auf den Brettern ein Stückchen von einem Spiegel. - Ich schaute in den Spiegel und bemerkte das ich im Gesicht, besonders unter den Augen recht sehr geschwollen war. Anfänglich traute ich meinen Augen nicht, aber es blieb dabei, - ich war auch im Gesicht geschwollen. Ich lag und dachte darüber nach, so was war mir im Leben noch nicht passiert. Doch schließlich kam ich auf den Gedanken, das es nichts anderes sei als Hungerschwulst. - Ja, aber was sollte ich machen? Ich wusste keinen Ausweg. Das Süppchen bei der Küche das ich mich noch immer verdiente, war nicht genügend um wenigstens einigermaßen kräftig zu bleiben, weil doch kein Brot oder Fleisch noch anderes war. Mein hin und her denken half mir nichts, auch fand ich keinen Schaf und immer meiner Verzagtheit stand ich wieder auf und kleidete mich wieder an, setzte mich auf das untere Lager, dachte und grübelte und wusste nicht aus noch ein, was zu machen sei. In diesem Moment trat der Lageroberst und der Kommandant in die Baracke ein und machten eine Untersuchung, indem sie einen jeden der sich in der Baracke befand fragten, warum er denn nicht auf der Arbeit sei? - Da gab es denn verschiedene Antworten Der eine sagte:" Er sei krank." der andere sagte:" Es habe gar kein Fußzeug" Andere waren des Nachts auf der Arbeit gewesen usw. Nun kamen sie auch zu mir und fragten mich, warum ich denn nicht auf der Arbeit sei: Für mich war nichts anderes geblieben als wieder mein ganzes Schicksal zu erzählen.
Ich fasste mich schon sehr kurz, aber auch das konnte ich nicht bis Ende sagen, denn dann sagte der Oberst schon recht laut und gebieterisch zum Kommandanten; mit dem Finger auf mich zeigend:" Morgen schickst ihn in den Steinbruch, hast verstanden" Ich fügte aber noch wehmutsvoll hinzu, das ich schon eine ganze Woche kein Brot bekommen habe. Dann sagte er noch, mit der Hand durch die Luft schlagend:" Wirst schon bekommen:" Und so mit verließen sie dann die Baracke. Nun stand ich noch ein weilchen wie gelähmt, ohne von der Stelle zu gehen. Mein denken war im ersten Augenblick ein sinnloses denken. Doch dann setzte ich mich wieder und ließ nun meinen Gedanken freien Lauf. Ich dachte an meinem Sack mit Produkten, den ich in Korkino in unserer Stube hatte stehen gelassen. Noch fast nichts davon gegessen. Und hier, hier hatte ich gar nichts, als nur vor Hunger geschwollen. Ich dachte an der Heimat und Haus und hier war ich in der Fremde, niemand wusste wo ich war, als nur der eine Soldat der mich so weit versteckt hatte, wo ich nichts anderes sah, als meinen eigenen Untergang. Ich dachte an das Dokument vom Professor der mich vom Dienst frei gesprochen hatte, welches er dem Soldaten einhändigte, der es dann etwas später vielleicht noch lächerlich betrachtet hat und wohlmöglich verknutscht und in den Müllkasten geworfen hat oder sogar in der Toilette hat fallen lassen. Ich dachte an den Lagerarzt in Korkino, an den Juden der nun recht schadenfroh denken würde:" Einen Fritz hab ich doch zum" guten Heil" verholfen." Ich dachte:" Gibt es wohl Menschen die mit Menschen verfahren können die recht oft jämmerlich umkommen müssen, ohne eine Verantwortung für solche zu haben, oder ohne jegliche Gewissensbisse gleichgültig in den Tag hinein leben?" - Mein denken war aus. Der Lagerkommandant kam und hieß mich mitzukommen. Er führte mich in eine andere Barake zeigte mir ein Lager und sagte:" Abends kommt hier eine Brigade vom Steinbruch in welcher du Morgen arbeiten wirst, der Brigadier schreibt sich Birklein und mit ihnen gehst du dann auch heute noch Abendbrot essen in der Speisehalle." Im ersten Augenblick freute ich mich nur auf das Abendbrot, nach langer Zeit mal wieder ein Stückchen Brot essen zu können. Nun jetzt könnte man denken alles sei nun ins richtige Fachwasser gekommen. Am folgenden Tag nach dem Frühstück ging es in Reih und Glied ringsum mit bewaffnete Begleiter zum Steinbruch. Hier stellten sich die Soldaten alle um den Steinbruch und hielten Wache, damit auch niemand entlaufen könnte. Hier lag ein großer Haufen Brechstangen, Picke, große Hammer auch viel Handschuhe für einen jeden. Jeder packte zu, ich aber als Fremder mußt4e das nehmen, was überblieb. Schon im Lager hatte der Brigadier mir gesagt:" Die Norm auf einen jeden Arbeiter ist zwei Kubikmeter Steine brechen, auch in Stapel setzen, erfüllst du es, dann bekommst du den ersten Kessel, das ist eine bessere Kost. Gibst du aber nicht die Norm dann wisse, bekommst du den zweiten Kessel - eine schwächere Speise. Die Arbeit ging los, auch bei mir, auch ich wollte ja die angesagte Norm erfüllen, auch ich wollte ja den besseren Kessel bekommen. Doch diese Arbeit war mir ganz fremd, ich wusste nicht wie diese Arbeit richtig musste angegriffen werden. Im ganzen Leben nie Steine gebrochen. Und das schlimmste von allem war, zu diesem Steinbruch hatte ich ja keine Kraftvolle Vorkost bekommen, im Gegenteil, ich war ja schon halb verhungert. Auf Mittag schon sah ich das meine Norm würde unerfüllt bleiben, denn meine Kräfte waren schon dahin. Ich pusselte ja noch bis Abend an den Steinen rum, aber der Erfolg war nur klein, die Norm blieb unerfüllt - also zweiter Kessel. Und so ging es nun vorläufig jeden Tag, Tag für Tag ohne jegliche Veränderung, ausgenommen meine Kräfte, die wurden weniger von Tag zu Tag. Zufälliger Weise hatte ich in Korkino mir noch ein Heft und einen Bleistift in die Tasche gesteckt um schreiben zu können, wenn's nötig wäre. Hier nun in den Steinbruch, wenn man uns das Mittagsessen brachte, durften wir nicht auseinander gehen, sondern ein jeder erhielt seine Suppe in sein Blechgefäß das er hatte, setzte sich auf einen Stein, denn die waren hier mehr wie genug und jeder schlürfte dann sein Mittagsessen aus, gewöhnlich schon ohne Brot weil er es schon zu Frühstück aufgegessen hatte, Ich hätte vielleicht auch schon früher irgend einen Brief schreiben können, aber man sagte im Lager, das dass ganz unnötig sei, die Briefe würden nur kontrolliert und doch nicht abgeschickt auch die Wächter, Begleiter, Soldaten erlaubten nicht irgendwo Briefe zu übergeben. Nun kam ich mit einmal auf einen Gedanken, heimlich von der Wache, doch Briefe abzuschicken. Im Steinbruch, in der Mittagspause, sitzend auf einem Stein, schrieb ich auf einem Heftblatt einen kurzen Brief an meinen Vetter in Korkino. Der Inhalt war folgend: Er solle doch zum Lageroberst gehen und ihn aber sehr dringend bitten, mich doch von Tscheljabinsk aus dem fünften Baulager nach Korkino wieder zurückholen, meine Lage sei unerträglich schwer. - Dann machte ich von diesem Blatt ein Dreieckbrief, schrieb auf der einen Seite die Adresse des Empfängers, auf der anderen Seite schrieb ich:" Bitte in den Briefkasten werfen." Weil ich aber nicht wusste, ob mein Brief das Ziel erreichen würde, d. h. zu meinem Vetter gelangen würde, so schrieb ich dann anfänglich jeden Tag einen Brief, bald adressierte ich ihn an den Brigadier, dann an den Lageroberst selbst, dann wieder an einem Freund, an einen Nachbar. Der Inhalt jedoch war immer ein und derselbe. Die Steine, die wir am Tag anfertigten wurden gewöhnlich am Abend, wenn wir Arbeiter erst alle den Steinbruch verlassen hatten, zum großen Bauplatz gefahren. Diese Steinfahrer waren freie Leute, die fuhren auch inzwischen bis in die Stadt, daher glaubte ich, die könnten womöglich auch meine Briefe irgendwo in einen Briefkasten werfen. Daher legte ich meinen Brief mitten in die Steinen und wünschte ihm dann gewöhnlich noch eine glückliche Reise. Oder wenn wir am Abend nach Hause gingen, war ich in der großen Gruppe schon immer von den Hinteren, ich war schon einer von den Schwächsten, ich konnte schon nicht immer einen vollen Schritt machen. Kam dann irgendeine Maschine, die an uns vorbei fuhr, dann passten die Begleiter schon ganz besonders auf, das nicht jemand auf so eine Maschine sprang und vielleicht verschwand - weglief. Ich aber passte in so einem Moment den Augenblick ab, wenn die Begleiter unsre Soldaten so recht nach solchen Maschinen schauten, dann warf ich meinen fertigen Brief, den ich in der Tasche fertig hielt, rasch abseits irgendwo und irgendwie ins Gras. Wenn ich dann sah, das die Soldaten es nicht gesehen hatten, o dann war ich froh und glaubte, gute Leute würden ihn aufheben und in den Briefkasten werfen. Auf solcher Art schrieb ich neun Briefe, das hab ich noch behalten. Keine Veränderung trat ein. Meine Kräfte schwanden von Tag zu Tag bemerkbar. Besonders, wenn wir abends von der Arbeit nach Hause gingen, solche Schwache, wie auch ich, die am Tag schon lange nicht die vorgeschriebene Norm ausfüllten und beim nach Hause gehen die ganze Gruppe nur aufhielten, weil wir vor Schwachheit mit den anderen nicht Schritt halten konnten. Solche wurden dann von den Soldaten mit den schlechtesten Schimpfworten verflucht.
Nicht nur das allein, sie bekamen den Flintenkolben in den Rücken das sie manchmal hinfielen wie tot. Kein Mitleiden, kein Erbarmen. Wenn es mit den Schwachen doch zu arg wurde, so das sich die Soldaten schon von ihnen entsagten, dann gab es auch inzwischen ärztliche Untersuchungen, wo die Schwachen dann von der Außenarbeit befreit wurden, aber auch gleichzeitig einen geringeren Kessel und auch nur das halbe Brot erhielten. Im Lager aber gab es auch für solche immer noch Arbeit. - Holz für die Küche machen, Wasser hereintragen, den Hof kehren u.a.m. Jedoch eines Tages gab es für uns Schwachen was Neues. Als erst alle Arbeiter aus dem Lager auf die Arbeit ausgeführt waren, mussten auch wir Schwache uns alle aufstellen. Von der Wache wurden wir in den naheliegenden Wald geführt. Hier musste ein jeder Holz sammeln so viel wie er nur tragen konnte, welches dann bis an das Lager getragen wurde und auf einem freien Platz hingelegt wurde. Die Schwächsten von den Schwachen, wurden in das Lager gelassen. Etliche, darunter auch ich, wurden aber zurückgehalten. Sofort setzten wir uns um zu ruhen. In dieser Zeit kam ein Wagen angefahren mit mehreren Säcken. Diese Säcke mussten wir ausschütten, es waren Rinder- und Schaffüße. Ein jeder von uns erhielt ein großes Messer und nun sollten wir Feuer machen und die rohen Füße bebrennen und sauber machen. Für unsere Küche - für unsere Arbeiter. An diese Arbeit gingen wir mit großer Lust. Wenn auch gleich am Anfang gesagt wurde:" Essen und in die Tasche stecken von diesen Füßen ist streng verboten." Obzwar der Soldat mit seiner Flinte auch neben uns stand, so konnte er uns dennoch nicht wehren und wir konnten uns nicht halten, die wir doch so hungrig wie die Wölfe waren. Wir nagten doch inzwischen von den Füßen und wenn sie auch halb roh waren. Dieser Tag kam uns wie ein Freudenfest vor. Wenn wir Schwache solche Arbeit hätten öfter tun können, dann wären wir natürlich bald kräftiger geworden, aber von ein einziges mal gab es nicht viel Kräfte. Das war nur wie ein Tropfen im Meer. Und wieder verstrichen die Tage wie immer. Bei den Schwachen im Lager glimmte der Lebensdocht nur ganz wenig, bei etlichen erlosch er gänzlich. Dann dachte ich wieder an meinen Sack mit Esswaren. Ob er wohl auf mich noch wartete? Ob wohl meine Briefe alle verloren gegangen seien? Ob denn wirklich keine Rettung für mich sei? Dann wollte es manchmal zu schwer für mich werden. - Die Frühlingstage waren schon wärmer geworden, man saß schon gerne draußen im warmen Sonnenschein und an so einem schönen warmen Tag mussten wir Schwache und Kranke uns wieder im Lagerhof in Reih und Glied stellen. Etliche glaubten, jetzt würde es wieder Arbeit mit den Rinderfüßen geben, - aber nein. Der Kommandant las von einer Liste die Namen der aller schwächsten Männer vor und hieß sie dann in den Stabkontor gehen um wieder eine ärztliche Untersuchung zu machen. Die ärztliche Kommission sprach die meisten von den rausgerufenen von jeglicher Arbeit frei. Solche freigesprochene, über alle Massen schwache Männer, erhielten einen sechsmonatlichen Urlaubsschein, wo sie dann nach Hause fahren durften, um sich körperlich zu erholen. Wir andere waren schon alle auseinandergegangen, ich hatte mich bei einer Baracke im warmen Sonnenschein gesetzt und dachte nun über alles wieder nach. Ja, so schwach wie ich nicht war und doch noch nicht schwach genug, um vielleicht auch hier ganz loszukommen. Nun war ich innerlich wieder tief geschlagen. In dieser Zeit kam einer von den Schwachen aus dem Stabkontor, der auch freigesprochen war, er wollte an mit vorbei in seine Baracke gehen. Als er sich näherte, wollte er mir seine Freude mitteilen, indem er nur ganz kurz sagte:" Nach Hause." Ich schaute ihn an und bemerkte in seinem Gesicht Krankheitsschatten, nein mehr noch - Todesschatten.
Als er nun bei mir vorbei ging, zwei, drei Schritte weiter, stolperte er und fiel hin und - und war tot. - Dieses gab mir einen Stoß, das ich gänzlich verbraucht war irgend etwas zu tun. Ich raffte mich auf und ging dann seitwärts im Lager näher zum Zaun, wo schon etwas grünes Gras gewachsen war und legte mich im warmen Sonnenschein nieder. - Also so weit musst du kommen, dachte ich, wenn erst die Todesschatten im Gesicht spielen werden, dann wird man auch dich frei sprechen, das du nach Hause fahren kannst und die Heimreise wird dann ganz kurz sein, von - bis und dann bin auch ich zu Hause. Ich war jetzt in Gedanken zu Hause, dachte an den letzten Abend zu Hause. Dachte an das letzte Gespräch mit den Nachbarn, dachte an die Worte die ich dem Schwiegervater und den anderen recht laut zum Trost gesagt hatte:" Ich weiß mich allerwärts und ich komm allerwärts durch, denn ich bin Tischler, Glaser, Buchhalter und vieles andere noch, ich mach mir keine Sorgen, zudem hab ich einen Sack voll Essware," - wirklich ganz gut.---- Aber an einen Steinbruch, der mir die letzten Lebenskräfte nehmen würde, ist mir nie in den Sinn gekommen. Hier wirst du jämmerlich umkommen und niemand wird je erfahren, wo du verschollen bist. Mir liefen meine Sinne und Gedanken durcheinander. Ich wollte schreien, - ich wollte weinen, - ich wollte beten, - ich wollte stöhnen, - ich wollte denken und in meiner großen Schwachheit kam nichts zum Vorschein. Ich war indessen eingeschlummert und erwachte erst als alle Arbeiter von der Arbeit gekommen waren und ein Lärmen im ganzen Lager hörbar wurde, doch duselte ich noch ein Weilchen und ließ den Gedanken freien Lauf im Rausch der Umgebung. Ich fühlte noch gar nicht geruht zu haben. Hier galt wohl immer das Verschen:
Man hat gegessen und ist nicht satt,
Man hat geruht und ist doch matt.
Nun raffte ich mich aber doch auf, ging ins Lager, kam ins Gemenge aller Arbeiter und wartete wieder auf das für uns so schöne Abendbrot um dann wieder zur Ruhe gehen zu können, aber doch, ohne für immer eingeschlafen zu sein, den nächsten Morgen zu erleben. - So vergingen, arm, schwach, mühselig Tag für tag und der Krieg nahm kein Ende, auch die Arbeit nahm kein Ende. So lange wie auch die Schwachen ihre Füße schleppen konnten war im Lager immer Arbeit für sie. Ein langweilen gab es nicht. Walde, Waaalde, erscholl eines Tages mit lauter Stimme über den ganzen Lagerhof. Ich tippelte so langsam diesen Ruf entgegen und fragte dann, was los sei. Walde? "Ja sagte ich." " Eilig in das Stabkontor, du wirst gerufen," sagte der Mann. Von eilig war ja keine Spur, denn die dick angeschwollene Füße hatten ausgeheilt, es ging nur ganz langsam. Als ich in den Stab kam, sah ich unseren Lageroberst aus Korkino. Dieser Anblick übertraf all mein denken, ich wusste noch nichts zu sagen. Ich glaubte meinen eigenen Augen nicht. Dann fragte der Oberst:" Bist du Walde?"" Ja," sagte ich. Dann sagte er weiter:" Du hast mich müde gemacht mit deinen Briefen," und weiter " Wirst du bei mir arbeiten?" O ja so viel ich kann, erwiderte ich." "Gut, dann setz dich auf die Lastmaschine die vor dem Tor steht und wir fahren nach Hause:" Jetzt war kein Begleiter mit der Flinte, so wie ich war ging ich zur Maschine um dann hinauf zu klettern. Zwei Arbeiter die auf der Maschine waren, zogen mich hinauf, ich hatte wenig Kraft. Stellt euch vor, so ein Arbeiter war ich, nicht im Stande allein auf die Maschine klettern zu können. der Oberst setzte sich vorne beim Fahrer und wir fuhren nach hause, nach Korkino. Für immer verließ ich damals das fünfte Baulager, das mir fast das Leben genommen hatte. Die vierzig Km die wir zu fahren hatten waren bald zurück gelegt. Schon während der Fahrt freute ich mich, bald bald bei meinem Sack, wo noch Nudeln, Grütze und Schinkenfleisch war, mir eine Suppe kochen zu können, wo ich dann, nach zwei monatlichem hungern mich so recht satt essen würde. - Schöne Phantasien.- Ende Mai, ein schöner Tag von Ferne erblickte ich Korkino. Endlich hielten wir am Tor beim zwölften Baulager. Meinem Lageroberst Piatrowskyj, sagte ich einen herzlichen Dank und ging dann ins Lager zu den Unsrigen. Die meisten kannten mich ja, aber vor Staunen blieben viele stehen und fragten:" Walde bist du das?" sagten sie dann. Aber ich wollte nur zu meinen Nudeln, denn ich war ja am verhungern. Als ich nun in meine Stube kam wo ganz am Anfang nur eine Nacht genächtigt hatte, sah ich auch von den Unsrigen aus unserem Heimatdorf etliche Männer. Auch diese alle wunderten sich nicht wenig über mein Aussehen, aber ich war nun zu Hause. Nicht viel anderes war mir jetzt wichtig, ich fragte schon recht bald, wo mein Sack sei. Dann schauten sie mich mitleidig an und einer von ihnen sagte mir fast wie gezwungen:" Deinen Sack hat Heinrich Görzen verhandelt für Tabak." Unwillkürlich fiel ich aufs Lager und weinte und jammerte in meinem Elend wie ich konnte. - Getäuscht, o fürchterliches Wort - getäuscht. Als ich mich dann endlich etwas beruhigt hatte, ging ich in die Speisehalle, denn auch hier waren bekannte Freunde, die es schon gehört hatten, Walde sei wieder gekommen. Diese meine Freunde, sahen es schon ehe ich etwas fragte, was mir fehlte. Gleich schöpfte einer der am Kochkessel stand mir eine warme Suppe ein. O wie tat diese Suppe mir so wohl, denn sie war kräftiger als die Suppen die ich im fünften Baulager mich für Holz machen, so schwer verdiente. Nach ganz kurzem Erzählen, ging ich dann mir mein Lager aufsuchen um ja wieder etwas zu ruhen, denn müde war ich ja immer, weil meine Füße mich kaum zwangen. Schon kamen immer mehr Arbeiter von der Arbeit, auch Heinrich Görzen trat ins Zimmer. Gleich wurde es auch ihm gesagt das ich gekommen sei und das ich dort in der Fremde fast verhungert sei. Hart getroffen von seinem eigenen Gewissen das ihn jetzt besonders verklagte, schwieg er und sprach kein Wort, auch keine Begrüßung fand statt. Dann richtete ich mich langsam auf, rückte näher zu ihm und fragte ihn dann:" wo mein Sack sei?" - Er schwieg. Dann sagte ich weiter zu ihm:" Schau mich mal gründlich an," Glaubst du es mir wenn ich jetzt meinen Sack mit Essware hätte, das ich mich gerne hätte satt gegessen? Und du hast es für Tabak verhandelt? - Er schwieg. Weiter sagte ich dann:" Ich wünsche niemanden, die ihr hier seid, so eine traurige Kur durchzumachen, die ich durchgemacht habe, auch dich persönlich nicht, auch will ich mich niemals rächen an dich für den Spaß den du mir gespielt hast, sonst könnte ich mit einmal wieder ein Übel erleben, das vielleicht noch ärger wäre, wie zuvor. Aber ein Sprichwort, das allen bekannt ist, will ich dir sagen und damit rechne:" Zahltag frisst der Hund nicht auf:" Aber vom Gewissen geschlagen, konnte er mich nicht mehr frei anschauen. --- Jetzt noch etliche Worte von Heinrich Görzen. Görzen war mein Onkel er war etwa vier Jahre älter wie ich. Er war der Mann zu der Tante meiner Frau Sara. - Nicht viel Tage weiter, so wurde im zwölften Baulager eine nicht große Brigade gesammelt die recht weit auf einem anderen Platz arbeiten sollten. Auch H. Görzen geriet in diese Brigade. In der Fremde habe er aber nicht lange gelebt, er ist vor Hunger gestorben, solche Nachrichten erhielten wir später. Wie wird er aber auch so oft an diesem Sack gedacht haben.

Kapitel 121

Im zwölften Baulager.

Im zwölften Baulager fing für mich eine ganz andere Zeitperiode an. Von sorglos ruhen waren hier keine Gedanken nicht. Um mein tägliches Brot zu erhalten, musste ich jedoch in die Arbeitsliste eingeschrieben werden. Folglich war wieder ein Arbeiter mehr. Zu Anfang kam ich auch hier in die Brigade Arbeiter, welche im Lagerhof arbeiten, hinein. Der Kommandant der ja doch von den Unsrigen war, hatte Mitleid mit mir und obzwar ich auch bei der Arbeit war so ließ er mich doch mehr zu Kräften kommen und verlangte nur mäßiges von mir. Die gesamten Arbeiter unseres Lagers arbeiteten in der offenen Kohlengruft. Etliche nur arbeiten im Bau, etliche aber auch an der Eisenbahn neben der Kohlengruft. die Männer aus unserem Dorf waren Eisenbahnarbeiter. Das zwölfte Baulager war doch lange nicht mit dem fünften Baulager zu vergleichen. Die Gesamtarbeiterzahl war hier kleiner. Die Kost war hier etwas besser. Die Sterbefälle waren hier noch nicht zum Vorschein gekommen. Kurz gesagt, - es ging hier doch besser. Auch selbst die Baracken waren hier lange nicht so groß wie die großen, ich nenne sie jetzt Scheunen, in welchen ich mich lange zurück befand. Und ich am ersten Morgen das schauerliche Bild von Todesfällen sah. Nun konnte ich auch meiner Familie benachrichten wo ich war, wo ich jetzt sei und wie es um mich stehe. Die Briefe die man schrieb, wurden bald kontrolliert, aber wir durften schreiben. Die Leute im fünften Baulager konnten ja keine Briefe schreiben, den die Heimatlichen waren ja alle aus der Heimat und Haus ausgesiedelt worden, man wusste ja auch gar nicht wohin schreiben. In wenigen Tagen fühlte ich in mir einen kleinen Zufluss von Kräften. Die Todmüdigkeit war schon verschwunden, ich wurde heiterer. Wenn ich auch im Hof arbeitete, so war mein Quartier oder Nachtlager doch noch immer bei den Männern aus unserem Dorf, immer noch in der Stube, wo ich einst meinen Sack hatte stehen gelassen. Hier fühlte ich mich mehr heimisch und wenn unsere Arbeiter dann Abends von der Arbeit nach Hause kämen, wusste man immer was zu erzählen. Eines Tages hatte sich mein Nachbar Tags bei der Arbeit seinen Schuh zerrissen der aber unbedingt zum nächsten Tag musste geflickt werden. Er selber hatte von einer Schuhflickerei kein Verständnis, wogegen ich solche Arbeit schon in den jungen Jahren noch zu Hause genug gemacht hatte. Daher nahm ich, in seiner Verlegenheit ihm den Schuh aus der Hand und flickte ihn. Das gefiel ihm sehr, aber den anderen auch, denn schon zugute mir ein anderer Nachbar seinen Schuh, der ebenfalls zu flicken fehlte. Und so wurde ich als ein Schwacher, der doch noch weiter zu Kräften kommen sollte, ein Schuster. Ich fing an mich mit dem notwendigen Schusterinstrument zu versehen. Recht bald hatte ich Hammer, Zange, Riemen, Pech, Zwirn ja auch sogar Leisten hatte ich mir schon gemacht, denn Beil und Hobel verstand ich ja auch schon von jung auf zu halten. Hier nun beim schustern konnten meine Füße mehr ruhen, die doch vor kurzer Zeit so dick geschwollen waren. Die Schusterarbeit gefiel mir auch gar nicht und doch wollte ich schon nicht Schuster bleiben. Denn auch unserem Lager war die Kostbewirkung in drei Kategorien geteilt: Erster, zweiter und dritter Kessel. Ebenfalls das Brot: Ein Kilogramm achthundert Gramm und vierhundert Gramm und meine Schusterarbeit erhielt nur den dritten Kessel und nur vierhundert Gramm Brot. Jedoch andere Arbeiten übernehmen, mit den Unsrigen an die Eisenbahn gehen, wagte ich noch nicht, denn dazu war ich noch zu schwach. Die Sommermonate vergingen und weil ich jetzt schon nicht mehr so ein elendes Aussehen hatte, wurde ich vom Kommandanten inzwischen auch an Wirtschaftsarbeit gezogen und musste dann auch schon mein volles Sieb mitziehen. Von der Seite zu betrachten, konnte man schon bemerken, das die ganze Lebenslage schwerer, schwächer wurde. Der ganze Vorrat von Esswaren war schon ausgegangen, den die Leute von zu Hause miteingenommen hatten. Die ganze Kost war für vielen nicht nur schwach, sondern zu schwach geworden, um aufrecht zu bleiben. Und als erst der Winter nahte, zeigte sich schon bei etlichen Gruppen so ein Bild, wie wir gelesen haben, wie es war beim Steinbruch, wenn die Arbeiter nach Hause geführt wurden, das sie nicht alle konnten vollen Schritt halten. Und die Schwachen dann von den Soldaten mit der Flinte gestoßen wurden. Mir waren solche Szenen bekannt, aber anfänglich war es unseren Leuten fast zu schlimm solches zu sehen und mitmachen zu müssen. Der allererste im zwölften Baulager der von Schwäche und Hunger, beim nach Hause gehen von der Arbeit und bei solcher Behandlung wie oben schon ausgeführt ist, starb, war Heinrich Pankraz. Ich glaube, denselben Abend noch, wussten es alle Lagerdeutsche, denn diese Nachricht ging Augenblicklich von Mund zu Mund. Wogegen im fünften Baulager von so einem Fall nicht gemerkt noch geredet wurde. Weil hier aber so ein Unerhörtes geschehen war, wurde doch noch nach Sitte und Gebrauch ein Sarg gemacht um den gestorbenen dann anständig zu begraben. Ich wurde vom Kommandanten angestellt den Sarg zu machen. Dann wurde ohne Leichenfeier der Tote begraben. Das war die erste Zeremonie von einem Begräbnis. So war ich nun nebenbei Sargmacher geworden. Der Sommer war vergangen, der kalte Winter im Ural zeigte sich grausamer als wir es eigentlich von zu Hause gewöhnt waren. Die Zahl der schwachen Leute wurde allmählig größer und die meisten von ihnen konnten der herandringender Kälte nicht Wiederstand leisten und das Ergebnis war ein trauriges, sie fielen dem Hungertode zur Beute. Dadurch bekam ich immer mehr Arbeit. Wenn auch nicht jeden Tag aber es traf sich schon häufiger das ich einen Sarg machen musste. Ja es geschah sogar, das schon zwei Särge mussten gemacht werden. Die Bretter zum Sarg lagen auch nicht immer fertig. Daher gab der Kommandant Befehl die Tote im Sarg bis zum Friedhof fahren ihn dort ohne Sarg begraben, den Sarg dann wieder leer ins Lager bringen, um den nächsten Toten ebenfalls auf solcher Art zu begraben zu können. Mit der Zeit genügte auch dieses nicht. Es sollten schon zwei, drei Särge sein. Schließlich gab der Kommandant Befehl, weil keine Bretter waren, ohne jeglichen Sarg die Toten zum Friedhof zu fahren. Die noch arbeitsfähige Schwachen bildeten im Lager eine ganze Brigade, von denen dann eine Gruppe auf dem Friedhofe die Gräber graben mussten. In Frost und Kälte Gräber graben, das war eine harte Arbeit, die ging nur sehr langsam vor sich. Zudem war auch oft Schneegestöber, so das an solchen Tagen ein Grab graben unmöglich war. Bei so ein Unwetter wurden die Toten in der Totenkammer aufbewahrt, bis das Wetter günstig war, die Toten zu begraben. Dann gab der Kommandant wieder Pferd und Schlitten und eine kleine Gruppe musste dann wieder hinaus die angehäufte Toten bestatten. O widerliches Bild, man möchte gar nicht daran zurück denken. So schwarz wie etliche von den Toten aus der Kohlengruft gebracht waren, so lagen sie in der Kammer hart gefroren wie Holz manchmal auch krumm wie ein Klotz mit Ästen. Dann packten wir den Schlitten voll wie Holz und soviel wie das schwache Pferd ziehen konnte und dann ging es langsam den Dreikilometerweg bis zum Friedhof, das war ein stiller Leichenzug. Auf dem Friedhof manchmal beim halbfertigen Grab machten wir halt, packten dann ale an den Schlitten von der Außenseite und so schwach wie wir waren, aber mit einem Hurrageschrei kämpften wir dann doch die Toten alle ins Grab hinein. Wenn das Grab zuweilen auch übervoll wurde, so deckte Schnee und etwas Erde doch alle Toten zu. Bis die warme Frühlingssonne unsere verbuddelte Arbeit ans Tageslicht brachte. Aber auch einen hässlichen Gestank verbreitete, so das ein Traktor hingeschickt wurde, der dann den ganzen Friedhof mit seiner Schubschaufel von der freien Seite mit Erde bewühlte. Als so ein grauenhaftes Lagerbild doch wohl den Höhepunkt erreicht hatte und womöglich die weitere höhere Behörde von so einem Schreckensbild in Kenntnis gesetzt worden war, gab es eine Wende. Es wurde ein neuer Lageroberst eingesetzt: Piwowarow - er schaffte Ordnung. Der schaffte Ordnung nach allen Seiten, denn seine Befehle, denn seine Worte, fielen nicht leer auf die Erde. Der setzte seine Worte mit Hilfe aller Lagerarbeiter wahrhaftig in die Tat um. Bei ihm gab es keine Lieblinge. Streng und entschieden handelte er. Gleich anfänglich meldete er dem Lagervolk autoritätisch." es würde für uns allen einstweilen noch etwas schwer werden, weil die Außenarbeit, die Kohlen ohne jeglichen Aufenthalt mussten geliefert werden, es war ja Krieg; und weil die traurige Lage im Lager aber unbedingt sollte verbessert werden, so musste die ganze Arbeit nur nach den Arbeitsstunden gemacht werden und den guten Erfolg würden wir bald selber sehen." Sein äußerliches Aussehen und Benehmen, sein ganzes Verhalten, sein majestätisch edler Gang zeigte uns, das er wohl noch mehr sein könnte als nur Lageroberst. Ehrfurchtsvoll und gerne bot man ihm die Zeit und lüftete die Mütze.
Zu allererst, denn das war ihm die Hauptsache, ging er an die Küche, denn das war ja die Nährwurzel für alles Lagervolk. Er kontrollierte bis auf den Grund, ob seine Arbeiter die vorgeschriebene Norm von Produkten auch in Wirklichkeit bis auf das letzte Gramm erhielten. Daraufhin rutschten schon gleich in den ersten Tagen etliche Arbeiter mit schön gestellten Genicken in die Kohlengruft, um sich dort weiter zu sättigen. Andere wurden dann angestellt die Küche zu betreuen. Ich führe hier ein Beispiel an: Freie Arbeiter, die natürlich ihr eigenes Haus hatten und außerhalb des Lagers wohnten, durften ihre Suppen mit Recht und Erlaubnis durch die Wachstube, richtiger durch die Wachbude in ihrem Gefäß ganz frei nach Hause tragen. Ich meine hier Küchenarbeiter. Auch dieses wurde kontrolliert und was stellte sich raus? Das Suppengefäß war gefüllt mit Fett, welches schon geronnen war, obendrauf wurde dann eine kalte Kohlsuppe gegossen und so konnte man ganz frei mit seiner Suppe nach Hause gehen. Auf solcher und auch anderer Art wurden den Arbeitern die Nährstoffe gestohlen. Schon Erfolge. Die Küche verbesserte sich bemerkbar. Piwowarow war wie ein Spürhund Tag und Nacht, wie im Freien so auch im Versteck auf der Lauer, nur um jemanden zu fangen. Und er fing. Derjenige erhielt dann schonungslos nach Verdienst. Furchtsam und respektvoll verhielt sich das ganze Lager zu ihm. Mit der Küchenkontrolle hatte das ganze Lagervolk ja nichts zu schaffen, es freute sich nur, das die Kost etwas besser geworden war. Die Sterbefälle vor Hunger wurden weniger, ja sie hörten mit der Zeit ganz auf. Jetzt ging es an die Hygiene. Hier war es fast unerträglich für das Lagervolk. Wanzen und Läuse waren viel, kaum zu glauben. Um von den Läusen los zu werden, mussten wir Gruppenweise, pünktlich um zehn Tage ins Wasserbad, das etwa anderthalb km von Lager sich befand, gehen. Am Tag war die Hauptarbeit - Kohlen, hier gab es kein ausbleiben oder zu Hause bleiben um ins Bad zu gehen. Kam erst der zehnte Tag herbei, dann mussten wir des Nachts in das Bad gehen, ob es donnerte oder blitzte oder stürmte, ganz einerlei, die Hauptsache hierbei war, die Kleider wurden alle in der Desinfektionskammer desinfiziert um von den Läusen loszukommen. Daher gerade durfte niemand zu Hause bleiben. Ein weiteres großes Übel waren die Wanzen die uns auch beinah auffraßen. Wie waren doch die Brettlager und die Wände so voll von diesem Ungeziefer. Auch hier wurden treffende Maßregeln angewandt, um sie doch recht bald gänzlich zu vernichten. Der kalte Winter war vergangen. Aber der große Krieg noch nicht, die Schrecken des Krieges wurden mehr statt weniger. An Heimat und Hausdenken, konnte man ja, aber nicht nach Heimat und Haus fahren. Jetzt wurde eine große schwere Sommerarbeit vorgenommen. Alles Lagervolk ob jung ob alt, mussten sich jetzt die Ärmel hoch schieben, im die Hände spucken und ernstlich an die Arbeit gehen. Das Stubensystem in allen Baracken wurde gänzlich liquidiert, alles, aber auch alles wurde rausgebrochen und raus geschleppt. Dann wurden die Wände frisch verschmiert angeweißt, frische Lager gebaut, natürlich wieder zweistöckig, dann alles angestrichen. Scheinbar ganz gut. Piwowarow setzte jetzt in jede Baracke zu zwei Mann ein. Einen Barackenoberst, der für die Außenarbeit die Verantwortung trug und einen Barackenkommandant der für die Innenarbeit aufkam - Ordnung und Reinlichkeit. Nun sollte es wirklich so weit kommen, wie es in einem Sprüchlein heißt:
"Ordnung und Reinheit,
Jeden Menschen erfreut."
Vor dem Einzug in die Baracken, bekam jeder Barackenkommandant einen Bescheid vom Lageroberst:" Bei wem er nun in den Baracken eine Wanze finde, der fliegt ohne weiteres schonungslos in die Kohlengruft, mag er dort weiter Wanzen ausbrüten." Das glaubten sie alle, denn das hatten sie schon gesehen, was das Schmuggeln in der Küche für Folgen gebracht hatte. Aber es hatte geholfen, Wanzen waren nicht mehr. Der Barackenkommandant drehte sich wie ein Eichhörnchen im Rad, um nur nicht in die Kohlengruft zu kommen. - Ach wie haben mich die Wanzen zu jener Zeit so gepeinigt, die fraßen mich ja beinah lebendig auf. Eine große Arbeit war wohl gemacht, doch die nächste war schon in Sicht. Hier im Lager sollte ein Waschhaus gebaut werden, ein Haus für die Schusterei, Schneiderei, Frisiersalon. Ein Warenspeicher für Kleider und Bettsachen. Ach wie viel Arbeit, der lange Sommer wollte kaum reichen. Aber als erst die meiste Arbeit gemacht war, gab es auch mehr Ruh. Der Lageroberst Piwowarow hatte doch bewiesen, das er keine leere Worte in den Wind gesagt hatte, denn nun sahen wir die Erfüllung seines Versprechens. Auch im Stabkontor machte er Ordnung, auch die Wachbude musste sich ihm unterordnen. Ohne seine Erlaubnis durfte niemand das Lager betreten und wenn es auch gleich ein Milizmann wäre, der hier vielleicht was untersuchen wollte. Seine Empfangsstube hatte er auch hier im Lager, so das der Laufbursche der sich auch immer in der Wachbude befand, ihn zu jeder Zeit rufen konnte, wenn jemand von den anderen Vorgesetzten hierher käme.
Wie alle Lagerdeutsche waren ja eingezäunt und ein Ausgehen gab es nicht. Etliche oder sogar viele hätten sich gerne auf dem Markt für ihr Geld etwas gekauft. Hauptsächlich zum essen. Daher ließ der Lageroberst neben der Wachbude in der Zaunwand eine Öffnung wie ein Fenster mit einem breiten Fensterbrett als Ladentisch einrahmen, aber auch mit einer Lücke versehen, um das Fenster zu verriegeln. Am Tag wurde diese Lücke geöffnet und die Frauen aus der Stadt brachten ihre Milch, Quark, Eier und verschiedenes andere hierher, um es zu verkaufen. Auch dieses war ein Zuschuss für uns Arbeiter zur schwachen Kost. Als ich mich mit der Zeit doch körperlich mehr erholt hatte, kam ich wieder vollends in meine Brigade hinein und fuhr dann täglich mit den unsrigen auf die Außenarbeit, an die Eisenbahn arbeiten. Diese Arbeit wurde mit dem zweiten Kessel und achthundert Gramm Brot beköstigt. In die Kohlengruft wagte ich mich nicht hinein, obzwar es hier den ersten Kessel gab, dem hier könnte ich mit einmal wieder unterliegen, und das hatte ich schon im fünften Baulager geschmeckt und dafür hatte ich Furcht. - Wir Eisenbahnarbeiter wurden morgens sehr früh und abends manchmal auch sehr spät mit einer Lokomotive in einem Frachtwagen auf die Arbeit gefahren, auch von der Arbeit, welche zwölf Km von unserem Lager entfernt war. Geradezu die Reise, das Fahren war für uns sehr beschwerlich. Wogegen es die Kohlenarbeiter leichter hatten, denn die Kohlengruft lag ganz in der Nähe unseres Lagers. Weil ich nun, wie wir schon wissen vor etlicher Zeit Särge gemacht hatte, so gab es nun für uns, unsere Brigade eine Änderung. Ich wurde von unserem Barackenoberst als Brigadir angestellt und sollte, nun mit meiner Brigade von zwölf Mann, anfangen als Holzarbeiter zu schaffen. Einem jeden von uns wurde Beil und Säge gegeben und somit erhielten wir hiermit den Namen Bauarbeiter oder Zimmerleute. Mit der Eisenbahnarbeit war nun für uns Schluss, wir durften nicht mehr so weit und solange fahren. Die erste Arbeit im Holz, die wir machen mussten, das war ein Pferdestall, der ganz in der Nähe unseres Lagers gebaut wurde. Es kam uns allen ganz ungewohnt und doch sehr passend vor, weil wir nicht soviel Zeit mir dem hin und herfahren verloren. Von der anderen Seit zu besehen, war es anfänglich beschwerlich, denn wenige von uns verstanden mit dem Beil umzugehen. Aber es dauerte nicht lange, dann hatten wir uns in die Arbeit hinein gearbeitet und der große Stall war bald wie von außen, so auch von innen fix und fertig. Was noch sehr wichtig zu bemerken ist, mit der Zeit wurden wir von der bewaffneten Wache befreit, die uns anfänglich allewärts begleitete. Aber ganz frei wurden wir doch nicht, denn wir kamen unter die Kommendatur, die uns nur die Freiheitsrahmen etwas erweitert, aber eine volle Freiheit doch nicht einräumte. Die Stadtgrenze wurde für uns zur roten Linie über welche niemand von uns Lagerdeutschen ohne Erlaubnis treten durfte und wer außerhalb dieser Linie gefangen wurde, wurde schon als Deserteur betrachtet und fiel in Verhaftung.
Schon gleich von Anfang wurde ein Teil der Lagerdeutschen abgesondert und in das Nebendorf Baturino gelagert das auch mit einem Lagerzaun umgeben wurde und dieselben Rechte besaß, die auch wir in Korkino hatten. Das Dorf lag in der Nähe, wo wir an der Eisenbahn arbeiteten, denn hier wurde ebenfalls eine offene Kohlengruft eröffnet. Weil wir denn nun, ich mit meiner Brigade, schon vollständige Bauarbeiter waren, so bekam ich eines Tages von unserem Lageroberst Ausstellung, grade hier, wo wir an der Eisenbahn gearbeitet hatten, eine kleine Haltestation zu bauen. Wo zu allererst ein auf hohem Gerüst stehender Wasserbehälter für die Lokomotiven gebaut werden sollte. Um nicht alle Tage hin und herzufahre, wie wir es einst taten, wurde uns eine trockene Ration auf eine Woche rausgegeben und wir kochten uns das Essen selbst, hier wo wir uns eine kleine Bude von Brettern machten, und gerade hier, wo wir arbeiten sollten. Das war für unsere Brigade zu der Zeit eine große Freiheit, zu welcher wir sehr froh waren. Es war ja Sommerzeit und die größte Freude war, das wir hier nach den Tagesarbeitsstunden frei ins Nachbardorf, das etwas über ein km entfernt lag, gehen konnten, um hier dann bei den Dorfbewohnern uns etwas für den Magen verdienen konnten, denn die Kost im großen und ganzen war und blieb noch immer schwach. Im Dorf aber, wo doch so viele Männer in dem Krieg waren, da gab es bei so vielen etwas zu machen, ganz besonders die Bau- oder Holzarbeit. Bei der einen Hausfrau war die Tür zerbrochen, bei der anderen fehlte das Dach auszuflicken, oder ein Kuhstall in Ordnung zu bringen und verschiedenes gab es. Wer nur Zeit und Lust hatte, Arbeit konnte man immer finden. Wenn wir dann abends heimkehrten, dann hatte der eine etwas Kartoffeln, Milch oder Rüben und so hatte dann bald ein jeder von uns etwas mehr zu essen. Ehe wir aber auf solche Gedanken kamen, das man im Dorf wohl Arbeit finden könnte, hatten wir doch noch eine schwere Zeit. Daher gingen wir, etliche von unserer Brigade, auf die neben uns liegende Wiese und suchten uns Frösche, die wir uns dann noch zum Abendbrot kochten. Leider waren nicht viele Frösche vorhanden und wenn wir dann etwa vier oder fünf gefunden hatten, dann lohnte es sich schon nach Hause, oder richtiger gesagt in die Bude zu gehen, um sie zu kochen.
Wir kochten die Frösche ganz einfach ohne zu verschneiden, warfen sie ins Kochende Wasser kochten sie etwa fünf Minuten und fertig war die Pelemenensuppe. Mit dem Löffel fischten wir sie aus der Brühe, etwas Salz streuten wir dann dem Frosch auf den Kopf, dann sprang er unaufhaltsam in den Mund und weiter schon in den Magen hinein. Das ist tatsächlich wahr, so habe ich und auch andere es gemacht. Aber doch nicht ein jeder liebte so eine billige Kost. Weil denn aber immer noch Krieg war und von einem Ende weder zu hören noch zu denken war, zudem schon recht viele Frauen von der Front Beerdigungsscheine ihrer Männer erhalten hatten, andere dagegen ihr früheres glückliches Familienleben weniger schätzten und schon mehr oder weniger von ihren Männer vergessen hatten, bei denen im Verlaufe der Zeit die vollblütigen Adern Fleischesbegierden und Fleischeslust im höheren Grund erweckt hatten, die zeigten recht bald ihre Neigung zu den Männern, mit welchen sie in engere Verbindung gerieten. Meisterhaft verstanden sie die Angel auszuwerfen und recht oft blieb dann ein Fischlein hängen, auch manchmal für immer. Diese Fischlein waren aus dem zwölften Baulager. Wie viele haben ihr ehemaliges Familienglück verscherzt, verhandelt, verloren und haben dann später ein kümmerliches Leben gehabt. Das dies Tatsache ist, davon bin ich Zeuge. In der Zeit wo wir, ich in meiner Brigade auf der Station in der Bude wohnten und wir zuweilen ins Nachbardorf gingen Arbeit suchen, traf sich so ein Fall. Ich kam in einen Hof, da waren drei Frauen, die beschäftigten sich hier mit Kohl zu einmachen. Zwei Frauen standen an einem Tisch und schnitten mit dem Messer da Kraut fein, die dritte stand weiter nach vorne am Krauthaufen und schnitt die obere, dreckige Blätter von den Kohlköpfen. Da fragte ich ganz bescheiden, ob sie nicht wüssten wo ich könnte Arbeit finden, um etwas zu verdienen zum essen. " Nein", war die Antwort. Ich stand ganz bei diesen schmutzigen Blättern. Dann fragte ich, ob ich mich dürfe von den abgeschnittenen Blättern etwas im Sack stecken um mir eine Krautsuppe kochen zu können. Es wurde mir erlaubt. als ich nun fertig war und mich herzlich bedankt hatte, sagte diese Frau zu mir:" Ach du weißt ja gar nicht wo Arbeit finden kannst, komm später zu mir, dann gibt es auch noch warmes Schinkenfleisch, indem sie sich mit dem großen Messer behutsam vorne auf der Schürze klopfte." Ich verstand schon mehr als sie gesagt hatte, doch ich ging mit meinen Blättern froh nach Hause und bin auch nicht an dieser Angel hängen geblieben. Mit der Arbeit selbst war unsere Brigade ganz zufrieden und während des Bauens des großen Wasserbehälters besuchte uns auch oft der Bauingenieur aus Korkino. Er war ebenfalls mit unserer Arbeit zufrieden. Und wir alle baten ihn, er solle doch wenn's möglich wäre unsere Kost etwas verbessern. Denn gute Arbeiter bekämen auch manchmal einen kleinen Zustoß, ein Stückchen Speck zum täglichen Frühstück. Er war damit einverstanden. Ich musste eine Brigade Liste aufstellen, für eine ganze Woche, er unterschrieb sie dann und in der Speisehalle, wenn wir diese Liste aufzeigten, erhielten wir dann auch noch ein jeder sein Stückchen Speck. Doch war der Bauingenieur nicht immer da, fand sich auch einer aus unserer Brigade, der sich nach kurzer Übung es meisterlich verstand so eine aufgestellte Liste zu unterschreiben. Das Probestück gelang und wir waren nun einstweilen versorgt mit einem kleinen Zusatz von Speck. Um eine gewisse Zeit aber, gestand ich es unserem Ingenieur von unsrem Kunststück wie wir auch ohne ihn hatten Speck gegessen. Dann sagte er." Brav, wenn ihr euch nur versteht zu helfen." Aber als der große Wasserbehälter fertig war, dann gab es wieder eine Änderung. Im Dorf Baturino wo sich das abgeteilte Baulager befand sollte ebenfalls ein Wasserbehälter gebaut werden und wir als Spezialisten wurden nun in dies Baulager übergesiedelt. die Freiheit war uns nun mehr genommen, der Speck blieb ganz weg. Für uns das essen kochen brauchen wir nicht mehr, aber in jenes Dorf gehen wo wir uns inzwischen mal Kartoffeln verdienen konnten, das war auch mehr möglich. Und so waren wir nun Bürger eines neuen Baulagers geworden. In den Zeilen vom fünften Baulager in Tscheljabinsk haben wir gelesen, das dort keine Briefe geschrieben wurden, denn niemand wusste von den Lagerdeutschen wo sie hin schreiben sollten, denn ihre Heimat war gänzlich verstört alles Volk war ausgesiedelt worden, daher auch kein Briefwechsel mehr. Unsere Heimat in Orenburger Gebiet war dagegen unversehrt geblieben. Wir hatten, wenn auch nur schwach, aber doch Briefwechsel und erfuhren immer noch wie es Zuhause stand. Schon im Juli des vergangenen Jahres da wo ich aus dem fünften Baulager nach Korkino zurück gekommen war und kaum das Leben hatte, hatte sich schon wieder ein Unglück zu meiner trüben Lebenslage gesellt. Ich erhielt von meiner Frau die Nachricht das unser Töchterchen gestorben sei. Ein Jahr, vier Monate, neuen Tage alt geworden. Eine kurze Erzählung: Ohne mich geboren, ohne mich gestorben. Nun eine ganz kurze zeit Freude mit dem kleinen Kinde gehabt. Aber ohne das es jemand von den Heimatlichen wusste oder ahnte, stieg schon wieder eine dunkle Wolke auf, die viel Kummer und Sorgen, Schmerz und Tränen mit sich brachte. der zwölfte November 1942 wird noch lange für vielen ein unvergesslicher Schmerzenstag bleiben. An diesem tag wurden alle arbeitsfähige Frauen aus der Heimat an die Arbeitsfront geschickt. Sie blieben wohl im Orenburger Gebiet, wurden aber doch per Eisenbahn in die Stadt Orsk gefahren, wo sie dann alle in ein Baulager mit Erdhüten, Baracke, genauso wie auch wir, kamen und fast unerträglich schwere Erdarbeit in Frost und Kälte verrichten mussten. Nichts war hier zu beneiden, dieselbe Lebenslage wie auch bei uns in Korkino.-nun war meine Familie zerteilt aufs höchste, weiter ging es schon nicht. Ich war in Korkino, meine Sara war in Orsk und der Wanja, noch nicht sechs Jahre alt, blieb bei den Schwiegereltern in Luxenburger Bezirk in Pleschanowo. Trotz all dem sollte aber die Kollektivarbeit mit den wenigen Traktoristen, den ganz alten Leuten und nur Schulkinder weiter gemacht werden. Auch hier war nichts anderes als ein trauriges Bild. Vier Fragen, die das Hauptthema in jeglichem Gespräch, bei allen Menschen, an allen Orten, alltäglich, die Menschen bewegten, war:" Der schreckliche Krieg, die verlassene Heimat, das tägliche Brot und die bitterschwere Arbeit." Wie viel Seufzer wird das Volk der Erde schon ausgestoßen haben? Und es hat heutigen Tages noch kein Ende.

Nun wollen wir wieder zurück nach Baturino in das Baulager gehen. Müde, ja ganz müde saßen wir dann oft abends auf unserem Lager und ein jeder grübelte, phantasierte, plante und dachte über alles nach, wie er wohl seine Arbeit oder sein Leben erleichtern könnte. Auch ich war sehr beschäftigt mit solchen Gedanken. Und eines Tages kam mir so ein Gedanke in den Sinn, von dem ich nicht frei werden konnte. Der war folgend: Ich könnte vielleicht meine Sara auf irgendeine Art zu mir holen. Dann könnte sich vielleicht das Sprichwort auch bei uns erfüllen:
Geteilte Freude ist doppelte Freude
geteilter Schmerz ist halber Schmerz.
Diese Frage musste offiziell und gesetzlich gelöst werden, dann wäre ja von meiner Seite nichts zu befürchten. Uns so ging ich denn nun dran diese Frage in die Tat umzusetzen. Ich ging zum Lageroberst in Baturino und bat um Erlaubnis mit so und so einer Frage mich an den Lageroberst in Korkino wenden zu dürfen, welches fünf Tage Urlaub in Anspruch nehmen würde, mehr auch nicht. "Nur vier, fünf Tage?" fragte er dann:" Ja, vielleicht noch weniger," gab ich zur Antwort. - Er schwieg ein Weilchen, dann sagte er weiter: "Wir haben anfangs Angst, der Winter naht und es muss zum Winter unbedingt eine geräumige Küche, hier im Baulager, an die Speisehalle gebaut werden. So einen Auftrag gebe ich dir, wenn du mit deiner Brigade, nur an den Abenden, nach der Tagesarbeit, die Küche fertig gebaut hast, dann habe ich nichts dagegen:" Ich musste ja natürlich gleich weiter denken auch für das Wohl meiner Brigade, denn das Essen war allewärts die allerwichtigste Frage. Dann fragte ich weiter: "Ob er uns auch ein zweites mal Abendbrot geben würde?" "Ja, war die Antwort, so wie ihr von der Arbeit kommt und gegessen habt, geht´s hier an die Arbeit und nach Arbeitsschluss, gibt es dann noch ein Abendbrot." - Diesen Auftrag legte ich nun meiner Brigade vor, mit dem Versprechen immer noch ein Abendbrot zu bekommen. Damit waren sie alle einverstanden. Vo meinem persönlichen Vorhaben sagte ich niemanden, denn es würde ganz ohne schon Unangenehmigkeiten geben, das wusste ich schon im Voraus. Denn ich würde sie, die Brigade, anspornen wollen, um die Küche schneller zu bauen. Die Arbeiter dagegen würden diese Arbeit in die Länge ziehen wollen, um länger essen zu können. Und so war es auch. Ich war gezwungen worden dem Oberst diese Frage deutlich zu machen. Er verstand mich ganz und gar und versprach mir, hierin tätig zu sein, zu helfe. Die Arbeit ging los und wir wurden nicht ohne Aufsicht gelassen. Die Peitsche "Wir brauchen die Küche" war immer neben uns. Darum vorwärts. Und so war, ohne großen Streit gehabt zu haben, die Küche binnen eines Monats doch fertig geworden. Jetzt konnte ich auch meine persönliche Frage wieder hervorheben. Hier hatte ich mir nun den Urlaub verdient. Nun ging´s mit meiner Frage zum Lageroberst Piwowarow nach Korkino. Ich konnte mir unter dem Zusammentreffen mit Piwowarow nichts vorstellen, aber etwas schüchtern ging ich doch zu ihm. Als ich ihm meine ganze Sache vorgebracht hatte, sagte er kurz und entschieden: "Nichts davon, man kann dich fangen, einkerkern und das ist dann das Ende vom ganzen Lied. Geh nur und mach deine Arbeit." - Ich ging nun, aber bei mir selbst dachte ich :" Nach ein paar Tagen komm ich wieder." Beim bauen der Küche hatte ich mit täglich zweihundert Gramm Brot aufgespart und verkauft, damit ich auch etwas Reisegeld hatte, wenn ich mit einmal fahren können sollte. Bis vierhundert Rubel hatte ich es gebracht. Nun hörte ich eines Tages, dass ein Kohlenarbeiter, aus dem baturiner Baulager ein Mann namens Gossen, nach Hause in den Urlaub gefahren sei und beim zurückkommen in Orsk habe anfahren und seine Frau mitbringen wollen. - Ah - dachte ich also haben noch mehr solche Gedanken wie ich und es war mir schade, das ich das nicht früher gehört hatte, denn dann hätte ich dem Gossen Geld mitgeben können, damit er auch meine Frau hätte mitbringen können.
Jetzt aber wartete ich schon jeden Tag auf seine erfolgreiche Rückreise. Er kam, aber wie man sagt, mir leeren Händen. Er erklärte mir, dass es auf der Bahn, so auch dort im Frauenlager gefährlich sei, ganz besonders, wenn dich schon jemand im Auge hat und von deinem Vorhaben ahnt. "Ich bin mit heiler Haut davongekommen, ohne mein Weib mitbringen zu können. Hauptsache, mach alles so heimlich, wie es nur geht," sagte er dann noch, "sonst fangen sie dich." - Ich ließ mich aber nicht zurückschrecken ich machte mich im Stillen doch zu einem Wagenstück fertig. Etwa nach fünf Tagen ging ich, richtiger fuhr ich wieder nach Korkino zu meinem Lageroberst Piwowarow. "Jetzt bist du schon wieder da?", das war seine Begrüßung. Aber ich war anhaltend und erklärte ihm, dass meine Frau auch gerne im Lager arbeiten würde, wenn wir nur zusammen sein könnten. Dann gab er zu, dass er die Frauen auch sehr nötig brauchen könnte, denn Frauenarbeit war genug im Lager. Hier merkte ich schon, dass ich womöglich gewinnen würde. Dann sagte er schließlich: "Schreibe eine Bittschrift für fünf Tage Urlaub und dann kommst du morgen hierher in den Stab und erhältst beim Buchhalter das Dokument, um fahren zu können." Jetzt erst erzählte ich meiner Brigade von meinem Vorhaben. "Ah so, deshalb warst du so tapfer beim Bau der Küche," sagten sie dann zu mir. Weil aber fast alle aus meiner Brigade jemanden von den Seinen in Orsk hatte, der eine hatte seine Schwester, der andere ebenfalls, der dritte seine Frau und noch eines Anderen Tochter. So baten sie mich, ich solle doch für alle ein kleines Geschenk mitnehmen. Es waren Latschen, die ich dann eigenhändig übergeben sollte. Es sammelten sich etwa fünfzehn Paar solche Schuhe an. Andere Bagage hatten ich ja auch keine, als auch nur zwei paar Latschen, die ich dann dort in Orsk Saras Schwestern geben wollte. Von meinen Vorhaben hatte ich Sara, meiner Frau, schon etwas früher geschrieben, aber mit solchen Worten, dass es doch nicht ein jeder verstand, was damit gemeint sei. Aber sie verstand, worauf sie sich gefasst machen sollte.

Kapitel 122

Beim Wagestück ein großes Glück

Reisefertig, mit einem kleinen Bündelchen leichter Schuhe, trat ich nun an den schönen warmen Septembertagen meine Reise an. Mein einziger Transport war zu Fuß. Maschinen, Autobusse oder Motorräder gab es nicht. Etwa sechs Kilometer waren es bis zur Eisenbahnstation, die letzten beiden Kilometer führten durch einen Birkenwald. Nun war ich auf der Eisenbahnstation und stellte mich an die Fahrkartenkasse, wartend auf den Zug, der die Strecke nach Orsk fahren sollte. Als nun die eingewiesene Zeit abgelaufen war und der Zug seine Ankunft meldete, wurde das Kassenfenster geöffnet, um den hier stehenden Passagieren die Fahrkarten zu geben. Ein jeder Passagier musste aber sein Extradurchlassschein vorweisen, den ich nicht hatte und von welchem ich auch nichts wusste. Ich hatte nur den Urlaubsschein für fünf Tage, worin auch angemerkt war, dass ich meine Frau von Orsk nach Korkino holen wollte. Als nun die Reihe bis zu mir kam und ich so einen Durchlass nicht zeigen konnte, sagte die Kassiererin ganz kurz: "Keine Fahrkarte:" Nun ging ich bedrückt aus dem Wartesaal auf den Bahnsteig hinaus und dachte: " Fahren muss ich und fahren werde ich, mag es gehen, wie es will." Ich nahm mein leichtes Bündelchen auf den Rücken, um freie Hände zu haben, damit ich mich irgendwie an den Zug hängen könnte, um nur mitfahren zu können. Nebenbei musste ich aber noch immer auf der Hut sein, dass kein Menschenfänger mir die Reise verderbe, denn die schlichen überall herum. Die Zeit war da und schnaufend und zischend kam nun der Passagierzug angefahren. Um nicht bemerkt zu werden, durfte ich mich in der Nähe des Zuges nicht befinden. Ich hielt mich zwischen den nebenstehenden Zügen auf, bis mein Zug die Abfahrt meldete. Als er erst mit einem schrillen Pfiff und zischendem Geräusch losfuhr, sprang ich auf und packte mit festem, sicheren Griff die Haltestange an der Tür des Wagens und zog mich hinauf, erst an die Treppe, dann zwischen die Wagen und schließlich kletterte ich bis aufs Dach des fahrenden Zuges. Der Anfang war gemacht, jetzt hieß es bei mir: "Nur immer mutig vorwärts." Wenn wir uns dann einer großen Bahnstation näherten, dann natürlich musste ich mich schon bei Zeiten zum Absprung rüsten. Ehe der Zug stehen blieb war ich dann schon unter den nebenstehenden Zügen im Versteck. Des Nachts war es für mich leichter. Weil ich mich mehr auf dem Hinterende des Zuges befand und der lange Zug die hintersten Wagen auf der Station immer recht weit im Hintergrund im Finsteren stehen ließ, so hatte ich so viel Unruhe mit dem rauf und runter Klettern. Die ganze Fahrt dauerte etwa zwanzig Stunden. Die Nacht war nun dahin, ich war doch ziemlich verfroren, denn es war immerhin schon September. Die Sonne war inzwischen aufgegangen, als wir uns der Station Orsk näherten. Mein Herz fing wieder heftig an zu pochen, denn nun kamen wieder gefährliche Stellen für mich, wo ich nach allen Seiten Augen und Ohren spitzen musste, um nicht in eine Falle zu geraten. Im Strome aller Menschen geriet ich dann auch in die Stadt hinein, wo ich dann schon hier und da anhielt und fragte, wo ich das Frauenlager finden könnte. Ich hatte anfänglich eine falsche Richtung eingeschlagen, daher musste ich, als man mir das Richtige gesagt hatte, eine ziemliche Strecke wieder zurück zu machen. Aber:" Ein Glück zu suchen, macht Freudigkeit, dann ist gewöhnlich kein Weg zu weit."
Nun hatte ich schon endgültigen Bescheid bekommen, daher musste ich einen drei Kilometer langen Weg über eine nicht hohe Bergeshöhe, durch eine Einöde gehen. Hier war auch nichts zu befürchten und leichten Herzens sah ich mich schon am Ziel. Als ich nun die Anhöhe erreicht hatte, war fast die ganze Stadt sichtbar geworden. Bis zu den ersten Bauten war noch ein Kilometer geblieben. Wäre mir die Stadt bekannt gewesen, so hätte ich schon von der Bergeshöhe sagen können:" Dies ist einen Schule, dort stehe ein Klub, hier vorne befindet sich ein Baulager ausschließend an einem Waldrand usw. . Jetzt machte ich nur einen flüchtigen Überblick und bemerkte auch dabei, dass etliche Leute den Weg gegangen kamen, auf welchem ich in die Stadt eilte. "Dies wären mir ja passende Leute, die womöglich alles sagen könnten, wo ich dann die Meinen finden könnte", so dachte ich und ging schneller vorwärts. Schon aus etlicher Ferne konnte ich feststellen, dass es nur Frauenpersonen waren. Als wir nun aber zusammentrafen - O Wunder. Wer waren diese Leute? Es waren alles bekannte Gesichter. Es waren Mädchen, die vor vier Jahren meinen Schülerinnen gewesen waren und bei denen ich damals Sport und Physkultur unterrichtete. Wie aus einen Mund schrieen sie fast einstimmig:" Aber Iwan Iwanowitsch, wie kommen Sie hierher? Das war eine unerwartete, freudige, aber auch eine aufgeregte Begrüßung. Wie kleinen Kinder ihren Vater umringen, so umringten mich jetzt, nach langer Zeit, diese Mädchen. Als wir uns nun etwas beruhigt hatten, konnten ich alles genau nachfragen. Diese Mädchen wussten auch wo meine Sara und alle andere aus unserem Dorf arbeiteten. Sie zeigten mir eine Schule, an welcher auch Sara arbeitete und die auch von hier gut zu sehen war. Ich könne sofort über die freie Steppe gehen und brauchte keinen Umweg zu machen. Es war ja früh am Morgen, diese Mädchen gingen auf die Arbeit, daher konnten wir uns nicht all zu lange aufhalten. Ich versprach ihnen abends noch mehr von den Ihrigen zu erzählen und so gingen wir auseinander. Nun ging ich schnurstracks auf die Schule zu. Das Schulgebäude stand schon fertig, es wurde nur noch verputzt und angestrichen und diese Arbeit verrichteten die Frauen, die meisten aus dem Dorf Pleschanowo. Die Schule stand sozusagen auf einem ganz freien Platz. Schon aus etlicher Ferne erkannte ich einige Frauen und Mädchen, die draußen auf dem Hof Mörtel für die Stuckarbeiter anrührten. Selbstverständlich war die Freude groß, als ich ganz nah kam, denn sie kannten mich ja alle. In einem Nu standen womöglich alle, die hier waren, um mich herum. Einer nach dem anderen kamen aus der Schule in den Hof gelaufen, auch meine Sara mit ihrem Streichpinsel in der Hand eilig herzu. Sogar der Baumeister hatte das aufgeregte Zusammenlaufen bemerkt und kam aus Neugierde in den Hof, um zu sehen, was hier eigentlich geschehen sei. Ein Weilchen ließ er es zu, hier zu plaudern, dann aber befahl er auseinander zu gehen und die Arbeit weiter zumachen. Für alle war es eine Freude mich zu sehen, aber nicht für Saras Schwestern, die auch hier in Orsk waren. Die beiden weinten, denn sie wussten oder sie ahnten wahrscheinlich, was ich im Sinn hatte. Sara ging nun zum Baumeister, sagte ihm, dass ich ihr Mann sei und dass ich nur für einen Tag gekommen sei und fragte dann ganz einfach, ob sie für heute nach Hause gehen dürfe und mit ihrem Mann die Zeit verbringen dürfe. Er erlaubte es. Ich hatte in dieser Zeit oberflächlich die Arbeit der Frauen betrachtet. Als Sara nun aus der Schule in den Hof kam, gingen wir beide in ihr Lager, das sich nicht weit von dieser Schule befand. Das Lager hier hatte große Ähnlichkeit mit dem zwölften Baulager in Korkino. Dies war gerade das Lager, welches ich von der Bergeshöhe gesehen hatte und welches angrenzend am Wäldchen lag. Wir gingen in die Baracke und setzten und auf Saras Lager. Sara wollte etwas Kaffee kochen, denn ich hatte noch nicht gefrühstückt. Ich wollte mir die Hände waschen, die doch recht schwarz waren von den Eisenstangen am Zug, wo ich des Nachts auf dem Eisenbahnwagen rumgeklettert war. Der Wasserbehälter zum Waschen stand draußen vor der Baracke. Bei dieser Arbeit jedoch beeilten wir uns nicht besonders und saßen noch etwas, um uns zu erzählen. Doch da kam mit einem Mal der Spezialkommandant in Uniform zur Tür herein. Sara sagte ganz leise und erschrocken: "Der Kommandant kommt." Ich sagte dann zu Sara: "Sei nur ganz still, sprechen werde ich." "Ach", dachte ich "wie hast du es so schnell gerochen, dass ich hierher gekommen sei. Jetzt komm ich womöglich dran. Dies ist schon der Anfang von dem, was Gossen mir schon in Baturino erzählte." Jetzt stand er vor mir, grüßte ganz höflich, ich stand auch auf und grüßte ebenfalls. Die Fragen an mich waren kurz und bündig, wer ich sei, von wo ich sei und was ich begehre. "Oh", sagte ich dann, "Ich bin hier auf einer Durchfahrt. Habe für einen Tag Halt gemacht. Ich will hier meine Bekannte besuchen und dann weiterfahren". Dabei dachte ich aber an mein Dokument, in dem geschrieben stand, dass ich meine Frau holen fahren wollte. Oh kritischer Moment, was sollte ich nur in Eile tun? Dann sagte er kurz: "Ihre Dokumente". Ich hob nun meine Hände hoch, um in die Tasche nach dem Dokument zu fassen und sah nun erst recht wie schwarz meine Hände waren. In diesem Augenblick blitzte ein Gedanke in mir auf und ich zeigte ihm meine Hände und sagte: " Er solle es mir doch erlauben, hier draußen die Hände zu waschen, dann wolle ich ihm alles zeigen. Das Handtuch hatte ich schon über die Schulter gehängt und damit ging ich langsam zur Tür hinaus, er aber blieb hier stehen. Als ich erst draußen war, ließ ich das Handtuch fallen und lief so schnell ich nur konnte zum nicht weitgelegenen Gebüsch und dann in den Wald hinein. Jedoch allzu tief lief ich nicht ins Gebüsch hinein, denn ich wollte die Baracke, wo ich eben drinnen gewesen war und wo der Kommandant sich befand, nicht aus dem Auge lassen. Hier im Dickicht versteckt stand ich nun, fast ohne zu atmen, mein Herz tobte in meiner Brust wie toll, es hatte scheinbar keinen Raum mehr. Am ganzem Leib zitternd schaute ich jetzt nur zu Tür, die noch offen stand, denn ich konnte sie schön sehen. Die Zeit zum Hände Waschen war rum, daher kam nun der Kommandant zur Tür heraus, um zu sehen, wo ich denn so lange bliebe. Er stand und schaute sich nach allen Seiten um und kein Gast war mehr da zu sehen. Dann ging er bis zur Ecke der Baracke und schaute, dann bis zur anderen Ecke und schaute. Ja er ging sogar an der einen Seite des Lagers entlang und schaute zwischen jede Baracke und konnte mich nirgends entdecken. Ich aber sah ihn ausgezeichnet, weil das ganze Lager nur mit einem Drahtzaun umgeben war. Nun kam er wieder zurück und ging zum Eingang, der vor der offen Tür lag, hinaus, schaute noch immer nach allen Seiten und ging dann weiter, immer weiter in die Vorstadt. Sara wusste ja aber auch nicht, wo ich geblieben war, daher kam auch sie zu Tür hinaus und schaute nach allen Seiten, schaute auch in den Wald hinein. Ich rückte etwas aus dem Versteck - und richtig - sie hatte mich bemerkt. Jetzt kam sie auch zu mir in den Wald. Dann schickte ich sie zurück, um mir etwas zum Frühstück zu holen, denn bei hellem Tag wollte ich nicht in das Lager gehen, um nicht auf einmal gefangen zu werden, denn so was wäre ja auch immer möglich gewesen. Und so verbrachten wir, nach langer Zeit, unser Wiedersehen hier im Wald. Sara war inzwischen, als die Arbeiter von der Arbeit nach Hause gekommen waren, zu ihren Schwestern gegangen, um ihnen zu sagen, dass ich erst später, wenn es ganz dunkel sei, noch ins Lager kommen würde. Ich hatte außer den Latschen, die ich hier im Lager verteilen sollte, einen Brief Goßens Frau Marichen mitgebracht. Denn Gossen bat mich zu Hause noch, wenn es eben möglich wäre, solle ich doch seine Frau auch mitbringen.
Als der Tag vergangen und es schon dunkel geworden war, ging ich wohl schüchtern und ängstlich, aber doch noch ins Lager. Aber in der Baracke ging ich nicht, denn die konnte mir zu Falle werden. Die Frauen lagerten sich wie gewöhnlich auf dem Lehmdach ihrer Baracke, um zu übernachten, denn drinnen war es unbequemer, womöglich gab es auch Wanzen. Ich maskierte mich, band mir ein Tuch um den Kopf, setzte mich auf die Bettsachen der Frauen und nahm noch eine Decke um mich. Trotz all diesem blieb ich dennoch sehr wachsam, schaute und horchte, wie eine Katze im Dunkeln, nach allen Seiten, ob nicht mit einmal ein Geräusch oder eine Männerfigur auftauchen würde. Die bekannten Frauen saßen schon alle im Kreis um mich. Die Fragen der Frauen hatten kein Ende. Viel, ja recht viel, wollten sie von den Ihrigen wissen. Sara ging indessen und brachte Goßens Marichen den Brief. Marichen kam aber sofort auch zu mir, um Weiteres zu besprechen. Sie fragte, ob sie mit mir mitfahren dürfe. Ich erlaubte es ihr mit der Bedingung, keine Verantwortung für sie zu übernehmen und schon morgen früh, noch bei Dunkelheit, sollte sei zur Bahnstation gehen und uns beide dort erwarten. Dieses wurde natürlich unter vier Augen besprochen. Die Nacht war schon weit vorgerückt, die mitgebrachten Geschenke, die Latschen waren alle verteilt, die wichtigsten Fragen waren beantwortet, die Frauen waren müde von der Tagesarbeit und eine nach der anderen rutschten dann unter die Decke, um einzuschlafen. Nur Saras Schwestern hatten wenig zu fragen, obwohl wir vier als die Letzten zu Ruhe begaben. Schon früh am Morgen, noch war es ganz dunkel, verabschiedeten wir uns von den Schwestern und traten dann unsere gefährliche Reise an. Sara hatte ihr Arbeitkleid an, um nicht irgendwie auffällig zu werden, denn wenn uns jemand aufhalten sollte, konnte sei ganz getrost sagen: "Ich begleite meinen Mann zur Bahnstation." Als wir um die drei Kilometer über den langen Berg gegangen waren, kamen wir auch zur Bahnstation, wo wir auch Marichen Gossen trafen. Die beiden Frauen blieben draußen auf dem Bahnsteig etwas abseits stehen, Ich aber ging zur Kasse, um Fahrkarten zu nehmen. Doch o weh - die Kassiererin meldete, dass unser Zug schon lange fort sei. Wie solches geschehen konnte, kann ich mir auch heute noch nicht beantworten. Nun was sollten wir machen? "Etwas zu spät, ist viel zu spät." Für uns war nichts anderes übriggeblieben, als den nächsten Tag zu erwarten, um dann, aber auch früh genug, hierher zu kommen. Für mich und Sara war dieses sehr unpassend, aber noch viel schlechter war es für Marichen. Wir beide konnten ja wieder zurück in den Wald gehen und im Lager übernachten. Sara könnte ja ganz frei zum Baumeister gehen, um sich noch einen Tag von der Arbeit frei zu bitten und hätte er es dann aber nicht erlaubt, nun so hätte sie, ohne etwas zu sagen, den Tag abgearbeitet. Aber Marichen ihre Kasse stand schief. Die durfte sich nirgends zeigen, sie war jetzt schon, im vollen Sinne des Wortes, Deserteur, denn sie aus dem Lager entlaufen. Wir drei gingen etwas abseits, um nicht aufzufallen und berieten, was zu machen wäre. Diesen Platz mussten wir räumen, denn hier könnten wir in eine Falle geraten.
Nördlich von hier, gar nicht besonders weit, war ein Gebirge zu sehen, das schon gleich nach den Bauten und letzten Häusern begann. Hierher, beschlossen wir, sollte sie eben für einen Tag hin flüchten. Morgen aber zeitig genug hier wieder erscheinen. Um nicht hier im Wartesaal müßig zu sitzen, das Verdacht erregen könnte, solle sie tun, als sei sie hier irgendeine Putzfrau, denn draußen, etwas abseits, lag genug alter Kram wie Lumpen, Kisten und alte Eimer herum. Das könnte sie dann gut hin und her schleppen. Nun gingen wir auseinander.
Der Weg zurück in das Lager hatten wir recht bald zurückgelegt. Ich bog schon zeitig in den Wald hinein, um mich beim Lager nicht zu zeigen. Sara ging sofort zur Arbeit und rechtfertigte ihre Arbeitsversäumnis mit dem, sie habe ihren Mann bis zur Bahnstation begleitet. Jedoch spät abends fand ich mich im Lager wieder ein, als die meisten schon schliefen, um hier zu übernachten, statt unter freien Himmel. Am folgenden Morgen aber machten wir uns zeitig genug auf den Weg, um den Zug nicht zu verpassen. Wenige Frauen wussten, dass ich im Lager übernachtet hatte. Nun standen wir drei wieder im Wartesaal. Ich ging nun ganz frei wieder zur Kasse, um die Fahrkarten zu holen. Aber die Kassierein verlangte auch den Spezialdurchlassschein, den ich ja nicht hatte. Also war überall dieselbe Einstellung, ohne Durchlassschein keine Fahrkarten. Nun ging ich wieder zu meinen zwei Frauen, um uns zu beraten. Für uns war nur eines geblieben, entweder hatten wir Glück oder Unglück. Ich gab jetzt folgenden Vorschlag: Bogage hatten wir keine, wir würden etwas nach vorne gehen und uns so verteilen, dass ein jeder von uns einen Wagon vor sich hatte, wenn der Zug stehen würde. Sofern er aber losfahren würde, dann sollte ein jeder versuchen einzusteigen und wenn mit Gewalt. Er solle dann zum Schaffner sagen: "Er solle ihn doch einlassen. Sein Platz sei im nächsten Wagon." Später, beim Fahren, Würden wir uns schon wieder zusammentreffen.
Der Zug kam, stand eine bestimmte Zeit auf dem Bahnhof und dann fuhr er los. Nun passte ich auf meine Frauen auf, sah aber auch wie tapfer sie bei Ihrer Sache waren. Schon standen sie auf der Treppe, als ich den Sprung auf die Treppe machte. Auch ich musste zum Schaffner sagen, dass mein Platz im nächsten Wagon sei. So ging ich nun, beim Fahren, von einem Wagen zum anderen Wagen und sammelte meine Frauen. In dem Wagen, wo wir nun alle drei waren, ging ich sofort zur Schaffnerin. Sie kehrte bei der Außentür den Durchgang. Für mich ein passender Platz, um mit ihr zu sprechen. Nun bat ich sie mich etwas anzuhören. Sofort richtete sie sich auf und war bereit mich anzuhören. Dann sagte ich zu ihr: "Wenn es ginge, würde ich ihr mein ganzes Herz zeigen. So zuversichtlich wolle ich ihr nun mein ganzes Vorhaben sagen. Und wenn sie mir jetzt in meiner Not helfen würde, dann wolle ich es ihre auch gut belohnen." Dann sagte ich weiter: "Ich habe in Orsk aus dem Frauenlager zwei Frauen gestohlen, meine Frau und noch eine andere und will sie jetzt heimlich weiter bringen bis nach Baturino und wenn es möglich wäre, solle sie uns doch bewahren bei einem Überfall." "Das ist für mich eine unmögliche Sache", sagte sie dann, "denn kontrolliert man streng. Solange keine Gefahr droht, dürft ihr ruhig fahren, sobald aber Gefahr droht, melde ich es euch, dann macht, was ihr wollt." "Gut", sagte ich ging auf meinen Platz. Wir drei saßen nun im wagen ganz am Ende auf der Seitenbank. Vor uns auf der ersten und oberen Platz saß ein Kriegsoberst mit seiner Frau und einem sechsjährigen Knaben. Der Knabe hielt sich nur oben auf. Dieser Kriegsoberst hatte sehr viel Gepäck, wie unter Bank so auch oben. Alles war voll Gepäck. Gleich neben auf der unteren Bank lag eine alte Frau, mager, krank und hässlich anzusehen. Sie war mit einem altmodischen, großen, schwarzen Kopftuch zugedeckt, sodass die Zottelchen vom Tuch bis auf dem Boden hingen. Diese Frau war wahrscheinlich sehr krank, denn sie bewegte sich gar nicht. Was ganz besonders auffallend war, war, dass sie von Zeit zu Zeit ihr Lager nass machte, so dass auf den Boden lief und hier schon eine kleine Lache war. Nicht nur das allein, es bewegten sich auf dem großen schwarzen Tuch viele keine Läuse, die man vom eigenem Platz sehen konnte. Und drittens konnte sie wahrscheinlich den Stuhlgang nicht halten, denn inzwischen glaubten wir fest, sie habe unter dem Tuch alles voll gemacht, denn es stank entsetzlich. So eine Fahrt hatten wir, aber Hauptsache wir fuhren. Wir waren etwa acht Stunden gefahren, als die Schaffnerin mit dem Besen bis an unser Ende kam, um den Wagen noch mal auszukehren. Bei mir neigte sie sich etwas nieder und sagte dann so halblaut: "Gib acht, auf der nächsten Station steigt die Kontrolle ein, mach dich fertig." Dann machte sie ihre Arbeit zu Ende.
Wieder für mich eine Aufregung. Vorläufig wusste ich aber noch nicht, was ich machen sollte. Schon kündigte die Lokomotive durch einen schrillen Pfiff unsere Ankunft an. Wehmutsvoll stellte ich, mit beiden Händen auf den Tisch stützend, an das Fenster und schaute, was für eine Station kommen würde. Unser Wagen war einer von den ersten, daher fuhren wir auf den Bahnhof gewöhnlich den Wartesaal noch etwas vorbei, bis wir wirklich Halt machten. Schon wurden die Bremsen angezogen, der Zug ging schon langsam und indem ich schaute, bemerkte ich, dass Milizmänner eine ganze Reihe in Bereitschaft standen, den Zug zu besteigen. Nun war wirklich ´Halt´. Viele Passagiere aus unserem Wagen eilte hinaus, um etwas zum Essen zu kaufen. Indem auch noch diese Frau das leere Milchgefäß vom Tisch nahm, blitzte in mir ein Gedanke auf. Schnell, aber so schnell wie möglich zerrte ich alle Bündel unter der Bank hervor, schob meine Frau hinunter und wieder wurden alle Sachen und Bündel hingepackt, fast wie sie gewesen waren, leider waren die Sachen bemerkbar weiter vor wie zuvor. Ja der Junge, der oben lag, sah alles, was ich machte. Ich drohte mit dem Finger und sagte zu ihm: "Ts!" Er war auch ganz still. Dann hob ich in aller Eile noch das Tuch bei der kranken Frau und ließ Marichen drunter krabbeln. Die Harnpfütze wurde sogar von Marichens Kleid verwischt, aber nun war jeder Augenblick teuer. Indem ich nun das Tuch wieder bis auf den Boden gezogen hatte, fiel von ganz oben ein Porzellanteller auf den Boden, ganz dicht neben Marichens Gesicht und zerschlug in lauter Stücke. Ich scharte die Scherben mit der Hand weiter von Marichens Gesicht. Da sagte sie zu mir ganz leise: "Diese Scherben sind unser Glück." Ich war außer Atem, aber ich war fertig. Nun kam auch schon der Kriegsoberst mit einem Krug Milch, stellte ihn auf den Tisch, schaute seine verherzten Sachen an und fragte aufgeregt, was eigentlich passiert sei. Dann zog ich ihn etwas am Ärmel und sagte: "Er solle mir doch Beistand leisten. Ich habe hier meine Frau hinter ihren Sachen versteckt." "Gut", sagte er dann, als er verstand und klopfte mir auf die Schulter. Das war mir mehr wie wohltuend, auch hatte es verstanden. Jetzt kam auch schon seine Frau mit einer Suppe. Sie hatte die Suppe noch nicht hingestellt, da sagte sie schon: "Mein Gott, was ist hier los?" Er aber erwiderte: "Gar nichts, setz dich nur." Aber sie fragte zum wiederholten Mal: "Was ist hier geschehen?" Aber auch er musste zum wiederholten Mal ganz gebieterisch sagen: "Setz dich!" Das wollte ihr nicht ganz in den Sinn, aber sie setzte sich. Zwei Glockentöne gaben die Abfahrt an. Der Zug fuhr los. Wir fuhren wieder. Schon war von der Station nichts mehr zu sehen, als zwei Milizmänner in unsere Wagon eintraten. Der eine kam sofort zu unserem Ende und schloss die Tür zu, dann ging er wieder zurück zum anderen und die Generaluntersuchung fing an. Alle Sachen wurden vorgezogen und man schaute, ob jemand im Versteck sei. Alle mussten ihre Dokumente zeigen, denn auch die wurden kontrolliert. Die Untersuchung ging weiter, zwei Mann waren schon von dem einen Milizmann hinaus geführt worden, der schon bald wieder zurück kam. Jetzt waren sie schon ganz nahe bei unserem Abteil. Die Schaffnerin, die hier auch neben den Milizmännern stand, schaute nun auf mich und ich zeigte unbemerkt mit dem Finger in beide Ecken nach unten. Sie verstand und nun waren die Untersucher auch schon bei der Alten, die sich immer noch nicht bewegte. Anfänglich wurde sie von einem Milizmann mit einem Türschlüssel gestoßen, doch sie bewegte sich nicht. Dann sagte die Schaffnerin: "Lasst die kranke Mutter in Ruhe, seht ihr denn nicht die Läuse und, dass sie sich ganz bepisst hat? Schaut den nassen Flecken auf dem Boden! Ein Kriegsmann hat sie in den Wagon gesetzt, sie fährt bis zur Station N. Dort wird sie jemand abholen." Es kam ihnen wahrscheinlich zu unappetitlich vor, daher schlug der eine Milizmann mit der Hand verachtungsvoll durch die Luft und näherte sich dem Kriegsoberst. Er verlangte ebenfalls von ihm die Dokumente. Er hatte eine Befehlschrift von seiner höheren Behörden nach dem fernen Osten zu fahren, daher hatte er Weib und Kind und so viel Gepäck mit. Der Milizmann gab die Dokumente wieder zurück, weil alles in Ordnung war. Dann schaute er nach dem Gepäck, wies mit dem Finger nach oben und auch nach unten und fragte ihn nun, ob das alles seine Baggage sei. " Ja natürlich", sagte der Kriegsoberst. Und so wurde diese Gepäck auch nicht berührt. - Ach, wie ich in diesem Moment zitterte, kann sich keiner vorstellen. Nun war ich an der Reihe. Ich war der letzte in diesem Wagon. Auch musste meine Dokumente zeigen. Dann schaute der Milizmann auf mich, auf das Papier und dann wieder auf mich und fragte: " Ei, wo ist die Frau?" Ich sagte: " Oh, dort im Frauenlager, von wo ich jetzt komme, darf man gar nicht wagen, nach der Frau zu fragen, denn dort werden keine Frauen losgelassen." Dann sagte er: "Du bist ein Deserteur, dies ist kein Dokument. Du hast kein Spezialdurchlassschein." Ich sagte nur: " Ich weiß von keinem Spezialdurchlassschein. Als mein Lageroberst mir dieses Dokument gab, sagte er zu mir dass ich mehr nicht brauche und so bin ich nun mit diesem Dokument gefahren. Er steckte sich mein Dokument in die Obertasche und sagte: "Komm mit!" Er führte mich nun etwa drei Wagen weiter in ein Stübchen, verschloss die Tür und verließ mich. Nun saß ich eingeschlossen, aber ich war nur froh, das meine Frauen gefunden worden waren. Wie lange ich nun hier saß, weiß ich nicht, aber doch recht bald wurde die Tür aufgeschlossen und der Milizmann trat ein. Er setzte sich und fragte, wie ich heiße. "Walde", gab ich zur Antwort. Dann holte er ein Päckchen Papiere aus seiner Tasche und suchte mein Dokument. Als er es nun gefunden und wieder gelesen hatte, sagte er wieder: "Du bist ein Deserteur. Du bist aus dem Lager geflüchtet. So ein Papier kann ein beliebiger Mann schreiben. Du bist einfach von deiner Arbeit weggelaufen. Du bist ein Bummler. Du hast Arbeitauslass begangen. Dich muss man richten." Und verschiedenes brachte er vor. Dann sagte ich schließlich: " Ich weiß nicht", und war dann ganz still. Schließlich sagte er: "Diesen Spaß kannst du mit fünfhundert Rubel bezahlen." Darauf gab ich ein entschiedene Antwort: "Du kannst mit mir machen, was du willst, denn ich bin schon in deinen Händen und was den Arbeitsauslass betrifft, davon ist keine Rede, denn laut meinem Dokument muss ich erst übermorgen auf die Arbeit und wäre ich frei, so käme schon morgen früh nach Hause und was der Zahlung von fünfhundert Rubel anbelangt, da habe ich kein Geld. Ich kann mir kaum das Brot auf der Reise kaufen."
Er steckte sich mein Dokument wieder ein, ging hinaus und schloss die Tür zu. So saß ich dann hier und grübelte hin und her. Ich hatte ja Geld, vierhundert Rubel, aber mir war jetzt meine Schaffnerin wichtiger, als dieser, ich nenne ihn jetzt schon, Schurke, denn ich wollte mein Wort halten sie für ihre Wohltat belohnen. Jetzt saß ich aber lange, bis sich dieser Schurke wieder einfand. Wieder setzte er sich, fragte nach dem Namen, holte ein Päckchen Papiere hervor und fragte und sagte wieder alles, was er schon gefragt hatte und, ob ich schon besonnen hätte. Darauf wartete er nun, was ich vorbringen würde. Schließlich sagte ich: "Ich habe ihm doch klar und deutlich in russischer Sprache gesagt, dass ich kein Geld habe." Ein Weilchen schwieg er, dann sagte er wieder: " Wenn du dreihundert Rubel zahlst, dann lass ich dich los. Wähle, was du willst." Ich sagte nur: "Ich weiß nichts mehr zu sagen." Eine kleine Pause trat wieder ein. Er stand auf, schaute mich an und sagte: "Zweihundert Rubel gib und dann Marsch von hier." Ich schwieg, drehte mich zum Fenster und schaute hinaus. Dann aber warf er mein Dokument auf den Tisch und ging entrüstet hinaus, schloss die Tür aber nicht zu. Ich saß noch ein Weilchen, dann stand ich auch auf und ging in meinen Wagon. Der Schurke glaubte wahrscheinlich hier einen schönen Bock schießen zu können. Jedoch diesmal hatte er daneben geschossen.
Endlich war der Tag zu Ende, die meisten Passagiere schliefen schon, als meine Schaffnerin zu mir kam und sagte: "Jegliche Gefahr sei vorüber. Ich dürfe mich jetzt ganz frei verhalten, auch die Frauen dürfe ich hervorholen." Bei Marichen hob ich nur das Tuch der kranken Frau auf, dann krabbelte sie schon von selbst hervor, aber als ich nun die Sachen bei Sara hervorzog und sie befreit hatte von dem Druck dieses Gepäcks, konnte sie sich gar nicht bewegen. Ich musste sie hervor ziehen, ebenfalls wie ein Gepäck. Sie war ganz und gar gelähmt, von oben bis unten. Ich musste gut anpacken, um sie auf die Bank zu setzen. Mit Streichen und Massagieren kam auch sie wieder zu Bewegung. Zehn Stunden hatte sie zusammengepresst gelegen. Kein Wunder, dass sie fast halb tot war. Als nun aber wieder eine Station kam, eilte auch ich hinaus, um etwas zu Essen zu kaufen. Leider fand ich nur etwas Kartoffeln mit Rüben und das war nur kalte Kost. Es war ja schon Mitternacht, wer würde wohl so spät mit heißer Suppe handeln? Unsere Fahrzeit war schon beinahe abgelaufen, denn wir näherten uns unserer Station. Bald mussten wir aussteigen. Wir konnten eigentlich schon sagen, wie es im Sprichwort heißt: Über den Hund sind wir und über den Schwanz werden wir schon kommen." Aber ein anderes Sprichwort lautet im Gegenteil: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn die letzte Station, da könnten noch unangenehme Überraschungen kommen. Wir stiegen aus, es war Mitternacht, nur beim Wartesaal sahen wir noch ein schwaches Licht, nach allen Seiten hin war es aber ganz finster. Weil unser Wagon uns etwas weiter gefahren hatte und wir uns im Finsteren befanden, so standen wir nun hier und ratschlagten ganz leise, wo und wie wir den Rest dieser Nacht zubringen wollten. An Autos durfte man gar nicht denken, die gab es nicht. Von hier gleich losgehen, so mussten wir, wie wir schon wissen, zwei Kilometer Waldweg gehen und diesem Weg konnte man auch nicht trauen, denn es gab auch hier manchmal Überfälle. So beschlossen wir hier so still wie möglich in den Wartesaal zu gehen, um nicht von der Miliz, deren Stube hier nebenan war, bemerkt oder gehört zu werden, so dass sie uns nicht am Ende nicht kontrollieren würden, denn meine Frauen hatten ja nichts aufzuweisen. Hier wollten wir uns gleich zu den anderen Passagieren und so tun, als säßen wir hier schon lange und schliefen. Vielleicht noch sogar, wenn es darauf ankäme, schnarchen und röcheln. Als wir nun beim Milizfenster vorbei gingen, sahen wir zwei Milizmänner gelassen auf dem Sofa sitzen. Als wir nun die Wartesaaltür öffnete - oh Schreck - die knarrte noch etwas. Jetzt hieß aber rasch, rasch bis zu irgendeinem Platz und dann uns hinlegen und so tun, als ob wir schliefen. Und richtig - Die Miliz hatte es wahrscheinlich gehört und öffneten schon die Tür. Ein Milizmann fing an durch die Reihen der Passagiere zu gehen und zu gucken, ob nicht neue Leute gekommen seien. Einen nach dem anderen betrachtete er, blieb zwischendurch mal stehen und ging dann weiter. Fand wahrscheinlich nichts. Wenn ich auch halb krumm saß ohne jeglichen Schlaf zu haben, durch meine fast gänzlich geschlossen Augenlider gut betrachte und, ohne dass er es wusste, meine Pläne geführt. Besonderes hatte er wahrscheinlich nicht entdeckt, denn er ging wieder in seine Stube. Als er eben sein Stubentür geschlossen hatte, erhob ich mich, packte meine Frauen leise und mit leisen Füßen schlichen wir zur Hintertür hinaus und verschwanden recht bald hinter Häuser und Gärten. Wir machten uns auf den Heimweg durch den Wald. Die Morgendämmerung zeigte sich schon, so dass der Wald uns jetzt schon weniger erschreckte. Die meisten Schrecken waren vorüber. Heiterer wurde unsere Unterhaltung. Wenn auch hungrig, so eilten unsere Füße doch die letzten Kilometer leichter, vielleicht auch schneller. Hier konnten wir uns auch ganz frei über unsere Fahrt erzählen. Wie der Schurke glaubte, von mir recht viel Geld zu bekommen, und bekam aber auch gar nichts. Auch die Schaffnerin war froh, dass ich sie nicht betrogen hatte, denn vor dem Aussteigen beglich auch bei ihr die Rechnung und bezahlte ihr für ihre Wohltat an uns, wofür sie auch dankbar war und wünschte uns auch noch weiteres Glück. Ja jetzt konnten wir schon von Glück sprechen. Ich war über alle Massen froh, denn mein Weibchen war uns jetzt zur Seite. Die andere Freude war, ich konnte meinem Freund Gossen, seine Frau eigenhändig ins Haus bringen. Nun traten wir ins Lager, wir waren daheim. O, wie viel gab es jetzt zu erzählen, zu fragen, zu beantworten, als gebe es kein Ende. Ich ging zu meinem Lageroberst hier in Baturino und meldete meine Ankunft, das ich Glücklich gefahren sei und habe statt eine Frau, sogar zwei Frauen mitgebracht. Nicht nur das allen, sondern ich habe statt fünf Tage Urlaub nur vier gebraucht, daher sollte er mir noch die Erlaubnis geben den morgen den Tag nach Korkino fahren zu dürfen und meinem Lagerobersten, Piwowarow, zu melden, dass ich erfolgreich zurück gekehrt bin. Als ich bei Piwowarow eintrat, konnte ich kaum grüßen, da fragte er schon: "Hat man dich nicht eingesetzt?" Ich sagte: "Ich sie mit heiler Haut davon gekommen." "Ach", sagte er "ich dachte nur dich würden sie fangen und einkerkern." Dann entließ er mich. Nun schließe ich die Begebenheiten dieser reise mit den Worten: Ein großes Glück beim Wagenstück.

Kapitel 123

Ein gemeinsames Leben im Lager

Das Lager in Baturino war im Vergleich zu dem Lager in Korkino nur klein, es war ja auch eine Abteilung vom zwölften Baulager. Man fühlte sich hier mehr freier, obwohl dieses Lager ebenfalls mit einem Drahtzaun umgeben war. Wachbuden und Wächter waren auch auf ihren Platz. Das aller unentbehrlichste war auch hier im Lager der Speisesaal, die Küche und die Waschstube, die in einer Baracke abgesondert war. Ein Wirtschafter hatte auch seine ständige Beschäftigung hier im Lager, der die Innenarbeit des Lagers mit den Arbeitern verrichten musste, daher war es auch ganz leicht für unsere Frauen Arbeit zu finden. Schon den nächsten Tag erhielten sie ihre Brotkarten, wurden in die Listen aller Arbeiter eingetragen und bekamen Ausstellung als Waschfrauen zu arbeiten. Der erster Tag, wo ich mit meiner Sara zusammen war, erhielt ich vom Wirtschafter die Erlaubnis mein Nachtlager in der Waschstube zu haben. Unsere Bettsachen bestanden aus einem Strohsack, einer Decke und einem Strohkissen. Auf der feuchten Diele machten wir unser Bett und waren dann froh und zufrieden mit dem, was wir hatten. Am Morgen wickelten wir unsere Betten zusammen, legten sie irgendwo in einen Winkel, um die Stube für die Wascharbeit frei zu haben. Es waren aber noch etliche Frauen hier im Lager. Damit aber die ganze Lagerei der wenigen Frauen, die sich hier schon befanden, mehr oder weniger ordnungsgemäß aussehen sollte, so teilte der Wirtschafter etliche Leinentücher oder Lacken aus und wir durften in einer Baracke für je zwei Familien um unsere Bettlager oder Betten von diesen Schnüre ziehen. Nun hatte es schon den Schein, als seien es Stuben. Gossen und ich wünschten mit unseren Frauen zusammen in so eine Stube zu ziehen. Es war sehr eng, der Zwischenraum von Bett zu Bett betrug nicht mehr wie fünfzig cm. Es war für uns schon mehr, als gewünscht, so herrlich kam es uns vor. Aber ein "Aber" verschaffte uns so manche große Unruhe, sogar schlaflose Nächte. Die unzählbaren, blutgierigen Wanzen peinigten uns erbarmungslos. Sofern sich alle Arbeiter zur Ruhe begeben hatten, dann kamen die Wanzen zum Vorschein. Etliche Leute konnten wegen de Wanzen ganz ruhig schlafen. Ich aber, so auch Marichen Gossen, wir saßen dann ein jeder auf seinem Lager und fingen und suchten diese Dinger, die sich in der Nacht überall befanden; an den Wänden, an den Leinentüchern , auf den Kissen und auf den Decken. Nur, um zu den schlafenden Leuten zu kommen und sich dann dick ansaugen zu können. Die Art und Weise von den Wanzen, die sich in den Wandritzen befanden, um zu den Menschen zu gelangen, hatte ich bald ausfindig gemacht. Die eine elektrische Lampe, die dse Nachts in der Baracke in der Baracke schien, überleuchtete und durchleuchtete alle Leinentücher so viel, dass ich sitzend auf meinem Lager so manch eine Wanze noch gefunden habe. Ich war dann neugierig zu sehen, wie sie sich endlich zu ihrem Schmaus gelangte. Auf jedem fall besitzen die Wanzen auch einen guten Geruch, womöglich auch einen Geschmack, weil sie nicht jeden Menschen beißen. Gewöhnlich gingen sie die Wand hoch, auch an der Decke und auf dem Boden bewegten sie sich eine gewisse Strecke, dann ließen sie sich los und fielen auf das Bett, wo sie schon bald das Richtige fanden. Wo aber unten keiner schlief, näher bei der Außentür, da waren die Wanzen oben an der Decke gar nicht zu bemerken.
Die gesamte Kost aber der Lagerdeutschen war und blieb immer noch schwach. Nicht, dass Sterbefälle vor Hunger so besonders zu bemerken waren, aber ein jeder versuchte, wo er nur eben konnte, seine Kost zu verbessern und, wenn er auch nur irgendwo ein Teeglas voll Haferkörner sich verdient oder aufgetrieben hatte, so verstampfte er es irgendwie und kochte sich davon eine Schleimsuppe mit Spreu zusammen. Und man aß auch noch wie Sirup. Die Getreidefelder rings um die Kolchose waren längst eingebracht. Da war nichts mehr zu finden. Die Kartoffelfelder waren leer, aber da ging man immer noch hin und man fand auch etwas. Leider war mit der Zeit der Kartoffelacker endlich ganz schwarz geworden, so durchwühlt war er schon. Schließlich war auch hier nichts zu finden. Die Tage waren schon bemerkbar kühler geworden, wenn wir nach Arbeitschluss im Lager Abendbrot gegessen hatten. Ein oder der Andere wollte noch schnell aufs Feld laufen, auf Kartoffelsuche, aber das war schon nutzlos, es wurde während dessen finster und man fand nichts. Eines Abends kam einer aus meiner Brigade recht aufgeregt von seiner Suche nach Hause ins Lager. So ein Geheimnis wurde natürlich nicht laut ausgerufen. Er teilte uns mit, er habe recht weit vom Lager tief im Wald etwa drei Kilometer ein Rübenfeld entdeckt. Die Rüben seien schon ausgegraben, auf kleine Haufen geworfen und mit Kraut bedeckt worden, um sie wahrscheinlich vor den Nachtfrösten zu schützen, aber sie seien noch nicht weggefahren worden. Diese Haufen könnte man gewiss auch im Dunkeln finden, daher besprachen wir, das etliche Männer schon morgen Abend einen Versuch machen sollten, uns etwas von diesen fertigen Rüben zu holen. Am nächsten Abend, nicht all zu früh, machten sich ungefähr sechs Männer, ein jeder mit einem leeren Sack beladen, auf und gingen auf Rübenjagd. Aufs geradewohl, ohne Weg und Steg gingen wir durch den blätterlosen Wald in die Richtung, wo dann das Rübenfeld sein sollte. Unser Mann, der als Rübenfeld als Erster gefunden hatte, versicherte uns beim Gehen von Zeit zu Zeit: "Wir kommen dahin, denn der Acker ist groß, so dass wir unbedingt treffen, auch wenn es dunkel ist." Endlich wurde es etwas heller, der Wald endete und vor uns lag eine freie Steppe. Wie weit, dass konnte man ja nicht sehen. Das Geräusch beim Gehen in den trockenen abgefallen Baumblätter hörte auf und schon traten wir auf einen verwühlten Rübenacker. Wir verstummten alle, gingen nur ganz langsam und so geräuschlos wie möglich. Es könnte ja leicht irgendwo ein Wächter sein. Vielleicht sogar mit einer Flinte, daher waren wir auch vorsichtig und auf der Hut. Wenn die Rübenhaufen im Dunkeln auch nicht zu sehen waren, so stießen wir aber doch an einen von den vielen. Mäuschenstill sammelte nun ein jeder diese Rüben in den Sack, so viel, wie er glaubte nach Hause schleppen zu können. Die hungrige Habgier war aber so groß, dass wir die Säcke beinahe voll hatten, mehr als wir tragen konnten. Ein jeder nahm nun seinen Sack auf den Rücken und keuchend traten wir den Heimweg an. Es mussten viele Ruhpausen gemacht werden, aber wir kamen mit unseren Rüben nach Hause. Jetzt konnten wir uns längere Zeit immer noch eine süße Rübe zum Abendbrot kochen. Aber dieses Glück war doch zu verlockend, denn meine Kerle wollten sich noch holen.
Es war Ende Oktober. Ich musste mit der Bahn am nächsten Tag nach Korkino fahren, um ins Hauptkontor alle unsere Arbeit für den vergangen Monat abzugeben und dann etwas später das verdiente Geld zu holen. Diese meine Fahrt nahm gewöhnlich im ganzen zwei Tage in Anspruch. Eine Nacht übernachtete ich nur Korkino, dann kehrte ich wieder zurück. Meine Buben waren gerade am Abend, an dem ich nicht da war, wieder Rüben holen gegangen. Dieser Ausflug war glücklich abgelaufen, bis zu den Rübenhaufen. Schon hatten die Kerle sich niedergelassen, um ihre Säcke zu füllen, als unerwartet ein Flintenschuss fiel. Erschrocken sprangen nun alle auf und liefen fort. Aber einen hatten die Kugel getroffen. In aller Eile waren sie schon bis in den Wald gelaufen, auch der Verwundete war in dieser Hitze etwas gelaufen, dann aber sank er zusammen. Die Kugel war ihm durch den Leib gegangen, querdurch. Hier im Wald durfte er ja nicht gelassen werden, selber gehen konnte er schon nicht, daher mussten die andere alle beifassen und ihn nach Hause bringen. Der Verwundete hatte dann zwei Kameraden um den Hals gepackt und hängend ging er dann mit bis sie endlich das Lager erreicht hatten. Seine Wattenhosen waren quietschend voll Blut gelaufen bis an die Fußsohlen. Im Lager aber wurde er dann schon von anderen Leuten geholfen. Wie er, so waren seine Kameraden aber auch fast kraftlos geworden. Aus dem Lager wurde er auch gleich ins Nachbardorf zum Krankenhaus gebracht. Wenn ich wäre an diesem Tag zu Hause gewesen, oder vielleicht noch selber wäre nach den Rüben gegangen, dann hätte man mich tüchtig am Kragen gepackt, nun aber konnte ich mich schön rechtfertigen: "Ich sei in Korkino gewesen mit meiner Arbeitsabrechnung." Meine Sara, der sie die blutigen Kleider gebracht hatten zum Auswaschen, erzählte später, wie grässlich die Kleider als Räuberkleider ausgesehen hatten. Noch lange später sah sie immer die blutigen Kleider. Ihn besuchte wohl kaum jemand im Krankenhaus, daher war es denn mehr meine Aufgabe als Brigadir ihn zu besuchen. Es dauerte nicht viele Tage, dann fing er schon an zu gehen. Der Schuss war nicht tödlich gewesen. Die Ärzte erklärten: "Weil die Gedärme im Leib sein alle leer gewesen, sei die Kugel zwischen die Därme durch geglitscht und habe dabei innerhalb keine Wunde gemacht, als nur mehr außerhalb. Er war nicht viele Tage im Krankenhaus, dann ließ man ihn wieder nach Hause. Die weitere Rübenjagd aber war aus. Mit vielen Schaffen hatten die wenige Familien die im Lager waren, doch eine jede ihr eigenes Stübchen mit einem kleinen Kochherd bekommen. Man könnte sagen, die Lebenslage besserte sich allmählich. Unser kleines Stübchen in der Lehmbaracke das halb in der Erde war, hatte ja natürlich auch ein kleines Fenster, das zu strich mit der Außenerde war. Wenn draußen jemand dicht beim Fenster vorbeiging waren nur die Füße zusehen. Schon war es Winter geworden. Schnee bedeckte die Erde. Unser kleiner Herd, den wir mit Kohlen feuerten, machte unser Stübchen gemütlich warm. All unsere Habe hatten wir hier drinnen - das wenige Geschirr für den Tisch und Herd. Der Eimer mit Wasser, Kohlen, Besen, die Stiefeln. Auch meine Bresenttasche mit Beil, Hammer und Säge mit welcher ich täglich auf die Arbeit ging. Sogar die Rüben lagen unterm Bett. Weill es aber im Stübchen so warm war fingen die Rüben an zu wachsen auch zu faulen, daher waren wir gezwungen für sie einen anderen Bergungsort zu suchen, damit sie uns länger vorhielten. Denn wir aßen ja täglich nur eine Rübe. Wir legten sie alle draußen schön vor dem Fenster, bewühlten, richtiger beschaufelten die ganze Wand auch die Rüben mit Schnee. Es hatte den Schein als hätten wir die ganze Wand mehr frostsicher gemacht. Der Hauptgrund aber war, dass niemand wusste was unter dem Schnee war. Und so behielten wir unsere Rüben für uns und wenn sie auch gefroren waren.
Wir beide, Sara und ich fühlten uns in unserer gegenwärtigen Lage ganz behaglich, wohl. Aber ich witterte schon in nächster Zukunft Unangenehmes zu erleben. Meine Bauarbeit die ich hier in Baturino von Korkino aus verrichtete ging schon zu Ende und ich erhielt noch immer keine neue Arbeit mit welcher ich mich könnte bekannt machen. Als nun alles fertig war, der große Wasserbehälter den wir gebaut hatten, schon sein Wasser lieferte, bekam ich vom Lageroberst Piwowarow Befehl mit meiner ganzen Brigade wieder nach Korkino zurück ins Lager zu kommen. Oh, das wollten wir aber gar nicht, denn hier war ja die Freiheit viel größer. Aber wir mussten in den bitteren Apfel einbeißen, ob wir wollten oder nicht. Der Befehl war ich mit meiner Brigade- von Sara war hier nichts erwähnt. Sara blieb vorläufig als Waschfrau zurück. Ebenfalls blieb sie dann auch in ihrem Stübchen zurück. Meine Brigade auch ich, wir erhielten ja wieder unseren alten Platz in der Baracke, weil wir doch nur zeitweilig ausgeschickt waren, aber ein gutes halbes Jahr waren wir doch wie im Kurort gewesen. Hier wurde mir nun eine Arbeit angewiesen die ich nun mit meiner Brigade verrichten sollte, wo nicht Anfang noch Ende zu sehen war. - In der großen tiefen Kohlengruft von unten bis hoch oben, ja bis in den großen Kohlenbunker hinein, Gerüstbrücken bauen, wo dann das lange Fließband die Kohlen aus der Tiefe auf einem Rollgang in den Bunker befördern sollten. - Hier war kein: " Ich will nicht, ich kann nicht oder ich versteh es nicht" In solchen Fällen gab es nur eine Antwort: "Es ist Krieg, nur vorwärts." Eine schwere Arbeit für uns und obzwar wir hier unten die Kohlenarbeiten arbeiteten, so blieb unser Kostkessel aber doch nur der Zweite. Das machte uns dann zuweilen mutlos. Hier wohnte ich wieder mit allen anderen in der Baracke vorläufig ohne Sara. Die erste Zeit fuhr ich dann mit Erlaubnis von Barackenoberst am Sonnabend spät mit dem letzten Vorortszug nach Baturino um den Sonntag bei meiner Sara zu verbringen. Etwa zwanzig Stunden war meine Spazierzeit, dann musste ich mich schon wieder auf den Heimweg machen. Schon am Sonntag gegen Abend ging der Zug zurück nach Korkino. Was hier noch wichtig ist beizufügen, solange die Rüben langten, nahm ich mir eine Literbuchse voll gekochte Rübenschnitte mit. Diese Rübenstückchen verteilte ich so, das es mir die ganze Woche auslangte. Immer wenn wir in der Kohlengruft beim offenen Kohlenfeuer Mittag aßen nahm ich ungefähr zwei drei Stückchen Rüben noch obendrein als Leckerbissen. Die Buchse oder Blechdose trug ich immer in der Tasche wo das Beil und Säge waren, jeden Tag, damit es mir keiner aufessen sollte. Drei Tage ging es mit den Rüben in der Dose, aber dann die weitere Tage bis Sonnabend fingen sie schon an Leinen zu ziehen, je weiter, je länger, von der Dose bis zum Mund. Heute glaubt man es kaum, das solches wahrhaftig gewesen ist. - Die Gerüstbrücken bauen war eine schwere Arbeit, daher versuchte ich davon befreit zu werden oder loszukommen. Ich bat den Lageroberst er solle mich doch zurück nach Baturino überführen, weil doch meine Frau da sei. Diese Bitte wurde mir ganz konkret abgesagt. Weil ich aber um einer gewissen Zeit wieder mit dieser Frage zum Oberst ging und ihm sagte, dass es doch für mich recht beschwerlich sei jede Woche hin und her fahren, dann sagte er zu mir: "Deine Frau werden wir hierher holen, die kann ich hier im Lager auch brauchen. Arbeit ist genug im Lager auch für deine Frau." Das war alles sehr gut und doch nicht, denn ich wollte ja fort von hier, fort, ja fort von den Kohlen. Hier half kein denken, ich musste einfach meine Frau holen fahren und auch mein schönes Stübchen fahren lassen. Das Tischchen, die Bank, die Kohlendose alles blieb hier, denn wo sollte ich damit hin. Jetzt musste ich mit meiner Sara in die Baracke ziehen, wo alle andere Arbeiter waren - lauter Männer. Kein anderer Raum ward nicht gefunden als nur mein Bretterlager, wo wir dann uns beengten um schlaffen zu können. Was persönlich Saras Arbeit anbetraf, war für sie besser, als in Batruino. Sie bekam Anstellung in der Küche zu arbeiten, die Speisen austeilen. Mit diesem blitzte ein kleiner Freudenstrahl in mir auf. Der Leser dieser Zeilen wird gewiss schon raten was ich hiermit meine. - Wenn Sara ihre Arbeit vielleicht auch besser war, war sie aber weit schwerer als in Baturino in der Waschstube. Hier ging sie wohl immer um einen Tag auf die Arbeit, aber eine Arbeitsschicht dauerte gewöhnlich achtzehn, zuweilen sogar zwanzig Stunden, dann kam sie gewöhnlich mehr wie müde nach Hause. Wenn die Abendzählung der Arbeiter gemacht war und schon alle Arbeiter sich zur Nachtruhe begaben, dann erst hatte sie ihre Küchenarbeit gemacht und kam dann auch in die Baracke um schlafen zu gehen. - Ich möchte diesen Freudenstrahl von dem wir eben gelesen haben etwas beschreiben. Das Sara meine Frau war, dass wussten ja recht bald alle Leute in unserer Baracke, dann aber auch alle andere im ganzen Lager. Meine Freude nun bestand meistens nur darin, wie es heiß in einem Sprichwort:
"Koch und Katze sind immer satt"
Sara war wohl satt, aber ich..., ich hatte es gar nicht leicht. Denn schon gleich vom ersten Tag musste ich mich von der Speisehalle fern halten, weil doch viel Arbeiter glaubten, dass Sara mich jetzt so recht gut füttern würde. Sofern ich mich wagte in die Speisehalle zu gehen, so waren auch schon etliche da und passten auf, ob Sara mir was geben würde, dann natürlich würde ja ein jeder auch was haben wollen. Und so was konnte Sara ja unmöglich tun. Sonst wäre sie ja augenblicklich von dieser Arbeit abgesetzt worden. Auch Sara wurde von vielen nachgeguckt, ob sie nicht nebenbei irgendwo ihrem Mann was zukommen ließe. Sogar abends, wenn sie ihre Schichte abgestanden hatte und zu mir dann in die Baracke kam, da wo wir andere uns schon alle gelegt hatten, hat sich oft noch ein und der andere aufgerichtet und Sara nachgeschaut. Selbstverständlich ihre Brotnorm konnte sie ganz frei und öffentlich tragen, darüber konnte ihr niemand was sagen, aber auch nicht mehr, denn dann hätte es unbedingt Skandal gegeben. Trotz alledem aber, gibt es noch ein Sprichwort im Volke. - "List über List, doch nichts über Weiberlist". Sie verstand es doch ihrem Manne heimlich etwas zu bringen. Sie verwendete doch, trotz jeglichem Verbot, wenn sie nur konnte, von den Speisen, die geeignet waren ihrem Mann zu übermitteln. Die Art und Weise war folgen: Ein Fischen, ein Stückchen Fleisch oder etliche dünn gebackene Kuchen, steckte sie dann hinter die Hosengummi an den kahlen Bauch und kam dann vorsichtig zu mir in die Baracke, zog die Oberkleider aus und legte sich vorsichtig und geräuschlos, als wolle sie auch niemand stören, zu mir unter die Decke. Hier unter der Decke verzehrte ich hungriger Mann dann das Mitgebrachte bis auf das letzte Krumchen. Diese Wohltat, die meine Sara an mir in meiner damaligen traurigen Lage erwiesen hat, werde ich Lebtag nicht vergessen.
Ich aber suchte immer noch von dieser schweren Arbeit aus der Kohlengruft rauszukommen. Eines Tages als wir uns tief unten in der Gruft befanden und in der Raucherpause am Kohlenfeuer saßen, kam ein Befehlsgeber von den Kohlenarbeitern zu uns ans Feuer und fragte: "Jungens, wer kann mir für meine Frau ein Melkstühlchen machen?" Ohne langes denken und fragen sagte ich gleich "Ich". "Gut, sagte er dann, steig wieder hoch, geh in die Werkstatt und sag zum Brigadier, er solle dir erlauben ein Milchstühlchen zu machen. So machte ich es dann auch. Der Brigadier zeigte mir die Bretter, gab mir das notwendige Holzgerät und ich fing diese meine Arbeit an, dachte aber auch gleich dabei, für heute bin ich aus der Gruft frei. - Der zweite Gedanke war, ich gedachte an meinem Soldatenfreund aus dem Soldatendienst der mir ein teures Wort fürs ganze Leben gesagt hatte: "Was es nicht sei, was du machst, das mache gut". Und hier bemühte ich mich mein Stühlchen schön zu machen. An diesem Tag vor Arbeitsschluss hatte ich mein Stühlchen fertig und hier trat auch schon der Befehlsgeber in die Werkstube ein. Als ich ihm nun das Stühlchen vorstellte, stutzte er ein wenig und sagte: " Wenn ich mit diesem Stühlchen nach Hause komm, sagt meine Frau unbedingt, dies Stühlchen ist ein schönes Spielzeug für unsere Kinder, kannst ein anderes bestellen.
Der Tag war vergangen, ich ging nach Hause. Und richtig, des anderen Tages kam er wieder zu uns und bestellte noch ein Stühlchen, denn seine Frau habe wirklich so gesagt, wie er sagte. Ich machte es ja von Herzen gern, kam ja dann wieder aus dem Kohlenstaub raus. Und so machte ich auch das zweite Stühlchen schön. Bei dieser Arbeit hatte ich schöne Gelegenheit für mich einen Plan auszugrübeln. Abends, als er nun das Stühlchen bei mir nahm, sagte ich ganz frei zu ihm, er solle mir doch auch einen Dienst leisten. Er solle mir doch irgendwo eine Tischlerarbeit verschaffen. "Oh, sagte er, das kann ich noch heute abend ausfindig machen, per Telephon habe ich recht bald alles ausgekundschaftet und Morgen schon sage ich es dir". Mit Freuden ging ich wieder nach Hause, in der Hoffnung vielleicht bald als Tischler arbeiten zu können. Der Befehlsgeber hatte sein Wort gehalten. Am andern Tag kam er wieder zu uns wo wir arbeiteten, gab mir eine Adresse und sagte, er habe schon alles besprochen mit einem Oberst über eine Trusttischlerei, ich solle nur nach der Arbeit zu ihm ins Kontor kommen." Ich sagte ihm nur ein "Dankeschön" und er ging zufrieden seine Beschäftigungen weiter machen. Der Tag kam mir heute länger vor wie gewöhnlich. Schon gleich nach der Arbeit ging ich in das angewiesene Kontor. Als ich nun beim Oberst der Tischlerei eintrat und ihm mein Anliegen sagte, sagte er schon gleich, man habe ihm schon gesagt von mir, ich solle nur gleich eine Bittschrift schreiben und dann sei schon alles gemacht und schon Morgenfrüh dürfte ich meine neue Arbeit antreten. "Schön, sagte ich, aber ohne Erlaubnis vom Lageroberst dürfe ich doch nicht kommen. "Das verstehe ich wohl, wird schon alles werden, sagte er noch zum Schluss. Und wieder ging ich freudig nach Hause. Per Telephon kann man doch in ganz kurzer Zeit vieles bestreiten. Am Abend als die Arbeiterzählung zu Ende war, machte der Barackenoberst noch ein und das andere bekannt. Auch meine Frage war schon geordnet. Walde geht Morgen in eine andere Brigade als Tischler arbeiten, fügte er noch hinzu. Hiermit war auch dieser Tag zu Ende, wir gingen alle schlaffen.
Die Tischlerarbeit war mir gut bekannt, war auch gar nicht zu vergleichen mit dem Gerüstbrücken bauen. Das beste ??? S. 784 hier nur, es wurde in drei Schichten gearbeitet. Unsere Tischlerarbeit bestand meistens darin, für den Bau großer Häuser oder Schulen machten wir unzählige Fenster und Türen, selten was anderes.
22.01.85
So löste sich eine Schwierigkeit nach der anderen, wenn auch mit Anstrengung, aber immer noch zur Besserung. Jetzt war bei mir auch schon wieder eine Frage die ich verbessern wollte. Ich wollte doch nicht immer mit meiner Sara in der großen Männerbaracke auf einem Lager wohnen. Zudem wenn ich jetzt als Tischer in der dritten Schichte arbeitete, dann natürlich blieb sie allein auf meinem Lager. Wie leicht könnte sich hier mit einmal ein fremder Kater finden .... um auf den fertigen Brei zu gehen. Wo sollte ich hin? Ich ging wieder zum Lageroberst und bat um Hilfe. "Ich soll dir wohl ein Haus bauen?" War die Antwort. Geschlagen ging ich wieder fort. Nun traf es sich aber einmal, das er früh Morgens noch vor dem Aufstehen, unsere Baracke kontrollierte, was er entdecken wollte weiß nicht, aber er ging langsam unsere Baracke entlang, ging auch bei meinem Lager wo ich und Sara schliefen langsam vorüber und beschaute wie wir denn so eng liegen mussten. Er sah auch das ich nicht schlief, ich schaute ihm auch nach. Was er alles wird gedacht haben von meiner Lage weiß ich nicht. Auf jeden Fall wird es ihn doch wohl etwas bewegt haben. Schließlich und endlich war er ja doch auch ein Mensch mit Verstand und menschlichen Gefühlen. Der kalte Winter war vergangen da wo wir noch gar nicht glauben konnten, wo ich mit meiner Brigade am Kohlenfeuer saß, das für uns noch der Frühling kommen konnte. Aber ein Verschen lautet:
Und droht der Winter noch so sehr,
Mit trotzigen Gebärden.
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.
Der warme Frühling war erwacht, aber auch mit ihm war bei mir ein neuer Gedanke erwacht. - Ich ging nun wieder zum Lageroberst und bat ihm um Erlaubnis, für mich irgendwo bei den Leuten, außerhalb dem Lager, ein Quartier zu suchen. Dieses mal erlaubte er es mir. Ich verzog damit auch nicht einen einzigen Tag, und schon gleich am nächsten Tag nach der Arbeit ging ich auf die Quartiersuche. Ich war bestrebt irgendwo in der Nähe des Lagers für mich eine kleine Ecke zu finden, denn bei der Erlaubnis war eine strenge Bedingung dabei. Jeden Tag vor dem Schlafengehen, sollte ich mich unbedingt bei der Arbeiterzählung einfinden und dann könnte ich erst nach Hause gehen. Dasselbige auch des Morgens, früh mit meiner Brigade in die Speisehalle gehen und dann erst auf die Arbeit gehen. Ich suchte und suchte und fand schließlich anderthalb km vom Lager, bei einem Kinderreichen Wirt eine leere Ecke im Kuhstall, ja, ja wahrhaftig nur ein Kuhstall von Brettern sehr einfach gebaut. Hier fand ich bei diesem Wirt ein leerer Kasten, eine alte Tür und davon baute ich für uns ein Nachtlager. Unsere Sachen überfahren das war gar nicht schwer, eine Maschine brauchten wir nicht dazu. Mein Barackenaufseher, dem ich es ja sagen musste, dass ich durfte auswärtig im Quartier wohnen verlangte gleich Decke und Matratze, auf welcher wir solange geschlafen hatten. "Ich kann meine Bettsachen nicht verschleppen lassen", sagte er dann zu mir. Aber unsere eigene Sachen durften wir nehmen, welche aber auch, ehe wir zum Lager hinaus gingen, noch untersucht wurden, ob nicht wo Decke oder Strohsack sei, der nicht uns gehörte. Ein leichter Koffer mit meinen Hosen, Hemd und Saras Kleid auch Löffel und Krug, das alles war unser Hab und Gut. Ich nahm mein Kästchen, Sara nahm ihre Wattenjacke und meinen Soldatenmantel. Nun zogen wir in unserem Sinn freudig und zufrieden, reichbeladen ins neue Quartier. Hier nun machten wir unser Bett. War es ein Kissenbezug oder war es ein Beutel, den wir hatten, füllten wir mit Stroh, das war unser Kissen. Die Wattenjacke legten wir unter, das war unsere Matratze, und der Mantel war unsere Decke. Nun war unser Bett fertig gemacht für die Nacht. Eine nicht hohe Tonne die hier im Stall stand drehten wir mit dem Boden nach oben, stellten sie neben unser Lager, das war unser Tisch. Hier setzten wir uns beide, Sara und ich, ganz gemütlich und frei auf unser Lager und unterhielten uns ohne Scheu zu denken das uns jemand wohl belauschen könnte. Die Kuh die sich auch hier im Stall in der anderen Ecke befand, war nur mit einem Brett von uns abgesondert, doch aber so nahe von unserem Lager, dass wenn sie ihre Geschäfte machte, es zuweilen auch bis unser Lager spritzte. Todesgefahr drohte ja nicht bei solchen Fällen, und Schmerzen gab es hier auch nicht. Daher fügten wir uns auch in dieser Lage und nahmen alles ohne zu murren entgegen. Heutzutage will es kaum wer glauben, dass so was wirklich soll gewesen sein.
Wir wohnten wohl in diesem Kuhstall allein, damit waren wir auch ganz zufrieden, aber dafür mussten wir auch viel zu Fuß gehen. Sara ging ja nur einmal am Tag hin und zurück. Ich musste aber zweimal diese fast zwei km lange Strecke machen. Die zweite Reise war immer spät abends, zur bestimmten Zeit in die Baracke zur Arbeiterzählung gehen. Kein Fahrrad, kein Motorrad war nicht, immer zu Fuß. - Die Zeit ging, so war auch der Sommer vergangen und von Zeit zu Zeit gab es aber auch immer was Neues, oder immer Veränderungen. Es war in der Herbstzeit als eines Tages der Lagerwirtschafter von den Leuten die persönlich im Lager arbeiteten eine recht große Arbeitergruppe sammeln musste. Schuster, Schneider, Waschfrauen, Küchenarbeiter, Barackenaufräumer, Heizer, Friseur u. a. Diese alle wurden auf eine Dienstreise geschickt, auf längere Zeit in einen weit abgelegenen Sowchos Kartoffeln ausgraben. Meine Sara musste auch fort. Weil ich nun wieder allein war, blieb ich auch mehr im Lager über Nacht. Unser zukünftiges Leben wollte ich aber immer wieder nach Möglichkeit verbessern. Daher machte ich nun in der Freizeit für uns einen einfachen Tisch mit Kreuzfüße, zwei Taburette und hauptsächlich ein Bettgestell das, wenn wir zum Winter würden dürfen ins Haus ziehen, wir doch einigermaßen schöne Sachen hätten. Als ein Monat vergangen war kam auch Sara wieder nach Hause, sie brachte sogar eine Tasche voll Kartoffeln mit. Wieder ein kleiner Zustoß für unseren Tisch. Als ich nun eines Tages von der Arbeit nach Hause ging, wo mein Weg gewöhnlich durch einen Park führte, da fand ich im Park einen recht großen Igel. Den fing ich mir augenblicklich ohne jegliches Zaudern, das könnte ja ein schöner Braten geben. Zu Hause schlachtete ich ihn sogleich, Sara machte Kartoffeln fertig und es gab für uns ein gewünschter Braten. Im Kuhstall nebeneinander sitzend auf unserem Nachtlager, den Braten vor uns auf der Tonne stehend, glücklich und zufrieden verzehrten wir dann unser wohlschmeckendes Abendbrot. Solche Fälle gab es selten, daher kam es uns vor als sei es ein Festtag gewesen, daher sprechen wir heute noch oft davon. Sara kam aber seitdem sie in die Kartoffelernte gefahren war, nicht mehr in die Küche, sondern wurde zu den wenigen Frauen die in der Wäscherei arbeiteten, gezählt und wurde also Waschfrau. Der September war schon vorüber, schon wurden die Nächte kühler, unsere Bettsachen waren zu arm, sie wärmten uns schon nicht genügend im Kuhstall, daher fragte ich den Wirt, bei passender Gelegenheit, ob wir wohl bald ins Haus übersiedeln dürften. Die Antwort war kurz: "Überhaupt nicht." Weiter wurde auch nichts verhandelt. Ich wusste woran ich war, - so schnell wie möglich frisch, ein anderes Quartier suchen. Das Quartier war auch sehr rasch gefunden. Der Nachbar neben unserem Kuhstall hatte ein Haus gebaut, wohnte auch schon drin, aber es war noch lange nicht fertig. Der wusste, das ich als Tischler arbeitete. Der nahm mich in sein Haus, mit der Bedingung, dass ich für sein ganzes Haus die Fensterladen von außen am Haus machen würde. Mit mein Versprechen zog ich und Sara dann zu ihm hinüber. Das Gebäude, oder das Haus in welchen wir überzogen, hatte noch keine Mittelwände auch war es noch nicht verstuckt nur im der Mitte dieses großen Hauses stand ein Ofen der den ganzen Raum wärmte. Auch dieser Wirt hatte vier Kinder. Also im ganzen acht Personen. Raum hatten wir ja alle, aber es war doch wie in einer Kaserne. Auch warm war es hier immer, denn Russen lieben es gewöhnlich warm. Aber unsere Bettsachen die waren doch wirklich nur arm. Daher ging ich wieder ins Lager zu unserem Barackenaufseher und bat ihn, er solle doch mit uns Erbarmen haben und uns Strohsack, Decke und Kissen austeilen. Er ließ sich bereden und gab mir dann mit Unterschrift die gewünschten Bettsachen. Das neue Bett und die frische Bettsachen gaben jetzt doch schon einen ganz anderen Schein, als das Lager im Kuhstahl. Auch der Tisch an dem wir dann auf unsere neue Taburetten saßen, sah doch mehr angenehm aus. Aber selbst den Tisch mit mehr oder bessere Speisen decken, das war immer noch schwer. Indessen tat sich eine Tür auf, man konnte sich Kohl besorgen bei etlichen Leuten. Daher machte ich sogleich wie möglich nicht nur einen, sonder gleich zwei Kohlständer um Kohl einzumachen, damit wir uns wenigstens im Winter könnten an eingemachtem Kohl satt essen. Ich gönnte mir wenig Schlafzeit nur um bald diese Arbeit verrichten zukönnen. In wenigen Tagen hatte ich zwei Tonen fertig - eine von zwölf Eimer, die andere von acht Eimer. Jetzt erst konnte ich Kohl kaufen und beischleppen. - Warum beischleppen? - Nun weil wir doch alles, alles zu Fuß machen müssten und das alles nur nach der Arbeitszeit oder am Sonntag, wenn wir einen bekamen, denn oft genug mussten wir noch am Sonntag arbeiten. Wohl mit großer Mühe aber diese beide Tonnen hatten wir uns doch mit Kohl voll gemacht. Zu dem sauren Kohl fehlten aber auch die Kartoffeln. Man konnte ja auch vieles bei den Kolchosweibern kaufen, aber die Preise waren zuweilen übermenschlich groß. Es war an einem freien Sonntag, als ich mir einen leeren Sack nahm und weit auf die Steppe ging auf einem Kolchos-Kartoffelacker Kartoffeln nachstoppeln wollte. Mit einem spitzen Stock wühlte ich dann die Kartoffellöcher nach um Kartoffeln zu finden. Ich fand, aber nur alles solche kleine Fingernagel groß, selten eine größere. Den ganzen Tag gesucht und nur drei Eimer voll gefunden, mit welchen ich dann spät am Abend müde und doch froh nach Hause ging. Zum Winter jedoch bekam ich es ausgewirkt, weil wir doch so weit vom Lager wohnten, dass wir für einen Monat immer unsere Brotkarte und auch unsere trockene Speiseration bekommen konnten. Dann kochten wir uns zu Hause das Essen selber. So lange wir nun Kartoffeln hatten kochte Sara jeden Abend einen Teller voll dann saßen wir noch gewöhnlich zusammen und schälten diese kleine Kartoffelchen ab, um das sie konnte am nächsten Morgen etwas davon zu Frühstück machen. Für diesen Winter hatten wir schon etwas Vorrat von Kohl und Kartoffeln, wenn es auch nicht die Hauptnahrungsstoffe waren, so war es aber doch an und für sich bemerkbar. Mit der Zeit konnten wir uns auch sogar schon eine Ziege kaufen. Wo wir glaubten, dass die uns weiter zum Frühling auch noch etwas Milch geben könnte. Denn weißen Kaffee trinken können, wäre durchaus nicht schlecht.
Der Hauswirt baute inzwischen aber auch noch immer an seinem Haus. Die Mittelwände zog er. Ein Badehäuschen stellte er sich im Garten auf. Sah es aber mehr wie gerne, dass ich ihm allerwärts sollte helfen. Tat ich es, dann war er frohen Mutes, tat ich es aber nicht, dann war er mürrisch und lies es uns merken, dass wir wohl sogar das Quartier räumen sollten. Und wo sollten wir im Winter wohl hin? Seine Fensterladen die ich versprochen hatte zu machen, die machte ich bei mir auf der Arbeit, aber nur nach den Arbeitsstunden. Und noch bei Winterszeit, konnte er sie sich fertig holen. Ach, wie wünschten wir uns, unser eigenes Heim zu haben, wo uns dann doch niemand könnte hin und her zücken, auch hin und her schicken. Auch Sara kam inzwischen an die Hausarbeit etwas zu helfen. Unsere Wirtin kam in der Winterzeit in das Entbindungslager. Selbstverständlich hat Sara dann ein und das andere geholfen. Viel lieber hätten wir mit unserem eigenem Kind etwas Unruhe haben wollen, als im fremden Haus mit fremden Kindern. Aber dieser unser Wunsch ein Kind zu haben war bis dahin noch nicht erfüllt geworden. Zuallererst von Anfang war es doch wohl die schwache Kost, dann später aber glaubten wir, dass die medizinische Einmischung im Frauenlager in Orsk noch immer tatkräftig sei bis auf eine bestimmte Zeit. Doch mit einmal kündigten die Vorzeichen Freude an. Dies gab mir dann schon mit einem entschlossenen Mut drauf loszugehen mein eigens Häuschen zu bauen. Bei meinem Wirt, wo wir wohnten, über der Straße war ein leerer Bauplatz, den ich mir heimlich schon lange betrachtet hatte, jetzt aber ging ich fest entschlossen meine Wünschen in die Tat umzusetzen. Ich ging ins Staatsbüro für Neubauten und bat um diesen Bauplatz. Ich erhielt die Erlaubnis mir hier ein Haus aufzubauen. Voller Freude wartete ich die letzten Wintertage auf den warmen Frühling, auf den günstigen Sommer wo ich dann neben meinem Quartier auf meinem eigenen Hof dann wollte alle Kräfte aufgebend an unserem eigenen schaffen, statt für Fremde. Doch hier hätte nur jemand sagen sollen: "Gib acht und wird nicht überfroh, es bleibt nicht so." - Und richtig, der Schnee war kaum weg, schon war der Gemüsegarten betrocknet, als eines Tages der Wirt uns meldete, dass unsere Ziege habe im Garten den Zwiebellauch abgefressen, wir sollten das Quartier räumen. Das so was wirklich unsere Ziege sollte getan haben, können wir bis auf den heutigen Tag noch nicht glauben, aber wir machten fort. - Ein neues Quartier fanden wir zwei km von hier, bei einer Witwe mit zwei Kinder, deren Mann im Krieg geblieben war. So günstig war nun mein Glück, zum ganz in der Nähe mein Haus bauen zu können.
Trotz alledem ging ich zu meinem Bauoberst wo ich arbeitete und einem Bittgesuch um Bauholz rausschreiben zu dürfen, denn ich wolle uns ein Haus bauen. - Meine Bitte wurde erfüllt, ich bezahlte nun den Preis für das Holz bekam eine Quittung und hatte nun Erlaubnis im Holzhof nur das passende Holz auszusuchen. Ich wollte nur von Holz mein Haus bauen, daher konnte ich die erste Arbeit hier im großen Holzhof machen. Das ganze Gerüst mit allem Zubehör konnte ich hier anfertigen, um dann schon später die fertigen Teile überzufahren und sie im eigenen Hof in einer Kürze zusammenstellen. Zu meinem fest entschlossenen Vornehmen hatte ich noch zu niemand was gesagt, denn ich war mich überzeugt, dass man mich nur auslachen würde, wenn ich sagen sollte: "Ich will nun ein Haus bauen." Daher schwieg ich und tat gerade wie ich wollte. - Ich arbeitete gerade in der Tagesschicht als am 9. Mai 1945 die allergrößte und freudenvolle Botschaft im ganz Russland erschall: "Friede, Friede, Friede." Und richtig das war eine frohe Kunde. An diesem Tag warf man freudig den Hobel zur Seite und sprach nur von Friede.
Als nun der Arbeitstag zu Ende war und alle Tischler nun ihre Handtaschen nahmen um nach Hause zu gehen, schloss ich wohl meinen Schrank mit Geschirr zu, aber Säge und Beil nahm ich zur Hand, statt meine Tasche. Das sahen meine Gesellen und sie fragten gleich, was ich denn jetzt noch wolle? Dann sagte ich zu ihnen: "Ich gehe jetzt ins Holz und heute will ich anfangen mir ein Haus zu bauen." Meine Kerle sperrten ihre Mäuler groß auf und fragten: "Was, ein Haus bauen?" "Ja" sagte ich. - Aber du bist dumm, aber du bist dumm, wir wollen jetzt nach Hause fahren und zu willst Haus bauen, sagten sie dann verachtend. Ich sagte nur: "Wenn ihr fahren wollt, bitte schön, ich habe nichts dagegen, ich wünsche euch allen eine glückliche Reise." Sie alle gingen jetzt nach Hause, ich aber machte den ersten Schritt mein Haus zu bauen. Ganz allein, froh und zufrieden in meinem Sinn, Kullerte und Kantete und drehte nur meine lange Balken zurecht um sie zu bearbeiten. Oh, wie ging diese meine Arbeit so schön, ganz bis Dunkel schaffte ich, dann erst ging ich nach Hause. Meine Freude war doppelt groß, denn in letzter Zeit bekommen wir die Gewissheit das Sara guter Hoffung sein konnte. Eine neue freudige Zeitperiode war für uns beiden eingetreten, zu obenrein noch, der Krieg war zu Ende - immer noch hieß es: Friede, Friede.
Meine Vorbereitungsarbeit dauerte aber nicht sehr lange, dann war ich mit allem fertig. Nun musste aber alles Holz übergefahren werden zu meiner Baustelle dazu mussten Maschinen sein aber auch recht viel Geld. Ich verkaufte auf den Markt meinen Sonntagsanzug (Kostüm) um die Maschinen zu bezahlen. Der Sommer war mir zum Bauen sehr günstig, nur der frühere Wirt wo ich im Quartier war, hatte mir so einen ungünstigen Spaß gespielt jetzt musste ich immer so weit nach Hause gehen und wie oft bei später Nacht. Da wo ich nun hätte nur über die Straße gehen können.
Die tägliche Arbeiterzählung im Lager wurde auch nicht mehr getan. Wir lagerdeutsche Männer standen alle unter der Kommandantur und mussten einmal im Monat bei dem Spezkommandant uns persönlich zeigen und Unterschrift geben das wir noch da seien. Und somit durfte ich nicht immer die lange Abendreise zum Lager machen. Schon gleich als wir unsere Baustelle erhalten hatten, fingen wir an unseren eigenen Garten zu bearbeiten, gruben ein Stück Garten um, kauften uns etliche Saat-Kartoffeln und steckten sie, um damit wir doch im Herbst schon unsere eigene Kartoffel haben könnten.
Der Krieg war zu Ende, man wollte schon fest glauben das nun auch recht bald alle Lagerdeutsche konnten Heim gelassen werden, aber davon war noch wirklich keine Spur. Unweit von unserem Lager wurde noch ein Lager gebaut, sogar noch mit hochstehenden Wachposten auf jede Ecke. Hierher brachte man deutsche Kriegsgefangene. Diese alle mussten auch in der Kohlengruft arbeiten. Streng unter Wache wurden sie täglich ein und aus, und aus und ein geführt.
Von der höheren Behörde wurde ich von meiner Tischlerarbeit befreit und ich bekam Anstellung in diesem Lager der Gefangenen Dolmetscher zu sein, denn diese Deutschländer konnten gar nichts Russisch sprechen. Physisch durfte ich ja nicht arbeiten, aber am Abend war ich oft länger vernommen wie gewöhnlich und das war mir für meine Bauarbeit am eigenen Haus gar nicht passend, denn ich wollte zum Winter schon in mein eigen Haus ziehen.

Kapitel 124

Eine Verhängnisvolle Zeitperiode

"Und wie der Wellen Wechselspiel
Im großen Ozean,
So wechselt auch der Menschen Ziel.
Und ändert seine Bahn."
So ging es uns beiden auch. Von einem Lager ins andere, von einem Quartier ins andere, auch von einer Arbeit auf die andere
"So es halt in unserem Land
Nichts gibt es, was hier hält Bestand"
Auch unser Lageroberst Piwowarow, wurde auf eine andere Arbeit übergeführt. Ein anderer Oberst trat an seine Stelle, der schon nicht die Eigenschaft besaß, die frühere eingeführte Ordnung weiter zu behalten. Den Erfolg von seinem gleichgültigen Benehmen über die strenge eingeführte Ordnung von Piwowarow, verspürten Sara und ich wohl am ersten. Das Verbot fremde Leute ins Lager zu lassen, war vergessen worden. Sara war schon im Vorgeburtsurlaub, als sie den ersten oder den zweiten Tag aus unserem Quartier noch ins Lager in die Wäscherei ging um unsere eigene Wäsche noch zu waschen. Und gerade jetzt, ja hier, kam jemand aus dem Kontor und rief sie, augenblicklich ins Kontor zu kommen. Sie glaubte, sie solle Urlaubsgeld erhalten, aber nein etwas ganz anderes war. Ein Milizionär saß hier, der die gesamte Personenliste aller Arbeiter des ganzen Lagers durchsucht hatte, und hatte nun Saras Namen gefunden, welche sie schon drei Jahre gesucht hatten. Er fragte sie nun nach ihrem Namen und sagte dann zu ihr, sie solle mitkommen. Sie wurde in die Miliz geführt. Jedoch der Milizionär hatte schon gesagt, - weil sie schwanger sei durfte man sie nicht verhaften, aber zum Milizoberst solle sie doch kommen. Jedoch schüchtern trat sie zum Milizoberst ins Kabinett, der sie aber doch nicht barbarisch behandelt hatte, sondern ihr die ganze Sache ruhig erklärt hatte: - "Schon gleich wo sie in Orsk den ersten Tag nicht sei auf Arbeit gegangen, nachdem sie entlaufen war, habe man sie als Deserteur betrachtet und schon in ihrer Abwesenheit sei sie auf drei Jahre Gefängnis abgerichtet worden. Jedoch in gegenwärtiger Zeit durfte man sie nicht verhaften, aber sofern ihr Kind nach der Geburt schon zwei Monat alt sei, dann solle sie damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen. Jetzt aber solle sie Unterschrift geben, dass sie in dieser Zeit nirgends hinfahren würde, um nicht ihre Lage noch schlechter zu machen als sie schon sei. Daraufhin wurde sie nun vom Milizoberst entlasse.
Verlegen und hoch aufgeregt kam sie dann eilig zu mir auf die Arbeit und teilte mir ihr Erlebnis mit. Es war ja für uns beiden nichts erfreuliches, aber doch ich konnte sie etwas beruhigen und sagen, dass wir von unserer Seite würden versuchen das Möglichste zu tun, um doch das Schlimmste, was uns nun drohte, aus dem Wege zu gehen. - Sie ging nun wieder ihre Wäsche waschen, auch ich machte meine Arbeit weiter. Ich bei meiner Arbeit dachte nun hin und her und glaubte nun schließlich das richtige getroffen zu haben. Abends, gleich nach der Arbeit ging ich zu einem gebildeten Mann und bat ihn, er solle mir doch eine ergreifende Bittschrift an den Reichsältesten im Kreml, Kalinin Michail Iwanowitsch schreiben: "Er solle doch gnädig, Sara, von dem schon zugesprochenen Gerichtsurteilspruch befreien, denn sie sei ja nur aus dem Bautrust in den Kohlentrust übergegangen und glaubte nicht, dass sie nun so unermässlich groß und schwer das Gesetz übertreten habe, wo doch die Kohlen weit mehr für das Reich und die Front im Wert waren, als die Bauten im Hintergrund". Die Adresse auf dem Brief mit diesem Bittgesuch war kurz. "Moskau, Kreml, Kalinin." Als nun aber Gossen Marichen in Baturino von unserer Lage hörte, war sie nicht wenig erschreckt, denn wenn sie sollte gefunden werden, dann wäre keine Schwangerschaft vorzuzeigen, welche sie einstweilen für ihre Freiheit ausnützen konnte. Wehmütig und angstvoll verstrichen vorläufig ihre Tage, und forschte auch immer noch wie es mit Sara stehe. Die Arbeit am eigenen Haus wollte gar nicht mehr so flott gehen wie zuvor, denn Saras Geschick hatte mir doch ziemlich den Frohsinn gedämpft. Zu all meinen Plänen und Gedanken hatte sich noch ein schwerer Gedanke hinzugefügt und der sich die ersten Tage immer auf den Vorderplan zeigte und das war: - Um vier Monate kommt man Sara verhaften, wenn keine für uns günstige Antwort auf unseren Brief von Moskau kommen wird. Schon glaubten wir binnen drei Wochen eine Antwort zu bekommen, aber wir müssten uns auch trösten mit dem Volkssprichwort: "Der Brei wird niemals so heiß gegessen, wie er gekocht wird." Für uns hieß es: "Nur Geduld."
Unser Haus das ich baute wurde ganz nach einem altbekannten Sprichwort gebaut:
"Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Denn bleiben die Füße unbedeckt."
Weil ich nur wenig Geld besaß, konnte ich unmöglich ein großes, starkes, prächtiges Haus bauen. Unser Haus war 6,5 m lang und 4,5 m breit. Ein Gerüst welches von Brettern dritte Sorte, von beiden Seiten bekleidet wurde, dann wurden die leeren Wände mit Schlack und Sägemehl vermischt und voll geschüttet. Das ganze Haus stand nur auf Holzkissen, die von alte Eisenbahnschwellen geschnitten waren. Das Dach war ein Bretterdach. Kein Glas war nirgends zu finden, noch zu kaufen. Ich suchte dann bei den Neubauten irgend welche Glasabfälle um nur von Stücker und Flicker meine nicht große Fensterrahmen vollstellen zu können. Gebrannte Ziegeln für meinen Ofen fand ich auch nicht, als nur bei der Bäckerei im alten Schutt, da fand ich nur halbe Stücker und noch nicht mal genügend. Noch schwerer war es für mich die Steine herzuschaffen, daher stellte ich das Haus auf Holzkissen, aber auch den Ofen setzte ich auf ein Schwellenstapel, um nicht so viel Ziegel zu suchen. Noch eine schwere Arbeit die ich für den Ofen machte, das war: - Das Feuerloch im Ofen sollte doch etwas dauerhaft gemacht werden, denn es konnte ja nicht von lauter Stücker zusammen geklebt werden, dieses wollte ich doch mehr von schönen, ganzen Ziegeln machen. Dazu war mir ein einziger Ausweg, von einer Schule die meistens nur von unseren Bauleuten gebaut wurde, nahm ich dann jeden Abend, wenn ich von der Arbeit nach Hause ging, fünf Ziegeln in die Beiltasche und schleppte sie auf den Puckel nach Hause. Zwei km mit so einer harten Last auf dem Rücken, dann war das Hemd gewöhnlich wäschenass. Bis ich dann etwa siebzig Ziegeln zusammen hatte, verging eine schöne Zeit. Dieses schreibe ich aber auch noch, um zu zeigen, wie viel und wie weit man oft gehen musste und wie schwer man oft tragen musste, weil doch fast kein Transport vorhanden war. Sara war in ihrer Schwangerzeit nur zweimal bei unserem Bau, gerade nur weil es doch so weit zu gehen war von unserem Quartier.
Je näher für Sara die Entbindungszeit kam, desto mehr bescherte uns der Gedanke, wie wir dann ins Entbindungsheim kommen sollten. Auch hier war nur eine Antwort: "Zu Fuß." - In so einer Lage, zu Fuß, drei km, wer könnte das wohl machen? Ungefähr den 15., 16. Juli regnete es außergewöhnlich stark, viel Wasser stand auf vielen Straßen, aber Kot war noch vielmehr vorhanden, kein Bürgersteig wo man gehen konnte, von einem Zaun, quer über die Straße, bis zum andern Zaun, Kot und Matsch ohne Ende. Nur auf Kotstiefeln konnte man den Kot durchwatten. - Und oh Schrecken, in der dunkeln Nacht auf den 17. Juli meldete sich bei Sara der Storch. In der Nähe keine Pferde, keine Maschine. Nur ein einziger Ausweg, zu Fuß. - Wir kleideten uns an und legten nun los. Anfänglich ging die Reise fast wie normal. Sara hatte mich eingeschlungen und ich war anfänglich der Stärker, ich zog dann fleißig vorwärts, aber wenn dann inzwischen die Wehen eintraten, dann zog sie zurück, lehnte sich etwas an mich um einen Augenblick sich zu verschnaufen. Dann jedoch musste aber vorwärts gemacht werden. Aber je weiter es kam, desto öfter wollte sie stehen bleiben. In dessen hatte sich auch schon die Morgendämmerung gezeigt - es wurde schon immer heller. Auch das Entbindungsheim lag schon nicht mehr fern, nur noch zwei Häuser waren geblieben, dann hatten wir unser Ziel erreicht. Und hier auf der Straße mit einmal, in einem Nu, schrie Sara auf "Halt, es fällt" und lehnte sich am nahen Zaun. Ich bückte mich blitzesschnelle und packte dann das fallende Kind. Sara stand und hielt sich am Zaun und ich saß nun vor ihr auf der Hucke und hielt das nasse Kindlein. Ich war nun mit dem Kind angebunden, ich konnte ja nicht mit dem Kind weglaufen und jemand rufen. Daher machte ich nun hier auf der Straße Revolt und Alarm und pfiff wie laut ich nur konnte. Auf diesem Geschrei machten die Leute die Fenstern auf und schauten auf die Straße und alle glaubten im ersten Augenblick, es sei eine Räuberei auf der Straße und niemand wagte sich hinaus. Bis dann aber doch jemand kam und sah das extra Hilfe notwendig fehlte. Dann nun aber liefen die Leute bis zu den Krankenschwestern die natürlich auch eilten, um das nasse Kind zu lösen und ins Krankenhaus zu bringen, auch für Sara wurde eine Bare gebracht und in das Entbindungsheim getragen. Nun war auch ohne Pferd und Maschine alles auf seinem Platz gebracht worden. Am eigenen Haus baute ich aber ohne Unterlas denn ich wollte, ich musste zum Winter unbedingt über ziehen. Das ganze Haus fertig zu machen dazu war noch zu viel zu tun und die Zeit zu wenig. Daher begnügte ich mich auch nur mit einer Stube für den ersten Winter, um nur hier wohnen zu können und mehr Zeit zu gewinnen für die Arbeit am Hau, statt noch immer zwei km jeden Abend ins Quartier zu laufen. Gesund, nach wöchentlichem Aufenthalt im Entbindungsheim brachte ich Sara dann wieder nach Hause. Leider nach etlichen Tagen geschah wieder ein etwas, dass wir es bis auf den heutigen Tag noch immer nicht vergessen können. Eines Tages wo ich wieder so spät von de Arbeit am Haus nach Hause ging, es war schon ganz dunkel da begegnete ich Sara mit dem kleinen Kind auf dem Arm mitten auf der Straße. Ich sah es schon augenblicklich das etwas besonderes geschehen sei, denn sie zitterte am ganzen Leib uns sagte dann auch sehr aufgeregt das unsere Wirtin sei wahninnig geworden, sie tobt im Haus und spricht allerhand dummes Zeug, schaut sehr unnormal, geradezu teuflisch aus den Augen, kommt auf sie zu und läße sie keine Ruh. Sie habe nur rasch das Kind genommen und sei nun her schon eine nette Weile auf der Straße.
Ich aber ließ mich nicht zurückschrecken und wo sollten wir auch bei dunkler Nacht hin, daher gingen wir auch wieder nach Hause. Es befand sich wirklich so wie Sara gesagt hatte: Wahnsinnig, im vollen Sinne dieses Wortes. Ich versuchte die Wirtin zu beruhigen, aber der Erfolg war klein. Allendlich bekam ich sie so weit das sie sich legte aber wir trauten dieser Sache sehr wenig. Ich versteckte alles was wir nur fanden, - Messer, Gabeln, Schere, Zündholze und anderes, außer der kleinen Küche wo ihr zehnjähriges Mädchen schlief, hatte sie nur noch eine Stube in welcher wir uns dann alle befanden. Die Wirtin hatte sich ja etwas beruhigt, Sara aber und ich, wir konnten uns nicht beruhigen daher überfiel uns auch kein Schlaf. Diese Nacht verbrachten wir schlaflos. Mein Sinnen und Denken war nur auf eines gerichtet, - so schnell wie möglich ins eigene Haus zu ziehen. Darauf ging ich u meinem Barackenaufseher, erklärte ihm meine ganze Lage und bat ihm dann er solle nur doch etliche Leintücher und paar alte Decken borgen damit ich in meinem Haus könnte die eine Stube, die ich schon so weit fertig hatte mit Decken, Lacken und Papier abdichten, um doch überziehen zu können. So machte ich es dann auch und in wenigen Tagen zogen wir ins eigen Heim. Aber die Folgen von dem Schreck mit der Wirtin musste Sara schwer einbüßen. Eine Brust fing an zu schüren, ja sogar sehr, und das brachte ihr fast unerträgliche Schmerzen die nicht sobald vergingen. Der Anfang in unserem Haus war selbstverständlich noch schwer, denn so vieles fehlte noch. Wenn das Kind zu baden fehlte, oder wenn die Wäsche musste gewaschen werden, dann nahm sie das Kind und ein Bündel mit der Wäsche und ging in die Wäscherei um dort doch alles mehr im warmen verrichten zu können, damit das Kind nicht durfte verkühlt werden. - Mit dem Lageraufseher der Gefangenen, wo ich noch immer arbeitete, hatte ich ja alltäglich zu tun, denn mit ihm und durch ihn wurde die ganze Arbeit im Lager gemacht. Auch ich hatte es ihm mitgeteilt, das ich mir ein Haus baue. Daher zeigte er großes Interesse auch Willigkeit mir beim Bauen zu helfen. Auf solche Idee war ich noch nicht gekommen, daher versuchte ich es durchzuführen. Ich ging zum Lageroberst der Gefangenen und bat ihn, auf meine Verantwortung, er solle mir doch am nächsten Sonntag fünf Arbeiter aus dem Lager geben, die bei mir am Haus bauen sollten. Dann sagte er zu mir: "Wenn du die Arbeiter persönlich holen kommst und du dich für sie unterschreiben wirst, auch abends wieder zurück bringen wirst, dann erlaube ich es." Ich tat es mit großer Freude, aber mit eben so einer großen Freude kamen dann auch die Arbeiter zu mir. Auf solcher Art kamen diese Arbeiter mehrere Sonntage zu uns um nur in der Freiheit zu arbeiten. Der Lageraufseher war aber gut zufrieden damit. Er sagte gewöhnlich: "Wenn ich zu euch kommen kann, das macht mir Spaß. Diese Arbeiter gruben bei mir den Keller und benagelten die Wände mit Holzschienen für den Stuck. Aber ehe sie nach Hause gingen, aßen wir noch gemeinsam zu Mittag. Sara hatte natürlich schon indessen ein Mittag gekocht. Kartoffeln und Zwiebeln hatten wir schon im eigenen garten. Ein kleines Stückchen Brot teilten wir auch ab von unserer Norm. Kaffee mit Milch gab es zum Nachtisch. Unsere Ziege gab ja etwas Milch. Und so war meinen Arbeitern ein kleines Plauderstündchen nach dem Essen lieb und wert. Das Thema ihres Gesprächs war gewöhnlich ein und dasselbe: "Ach wann werden wir nach Hause fahren dürfen?" - Ja. Eine große, tüchtige Arbeit hatten sie bei mir verrichtet, ungefähr drei oder vier Sonntage waren die Gefangene bei uns gewesen. Eines Tages als ich nun wie gewöhnlich wider auf die Arbeit ging, lies man mich nicht ins Lager hinein. Das ganze Lager war in einer Nacht ganz und gar ausgesiedelt, auch nicht eine einzige Menschenseele war geblieben. Nun glaubte ich wieder in der Tischlerei arbeiten zu können, aber nein, ich bekam Anstellung als Meister eine Schule zu bauen. Physisch brauchte ich hier auch gar nicht zu arbeiten, aber mit all den Arbeitern so viel zu tun haben, das war für mich sehr schwer, denn man wollte nicht viel arbeiten und doch schön verdienen, weil ich doch alle Arbeitsorder rausschreiben sollte. Aber da half kein wiederstehen, ich musste dran an diese Arbeit. Jetzt konnte ich nach der Arbeit schon gar nichts an meinem Haus arbeiten.
Wie alles andere, so sollte auch diese Schule in sehr kurzer Zeit aufgebaut werden, daher glaubte ich doch nach Beendigung dieser Arbeit von meinem Amt loszukommen. Im Verlaufe dieser Zeit, machte ich bei meinen Vorgesetzen die verschiedensten Ansprüche nur um befreit zu werden. Die Schule war ja auch bald fertig und richtig mit allem Bitten ließ man mich wieder in der Werkstatt als Tischler arbeiten. Aber als Brigadier mit lauter junge Arbeiter die aus der Arbeiterfachschule gekommen waren. Jetzt arbeitete ich wieder in zwei Schichten. Wenn ich dann am Tag zu Hause war, dann konnte ich auch recht viel an meinem Haus schaffen. Die Schule hatte mir doch viel Zeit geraubt. Schon fanden sich Nachtfröste, der Ofen war aber jetzt schon fertig, man konnte schon das Zimmer warm heizen aber verschmiert war unser Stübchen noch nicht. So konnte es aber nicht bleiben, denn dann hätte der Wind doch zu sehr durch die Wände geblasen. Das Verschmieren war ganz und gar meine Arbeit, denn Sara durfte nicht mit ihren Händen ins kalte Wasser wegen dem Brustkind. Um das Kind nicht zu verkühlen auch nicht zu bespritzen während des Verschmierens, deckten wir eine Decke über die Wiege und verschmierten dann über der Wiege den Boden. Sara musste gut feuern, bis wir dann allendlich in unserer eigenen warmen und sauberen Stube uns mehr der Winterruhe übergeben konnten. Wie fühlten wir uns so heimisch keine fremde Kinder, kein fremder Wirt hatte über uns zu gebieten. - Etwa ein Jahr zurück, war ich im Urlaub in unsere alte Heimat gefahren, zu unseren Eltern beiderseits. Für Sara brachte ich unsere Nähmaschine mit. Jetzt nun im warmen Stübchen konnte sie sich auch mit Näharbeit beschäftigen. Der Speichermann bei der Wäscherei, welcher die Schmutzige Wäsche den Waschfrauen ablieferte und die gewaschene Wäsche dann wieder annahm, der hatte Sara schon oft Leintücher oder Kissenbezüge zum Flicken gebracht, war auch mit Saras Arbeit sehr zufrieden. Er brachte ihr gewöhnlich eine gewisse Norm zum Flicken. Wenn er dann etwa dreizehn Leintücher brachte, dann sagte er noch gewöhnlich: "Zehn Leintücher flickst damit aus und was dann noch überbleibt kannst du für dich behalten: " Das war aber auch eine passende Mithilfe unsere eigenen Bettsachen zu verbessern.
Wie kam es denn, dass wir uns in unserer Lage nun so wohl fühlten? Oh, dazu hatte Kalinin M. I. wohl das größte getan. - Im August Monat, wo wir beide, Sara auch ich, von Tag zu Tag immer wehmütiger die noch gebliebenen Nach-Geburts-Urlaubs-Tage zählten und Sara dann, wenn das Kind zwei Monat alt sei, sollte frischverhaftet werden, dann wollte die Arbeitslust am eigenen Haus gänzlich vergehen. Dann haben wir manchmal gesessen oder sogar auch manchmal in Nachtstunden von Saras zukünftiges Schicksal gesprochen. - Und wunderbar; Eines Morgens kam Sara ihr Speichermann zu Sara recht aufgeregt. "Sara, sagte er dann weiter, ich habe vor großer Freude fast die ganze Nacht nicht schlafen können, denn ich habe gestern abend in der Zeitung gelesen, eine Kundgebung von Kalinin: "Das alle Gefangenen, die bis drei Jahre wegen Flucht in Gefängnissen sitzen sollen, befreit werden." Sara, freue dich, das gilt auch dir."
Daher kam es uns so vor, als sei die Sonne in unserem Leben frisch aufgegangen.

Kapitel 125

Bei vielem Glück auch Missgeschick.

Eine Stube, vier Meter lang und zweieinhalb Meter breit, darinnen der Ofen mit dem Kochherd stand, ein Bett, ein Kasten, ein Tisch, zwei Taborette, und auch noch die Wiege sich befand, diese kleine Stube war für uns damals alles. - Eine Küche, Schlafzimmer, Speisesaal, Gastsaal auch ein Arbeitszimmer und wie fühlten wir uns so glücklich, ja glücklicher wie viele, viele andere Leute. Nun glaubten wir auch schon die Möglichkeit zu haben unseren Wanja, der noch immer in der Heimat bei meinen Eltern wohnte, der dort auch schon in der zweiten Klasse lernte, nach uns zu holen. Dann wäre meine Familie wieder vollzählig zusammen. Wir waren uns jetzt schon ganz sicher das Sara nun für immer dürfe zu Hause bleiben. Leider für mich gab es vorläufig keine Möglichkeit den Wanja zu holen und Sara konnte mit dem kleinen Kind bei Winterszeit nicht solche lange Reisen übernehmen, weil die letzte Strecke von sechzig km noch zu Pferden auf Schlitten gemacht werden musste. Daher baten wir brieflich unsere Eltern, wenn jemand von den Frauen, deren Männer ja noch immer hier in Korkino im zwölften Baulager wohnten, sollten zu Besuch kommen, ob sie dann nicht könnten mit irgend jemand den Wanja mit schicken. Solch eine Gelegenheit hatte sich recht bald gefunden und schon im Dezember selbigen Jahres brachte man uns unseren Wanja. Das Reisegeld und für die Mühe haben wir damals gut bezahlt. Nun sollte sich auch weiter unsere Lebenslage gut gestalten. Wir gedachten uns eine Kuh zu kaufen dazu musste aber all das Geld noch zusammen geschmiedet werden. Unsere Arbeit die wir in unseren Verhältnissen bei Winterzeit in unserem Stübchen verrichten konnten, war folgend: Wir kauften auf dem Markt alte auch nicht alte, große Kleidungstücke, trennten sie auseinander, wuschen und bügelten sie. Das war dann Zeug für Wattenjacken. Die Watten wurden aus Matratzen genommen, die ebenfalls mussten gefunden werden. Sara verstand zu schneidern auch recht gut. Eine oder zwei Jacken wöchentlich kriegte sie fertig. Ich hatte auch eine nicht große Arbeit, die ich ganz und gar ohne große Gewalt zu machen, ganz gemütlich in der Stube am Tisch verrichten konnte. Ich und Sara hatten uns diese Arbeit so eingeteilt, dass einer den andern niemals hinderten. Gerade weil wir beide den Tisch brauchten, denn Sara hatte eine Handnähmaschine die ja auch zum nähen auf dem Tisch stehen musste, daher nähte Sara am Tag soviel wie es die Kinder erlaubten und auch am Abend, manchmal sogar bis in die Nacht hinein. Ich der ich früher schlafen ging, stand dann am Morgen sehr früh auf, um noch zwei drei Stunden vor der Tagesarbeit rasch etwas zu verrichten. Ich machte Wäscheklammer. Jeden Sonntag ging ich dann zum Markt um die Wattenjacken und Wäscheklammer zu verkaufen. Im Laden war wenig zu kaufen, der Krieg hatte ja alles verzehrt, daher war nach unsere Ware auch eine Nachfrage und ohne besondere Mühe hatte ich meine Ware recht bald verkauft. Mit dieser Arbeit beschäftigten wir uns den ganzen Winter. Endlich glaubten wir für eine Kuh genügen Geld gesammelt zu haben. Ende März fuhr ich dann an einem Sonntag in ein Sowchos etwa zwanzig km von Korkino und kaufte eine Kuh. Bei dem selbigen Wirt kaufte ich auch noch ein Schlitten voll Heu, um die Kuh dann auch noch bis zur Weide füttern zu können. Wenn die Kuh auch nicht besonders viel Milch gab, aber der Fettgehalt war gut, daher waren wir auch wirklich zufrieden mit der Kuh. Wir konnten unsere Kost sehr verbessern. Nun war auch schon de Frühling gekommen. Auch das Vieh wurde auf die Weide getrieben, selbst verständlich trieben auch wir unsere Kuh aufs Feld. Als nun der Abend kam und auch ich dann am Ende unserer Straße unsere Kuh abholen wollte, war sie nicht in der Herde. Der Hirte meldete nur, das die Kuh schon gleich des Morgens sei von der Herde weggelaufen, denn er habe sie nicht halten können. - Was sollte ich jetzt tun? Wo suchen? Ich ging wohl noch hier am Stadtrand in etliche Straßen hin und her. - aber keine Kuh war nirgends zu sehen. Es wurde dunkel und unverrichteter Sache musste ich nach Hause gehen.
Sara und ich, wir beide waren recht krank, denn die Kuh war nicht. Wir besprachen uns die Kuh sei für unsere Herde fremd und die altbekannte Herde, habe eben unsere Kuh rausgestoßen" - Der Abend war rum, und müde vom hin und her denken, legten auch wir uns zur Ruh. Um zwölf Uhr mit einmal brüllte eine Kuh auf der Straße. Augenblicklich sprangen wir aus dem Bett und gingen schauen, obs nicht unsere Kuh wäre. Und richtig unsere Kuh stand am Tor und brüllte. - Ach war nun die Freude groß. Am nächsten Morgen begleitet ich die Kuh recht weit, passte dabei immer auf ob nicht andere Kühe sie verscheuchen würden, so was war aber nichts zu merken. Etwas anderes bemerkte ich aber, sie fraß nicht so gleichgültig wie die anderen Kühe, nur hin und wieder nahm sie ein Maul voll, guckte aber immer wo ich sei. Ich ging sie aber immer langsam mit all den anderen Kühen nach. Weil ich denn nun glaubte, das nichts zu befürchten sei, sagte ich zum Hirten "Auf Wiedersehen" und ging dann nach Hause. Aber heute war es noch nicht Zeit am Abend die Kuh entgegen zu gehen, als auch schon wieder unsere Kuh am Tor stand und brüllte. Schön dick angefressen und war zu Hause. Ich ging aber doch die Herde entgegen um mit dem Hirten zu sprechen. - Der Hirte sagte: "Sogleich wie ich fort gegangen sei, sei auch die Kuh fort gelaufen." Nicht nur gegangen, nein gelaufen, er habe sie gar nicht können zurückholen. - Gut, sagte ich dann zum Hirten, Morgen wird ich sie etwas fesseln um dann sie nicht so leicht entlaufen kann." Mit einem Strick in der Hand brachte ich unsere Kuh am nächsten Tag in die Herde und fesselte sie dann und passte wieder etwas auf, wie sie sich verhalten würde. So könnte es womöglich gehen. Dann ging ich wieder nach Hause. An diesem Tag kam sie aber nicht nach Hause, ja auch sogar abends nicht, war auch nicht in der Herde. Der Hirte sagte mir das nämliche was auch gestern: "Die Kuh sei schon gleich am Morgen fortgelaufen." Nun wie den ersten Tag, so glaubte ich auch jetzt, das sie womöglich nur erst ganz spät kommen würde. Aber wir warteten umsonst, denn heute kam keine Kuh nicht. Am nächsten Tag sehr früh, es dämmerte noch nur kaum, so ging ich schon am Stadtrand alle Straßen und Gärten mit meinen Augen durch, aber ohne Erfolg. Ich musste ja aber auf die Arbeit gehen, denn ohne Erlaubnis durfte ja niemand ausbleiben. Ich jedoch gab die Hoffnung nicht auf. Habe die Kuh am ersten Tag nach Hause gefunden, dann würde sie auf jeden Fall schon kommen, wenn ihr die Milch erst drücken würde. Aber die Kuh kam nicht. Am dritten Tag ging ich schon weiter auf der Steppe, im Wald, in den nahe liegenden Dörfern. Als ich nun eine Strecke durch den Wald gemacht hatte, vernahm ich mit einemmal Kuhgebrüll, sogar mehre Mal nach einander. In diese Richtung ging ich schon rech eilig, und richtig im kleines Dorfchen befand sich hier, in welchem ich noch nie gewesen war. Hier war auch ein großer leerer Viehhof in welchen drei Kühe eingesperrt waren. Gerade diese Kühe machten so ein großes Gebrüll, das es weit und breit zuhören war. Hier war auch unsere Kuh, hungrig, dünn wie ein Brett, denn hier stand die ohne Futter. Vorübergehende Leute sagten: "Der Feldwächter, der immer reitend die Getreidefelder bewacht, habe diese Kühe im Getreide gefunden und hat sie dann hergetrieben und eingesperrt. Es war zum Glück niemand in der Nähe. Ich nahm meine Kuh und fort, sonst hätte ich womöglich noch Strafe zahlen müssen. Bei der Kuh war alles leer, Bauch oder Kuttel auch das Eiter. - Nun möchte ich noch die Klugheit dieser Kuh beschreiben. Am nächsten Tag brachte ich sie wieder in die Herde. Der Hirte meldete nur ganz frei, nicht einen Schritt mehr wegen unserer Kuh zu laufen. Aber ich fesselte sie nun wieder und passte selber auf. Solange ich hier in der Nähe stand ging auch sie so langsam den anderen Kühen nach aber sie fraß fast gar nichts schaute nur mehr umher und glaubte doch wohl bald wieder im Getreidefeld zu finden. Nun tat ich so als gehe ich nach Hause. Ich ging eine kleine Strecke, dann versteckte ich mich hinter einem Busch und belauerte sie dann. Sie schaute noch ein Weilchen nach allen Seiten, mich konnte sie nicht mehr sehen und der Hirte konnte ja auch nicht nur bei ihr stehen. Und nun ging´s los, direkt von der Herde fort. Obzwar sie gefesselt war, so ging es aber im vollen Galopp rech weit, bis sie dann endlich stehen blieb, um etwas zu ruhen, denn die fesseln hinderten ja doch zum laufen. Nun holte ich sie wieder zurück, bis zur Herde und fesselte sie wieder aber noch ärger wie zuvor, denn bei alledem war ich auch schon wütend geworden. Nun ging ich wieder hinter die Büsche und lauerte. Jetzt machte sie nicht einen Schritt weiter, bis dann der Hirte kam und trieb sie weiter zu den anderen Kühen, sie ging wohl nach, blieb dann aber stehen, bis der Hirte dann wieder kam um sie nach zutreiben. Und so stand sie und schaute und so stand sie, und so stand sie bis ich dann allendlich kam und die Fesseln losnahm und sie nach Hause brachte. Ich konnte über den Hirten auch gar nicht unzufrieden sein, denn von so einer Kuh hätte auch ich mich entsagt. - Was war für uns nun geblieben? Zu Hause füttern oder sie am Strick selber weiden. So machten wir denn nun auch. Früh am Morgen ging ich mit der Sense und einem Strick ein km in den Wald, mähte nur ein Bündel, soviel ich nur eben schleppen konnte, schönes Gras und ging dann nach Hause. Ich ging auf die Arbeit und Sara fütterte zu Hause die Kuh bis ich dann von der Arbeit so musste ja wieder Gras geholt werden. So konnte ich es auf die Länge aber nicht machen, daher besprachen wir uns, Sara würde am Tag das Kind auf den Arm nehmen und die Kuh dann im Wald und auf der Steppe am Strick selber hüten, weiden. Für unsere Kuh war das natürlich mehr wie gut, denn dicht bei den Getreidefeldern war das Gras viel und gut. Die Herde konnte hier so dicht nicht weiden, unsere Kuh hatte hier aber die beste Weide. Auf solcher Art gab sie uns wohl schön Milch, aber Tag für Tag, wie Vormittag, so auch Nachmittag bis vier fünf Stunden mit Kind zusammen am Strick halten dass war, ich möchte sagen eine verfluchte Sklavenarbeit. Zudem war es ein Kühler regnerischer Sommer. Gar oft hat Sara mit dem jährigen Kind, den Strick in der Hand unter dem Regenmantel gesessen mehr abergestanden und die Kuh von einer Stelle zur anderen geführt. Wie hat sie die schöne Kuh doch mit Milch zusammen so weit verwünscht. Müde und nass kam sie dann am Abend nach Hause und wollte von der Kuh nichts mehr wissen. Am Sonntag ging ich dann mit der Kuh auf die Weide. - War so ein Fall. Ich weidete meine Kuh auf einem Feldrand. Zu jeder Seite war ein Weizenfeld. Ich hatte mich ins tiefe Gras gelegt und hielt meine Kuh fest am Strick, damit sie auch nicht solle ins Getreide gehen. Mit einmal hielt der Feldwächter bei mir auf einem Pferd und wollte nun die Kuh wieder einsperren. Mich hatte er aus etlicher Ferne nicht gesehen denn ich lag ja im Gras und ruhte. Er glaubte nun wieder eine Kuh gefangen zu haben. Weil ich sie aber fest am Strick hielt und die Kuh selbst im Weizenfeld keinen Schaden gemacht hatte, ritt er enttäuscht weiter. Aber Sara und ich wir waren schon beide übersatt von dieser Kuh, wir planten schon beide so schnell wie möglich von dieser Kuh los zu werden. Als erst der lang ersehnte Herbst kam, haben wir sie geschlachtet und aufgegessen. Mit dieser Kuh kein Verdienst, nur Verlust gehabt.
Nun kauften wir uns auf dem Viehmarkt eine junge recht große Kuh, die sollte scheinbar zum ersten mal Kalben. Wir hielten sie über Winter und warteten nun die angegebene Zeit, die uns der Kuhverkäufer gesagt hat ab. Leider war von Kalben keine Spur und wir blieben für den nächsten Sommer ohne Milch. Selber war sie groß und stark zum Staunen schön. Weil wir denn von ihr nun doch keinen Nutzen hatten, so machte ich einen Vertrag mit einem entlegenen Kolchos und ließ dann diese Kuh bei ihnen in die Jungviehherde für den ganzen Sommer, damit sie wenigsten im nächsten Frühling kalben sollte. Als ich mich nun näher zum Herbst erkundigte, so sagte mir der Hirte, das sie den ganzen Sommer nicht einmal gespielt habe. - Also eine Milchkuh zu haben, war wieder keine Hoffnung. Sie war wirklich fett, daher fand sich bei mir schon der Appetit für ihr schönes Fleisch. Und schon beizeiten wetzte ich das Messer für sie, sobald es würde kalt werden, solle sie statt in den Stall in die Tonne kommen. Hier war wohl Verdienst? Nein, wieder Verlust.
Unser Geld das wir hatten und Verdienten ging nur zum Futter machen und Kühe kaufen. Im Sommer hatte ich für einen Kolchos, nach der Arbeit immer, Türen und Fenstern gemacht, wofür ich dann Langfutter für eine Kuh erhielt. Aber es musste ja auch noch wieder ein Haufen Geld sein, eine andere Kuh wider kaufen zu können.
Sara war schon fünf Jahre nicht bei ihren Eltern zu Hause gewesen. Es gab eine schöne Gelegenheit, das sie mit jemanden mitfahren konnte, daher ließ ich sie anfangs September mit dem kleinen Kind nach Hause fahren. Ich aber mit Wanja, der schon in der vierten Klasse lernte, wir beide blieben zu Hause und wirtschafteten so gut wie wir konnten. Wies denn nun nicht war, mit einmal erfuhr ich, das meine Frau ihre Nichte ihr Mann eine Kuh verkaufen wolle. Sie wohnten im Dorf Baturino, welches uns schon bekannt ist. Sofort machte ich mich auf den Weg zu ihnen. Sie hatten zwei Kühe und wollten wirklich eine verkaufen. Die Kuh war nicht schlecht, war aber teuer, so das mir das angefertigte Geld nicht auslangte, die Kuh nun ganz zu bezahlen. Weil der Verkäufer aber an uns verwand war, so ließ er mir doch die Kuh und schob die Zahlung auf etliche Zeit hinaus bis ich die letzte Schuld entrichten konnte. Mit dieser Kuh waren wir sehr zufrieden, denn sie gab uns auch im Winter Milch. Als nun Sara wieder nach Hause kam, den zwei Monat war sie abwesend, dann war es schon recht kalt. Die frisch gekaufte Kuh trieb ich schon nicht in die Herde und die junge Kuh hatte ich auch schon aus dem Kolchos geholt. Nun standen zwei recht große Kühe bei uns im Stall. Die junge wurde ja auch so schnell wie möglich geschlachtet. Fleisch hatten wir für diesen Winter mehr wie nötig war, auch Milch konnten wir genügend trinken. Als wir alle Kuhschulden entrichtet hatten, war die Kostfrage ganz gestillt. Fürs Brot durfte nicht mehr so viel Geld gespart werden. Daher nutzte ich meine Freizeit nach der Arbeit aus und fing an uns ein Nebenhäuschen, eine Sommerküche zu bauen. Im Kontor schrieb ich etwas Holz raus und machte dann genau so ein Häuschen wie unser Wohnhaus, nur etwas kleiner, sechs Meter lang und drei ein halb breit. Machte einen Unterkranz, stellte es auf Klötze und füllte die Wände mit dünnem Rundholz aus. Diese Arbeit machte ich mehr im Winter. Maschinen waren wenig und schlecht zu bekommen, daher habe ich so recht oft, wenn ich von der Arbeit nach Hause ging, ein Schlittchen mit Holz nach Hause gefahren. Ach wie war ich doch manchmal schwitzend nass, wenn ich dann auf loser Bahn meine zwei km zurückgelegt hatte. Das ich manchmal vor Müdigkeit nicht essen konnte. An diesem Nebenhäuschen hatte ich in diesem Winter doch recht viel gemacht. Die Forschritte am Bau waren täglich bemerkbar, denn jede freie Minute zimmerte ich, wenn ich nur wollte. Hier durfte ich ja nicht so weit ins Quartier laufen, wie beim Bau des Hauses.
O, o, o, wie sind die Kinder froh,
Herbst und Winter sind vergangen,
Frühling der hat angefangen,
O, o, o, wie sind die Kinder froh.
So heißt es in einem Kinderlied. Aber auch wir waren froh das der Winter vergangen war. Nun würden wir ja bald das Vieh in die Herde treiben können, denn unser Futter für die Kuh war schon zur Neige gegangen. Schon an einem schönen Frühlingstag mussten wir unsere Kuh, wie auch alle andere Leute, zum Vieharzt führen, um zu untersuchen, ob auch alles Vieh gesund sei. Und was denkt ihr, bei unserer Kuh wurde die Borreliose entdeckt. Der Vieharzt befahl sie zu schlachten. Das Fleisch durften wir auf dem Markt verkaufen. Gerade die Hälfte vom bezahlten Geld, bekamen wir für das Fleisch zurück. Das war die dritte Kuh, das war der dritte Verlust.
Ebenso ging es aber auch noch anderen Leuten, die ebenfalls eine Kuh kaufen wollten. Wir glaubten nun, das auf jeden Fall, auf unserem Markt in Korkino, der Preis für die Kühe steigen würde, weil doch jetzt mehrere Leute würden Kühe kaufen wollen. Dann würde auch die Auswahl nur klein sein. Daher besprachen ich und der Nachbar uns, wir würden in eine größere Stadt fahren, die hundert km entfernt sei, dort würde man auch unbedingt was finden können. - Nun machten wir beide uns auf den Weg. Früh Morgens gingen wir los, wir wollten bis ins Nachbardorf das drei km entfernt lag gehen, um dort auf der großen Feldstraße auf irgend einer Lastmaschine bis zur Stadt Troizk mitfahren zu können. Denn Autobuße waren damals noch keine. - Als wir von zu Hause losgingen, gleich auf unserer Straße begegnete uns eine Frau mit zwei volle Eimer Wasser, die sie nach Hause trug. Mein Nachbar sties mich an und sagte: "Wir werden zu unserer Reise Glück haben, wir werden jeder eine Kuh nach Hause bringen". Dann erklärte er weiter: "Wenn aber jemand, zuerst, uns leer begegnet, dann bleibt auch unser Vornehmen leer. Voll, bedeutet voll, leer, bedeutet leer." So was hatte ich noch nicht gehört. Als wir nun auf den großen Trakt kamen, dauerte es auch gar nicht lange, dann fuhren wir auch schon. Zu jener Zeit nahmen die Autofahrer gerne Passagiere mit, denn das war ja immer noch ein schöner Nebenverdienst. - In Troizk auf dem Viehmarkt waren viel Kühe, da konnte man wahrhaftig nach Wunsch aussuchen. Teure und billige, gerade wie ein jeder wollte und konnte. Verschiedene Kühe hatten wir schon gehabt. Eine gelbe, eine schwarzbunte, eine rote. Jetzt war es eine schwarze die ich gekauft hatte, sie hatte an den Hinterfüßen weiße Socken. So zu betrachten war es eine schöne Kuh. -sollte auch, so sagte der Verkäufer, zum Frühling recht zeitig kalben. Ganz zufrieden im meinem Sinn, stand ich nun mit meiner Kuh und wartete, bis auch mein Nachbar sich eine Kuh gekauft hatte. Bis dahin hatte die Reise sehr geglückt, nun traten wir die Heimreise an. Wir gingen nun wieder zu Fuß los mit unseren Kühen. Wollten aber, wenn es möglich war doch auf einer Maschine nach Hause fahren, schon waren wir etwa drei km gegangen, als wir eine Maschine aufhalten konnten. Man durfte auch gar nicht sehr zu bitten, uns mit Kühen zusammen mitzunehmen, denn so ein Nebenverdienst war doch zu verlocken. Hier in der Nähe wurde am Weg eine passende Stelle gesucht, wo die Maschine sich mit den Hinterrädern etwas niedrig am hochaufgeschütteten weg stellen konnte, dann ließen wir den hintersten Bord runter und schon konnten wir ganz einfach unsere Kühe auf die Maschine führen. Auch die Heimreise ging ohne jegliche Beschwerden wirklich gut ab und schon bei hellem Tage waren wir mit unseren Kühen zu Hause. - Jetzt hatten wir wieder bis in den Winter hinein, Milch, auch zur bestimmten Zeit kalbte sie, so das nun alles scheinbar in bester Ordnung sei. Als nun der Frühling wieder da war, so musste auch das Vieh ärztlich untersucht werden. Für dieses mal war unsere Kuh aber gesund und das stimmte uns beiden sehr freudig, denn nun glaubten wir das Glück doch endlich gefunden zu haben. Die Kuh blieb auch schön in der Herde, damit war auch keine Arbeit, aber nicht lange, dann eines Tages kam die Kuh nach Hause an einer Seite etwas streifig verkratzt auch etwas angeschwollen. Andere Kühe hatten sie gestoßen. Am anderen Tag, trieben wir sie doch wieder in die Herde und glaubten die Geschwulst würde schon mit der Zeit vergehen. Aber statt weniger wurde es immer mehr. Wir waren gezwungen sie zum Vieharzt zu bringen. Der Vieharzt besichtige sie und sagte dann: "Wenn wir noch etwas von ihr haben wollten dann sollten wir die Kuh schlachten, je früher, je besser, sonst ginge uns auch noch das Fleisch verloren. Als wir sie nun geschlachtet hatten, mussten wir wirklich sehen, die kranke Seite mussten wir wirklich viel abschneiden und wegwerfen. Das gesunde Fleisch durften wir aber auf dem Markt verkaufen. Es war schon heißer Sommer und mit großer Mühe, auch recht billig verkauften wir das Fleisch auf dem Markt. Das war das Ende von der schönen Kuh. Fünftausend Rubel gegeben und zehntausend fünfhundert Rubel zurück erhalten. War das wohl Glück?
Der Mut war schon gefallen, wieder eine Kuh anzuschaffen. Die Hände wollten sich gar nicht mehr so fleißig regen, wieder für eine Kuh Geld zu verdienen, auch das Futter noch dazu. Aber wenn wir nicht wollten ohne Milch bleiben, dann mussten wir nur vorwärts machen. Zudem war schon ein junger Erdenpilger im Anzuge. Das spornte mich auch noch etwas an.
Als nun wieder das Geld für eine Kuh zu Hauf lag, ging ich zu unseren Viehmarkt, um noch mal eine Kuh zu kaufen. Hier traf ich nach vielen Jahren ein Mann mit welchen ich zusammen in Soldatendienst in Wladiwostok gedient hatte. Ich erkannte ihn sofort, er mich aber nicht. Sein Schreibname war, Nechajew. Er saß auf einem Wagen, auch eine Kuh war am Wagen gebunden. Als ich ihn nun fragte, ob er wohl die Kuh gekauft habe, sagte er "Nein" ich verkaufe sie." "Nun und was soll sie kosten?" "Vier ein halb tausend," sagte er dann. Natürlich lobte er sie auch noch vor allen Leuten. Sie gebe auch schön Milch, zwölf Liter und darüber noch. Sehe auch fast gar nicht trocken. Fressen tue sie auch alles, sogar Fische. Ich fing an zu handeln und schließlich für viertausend Rubel nahm ich die Kuh und führte sie heim. Am Abend melkte Sara noch die Kuh, aber Milch war nur wenig. Nun wir trösteten uns damit, so das die Kuh womöglich eine sehr lange Reise gemacht habe, daher sei auch die Milch geschwunden, es würde ja Morgen und übermorgen schon anders werden. Am nächsten Tag brachte ich die Kuh am Ende der Straße in die Herde. Als ich sie nun los lies und ehe noch der Hirte mit der Herde los trieb, ging meine Kuh schon, aufs gerade wohl von der Herde, ja sie lief sogar. Ich lief sie nach und wollte sie in die Herde treiben, aber das gab gar nichts nur immer weiter fort von der Herde. Bis ich allendlich sie dann in die Stadt in irgend eine Straße trieb, wo ich dann mit Hilfe anderer Leute sie dann fing und nach Hause führte. Für diesen Tag musste sie ja natürlich zu Hause gefüttert werden, aber sie wollte auch zu Hause nichts fressen. Am nächsten Morgen besuchte ich sie wieder in die Herde zu bringen. Aber sie lief wieder fort, doch nicht auf die Steppe, sondern zur Stadt in die Gemüsegärten. Wie eine Katze sprang sie über die Gartenzäune und fand auch sogleich Rüben, Kohl und andere, was sie dann gierig fraß. Biss ich sie dann eingeholt hatte, hatte sie hier schon einen gewissen Schaden gemacht. Lies sich aber gar nicht fangen, sondern sprang schon überm Zaun in einen anderen Garten hinein. Bis dann wieder jemand zu Hilfe kam, um sie zu fangen. Hier gab ich ganz jegliche Hoffnung auf, sie in die Herde treiben zu können. Sara, hoch in Umständen, konnte sie auch nicht, wie jene erst Kuh, am Strick hüten. Vorläufig nur ein Ausweg, - zu Hause füttern. So ging ich denn nun. Ebenso wie bei der ersten Kuh, immer früh Morgens und spät am Abend, mit der Sense aufs Feld und brachte ein Bündel Gras. Wie wurde nur diese Arbeit aber so eckelich. Es wäre ja verzeihlichgewesen wenn die Kuh gut gefressen hätte, aber nein, statt fressen, wühlte sie das Futter alles unter sich, schieß drauf und legte sich drauf. Als wie zum Trotz. Ach was sollten wir nur mit so ein Grimpel machen? Wir waren beide verlegen. Milch gab sie zwei Liter am Tag, auch nicht mehr. Die Milch jedoch war ausgezeichnet gut. Über die Hälfte war Fettgehalt. - So quälten wir uns zwei Monate. Dann aber waren wir uns ganz einig. Nur verkaufen, weiter auch gar nicht.
Es war am Sonntag, den 19. September 1948. Früh Morgens brachte ich Sara ins Entbindungsheim, dann ging ich nach Hause, nahm meine Kuh und brachte sie zum Markt. Viertausend Rubel verlangen, daran war gar nicht zu denken. Ich dachte nur; soviel wie man mir geben wird, dann laß ich sie mit Hand und Haar nur von dieser Kuh loszuwerden. Keiner fragte, wie viel ich verlange. Endlich kam einer und sagte: "Zweitausend ist die Kuh nicht mal wert, aber wenn du willst, tausend neun und hundert gebe ich dir, auch nicht mehr. "Ich war ja müde von all den Kühen, daher sagte ich zu dem Käufer: "Nimm sie, damit ich sie nicht mehr sehe."
Wie viel Nerven hatte es gekostet, wie viel schlaflose Nächte genommen, und in einer Kürze von zwei Monate, zweitausend und hundert Rubel verloren gegangen. Jetzt waren wir aber im vollen Sinne dieses Wortes, ganz Kuhsatt. Wir wollten von keiner Kuh nichts mehr wissen.
Im Spätherbst kam Saras Papa zu uns zu Gast. Die Kühe waren schon ziemlich billiger geworden. Wir nahmen dann all unser Geld zusammen und Papa und ich gingen auf den Markt kauften eine Kuh zum schlachten. Und selbigen Tages noch schlachtete Papa diese Kuh und wir waren für diesen Winter besorgt mit Fleisch. Unser Spiel mit all den Kühen hatte drei Jahre gedauert. In diesen 3 Jahren hatten wir sechs Kühe gekauft. Die längste Kuh hatten wir acht Monate, - die Kürzeste zwei Monate. So wie mein Papa zu seiner Zeit nur ein schwaches Pferdeglück hatte, so hatten wir auch kein Glück mit all unseren Kühen.

Kapitel 126

Meine Tischlerarbeit.

Es war schon ein Jahr Friedenszeit. Recht viel Soldaten, mehr die älteren, waren schön nach Hause gelassen worden. Jedoch im zwölften Baulager, bei unseren Deutschen, waren noch keine Veränderungen eingetreten. Von einer Entlassung, nach Hause, war keine Spur. Wir alle hatten wohl eine Freiheit auch etwas auszufahren, aber es war nur eine beschränkte Freiheit. Hin und wieder kamen schon freiwillige Frauen zu ihren Männern, um schon, wenn es eben nicht anders ginge, sich hier fest zu setzen. Anders gesagt, ihr eigenes Heim zu gründen. Gerade so wie ich es schon gemacht hatte. Ich arbeitete noch immer in der Tischlerei. Bei Kriegeszeit arbeiteten wir immer in drei Schichten, jetzt aber nach Kriegsschluss, arbeiteten wir nur in zwei Schichten. Eines Tages auf der Arbeit, in einer Rauchpause, wo dann auch wieder wie gewöhnlich allerhand verhandelt und gesprochen wurde, sagte ein Tischler zu mir, gerade der, welcher vor einem Jahr mich so dumm geheißen hatte, weil ich nur doch ein Haus bauen wollte: "Weißt du Walde, wie ich vor einem Jahr sagte, du bist dumm, was dumm heißen kann, verzeih es mir, ich war dumm und du warst klug. Meine Frau ist jetzt zu mir gekommen, nun hab ich kein Obdach und plag mich rum und weiß nicht wohin. Hätte ich damals auch gebaut, dann hätte ich jetzt mein ruhiges eigens Heim."
Jetzt aber, so nach und nach, fingen immer mehr Männer aus dem Baulager an, ihre eigene Häuser zu bauen. Etliche bauten schon recht groß und stark, denn die Zeit hatte sich geändert und solchen Liebhabern, die da ihr Haus bauen wollten, denen wurde zum festen Preis Bahnholz abgelassen.
Während des Krieges wurde mit einmal in Korkino an der Station anliegend ein großer Warenhof eingezäunt. Und nicht lange darauf, wurde technische Kriegstrophäenware in große Kasten hierher gebracht, ebenfalls auch recht viel große Theatermusikinstrumente, auch in große Kasten. Diese Instrumente wurden hauptsächlich: Klavier Pianino, Fußharmonium. Alles hatte im Krieg Schaden gelitten, denn vieles davon war auch verschlagen. Viele von diesen Tarakasten waren aus schönen harten Eichen oder Buchenholz, alles Importware. In Korkino waren zu jener Zeit noch keine Möbelladen, das man sich hätte können verschiedenes Möbel kaufen. Daher suchte man auf verschiedener Art Möbel zu bekommen. - Eines Tages lies mich mein Oberst rufen, und als ich zu ihm kam, fragte er mich: "Ob ich auch verstehe schönes Möbel zu machen?" "Ja sagte ich, ich kann machen, aber ob schön das könne er ja dann später selber abschätzen.". - Nun wurden mir von diesen großen Importkasten gebracht. Ich nahm sie dann vorsichtig auseinander und fing an, das schöne harte Rotholz zu verarbeiten. Das schöne Rotholz gefiel aber auch den andern Tischlern. daher traf es sich, das hin und wieder ein schönes vorbereitetes Brettchen verschwand. Auf solcher Art kannte ich aber nicht dem Oberst seine Bestellungen fertig kriegen, wenn bald dies, bald jenes fehlte. Daher war ich gezwungen, dem Oberst diese ungewünschte Sache zu sagen. Sofort erlaubter er mir in der großen Tischlerei eine Stube für mich allein abschlagen. die dann konnte verschlossen werden, wenn ich nach Hause ging, als meine Möbelarbeit im vollen Gange war und mein Oberst von Zeit zu Zeit kam und schaute was rauskommen würde, war er zufrieden, das merkte ich. Daher nahm ich mir den Mut und fragte ihn: ob ich nicht nebenbei, mit all dem, was ich schon angefangen habe zu machen, auch noch für mich dürfe von dem schönen Rotholz ein paar halbweiche Stühle machen. - Er erlaubte es mir. Diese ganze Möbelarbeit habe ich dann mit großer Lust getan. Heute, wo ich diese Zeilen schreibe, bezweifle ich sehr, ob wohl noch etwas von diesem Möbel existieren wird. Weil doch allewärts nur das Wort "Garnitur" zu hören ist. Meine Stühle jedoch, sind aber noch vorhanden.
Der Ruf von meiner Möbelarbeit war doch wohl weiter getragen worden. Denn sehr bald, nachdem ich dem Oberst sein Möbel gemacht hatte, wurde ich wieder ins Kontor des Oberst gerufen. Nun saß bei meinem Oberst im Rang noch ein höherer Mann aus dem Kohlentrust. Als ich mich nun hier einfand, sagte mein Oberst zu mir: "Horch mal was dieser Mann dir zu sagen hat." - Ich horchte. - "Verstehst du auch Musikinstrumente zu renovieren?" - sagte er dann zu mir. Ich antwortete ihm folgen: "Ich glaube, alles was von Holz gemacht ist, kann ich auch machen." Damit war er sehr zufrieden. Dann sagte mein Oberst weiter: "Du darfst es in der Arbeitszeit machen, und solange du daran schaffst, erhälst du den Mittelverdienst von deinem vorigen Monatslohn." Oh dachte ich so bei mir, das ist ja gar nicht schlecht. Dann aber fügte der fremde Mann noch hinzu: "Und soviel, wie du bei dieser Arbeit verdienst, soviel zahle ich dir dann noch aus meiner Tasche Prämie zu obendrein aus. Ist dir es so gut?" Ich schaute nur freundlich und sagte: "Ja." - Diese Arbeit war für mich sehr interessant. Ich machte sie mit großer Lust und Liebe. Mir scheint, ich habe drei Wochen an diesem Klavier gearbeitet. Als das Klavier fertig war, bekam ich die volle Zahlung, so wie es besprochen und versprochen war.
Kaum hatte ich das Klavier fertig und abgelassen. War auch schon wieder ein Mann aus demselben Trust bei mir. Auch wieder ein Piano renovieren. Jetzt sagte mein Oberst aber schon was anderes: "Dort sind vielleicht noch viel Pianos zu renovieren, ich gebe meinen Arbeiter nicht mehr für euch zu arbeiten, denn ich habe meinen eigenen Plan zu erfüllen. Wenn er will, mag er zu Hause arbeiten.". - Dann lud der Mann aus dem Trust mich zu ihm nach Hause ein, um dort diese Sache weiter zu besprechen. Am Abend ging ich hin. Dann zeigte er mir sein zerschlagenes Pianino und fragte wie viel es kosten würde, dieses Ding in Ordnung zu bringen?" - Ich betrachtete nun alles und sagte: "Achthundert Rubel." Er war damit einverstanden, und so fing ich diese Arbeit, nach der gewöhnlichen Tagesarbeit an zu machen. Dieser Mann wohnte gar nicht weit von uns. Auf der nächsten Straße gerade uns gegenüber. Als ich nun schon eine Woche gearbeitet hatte und die fertigen Teile eines Abends ging zu ihm um sie zu befestigen. Gab der Mann mir ohne das ich ihm etwas gesagt hatte zweihundert Rubel Vorschußig, d. h. Handgeld. In diesen Tagen aber gab es eine Staatsgeldreform wo das Geld gewechselt wurde: Statt zehn Rubel- ein Rubel. So, - dachte ich nun bei mir, - jetzt bekam ich für meine weitere Arbeit, statt sechshundert Rubel, nur noch sechzig Rubel. Ich sagte zu meinem Mann nichts und tat so als wäre gar nichts besonderes geschehen. Er schaute mir von Zeit zu Zeit wie ich dann die fertigen Teile so nach und nach kam zusammenstellen. Als ich nun meine Arbeit so zusagen fertig hatte, lies er sich soviel Zeit und setzte sich neben mir und fragte mich. "Ob ich von der Geldreform wusste?" "Ja, selbstverständlich," sagte ich. Dann sagte er weiter: "Laut Vertrag, bin ich dir noch sechshundert Rubel schuldig, wenn ich dir nun statt sechshundert Rubel, zweihundert Rubel gebe, bist du damit zufrieden?" Darauf konnte ich ihm nichts sagen, ich schaute ihm nur fragend an. Aber er wiederholte es wieder. Ich sagte dann: "Wenn er es wirklich so meine, ich wollte dann nur sehr zufrieden sein." Und ehe ich meine Arbeit wirklich ganz fertig hatte, zahlte mir dieser gute Mann das versprochene Geld nun fix und fertig aus.
- Hier hatte ich einen schönen Bock geschossen. -
Bei der Tischlerei, hinten im Hof befand sich ein großes Sägerwerk, zwei große Sägemühlen versorgten unseren ganzen Bau samt Tischlerei mit Schnittholz. Hier arbeitete Jakob Dyck, mein Jugendfreund als Schlosser. In uns beiden hegte sich ein Interesse für Erfindungen mancher Art. Hauptsächlich die Technik, die mechanische Stühle für Holzbearbeitung zu verbessern, umzubauen, frisch und weit besser mit wertvollem Zibebehörsatz zu komplektieren. Ein Stuhl, auf dem in zwei Schichten beständig zu zwei Arbeiter Stuckaturschienen schneiden mussten, für den großen Häuserbau, brachten es fast nicht fertig, in genügender Masse diese Schienen abzuliefern. - Diese Arbeit übernahmen wir beide uns zu verbessern. Ein großer mechanischer Stuhl, der schon als untauglich zur Seite gestellt war und für den Schmelzofen bestimmt war, holten wir beide uns frisch hervor und konstruierten ihn um, zu einem Schienenstuhl. Jakob Dyck bestellte in der Werkstatt die Drechslerarbeit, wie, - Walze, Welle, Riemscheibe und etwa dreißig drei mm dicke Zwischenzinge. Ich machte von breiten Handsägen, runde Sägen, etwa 12-15 cm Durchmesser, so bei dreißig Stück. Dann begann das Zusammenstellen. Auch eine Walze, die dann mechanisch die Bretter für die Schienen in den Stuhl schob, wurde angebracht. Nun hatten wir einen Schienenstuhl gebaut, der nicht nur zwei Sägen hatte, sondern Sechsundzwanzig. Als wir nun das Probestück machten, wo das erste Brett von der Walze hinein gezogen wurde und all diese scharfen Sägen sich ins Brett hinein fraßen und das zweite Brett, das erste Brett schon durch den Stuhl geschoben hatte, dann fielen fünfundzwanzig Schienen auf einem Schlag uns vor die Füße. Das war ein Erfolg, das wir uns gegenseitig mit freudestrahlenden Augen ansahen. Da wo die Norm mit zwei Sägen, - Tausendfünfhundert Schienen war pro Tag. - Wie viel Normen gab nun dieser Stuhl?! Wir beide erhielten dafür auch eine schöne Belohnung. Ich und Jakob Dyck sein Sohn, der hier auch schon als Lehrling arbeitete, wurden nun angestellt auf diesem Stuhl zu arbeiten. Immer nur am Tag, die zweite Schichte wurde abgeändert.
Die Schienen mussten in Päckchen je zu 200 Stück täglich abgeliefert werden. Um sie aber nicht alle einzeln zu zählen, so machte ich auf einem Rollgang ein Fliesband mit lauer Maßbiegel und sofern ein Biegel vollgelegt war, in welchen genau zweihundert Schienen sich dann befanden, dann wurde das ganze Fliesbank welches sich leicht bewegte, auf vierzig cm weiter gerückt und man konnte ganz leicht beim Schi8enen schneiden die fertigen Schienen in ein frisches leeres Maß legen. Auch dies war eine Erleichterung bei dieser Arbeit. In einer Kürze hatten wir alle Stuckaturarbeiter mit Schienen überhäuft, so das wir nur ein, zwei Tage in der Woche diese Arbeit verrichten brauchten.
Unser Bauwerk erhielt in diesen Tagen einen großen neuen Hobelstuhl, der mit fünf Elektromotoren und recht viel Figurmesser versehen war der Bretter verschiedener Art von vier Seiten gleichzeitig behobeln konnte. Meistens aber wurden Dielenbretter behobelt an deren Kanten Feder und Flunsch gemacht wurden. - Ich bekam Anstellung auch diesen Stuhl zu betreuen, oder anders gesagt auf diesem Stuhl zu abreiten. Auch dieses schien mir zu gefallen, denn der Schienenstuhl und der Hobelstuhl standen nicht weit von einander unter einem Dach, in einer Scheune, unweit von den Sägemühlen. Als ich erst mit der ganzen Arbeit an diesem Hobelstuhl bekannt geworden war, und das dauerte kaum ein Tag, dann ging die Arbeit recht flott von Händen, ja sogar, das die fertigen Bretter auch die Hobelspäne nach allen Seiten flogen, wenn man sie nicht gleich aufräumte. Die fertigen Bretter in den Hof tragen und in ein Stapel setzen dazu musste vollständig ein Gehilfe sein, aber die Späne bei der Arbeit vom Hobelstuhl aufräumen und in den Hof fahren mit einem Karren, dazu musste auch eine Aufräumerin sein. Aber auch hier glaubte ich schon fest etwas erfinden zu können. Ich ging zum Oberst und sagte ihm: "Wenn ich die Arbeit die meine Helfer bei mir verrichten, gleichzeitig beim Bretter hobeln, selber machen würde, ob er mir den Lohn dieser Helfer geben würde? Dieses natürlich versprach er nicht, aber meine Arbeit wolle er dem gemäß belohnen. - Ich dachte bei mir: "Und wenn ich schließlich das erdachte auch nicht bekomme, so werde ich es aber doch nicht schlechter haben, wenn ich auch hier meine Kunst beweise. Mit so einem Entschluss fing ich an meine Erfindung mit der Tat zu zeigen. Für die fertigen gehobelten Bretter baute ich einen langen schmalen Rollgang, wie eine nicht tiefe Grube etwa zwölf fünfzehn m lang und befestigte das eine Ende am Hobelstuhl, das andere Ende führte ich stracks hinaus bis in den Hof wo der Bretterstapel sollte aufgesetzt werden. Diese meine Arbeit zeigte ein gutes Resultat. Beim Hobeln der Bretter schob mein Hobelstuhl mechanisch die fertigen Bretter eins nachdem andere auf diesem Rollgang hinaus in den Hof und die Bretter fielen alle in einen Stapel. Die Bretter durfte hinfort keiner mehr hinaus tragen. - Die Späne aufräumen war auch keine leichte Arbeit. Besonders im Winter, dann mußte mit der Karre in den losen Schnee gefahren werden und aber auch in einem Haufen geschüttet werden. Von Zeit zu Zeit mussten aber auch die Späne vom Hof gefahren werden um Feuerausbruch zu verhüten. Das alles nahm Arbeiter und Zeit in Anspruch. Hier in diesem zeigte ich auch meine Erfinderkunst. Im Hof erlaubte man mir einen räumigen Bunker für die Hobelspäne zu stellen, der auch so bei fünfzehn Meter vom Hobel Stuhl auf hohe Pfosten gestellt wurde, mit der Berechnung das eine Lastmaschine ohne jegliche Beschwerden sich unter dem Bunker stellen konnte um die Späne durch eine Lücke in die Maschine schütten zu lassen. Dann machte ich von unten beim Hobelstuhl bis in die Sitze des Bunkers hinein langen trogförmigen Elevator in dem dann ein doppeltgeschlossener Kettenzug mit befestigten Holzklammern etwa siebzig cm auseinander betrieben von einem Zackenrad, auf und nieder ging und somit dann die Späne in den Bunker befördern.
Das Unterende vom Elevator war fünfzig cm in die Erde vertieft, so das ich die Hobelspäne während des Hobeln ganz leicht, fast beim Vorbeigehen, mit einem Holzschieber in den Elevator schob, dann aber zog schon der Kettenzug die Späne fort, bis och in den Bunker hinein. Ein und das andere vervollständigte ich auch noch am Hobelstuhl. Nun war ich, durch meine Erfindungsarbeit fast wie von selbst, von meiner Tischlerarbeit los gekommen, und arbeitete nun auf diesen beiden mechanischen Werkstühlen. Für die Erfinderarbeit erhielt ich ein Monatslohn als Prämie. Und mein Verdienst war weit besser wie in der Tischlerei. Hier konnte ich arbeiten soviel wie ich wollte, ich war für mich allein und von niemanden abhängig. Perekur(Raucherpausen) gab es bei uns nicht.
Ich gebe inzwischen eine Erklärung: - Eine genaue Reihenfolge meiner verschiedenen, verrichteten Arbeiten, die ich in meinem Leben gemacht habe, wird nicht immer der Wahrheit entsprechen. Ich kann auch nicht der Reihe nach den Jahre und Jahreszeiten angeben, wann was gemacht worden ist, denn ich habe mich nie bemüht dieses zu behalten, weil mir doch nie so ein Gedanke ist in den Sinn gekommen, meine ganze Lebensgeschichte noch mal nieder zu schreiben. Jetzt erst nach vollen siebzig Lebensjahren, da ich zum erstenmal die Feder in die Hand nahm, um diese recht große Arbeit zu Papier zu bringen, steht mir schon nicht alles sonnenklar vor Augen, wann was geschehen ist, aber wie es war kann ich ja noch besser nieder schreiben, weil ich es doch persönlich selbst erlebt und erfahren habe.
In den Kriegsjahren, auch etwas später noch, da wo ich schon in der Tischlerei arbeitete und unsere Tischlerarbeit wie wir schon wissen, meistens nur Fenstern und Türen war, denn im unserem Bauwerk wurden Wohnhäuser und Schulen gebaut. Die Fenstern in diesen Häusern mussten ja selbstverständlich alle eingeglast werden. Hier arbeitete ein Jude, Kogan schrieb er sich, er war schon ein älterer man in den mittleren Jahren, er hatte seinen eigenen Diamant-Glasschneider und machte bei all den Neubauten die Glasarbeit. Von mehr Glaser habe ich nie gehört, denn es waren zu der Zeit keine Diamanten nirgends nicht zu finden, von den Juden, die damals allerwärts vorhanden waren, haben wir schon gelesen. Mit der Zeit, kam aber die Zeit, wo alle Juden wieder zurück zogen, von wo sie gekommen waren. Eines Tages führ auch unser Glaser wieder zurück, wohin weiß ich nicht, aber er fuhr fort. Jetzt blieb unser Bauoberst, unser Bauwerk ohne Glaser. Ich aber hatte einen Diamant noch von zu Hause, welchen ich mir schon längere Zeit zurück wo ich im Urlaub nach Hause gefahren war, mitgebracht hatte. Von diesem Diamant wusste noch Keiner. Etwa fünfundzwanzig km von Korkino wurde ein großes Pionierlager gebaut, auch hierzu bauten, machten wir die Türen und Fenstern. Neben bei passte ich aber immer auf, ob jemand würde die Fenstern einglasen. - war aber nichts zu merken. Auch die Glasarbeit gefiel mir, denn da war ich ja auch immer für nicht allein. - Ich ging zu meinem Bauoberst und fragte ihn, ob ihm nicht ein Glaser fehle, denn die Fenstern mussten doch eingeglast werden. "Oh, sagte er, Glaser find ich genug, nur keinen Diamant nicht." Dann zog ich meinen Diamant aus der Tasche und zeigte ihn ihm. Dann sagte er recht aufgeregt: "Jetzt bin ich geholfen, schon von morgen bist du mein Glaser." Und so kam am andern Tag Befehl: "Walde aus der Tischlerei befreien und als Glaser Anstellung zu geben." Die Glaser fehlten damals fast allerwärts. Oft wurde ich von andere Oberst gerufen, Glasarbeit zu tun. Fast so wie mit dem Pianino restavrieren ging es hier. - Einmal war so ein Fall. - Zeitungen konnte man damals sehr wenig verschreiben - waren nicht. Und die man noch verschreiben konnte, die nahmen gewöhnlich nur die Oberst alle. Für den einfachen Arbeiter blieb selten was. Nun traf es sich, der Postoberst wollte von mir Glasarbeit gemacht haben. Das war für mich ein passender Patient. "Mit der Bedingung, sagte ich zu ihm, wenn ich fürs ganze Jahr Zeitungen bekomm." "Gut," war die Antwort. Als ich nun nach der Arbeit in die Post ging, um zu glasen, kam auch mein 0berst in die Post. War er da wollte, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich Zeitungen verschreiben. Als ich am nächsten Tag in unser Kontor zum Oberst ging, um etliche Fragen zu regeln, saß bei ihm auch unser Bauingeneuer. Dann sagte unser Oberst zum Ingeneuer: "Weiß du, Walde wird im nächsten Jahr Zeitungen lesen, und ich und du wir werden uns auf den Daumen lutschen können. Ob unser Oberst wirklich ohne Zeitungen geblieben war, weiß ich ja nicht. Aber wir drei hatten hier im Kontor so einen Spaß.
Ein andermal lud mich ein Autofahrer der im Fleischkombinat arbeitete zu sich, seine Fenstern einglasen. Als ich ihm diese Arbeit gemacht hatte, war er sehr zufrieden, denn ich benagelte auch ale Fensterscheiben schön mit Stäbchen. Für die Arbeit gab er mir nicht Geld, sondern legte mir meine Tasche ganz voll Speck und Fleisch. In Geld gerechnet war es weit mehr, wie ich eigentlich verlangt hätte. Aber er war zufrieden, auch ich. Uns war es ein schöner Zustoß für den Tisch.
Von einer völligen Befreiung der deutschen Männer, die im zwölfte Baulager wohnten, war noch immer nichts zu hören, daher kamen immer mehr Frauen auch mit ihren Kindern zu ihren Männern gefahren um zusammen zu sein. Daher fingen immer mehr Leute an, ihre eigene Häuser zu bauen. Auch mein Tischlermeister der in unserer Tischlerei als Befehlgeber arbeitete, hatte sich schon ein Haus gebaut. Er hatte sein Haus noch nicht ganz fertig, als auch seine Frau eines Tages mit seiner Mama und zwei Kinder zu ihm kamen. Wo sollte er nun hin? Im Lager, in den Baracken, für solche Gäste, bei all den Männern, war kein Raum. Nun kam er zu mir und bat mich: "Ich solle doch so gut sein und seine Familie auf etliche Zeit ins Quartier nehmen. Ich und Sara wir gingen damit ein. Obzwar es auch sehr enge bei uns war, denn wir hatten ja nur eine Stube und eine Küche, aber wir wussten ja, wie unbequem es war, im Kuhstall zu wohnen. Auch dieser Meister schaffte aus Leibeskräften an sein Haus fast Tag und Nacht um so bald wie möglich eine Familie in sein eigen Haus zu holen. Diese unsere Gäste waren auch nicht besonders lange bei uns, dann zogen sie über. Im Verlaufe der Zeit hatte dieser Meister sich auch en Küchenschrank mit Glasstürchen gemacht. Nun kam er eines Tages zu mir und bat mich, ich solle ihn doch den Diamant geben, er wolle zwei Glasscheiben in seine Schranktürchen stellen. - Dieses wollte ich aber gar nicht und ich sagte zu ihm: "Ich befürchte, du machst mir den kaputt." "Ach was, sagte er dann schon weiter, ich bin doch kein Kind, das ich so ein Ding kaputt spielen werde." Ich gab ihm den Diamant, aber nur sehr ungern und sagte aber noch dabei: "Pass auf, denn das ist mein Brot." "Morgen schon bring ich ihn dir." Fügte er noch hinzu und ging dann nach Hause. Ich aber war, über diese meine Wohltat, gar nicht freudig gestimmt. Ich dachte fortwährend an meinen Diamant. Am andern Tag kam er brachte mir den Diamant und sagte. "Der Diamant schneidet ja gar nicht." Ich nahm ihn, beschaute ihn, und... oh, ich hätte schreien können, denn mein teures Ding war wirklich kaputt, das Kristallsteinchen war rausgerissen. Was sollte im nun machen? Völlig war ich nun lahm gelegt, mein schöner Nebenverdienst war aus, auch meine Glasarbeit musste ich aufgeben. Ich war gezwungen wieder in der Tischlerei zu arbeiten. Wie es mit der Glasarbeit weiter gemacht wurde, weiß ich schon nicht mehr.
Mir schien so, als konnte ich ohne Diamant nicht leben, daher gab ich mich alle Mühe, denn ein Diamant müsse ich haben, ob wohl oder übel. Ich fing an zu suchen. Zu forschen, zu fragen, ja ohne Unterlaß, fast Tag für Tag, um nur wieder so ein teueres Ding zu finden und zu kaufen. Es hielt sich schwer, denn solche Dinger lagen sich nirgends auf der Straße rum. Aber wer suchet, der findet, damit tröstete ich mich. Schon war ein ganzes Jahr vergangen, als ich eines Tages hörte, ein Mann sei aus dem Krieg gekommen und habe sich zwei Diamanten aus Deutschland mitgebracht. Ach, ich war fast wie angeschossen. Ich sprang auf wie erschreckt. Wer? Wo? Wie und was fragte ich dann schon, nur um zu wissen und zu erfahren wo dieser Mann zu finden wäre. Ich musste wohl suchen aber ich fand ihn. Als ich den Mann nun fragte, ob er sich wirklich habe von Deutschland zwei Diamanten mitgebracht, war er ganz frei damit und zeigte sie mir auch gleich. Ach, waren dies aber schöne Dinger, wirklich wie Spielzeug, einer schöner als der andere. Als ich ihn nun fragte ob er nicht einen verkaufen wolle, sagte er: "Nein, solche hübsche Dinger kann man wohl verkaufen?" Ich merkte aber aus seiner Rede, das er noch gar nicht im Sinn habe als Glaser zu arbeiten, denn dann hätte er womöglich gesagt, solche teure, wertvolle Defizitware verkaufe ich nicht und nun waren es bei ihm nur hübsche Dinger. Ich aber hielt an: "Verkauf mir einen, du hältst ja doch noch einen zum Beschauen." Aber er wollte nicht. Ich dagegen konnte mich gar nicht trennen von diesen schönen Dingern, denn ich sah schon wieder meinen schönen Nebenverdienst mir zuwinken. Ich weiß nicht, ob ich jemals in meinem ganzen Leben, wie vorher, so auch nachher, so anhalten, so frei, so frech, so furchtlos, so bitten, so schamlos ohne aufzuhören zu bitten: "Verkauf mir einen." Ich gedachte auch an dem Sprichwort: "Hartnäckiger gewinnt." Und richtig, ich kriegte ihn überredet. - Er verkaufte mir einen. Weil dieser Mann nun gesehen hatte, wie anhaltend ich war und das ich mich gar nicht trennen wollte von diesen hübschen Dinger, vernahm er das er auch einen schönen Preis verlangen konnte. Nun zeigte auch er seine Schamlosigkeit und forderte Tausendzweihundert Rubel und eine monatliche Brotkarte. - Ja, das war damals ein Preis, das ich nicht unwillkürlich an die Hosen kratzte. Aber ich ging damit ein und brachte ihm diesen Preis. Jetzt hatte ich wieder einen Diamant, wirklich noch ein besserer wie vorher. Es ist ein wahres Sprichwort: "Durch Erfahrung wird man klug, aber nicht reich." Diese Erfahrung hatte mich frech und klug gemacht. Wenn nun jemand zu mir kam und wollte bei mir wertvolle Sachen borgen, dann sagte ich ganz frei ohne mich zu genieren: "Alles für Sie, - außer Frau, Groß und Almas." (Wsjo dlja was, - krome schenki, welik i almas) Seite 850 russisch.
Im nächstfolgenden Monat war in unserer Familie Schmalhans Küchenmeister. Im russischen heißt es "tam skudnaja jeda, im jestj netschewo,tam schiwut wprogolodj."
Einen Monat hatten wir es nicht leicht, denn die größte Brotkarte fehlte. Wir lebten fast nur von Kartoffeln, aber wir schlugen uns durch. Mein Diamant hatte sich aber in einer Kürze bezahlt, denn Glasarbeit war als Nebenverdienst genug zu finden. Wenn ich dann mit meinem hübschen Ding Glas schnitt und einen schmalen Streifen nach dem anderen ohne zu verbrechen zur Seite legte, oder mit zwei Schnitten eine runde Scheibe ausschnitt, dann fanden sich auch Liebhaber die wollten dieses Ding betrachten, beschauen, befühlen, ja sogar probieren. Ich zeigte den Diamant wohl, aber aus der Hand lies ich ihn nicht. Der Weg, den der Diamant machte, war kurz und sicher. Aus der Tasche in die Hand, - und aus der Hand in die Tasche. Nie legte ich den Diamant auf den Tisch, den sollte keiner probieren wollen. Das war ungefähr vierzig Jahre zurück. Heute steht ein eröffnetes Volksmuseum in meiner Heimat, im Dorf Podolsk, da wo ich meine erste glücklichen Jahre verbrachte. In dies Museum habe ich unlängst meine zwei Diamanten mit einem charakteristischen Begleitschreiben gegeben, um sie dort als Schauware auszustellen.
Noch einen Fall vom Schienen schneiden. Etliche Zeit vor dem, wie ich auf dem großen Schienenstuhl anfing Schienen zu schneiden, arbeiteten beim Schienen schneiden vier Mann. Mann und Frau und ein achtzehjähriger Junge und ein Mädchen. Der Mann war richtig gesagt ein nervöser Mensch, immer hatte er was zu nörgeln und zu brummen. Sie schnitten die Schienen in einem kalten Raum, wo ein Eisenofen aufgestellt war, den sie selber heizten. Sie lebten alle zusammen fast wie eine Familie, aber sehr uneinig. Weil es eine arme Zeit war, so war es in dieser Familie noch weit ärmer als notwendig war. Die Armut brachte es bei diesen vier Mann soweit das ein jeder sein Geld und sein Päckchen Brot bei sich trug um nicht vom nächsten beraubt zu werden. Oft genug schliefen sie auf ihre wenige, schmutzige Lumpen hier in diesem Raum wo sie arbeiteten. Der Mann war doch wohl einmal zu nahe an den heißen Ofen gekommen, denn er hatte sich in seinem grauen Mantel auf dem Rücken ein Loch rausgebrannt. Und so ging er immer mit einem Loch im Mantel. Mit einmal hieß es, der Mann sei fortgelaufen, denn er kam nicht mehr auf die arbeit. Mann suchte ihn auch gar nicht. Er ist eben fortgelaufen. Nicht lange darauf, so hatten auch die andere drei die Rechnung genommen und waren fort gefahren. Nun waren diese Lumpen alle fort. Es war in der Frühlingszeit. Schon war der lange trocken Sommer vergangen, die kalte Herbsttage verkündigten den herannahenden Winter. Die Tage waren schon bemerkbar kurz, die Abende und Nächte dunkel. Die Arbeiter die das Rundholz, die Balken, vom großen Holzhaufen zur Sägemühle rollten, denn war es im Holzhof zu dunkel des Nachts diese Arbeit zu verrichten. Daher wurden hier etliche hohe Pfosten gestellt um elektrisches Licht anzuschließen. Als nun diese Arbeiter anfingen die notwendige Löcher für diese Pfosten zu graben, mussten sie vorerst die Stelle wo das Loch sein sollte von der angesammelten Rinde welches schon eine dicke Schichte war, sauber machen. Mit einmal stießen sie auf Lumpen, - nein nicht auf Lumpen, sondern auf einen Menschen. Hier wurde augenblicklich die Miliz gerufen auch andere kamen herbei, ebenfalls auch ich. Es waren nur die Knochen geblieben. Der heiße Sommer hatte den ganzen Leib ausgetrocknet, denn er lag ja nur ganz dünn mit der hier liegenden Holzrinde beschüttet oder bewühlt. Man wollte fest stellen wer es sein konnte, aber es schien wie unmöglich. Mir war es ja auch wichtig zu wissen wer es sein könnte. Es war ja in unserem Hof, zudem ganz nahe bei meinem Arbeitsplatz. Aus Neugierde hob ich die halbverfaulte Lumpen auf und bemerkte in den noch übergebliebenen grauen Fetzen das rausgebrannte Loch. Dann sagte ich zu unsern Tischlermeister: "Das ist kein anderer als unser Schienenschneider Boriskin." Der Milizmann nahm mit den Arbeitern alles zusammen und führ es fort. Und ein jeder ging dann seine Arbeit weiter machen. Es dauerte gar nicht so besonders lange, dann war diese verlumpte Familie gefunden. Und es stellte sich raus, das eines Morgens sehr früh seien der Mann, die Frau und der Junge gekommen Holz beitragen zum Schienen schneiden. Und hier in aller Früh, wo noch kein Mensch auf Arbeit war, haben die Frau und der Junge den Mann mit einem großen Hammer, den sie hier bei der Sägemühle gefunden hatten, erschlagen und auch gleich auf dieser Stelle mit Bastrinde bewühlt. Ein Päckchen Brot und drei Rubel Geld, das war alles was sie erobert hatten. Sonderbar, nach diesem Fall aber arbeiteten die drei noch etliche Zeit als Schienenschneider. Dann aber schafften sie sich, wie man sagt, aus dem Rauch. Von ihrem Gericht weiß ich aber nichts.

Kapitel 127

Fremde Einwohner.

So nach und nach kamen immer mehr Frauen auch mit ihren Kindern die sie hatten, zu ihren Männern die noch immer in den Lagerbaracken wohnten. Eines Tages kam auch Saras Onkel, Onkel Heinrich seine Frau mit fünf Kindern. Wir, die wir schon unser eigenes Häuschen hatten, hier fanden sie ihren ersten Aufenthaltsort. Weil denn vorläufig, man konnte sagen, keine anderer Ausweg war, um irgendwo wohnen zu können, so gingen wir sie entgegen und ließen sie bei uns eine weilen wohnen. Es war in der Frühlingszeit. Die Quartierfrage konnte bei ihnen nicht so rasch geregelt werden, denn es war ja eine große Familie. Weil es aber gerade Onkel Heinrich und Tante Liese waren, so willigten wir, Sara und ich auch hierin wieder ein, beschränkten uns so viel wie möglich und ließen sie bei uns wohnen. Es war natürlich für uns allen sehr enge. Zwölf Mann im kleinen Häuschen. Zwei Familien an einem Kochherd. In de Oberstube schliefen wir wohl auf Betten und Kiste, aber in der Küche wurden Tisch und Stühle zur Seite geschoben, wo dann für den anderen Kindern alle, auf der freien Holzdiele das Nachtlager gemacht wurde. So, das wenn man hinausgehen wollte, unwillkürlich durch und über den Kindern steigen musste. Und ich weiß nicht, ob jemand von uns allen je geseufzt oder gemurrt hat. Denn wir alle hatten ja schon viel schlimmeres erlebt. Fünf Schüler brauchten aber auch Raum ihre Hausaufgaben zu machen, dann wollte ein Tisch nicht immer langen all die Hausaufgaben schreiben zu können. Die beiden Mütter hatten voll zu tun, um alles ordnungsgemäß und in Frieden zu regulieren und zu steuern. Onkel Heinrich war etwas über ein Jahr älter als ich, Tante Liese war nur paar Jahre älter als Sara. Ich denke sie wohnten zwei Monate bei uns. Die Aussichten irgend wo ein Quartier zu finden für so eine große Familie, waren doch wohl sehr klein. Ich hatte noch immer Beschäftigung an mein Nebenhäuschen, jedoch die Arbeit ging schon so langsam zu Ende. Wen von uns allen so en Gedanke ist in den Sinn gekommen, weiß ich heut schon nicht mehr, jedoch die Frage war so; Onkel Heinrich könnte, Onkel Heinrich wollte, mit allem zusammen ins Nebenhäuschen ziehen. Natürlich, auch wieder nur vorläufig. So machten sie es dann auch, sie zogen über.
Wieder tauchte ein frischer Gedanke auf. - Neben unserer Baustelle vor der Tür, war noch ein freier Bauplatz, den könnten sie vielleicht bekommen um ihr eigenes Häuschen hier zu bauen. Aber Onkel Heinrich war nur allein Arbeiter für seine Große Familie, daher war auch nur wenig Aussicht, rasch und groß bauen zu können. Der Erdboden dieser Baustelle war, gegenüber den anderen etwas niedriger, jedoch für den Garten gut geeignet. Nun gedachten sie bei uns das Nebenhäuschen zu kaufen um es dann mit dem großen Traktor nur acht Meter weiter zu rücken und dann stände das Häuschen schon auf dem neuen Hofplatz. Vorläufig ging alles noch Wunsch und Willen. Sie erhielten die Erlaubnis auf diesen Hofplatz ihr Haus zu bauen. Weil es bei ihnen an Geld mangelte, so wurde die Auszahlungsfrist weiter hinaus geschoben. Während des Sommers bauten sie sich noch ein Stübchen neben dran ans Haus das jetzt schon auf seinem festen Platz stand. Auch der Ofen stand bald fertig, so das die größten Sorgen nicht mehr so schwer auf dem Herzen lagen. Zum Winter waren sie doch so weit fertig in ihrer eigenen warmen Ecke wohnen zu können. Doch nun näherte sich ein Übel von denn noch keiner von uns etwas ahnte. Wir waren alle ganz zufrieden. Onkel Heinrich und Tante Liese denn sie hatten nun ihren eigenen Herd und durften niemanden nicht zur Last sein. Auch Sara und ich waren nicht weniger froh, denn nun fühlten wir uns wieder bequemer und freier in unserem Häuschen. Wir waren nun bekannte, nein nicht nur bekannte sondern sogar verwandte Nachbarn und besuchten uns auch recht oft. Sogar Freude und Leid teilte man sich. Wenn ihnen etwas fehlte, dann konnten wir auch oft helfen, denn wir waren ja schon verhältnismäßig ansässige Bürger. Einen besonderen Winter hatten wir in dem, er war recht schneereich und aber auch nicht besonders kalt. Onkel Heinrich konnte sein Haus von der Nordseite recht schön mit Schnee beschaufeln, dann war es im Hause spürbar wärmer.
Der Frühling bringt wie gewöhnlich allen Leuten Freude. Aber Onkel Heinrich und Tante Liese brachte er in diesem Jahr Elend und Unheil. Die Erde war gefroren, der Schnee fing an zu tauen, das Schneewasser sammelte sich an den niedrigen Stellen und es fand auch Onkel Heinrich seine niedrige Baustelle. Weil denn nun das Haus nicht dem gemäß hoch genug gestellt war, so kam das Wasser allmählich bis ans Haus, nein nicht bis ans Haus, bis ins Haus, der einzige Ausweg war wieder zu uns zu ziehen, denn in ihrem Hause stand das Wasser zehn, fünfzehn cm hoch. Als die Erde erst durch und durch aufgetaut war, dann verschwand das Wasser auch allmählich, jedoch einen gewissen Schaden hatte se doch gemacht. Selbstverständlich hatten auch wir kein Wohlgefallen daran, denn wer hätte wohl so was gedacht. Man hätte ja einfach nur das ganze Haus etwas höher stellen sollen, damit hätte man das ganze Übel verhütet. Die Vorwürfe von Seiten Tante Liese hörten wir doch etliche Mal: "Warum haben wir denn hier nur gebaut." Sara und ich haben uns dann später besprochen, nie mehr jemanden zu etwas raten, das gebe nur Unangenehmlichkeiten. Um etliche Jahre fand sich auch wider die Möglichkeit in die alte Heimat zu fahren. Dann fuhren sie alle nach Hause. Mit ihnen auch noch viel andere. Auch wir machten am ganzen Haus an der Nordseite einen Anbau von etlichen Stuben. Eine Wohnstube, auch für mich ein Arbeitszimmer mit Hobelbank. Die Familie wurde größer, es wurde mit der Zeit zu eng. Selbstverständlich so nach und nach bauten wir an der Nordseite an der Gartengrenze entlang einen Bau für Stall, Bad, Speicher und Garage. Denn nach all unseren Kühen, versuchten wir ein Glück mit Ziegen zu finden. Aber von dem Glück, was man nur Unglück nennt, entsagten wir uns recht bald, all den Ziegen. Seitdem haben wir uns auch nie mehr Ziegen gekauft.
Das nun so viele von den Unsrigen waren wieder zurück in unsere alte Heimat gefahren, beunruhigte uns gar nicht, denn wir fühlten in uns nicht den geringsten Zug auch zu fahren. Man pflegt zu sagen: "Wenn ein Stein lange unberührt auf einem Platz liegt, so fängt er an mit Moos zu bewachsen. So ging es auch uns, je weiter, desto mehr fühlten wir uns heimisch. Es blieben immer noch Leute mit denen wir in enger Verbindung standen auch guten Verkehr hatten. Eine Witwe mit einem Mädchen, die Obdachlos war, bat uns, sie ins Quartier zu nehmen auf eine unbestimmte Zeit. Sie nahm dann die angebaute Stube ein. Auch hierin erwiesen wir unser Entgegenkommen an sie. Im Hause war bei Uneinigkeit oder Unfriede. ??Seite 860 Weil denn nur sehr wenig Kindergarten in der ganzen Stadt waren und wir unsere Kinder nirgends konnten unterbringen, so mußte Sara zu Hause bleiben um bei den Kindern zu sein. Eine kleine Zeit arbeitete Sara als Näherin. Man nannte sie Hausnäherin. Sie nähte für die Schneiderei, für den Staat, in großen Maßen Kissenbezüge, Handtücher und anderes.

Kapitel 128

Hauptarbeit und Nebenarbeit.

Die Hauptarbeit kann wohl verschieden sein, kann auch verschieden bezahlt werden, manchmal auch weit billiger wie die Nebenarbeit, aber sie gehört zu den Arbeiten die dem Staate geleistet werden und sie sind meistens immer ein und dieselbe, Tag aus Tag ein, Jahr aus, Jahr ein, ja sogar für etliche Menschen ihr Leben lang. Für mich waren die Nebenarbeiten von je her, immer eine wichtige, manchmal auch eine gut belohnende Arbeit. Das haben wir schon etliche Zeilen zurück gelesen. Von der Glasarbeit, Harmonium, Pianino renovieren, ja sogar unser ganzes Wohnhäuschen das wir jetzt schon besaßen, alles das war nur Nebenarbeit. Die ganze Zeitverhältnisse waren doch schon weit besser geworden wie sie gar nicht so lange zurück eigentlich waren. Aber von einem wirklich wohlhabenden Leben konnte man aber doch noch nicht sagen. Man wusste noch immer das Geld, was man verdienen konnte, wo hinein zu stecken, daher war ich noch immer bestrebt, Arbeit zu finden, welche mehr oder weniger gut bezahlt wurde.
Je mehr er hat, je mehr er will,
Nie schweigen seine Wünsche still
So ging es auch mir. Eines Tages hatte ich mir das Glas auf der Handuhr zerschlagen. Selbst verständlich musste sie wieder gemacht werden. Als ich nun zum Uhrmacher ging, der ein Jude war, saß bei ihm ein Kunde der doch wohl auch mit einer Uhr gekommen war. Wer er eigentlich war weiß ich nicht, aber als ich erst meine Uhr dem Uhrmacher überreichte, sagte er zu ihm: "Dieser Mann ist ein guter Meister, den halt nur fest." Dann sagte der Uhrmacher zu mir, ich solle um zwei Tage nach meiner Uhr kommen. Als ich nun um zwei Tagen nach meiner Uhr kam, dann vernahm ich schon gleich, das er diesen Meister noch nicht vergessen hatte und schon fragte er mich ob ich nicht wolle für ihn ein und das andere von Hausmöbel machen, denn ihm fehle recht vieles. Ich wusste ja nicht was für ein Geldzahler er werde sein, daher übernahm ich mir anfänglich auch nicht viel zu machen, gerade deshalb, weil es ein Jude war. Aber ich musste erfahren das er ein guter Zahler war. Daher hatte ich fast den Sommer über Arbeit an seinen Bestellungen. Ich machte ihn allerhand Stubensachen. Weil doch in der Stadt zu jener Zeit kein Möbelladen war. Weil dieser Jude ein guter Zahler war, so hielt ich es aus bei ihm und für ihn zu schaffen. Ungefähr ein Jahr dauerte es bis ich ihn allendlich satt hatte. Sein Schwiegersohn und seine Tochter arbeiteten als Ärzte in Korkino, die ebenfalls von dem was ich machte, ein und das andere erhielten. Sie ahnten doch wohl auch etwas von der herannahenden Zeit, wo sie würden wieder in ihre frühere Heimat fahren dürfen, daher entsagte sich der alte Jude von dem was ich für ihn noch nicht ganz fertig hatte. Und wie diese Judenfamilie mit einmal verschwunden war, das hatte ich nicht bemerkt. Nun damit war aber meine Nebenarbeit noch nicht aufgehoben. Weiter war ich dann aber doch wieder mehr bestrebt für den Laden und auch Warenhändler zu arbeiten, denn da bekam ich mehr für unseren Bedarf, Produkte und Kleidungsware. Wenn ich dann für irgend einen Geschirrschrank einen oder sogar etliche Glasschränke gemacht hatte und die Handelsware darin recht schön ausgestellt war, dann dauerte es zuweilen gar nicht lange, so hatte man mich nachgefunden und es wurden wieder frische Bestellungen gemacht. - Nun springe ich mit meinen Gedanken etwas weiter. Und so habe ich in meinem Leben immer genug Nebenarbeit gehabt, ja bis ins hohe Alter hinein.

Kapitel 129

Das Fahrrad.

Unsere materielle Lage hatte sich im verlaufe der Zeit gehoben. Wir konnten schon mehr als nur das Unentbehrliche für unseren eigenen Hausstand kaufen, daher dachten wir zuweilen auch schon an Luxus. (Schmucksachen) Das Glück war mir hier wirklich günstig. Ich kam am Tage in einen Laden, da hatte man gerade eine recht große Anzahl schöne deutschländische Fahrräder gebracht. Augenblicklich stellte ich mich in die Reihe der Käufer. Die Räder langten lange nicht für alle, ich aber hatte doch ein Rad bekommen. Glücklich und hocherfreut fuhr ich nach Hause. Nun durfte ich nicht mehr so viel zu Fuß laufen. Das Fleisch von der verunglückten Kuh die wir schlachten mussten, hab ich dann alles mit dem Fahrrad zum Fleischmarkt gefahren um es dort zu verkaufen. Auch verschiedene andere Arbeit hab ich damit verrichtet. Wie viel Zeit hat mir das Fahren bespart, soviel mehr konnte ich die Zeit ausnutzen eine nützliche Arbeit zu tun. An einem schönen Sommertage fuhr ich sogar einmal mit Sara und einem kleinen Kind zu dritt auch dem Fahrrad aus Korkino nach Baturino zu Dietrich und Marichen Gossen zu Gast.
Es waren nach dem Krieg schon die ersten Motorräder aufgetaucht. Mein Vetter der in Baturino wohnte, bei dem nur auch an diesem Tage zu Gast waren, der hatte sich schon ein Motorrad gekauft. Ihm kam es doch etwas zu schwer vor, das ich denn nun wieder mit Sara und dem Kinde auf dem Fahrrad wollten nach Hause fahren. Geradezu durch den Wald waren es immerhin zwölf km. Daher bot mein Vetter sich an, er würde Sara und das Kind auf dem Motorrad nach Hause fahren. Sara war schon so viel früher nach Hause gekommen, das sie schon das schon das Abendbrot fertig hatte, als ich mit dem Fahrrad nach Hause kam. So eine schnelle Fahrt machen zu können, gab auch mir wieder einen Antrieb ein Motorrad zu kaufen. Das notwendige Geld für so ein Rad finden, wäre für nicht ja nicht schwerste Frage gewesen, Hauptsache war hier, wo ich so ein Motorrad finden könnte. Beim Fahrrad war ich zufällig in den Laden gekommen und das Glück war nur günstig gewesen. Ein Motorrad aber kaufen zu können das war schon schwerer, denn für den ersten Fall wusste ich noch gar nicht mit wem ich wohl könnte eine Bekanntschaft schließen, um leichter ans Ziel zu kommen. Ich suchte und ich fand. Ein gut bekannter Autofahrer von mir, arbeitete im Warenhaus der beständig jegliche Ware aus dem Warenspeicher ins Warenhaus führ. Das könnte für mich ein passender Kunde sein. Dieser Mann baute auch sein Haus. Zu ihm ging ich dann und schon durch ein kurzes Gespräch wussten wir recht bald, wem eigentlich was fehlte. Gegenseitig versprachen wir uns zu helfen. Ich übernahm es bei seinem ganzen Haus die Glasarbeit zu tun. Er versprach mir, sobald Motorräder kommen würden, das erst beste Motorrad bringe er mir dann ins Haus. Das wäre dann mir einen Dienst geleistet über alle Massen groß. On einer Kürze waren beide Fragen geregelt. Als ich nun mein Motorrad wirklich eingefahren hatte, dann erst bemerkte ich den starken Unterschied zwischen Fahrrad und Motorrad. Indessen war auch schon mein Vetter aus Baturino mit seiner ganzen Familie in seine alte Heimat gefahren. Etwa ein Jahr hatte ich mein Motorrad gefahren, vieles hatte ich in meiner Wirtschaft bestreiten können. Im nächstfolgenden Jahr, kam mein Vetter zu uns zu Gast. Sein Vornehmen war hier in Korkino ein Motorrad zu kaufen um es dann per Eisenbahn nach Hause zu schicken. Leider waren in diesem Moment keine Motorräder. Nun aber ging er auf mich zu, mit den Worten: "Ich solle ihm doch mein Motorrad verkaufen, mir sei es doch wirklich nicht schwer gewesen es zu bekommen." - Ich dagegen, war gar nicht geneigt es zu verkaufen, aber er hielt doch so lange an, ja versprach mir sogar fünfhundert Rubel teurer zu zahlen als ein neues Motorrad kosteten, zudem hatte ich es schon ein ganzes Jahr gefahren. - und richtig, ich verkaufte es ihm.
Dann aber als ich erst das Motorrad verkauft hatte, wurde ich gewahr, was ich verloren hatte. - Da ist im Volk ein Sprichwort:
Gekauft - gefunden.
Verkauft - verloren
Nun war guter Rat teuer. Was tun und was nun machen? Beim Verkauf hatte ich nebenbei den Gedanken, mein guter Freund würde ja mir schon wieder ein Rad verschaffen. Doch als ich mit dieser meiner Frage zu ihm kam, dann sagte er mir kurz und entschieden: "Ich kann dir jetzt kein Motorrad nicht zustellen, solche Möglichkeit habe ich nicht." Nach vielem hin und her forschen, erfuhr ich, das man auch könne Motorräder verschreiben. Als ich erst die Adresse erhielt von welcher Fabrik Motorräder zu verschreiben wären, schrieb ich gleich und schickte auch gleich das betreffende Geld per Post ab. - Man pflegt manchmal zu sagen: "Der Brei wird nicht so heiß gegessen, wie er gekocht ist." Und richtig es dauerte über eine Jahr bis ich endlich wieder ein Motorrad hatte. Jetzt war ich wieder über alle Massen froh. Als ich nun die Nachricht erhalten hatte, das ich mein verschriebenes Motorrad von der nächstliegenden Eisenbahnstation aus dem Packhaus holen sollte, führ ich auch so schnell wie möglich hin. Es waren etwa zwanzig km zu fahren. Hier natürlich musste ich mir eine Lastmaschine suchen, um das Motorrad nach Hause fahren zu können, denn nicht jede Maschine die hier war, ging nach Korkino. Als ich nun eine Maschine gefunden hatte, verhandelte ich mit dem Autofahrer, für die Überfahrt ihm fünfundzwanzig Rubel zu zahlen. Sein Helfer oder Auflader stand auch hier neben uns. Ich glaubte hiermit sei nun alles besprochen. Wir drei stellten das Motorrad nun auf die Maschine und fuhren nach Hause. Als wir das Motorrad zu Hause abgeladen hatten, sagte der Helfer: "Ich will auch noch fünf Rubel haben fürs helfen." Dann sagte ich "auf der Station warst du auch dabei, als ich dem Autofahrer fünfundzwanzig Rubel gab und glaubte damit sei alles gemacht, euren Dienst habe ich gut bezahlt, mehr gebe ich euch nicht." Dann flucht der Helfer über mich und sagte: "Das du doch nicht fahren könntest mit dem Motorrad." Dann fuhren sie fort. - Hier, zu Hause schon, nahm ich den Verpackung auseinander und machte mein Motorrad fahrfertig.
Einen Fluch oder einen Schwur über jemanden sprechen, bringt niemals Glück, sondern Unheil und Unglück. Eine Ergänzung von einer wirklichen Begebenheit, mochte ich nun voran stellen.
Im Norden in einem Dorf, lebte eine arme Witwe mit ihren zwei Kindern. Ihr ganzer Viehbestand, waren zwei Ziegen. Um diese zwei Ziegen durch den langen Winter zu bringen, gab sie sich alle Mühe mit ihren Kinderchen in den kurzen Sommertagen bei schönem Wetter mit der Sichel recht viel Futter zu machen. Sie ging dann n einen abgelegenen Wald, hier schnitt sie Gras, trocknete es und setzte es dann in kleine Haufen. In der Nähe hier, hatte auch der Dorfsbrigadier sich mit der Sense recht viel Heu gemacht, ebenfalls auch schon etliche Haufen gemacht. Die Witwe, die aber noch nicht genug heut hatte, war ganz fleißig bei ihrer Sache, deshalb ging sie noch immer Gras schneiden. Als sie nun eines Tages wieder in den Wald kommt, sieht sie das der Brigadier recht emsig sein Futter auf die Fuhre ladet um es nach Hause zu fahren, sie bemerkt aber auch gleich das schon ihre zwei Hufen fort sind. Sie ist sich nun ganz bewusst, das der Brigadier ihre zwei Haufen schon auf seine Fuhre geladen hat. Daher geht sie direkt auf ihn los und schilt ihn, das er's so unverschämt ihr das Heu gestohlen habe. Der Brigadier habe es anfänglich noch verneint, dann aber habe sie zu ihm gesagt: "Das dir deine Kuh sich an meinem Futter abwürgen möchte." Die Witwe natürlich war gezwungen weiter und mehr Futter zu machen. So ein Wunsch war aus einem bösen Herzen gekommen, aus Ärger und Grimm. Wenn es auch schien, als habe sich diese unehrliche Sache etwas beruhigt, so war damit, aber doch noch nicht Schluss. Das Ergebnis war kurz und deutlich: Mitten im Winter verschluckte sich dem Brigadier seine Kuh beim Fressen und Krepierte. - Deshalb heißt es im Volksmund: Unrecht Gut gedeihet nicht, oder sät man Wind, erntet man Sturm. Wir Kehren nun wieder zurück zu mein Motorrad. Der böse Wunsch: "Das du doch nicht fahren könntest mit dein Motorrad, war anfänglich vergessen. Nun konnte ich wieder alltäglich auf die Arbeit fahren und viele andere Sachen bestreiten. Aber sehr bald erinnerte ich mich an diesen Wunsch. Den dieser Wunsch war in Kraft getreten und wies sich nun auf verschiedenen Arten. Nicht das ich persönlich körperliche Schaden erlitt, aber am Motorrad passierte eines nach dem anderen und oft traf es sich, das ich irgend wo beim Fahren Halt machen musste um den Defekt zu beseitigen. Am allermeisten spickte ich mir beim Fahren die Gummischienen durch. Es traf so oft das mir das Fahren gar nicht mehr ein Vergnügen war, denn ich musste schon zu oft die Räder auseinander nehmen, daher kam auch schon ein Gedanke, das Motorrad verkaufen. So nach und nach schickte es sich aber doch so, das wir beide uns befleißigten Geld zusammen zu sparen um dann, wenn es gingen, wir uns eine Maschine kaufen könnten. Vorläufig begnügte ich mich mit all den einlaufenden Strapazen.

Kapitel 130

Ischiaskrankheit.


Familie Johann und Sara Walde mit den Kindern Johann, Jakob und Helene in Korkino am 14. August 1949.
Es war in der schönen Sommerzeit des Jahres 1949. Ich arbeitete in der Tischlerei im abgesonderten Stübchen als Rotholztischler, wo von ich schon früher geschrieben habe. Hauptsache war mir, das ich von niemandem abhängig war. Ich durfte mich nach keinem nicht richten. Auch ging es keinem was an, wenn ich mich inzwischen setzte um zu ruhen. Nicht das ich bei meiner Arbeit viel sitzen wollte, aber nun hören wir weiter. So nach und nach fühlte ich in meiner rechten Schulter ganz oben heftige Schmerzen, die von Zeit zu Zeit so heftig zum Vorschein kommen, das ich inzwischen bei meiner Arbeit willig den Hobel oder die Säge hinlegte um mich die Schulter mit der linken Hand etwas zu streichen oder zu drücken. Bis dann die heftigen Schmerzen sich etwas legten und ich dann wieder weiter schaffen konnte. Der Tischleroberst, welchem ich mich unterordnete und der über dem ganzen Bauwerk die Aufsicht hielt, hatte es inzwischen schon gemerkt, das mein Benehmen bei der Arbeit nicht ein gewöhnliches sei. Daher trat er eines Tages zu mir und fragte mich, ob ich mich nicht wohl fühle. "Ja, sagte ich, ich habe zuweilen solche heftige Schmerzen in der Schulter, das ich geradezu schreien könnte und es will auch keine Linderung eintreten.". Nun, sagte er dann weiter, schließ doch dein Stübchen zu und geh ins Krankenhaus. Ja, dachte ich bei mir, wenn man mich mit einmal ins Krankenhaus legt, so könnte ich leicht mein Stübchen verlieren, - ein anderer könnte mit einmal meine Stelle einnehmen. Daher plagte ich mich weiter, so schwer es auch nicht war. Sogar beim Gehen auf der Straße hielt ich meine rechte Hand in der linken damit die linke Hand unter dem Ellbogen den rechten Arm etwas heben konnte, dann waren die Schmerzen mehr erträglich. Oft wenn ich und Sara zusammen auf der Straße gingen hat Sara meinen rechten Arm unterstützt, für mich war es dann leichter. Alle meine Körperbewegungen waren sehr beschränkt, denn jegliche rasche Bewegung verursachte mir auch große Schmerzen. In so einer Lage befand ich mich fast den Sommer über. Den Arbeitsrock anziehen um auf die Arbeit zu gehen war für mich fast unmöglich, daher half sie mir oft ankleiden. Der Sommer war fast dahin, als eines Tages ich von der Arbeit nach Hause kam und den Tag über keine Schmerzen gehabt hatte. Ich war froh, ich war heiter, ich war dankbar, das meine Schmerzen wie mit einem Schlag verschwunden waren.
Die Ischiaskrankheit ist zwar nicht zum Tode, aber sie bringt jedem Kranken entsetzliche Schmerzen. Diese Krankheit auszuheilen, nimmt viel Zeit in Anspruch.
Das nächste Jahr im August Monat, überfiel mich wieder diese Krankheit. Dieses mal war sie nicht in der Schulter, sondern sie setzte sich ins Kreuz, im Rücken. Anfänglich fuhr ich noch auf dem Motorrad, aber es war schier unmöglich. Weil sich nun aber die Schmerzen sehr rasch verschärften, das eine kleine Körperbewegung kaum möglich war, so war ich gezwungen zum Nervenarzt zu gehen. Eine Jüdin war Nervenarzt. Ihre Behandlung mich gegenüber, war sehr brutal, grob, lieblos, kurz und erbarmungslos. Ich bekam wohl einen Krankenschein, aber dann nach einem Monat musste ich auch schon wieder auf die Arbeit gehen, obzwar ich eigentlich noch gar nicht gesund war. Ich beurteilte ihr Benehmen mich gegenüber als einen Groll, einen Grimm, Einen Haß gegen die Deutschen. Weil die Juden hauptsächlich, auch viele andere ausgesiedelt waren aus ihren frühern Wohnsitz durch den Krieg. Wenn auch mit Beschwerden, so konnte ich meine frühere Arbeit weiter machen.
Eines war mir damals auffallend und nicht klar, denn diese meine Krankheit erträgt keine Erkältung oder einen Durchzug. Meiner Meinung nach sollte sie sich eigentlich bei Winterszeiten lindern und bei mir traf es gewöhnlich im Sommer. Schon im nächstfolgenden Jahr, wieder im August Monat fanden sich bei mir dieselben Schmerzen, wie im vorigen Jahr. Wieder musste ich mich an denselben Arzt, an dieselbige Jüdin wenden. Die Jüdin war für mich wirklich eine unsimpahtische Frau. Mir kam es immer so vor, die könnte mich am liebsten mit Haut und Haar auffressen. Mein Krankenschein zeigte wieder, einen ganzen Monat befreit von der Arbeit. - genau auf so einer Art wiederholte es sich etliche Jahre. Wirklich eine üble Krankheit hatte sich mich als Zielscheibe gewählt. Von Jahr zu Jahr steigerte sich diese Krankheit bei mir.
Das Jahr 1952 war schon weit vorgerückt, schon als de Winter vergangen war fühlte ich in mir, das noch immer diese nicht ausgeheilte Krankheit nörgelte. In dieser Zeit arbeitete ich schon auf dem großen Hobelstuhl, von dem wir schon gelesen haben. O, wie hätte ich doch so toll geschafft, wenn mir diese Krankheit hätte freien Lauf gegeben. Ich aber musste mich wirklich quälen bei meiner Arbeit. Ich hätte schon lange sollen ins Krankenhaus gehen, aber ich wollte diese meine schöne Arbeit nicht abgeben, zu dem noch in der schönen Sommerzeit. Die Schmerzen im Rücken und in den Beinen nahmen bemerklich zu. Wenn ich dann des Morgens aufstand und mich ankleiden wollte musste Sara unbedingt helfen, denn ich konnte mich nicht allein die Hosen anziehen. Nicht im geringsten durfte ich mich bücken, dann fuhren die Schmerzen wie ein Schuß ins Kreuz, das ich hätte schreien können. Ohne Saras Hilfe konnte ich mich auch nicht die Stiefeln anziehen. Wenn wir Frühstück aßen, konnte ich nur stehen beim essen, von sitzen waren keine Gedanken, im Gegenteil, inzwischen musste ich sogar in der Stube etliche Schritte machen, damit sich die Schmerzen etwas legten. Dann fuhr ich auf dem Motorrad auf die Arbeit. Eben falls auch her musste ich mich auf die Zähne beißen, um die Schmerzen doch etwas zu unterdrücken. Auf der Arbeit war es der nämliche Fall. Mit großen Schmerzen überwältigte ich meine Arbeit. Das Mittag das ich mit hatte, aß ich stehend. War das Mittag verzehrt, dann legte ich mich auf die Hobelspäne um etwas zu ruhen. Still liegen und stehen das war einiger Massen erträglich, aber in keinem Fall nicht sitzen. In so einem beschwerlichen Zustand vergingen die schönen Sommertage. Schon war der September vergangen. Der häufige Regen zeigte schon die Herbsttagen. Weil damals noch keine Asphaltwege waren, so war ein Radfahren im Dreck und Kot auch fast unmöglich. - Ich schaute bedrückt und betrübt in den Winter hinein. Als ich dann nun wieder eines Tages auf die Arbeit fuhr und mich nun meiner Arbeitsstelle näherte, kurz vor dem großen Tor, glitschte mein Motorrad auf die Seite und machte mit mir einen ungeschickten Fall. Jetzt war ich aber so unbequem gefallen. Obzwar ich mich in den Kot nicht gestoßen hatte, so hatten sich meine Schmerzen so verschärft, das ich hier im Kot lag neben meinem Motorrad wimmerte und schrie, denn ich konnte gar nicht aufstehen. Von unsern Arbeitern wurde ich ja natürlich gleich aufgehoben und in den Hof getragen, alsbald kam auch schon eine Maschine beigefahren, an lud mich auf die Lastmaschine und ich wurde ins Krankenhaus gebracht. Auf solcher Art wurde ich von meinem guten Hobelstuhl getrennt, von welchem ich nicht lassen wollte. Wer ihn bedient hat weiß ich nicht, aber ich habe ihn nachher nie mehr gesehen. Wie das Motorrad ist nach Hause gekommen weiß ich auch nicht.
Wenn ich mich so lange auch keine wirkliche Ruhe gegonnen hatte, so lag ich nun im Krankenhaus und musste mich willenlos dem ungewünschten Schicksal übergeben. Jetzt hatten meine Schmerzen oder meine Krankheit doch wohl den Höhepunkt erreicht. Ich bekam natürlich sofort etliche Spritzen und die Schmerzen wurden erträglich. Jedoch damit war meine Krankheit noch nicht geheilt. Für mich machte man extra ein besonderes Bett. Auf meinem Bett wurde ein Bretterdeckel gelegt eine nicht dicke Matratze und ein dünnes Kissen, darauf wurde ich nun gelegt. Meine Pose war einzig und allein nur auf dem Rücken mit ausgestreckten Gliedmassen liegen. Ich kann es heute fast nicht beschreiben, wie ich damals bewegungslos liegen musste. Aus gestreckt wie ein Brett lag ich auf dem Bretterbett. Die Füße konnte ich nicht bewegen, sie lagen wie tot. Die Arme lagen lang ausgestreckt, nur die Hände konnte ich ganz wenig heben. Die Ellbogen aber in keinem Fall. Der Kopf lag fest im Kissen, nur das Gesicht konnte ich auf höchstens drei cm nach der Seite drehen, sogar die Augen im Kopf wollten ihre Bewegung verlieren.
Ich musste im vollen Sinne dieses Wortes, mich ganz und gar von dem medizinischen Personal pflegen und besorgen lassen. Den Schieber musste man mich unterschieben. Beim Essen stellte man mir den Teller mit Suppe auf die Brust und ich wurde ganz und gar von den Schwestern mit dem Löffel gefüttert. Niemand durfte mich anfassen wollen, den Fuß oder Arm etwas heben wollen, das verursachte mir solche Schmerzen, das ich oft schreien musste. Von Zeit zu Zeit kam ich dann Spritzen die mich mehr in den ruhigen stand hielten.
Sehr bemerkungswert war noch, das all meine unerträgliche Schmerzen sich wogenartig fanden, wie Ebbe und Flut. Die Schmerzen am Tag versteigerten sich bis zwölf Uhr, dann hatten sie den Höhepunkt erreicht, dann ging es ohne Stöhnen, weinen, manchmal auch schreien nicht ab. Genau so auch des nachts, dann wollte das Schmerzensmaß um die zwölfte Stunde fast zu klein sein. Wie oft habe ich durch mein Wimmern auch schreien den leicht Kranken die Nachtruhe verstört. So hütete ich das Bett nun drei Monate. Die ärztliche Hilfe und die medizinische Anwendung zeigte aber doch Erfolg. Drei Monate lag ich fast ganz fest im Bett. Aber so nach und nachfing ich mich an zu bewegen und am Ende des dritten Monats konnte ich mich mit großem Bemühen mit zwei Krücken so nötlich bewegen. Der eine Fuß war weit mehr gelähmt wie der andere, so das ich den schwächeren nur mitschleppen konnte. Nun wurde mir von den Ärzten eine zeitweilige Ruhepause verordnet. Gerade zu Neujahr wurde ich nach Hause gelassen. Das war für meine Familie eine wahre Neujahrsfreude.
In den ersten Tagen nach Neujahr wurde ich von einer ärztlichen Kommission besichtigt und als Invalide der zweiten Gruppe erfunden, auf ein ganzes Jahr. Im Verlaufe etlicher Zeit hatte es schon den Anschein das wirklich schon eine Besserung eingetreten sei. Von meiner Arbeitsstelle erhielt ich eine Kurortkarte, mit welcher ich in ein Kurort fahren durfte. Soviel war es mit mir schon besser geworden das ich auch schon die Krücken gestellt hatte und ich nur an einem Stock ging. Mein Gehen war ja nur ein jämmerliches, aber es ging. In so einem Zustand fuhr ich dann auf einen Monat in den Kurort aber o weh. Trotz allen Bädern im Kurort wurde meine Sache wieder schlechter statt besser. Und als de Monat um war kam ich wieder auf Krücken nach Hause. Der Kurort hatte mir wenig genutzt. Mein Arbeitsplatz mußte ich ganz und gar vegessen. Mein Invalidengeld das mir für die zweite Gruppe zugefallen war, betrug fünfhundertsechzig Rubel. Um jede sechs Monate wurde ich besichtigt von einer ärztlichen Kommission die dann schon meine Arbeitsfähgkeit feststellte, um nur die betreffende Invalidengruppe zu geben. Zwei Jahre hatte ich die zweite Gruppe, dann aber gab man mir die dritte Gruppe. Die Invaliden der dritten Gruppe durften schon arbeiten, jedoch nur leichte Arbeit. Ich dagegen zog es vor nicht zu arbeiten, denn das was ich arbeiten konnte, tat ich zu Hause oder sonst wo, denn es brachte mir einen größeren Verdienst, als wenn ich irgend wo als Wächter stände. Zu dem war ich doch jetzt ein ganz freier Mensch. Auch meine Gesundheit hatte sich mit der Zeit gehoben, so das ich nicht mehr Stock noch Krücken brauchte. Für die dritte Gruppe zahlte man mir Zweihundertachtzig Rubel. Wanja unser älteste Sohn, der die achte Klasse geendigt hatte, war auch schon als Lehrling in unserem Bauwerk angetreten. Nun war er allein als Arbeiter in unserer Familie geblieben. Sein Verdienst war nur ein geringer. Aber Sara verstand es auch mit weniger Geldeinnahmen den Hausstand zu unterhalten oder anders gesagt, auszukommen. Nicht nur das allein, sie hatte es im Verlaufe der Zeit auch schon gelernt Geld aufsparen, sonst hätten wir nicht immer so rasch können eine Kuh kaufen, da wo wir mit unseren Kühen Schlag auf Schlag immer nur Verlust hatten.

Kapitel 131

Eine wunderbare Heimfahrt.

In einem Sprichwort läutet es.
Reden ist Silber - Schweigen ist Gold
Die Erfahrungen haben es schon oft gezeigt, das mit wenigen Worten, gelinden Worten, ja sogar oft das geduldige Schweigen man oft mehr erreichen kann, als wenn man seiner Kehle freien Lauf gibt und grobe, unsanfte und laute Worte ausstößt.
Oft gibt es eine schöne Antwort auf ein unbescheidenes lautes Benehmen. Da heißt es dann: "Wenn du könntest stille sein, dann könnte dir geholfen werden." Diese Worte sind mir in meinem Leben, wenn ich sie befolgt habe, zu einem erfolgreichen Ergebnis geworden. Leider geschieht es so selten das man sich dieser Regel unterordnet, weil der Mensch von Natur immer noch geneigt ist, sein eigenes "Ich" zu behaupten und auch seinen eigenen Willen durchzuführen. Es war wohl im Jahr 1954 als Sara und ich uns eines Tages besprachen mit unsern kleinen drei Kindern in der schönen Sommerzeit mal in die alte Heimat zu Gast zu fahren. Dazu mussten Vorbereitungen getroffen werden. Wanja, der ja schon arbeitete, konnte ja nicht allein zu Hause bleiben. Daher entschlossen wir uns jemanden ins Haus zu nehmen der dann die notwendige Hausarbeit machen würde. Zu so einer Sache wollten wir aber auch eine zuverlässige Person finden: Und sie war auch recht bald gefunden. - Es wohnten, gar nicht besonders weit von uns in einem Staatsquartier zwei Schwestern in den mittleren Jahren. Zu denen gingen wir und legten ihnen unser Vornehmen vor. Wir baten sie, in unserer Abwesenheit unsere Wirtschaft zu besorgen. Sie sollten ganz nach ihren Gutdenken handeln als sei es nun ihre Wirtschaft. Wir gaben ihnen Geld, zeigten usere Küchenkammer, kurz nun alles was ihnen vielleicht in dieser Zeit fehlen konnte. Sie durften nicht nur für Wanja das Essen machen ebenfalls auch für sich. Die Hühner und das Schwein das wir hatten mußte besorgt werden. Ebenfalls auch der Garten mußte rein gehalten werden. Mehr verlangten wir auch nicht. Wir versprachen auch nach unserer Heimkehr, ihnen ihre Arbeit zu bezahlen. Uns beiden schien es so, sie konnten wohl treue Haushalter sein, daher konnten wir uns auch ganz ruhig auf den Weg begeben.
Von unserer Heimfahrt hatten es auch schon andere Leute gehört. Nun kam zu uns mein Jugendfreund und bat mich, ich solle doch eins von seinen Kindern mit in die Heimat zu seinen Eltern nehmen - Wir willigten damit ein und bestimmten den Tag unserer Abfahrt, damit er wußte zu welcher Zeit er dann sein Kind zu uns bringen konnte. Zu der Zeit bekam man nicht immer Urlaub wann man wollte. Den Urlaub bekommen hing meistens nur von den Vorgesetzten ab. Ich dagegen war arbeitsfrei und konnte nun fahren zur beliebigen Zeit. Jedoch die Fahrt beunruhigte uns etwas, weil ich doch den Namen "Invalide" trug, denn ich hatte ja die dritte Gruppe und demgemäss waren auch nur meine physische Kräfte. Zweitens: Vier Kinder hatten wir mit und alle unter acht Jahre. Drittens: In der schönen Sommerzeit war der Andrang an der Eisenbahnkasse mehr wie groß, denn es waren viel Leute die da auch fahren wollten. Daher kam es vor, das die Passagiere manchmal etliche Tage auf dem Bahnhof im Wartesaal verweilen mußten, denn es wurden nicht genügend Fahrkarten verkauft - weil im Zug keine freie Plätze waren. Als wir uns nun auf den Weg zur Bahnstation gaben und in den Wartesaal traten und sahen wie viele Passagiere sich hier befanden, man sagt oft, dann wollte uns der Verstand stehen bleiben. Aber in diesem Moment blitzte in mir ein Hoffnungsstrahl auf. Es entstand in mir eine heilige Neugierde, ob ich würde fahren können und wie ich würde fortkommen wenn ich nun gänzlich stille wär, wie wir schon gelesen haben. Denn in so einer großen Menschenmenge und in so einen großen Kassenandrang, half mir keine eigene Kraft bis ans Kassenfenster vorzudrengen, auch keine laute Worte, worauf die Passagiere dann etwas vom Kassenfenster abtreten würden. - Ich stellte mich nun ans Kassenfenster so nahe wie möglich, schwieg ganz still. Sagte zu niemanden nicht ein Wort. Ob ich der letzte sei im Andrang, oder nach welcher Richtung ich fahren wollte, oder wie viel Fahrkarten ich brauche. Kurz gesagt, ich schwieg. Schon näherte sich der Zug. Die Leute an der Kasse wurden schon sehr unruhig. Sie fingen an ans Kassenfenster zu schlagen. Auch schriehen sie schon recht laut. Inzwischen öffnete die Kassiererin das Fensterchen und sagte: "Keine Plätze, keine Fahrkarten." Aber der Tummelt war groß und laut. - Schon war der Zug vorgefahren, der dann seine bestimmte Zeit stehen würde. Zu meiner Sara hatte ich schon gesagt, das sie sich solle fertig machen und mit allem hinaus gehen solle, um beim Zug in Bereitschaft zu stehen. Ich aber blieb an der Kasse stehen. Es blieb dabei: "Keine Fahrkarten." Schon meldete der Zug, durch zwei Glockenschläge, seine Abfahrt an. Schon gingen die Leute von der Kasse auseinander. Nun hieß es natürlich für allen bis morgen warten. Der Zug rückte schon langsam los. Ich aber stand noch an der Kasse. Und in diesem Augenblick öffnete sich das Kassenfenster und es wurde sehr rasch gefragt: "Wie viel Karten?" In aller Geschwindigkeit schob ich meine Hand mit dem fertigen Geld in das Fenster und sagte: "Zwei." Es dauerte auch gar nicht lange, so packte ich meine zwei Fahrkarten und lief hinaus zu meiner Familie die noch immer hier auf dem Bahnsteig stand. Der Zug ging schon sehr scharf.
In großer Eile riß ich unser kleines Kind aus Saras Arme und beim Laufen überreichte ich es dem ersten besten Schaffner der in der Türe des fahrenden Zuges stand. Ich selber packte dann noch den Türengriff und lief mit, um beim Fahren doch noch auf die Türentreppe springen zu können. Schon war der Bahnsteig zu Ende. Hier befand sich der große Wasserkran der die Lokomotive mit Wasser versorgt. Der Boden hier war ausgepflastert mit Kieselsteinen damit es nicht sollte Kot geben. Als ich nun im vollen Lauf bis auf diese Kieselsteine kam, fiel ich hart zu Boden. Ich hörte nur noch wie unser Kind schrie und der Zug machte fort. Hart hatte ich mich geschlagen doch raffte ich mich in aller Eile auf und sah mich nach meiner Familie um. In diesem Augenblick vernahm ich schon das laute Zischen des Zuges, die Bremsen wurden extra angezogen und in einem Nu blieb auch schon der Zug stehen. Der Schaffner hatte den Extrahalt gemacht, denn was sollte er mit unserem Kind. Er kam uns entgegengelaufen um uns das Kind zu überreichen. In diesem Moment war auch schon der Bahnoberst beigelaufen um die Ursache des Stehenbleibens zu erfahren. Mit lauter Stimme überfiel er uns, das wir solche Unangenehmigkeit verursacht hatten. Als ich ihm nun in aller Kürze sagte, wie alles geschehen sei, das ich zu spät die Fahrkarten erhalten hatte und das meine Familie noch dort weiter zurück stehe, erweichte er etwas und sagte: "Hol deine Familie und steig in den Zug." Als wir denn nun alle eingestiegen waren, fragte er schon mit ruhiger Stimme: "Ob wir nun alles hätten?" "Ja," sagte ich. Dann gab er einen schrillen Pfiff und der Zug rückte wieder los.
Der Ausgang dieser Geschichte beruht auf Wahrheit und entspricht ganz den Worten. "Wenn du konntest stille sein, dann konnte dich geholfen werden."
Dies Geschichte habe ich im Krankenhaus geschrieben. In dem Krankenzimmer in welchem ich mich befinde liegen noch zwei Kranke. Ein Kurde und ein Kasache und weil diese sich interessieren was ich schreibe, so habe ich ihnen diese Geschichte voll und ganz erzählt, ja sogar hingewiesen auf das tiefe Geheimnis der Worte: "Wenn du könntest stille sein, dann könnte dich geholfen werden." Mit einem wahren Interesse haben sie mich angehört. Sie baten mich, ich solle ihnen noch weiter solche Erfahrungen mitteilen.
28.02.85

Familie Walde im Elternhaus im Sommer 1954.
Die Reise auf der Eisenbahn ging auch gar nicht schlecht, ob zwar es fast zwei Tage in Anspruch nahm. Die vier Kinder die wir bei uns hatten waren auch gar nicht anspruchsvoll. Als wir denn nun bis zur Endstation gekommen waren, musste die Familie einstweilen auf der Station im Wartesaal verweilen bis ich eine Lastmaschine gefunden hatte, denn Autobusse waren damals noch keine. Das Glück hatte doch wohl auch hier auf mich gewartet, denn es kam eine Lastmaschine zur Station gefahren, denn der Fahrer wollte noch Passagiere finden um einen Nebenverdienst zu bekommen. Es glückte uns auch, denn er fuhr gerade die Strecke nach unserer Heimat zu.
Nun waren wir nach längerer Zeit wieder bei den Eltern. Dem Großvater unseres fremden mitgebrachten Kindes hatte man zeitig berichtet, daher kam er auch schon selbigen Tages zu Pferd aus dem Nachbardorf gefahren und holte sein Großkind. Ich kannte den alten Vater sehr gut noch von der Zeit wo ich in der Mittelschule gearbeitet hatte. Und als ich ihm nun fragte über sein Befinden, (denn es war ihm im Verlaufe der Zeit auch schon die Frau gestorben) daher antwortet er mir nur ganz kurz: "Das Leben hat seinen Reiz verloren." Dann fuhr er mit seinem Großkind nach Hause. Da, wo ich jetzt diese Zeilen schreibe und seit jener Zeit schon mehr wie dreißig Jahre verflossen sind, können auch wir uns an solchen Stunden erinnern, wo wir im vollen Sinne dieser Worte gesagt haben: "Das Leben hat seinen Reiz verloren".
Unsere Spazierzeit wie bei Saras Eltern, so auch bei meinen Eltern ging auch gar nicht so schlecht. Doch als wir uns dann schon auf die Heimreise begeben wollten, erkrankte uns unerwartet unser kleinstes Kind an bösem Keuchhusten, so das mit so einem kranken Kind an eine Heimfahrt nicht zu denken war. Das ältere Kind musste aber schon in die Schule gehen. Denn der 1. September war vor der Tür. Daher entschlossen wir uns, ich würde mit den älteren zwei Kinder nach Hause fahren und Sara würde mit dem kleinen Kranken noch einstweilen zurückbleiben bis die größe Krise mit dem Husten vorüber sei und dann wollte auch sie nachkommen. Nach Verlaufe etlicher Wochen kam auch Sara schon nach Hause. Mit unseren Einwächter, mit Tante Anna und Tante Justina die solange unsere Wirtschaft besorgt hatten, waren wir sehr zufrieden, sie hatten ihre Arbeit gut gemacht. Es hat sich in späteren Jahren noch etliche mal getroffen das wir Einwächter gehabt haben, aber solche Pflichterfüllungsfähige waren es nicht, wie dies beide Schwestern. Nach dreißig Jahren hatte ich die Gelegenheit, Tante Anna die noch am Leben war zu besuchen.

Kapitel 132

Die Maschine.

Sparsam ist nicht geizig. Im Laufe der Zeit hatten wir beide, Sara und ich, uns bemüht nach Möglichkeit Geld zusammen zu sparen um eine Maschine kaufen zu können. Hätten wir es nicht beide gewollt, dann wäre von so einem Vornehmen nichts geworden, denn das Geld hätte man allerwärts verbrauchen können zu nützlichen, ja auch zu notwendigen Dingen. Wir hatten ja ein Motorrad, man konnte ja auch mit diesem viel bestreiten und fahren, jedoch auf dem Motorrad war ich jeglichem Unwetter ausgesetzt, so das ich zuweilen auch nass auch dreckig nach Hause kam. Solche Geschichten vermehrten in mir den Eifer, ein Auto zu kaufen, denn dann wären wir ja geschützt vor jeglichem Regen und Sturm. Und die Bequemlichkeit beim Fahren in der Maschine, sei ja auch nicht zu vergleichen, mit dem Fahren auf einem offenen Motorrad. Eine Maschine kaufen im Warenladen war damals für uns unmöglich, denn dazu war der Andrang zu groß. Irgendwo eine schon gefahrene Maschine aus den Händen kaufen, dazu hatten wir eher die Möglichkeit, denn die waren doch billiger. Meinem Vetter sein Schwiegersohn hatte schon eine Maschine auf welcher er schon recht viel gefahren hatte. Er hatte seine Maschine nach Regel und Recht immer gut besorgt auch vor jeglichem Schaden bewahrt. Er wollte sich eine bessere Maschine kaufen. Stand auch schon in den ersten Reihen der unzählbaren Liebhaber, welche sich eingeschrieben hatten um im Laden eine Maschine kaufen zu können. Wir wußten von diesem Handel, daher bestellten wir uns diese seine Maschine, das wenn er seine Maschine verkaufen wollte, sollte er sie doch uns verkaufen. - Er ging recht bald damit ein, denn einem Käufer, der eine Maschine hatte, durfte keine andere Maschine nicht kaufen. Daher machten wir so einen Handel. Damit er nicht ganz ohne Transport blieb, verkaufte er seine Maschine an uns und er nahm bei uns das Motorrad. Auf solcher Art kamen wir dann ohne besondere Beschwerden zu einer Automaschine. Sie war uns sehr passend, ich habe auch recht viel bestreiten können mit ihr. Wir waren auch nun nach unserer Meinung glücklich und zufrieden und doch, war ein Etwas, das den wahren Frohsinn bekümmerte. Und das war: - meinem Ansehen nach mußte ich zu oft mich mit ihr beschäftigen. Nicht das die Maschine selbst untauglich war, nein, ich kam so nach und nach auf den Gedanken, das ich nicht der passende Mann sei für die Maschine.