Man hat gegessen und ist nicht satt,Nun raffte ich mich aber doch auf, ging ins Lager, kam ins Gemenge aller Arbeiter und wartete wieder auf das für uns so schöne Abendbrot um dann wieder zur Ruhe gehen zu können, aber doch, ohne für immer eingeschlafen zu sein, den nächsten Morgen zu erleben. - So vergingen, arm, schwach, mühselig Tag für tag und der Krieg nahm kein Ende, auch die Arbeit nahm kein Ende. So lange wie auch die Schwachen ihre Füße schleppen konnten war im Lager immer Arbeit für sie. Ein langweilen gab es nicht. Walde, Waaalde, erscholl eines Tages mit lauter Stimme über den ganzen Lagerhof. Ich tippelte so langsam diesen Ruf entgegen und fragte dann, was los sei. Walde? "Ja sagte ich." " Eilig in das Stabkontor, du wirst gerufen," sagte der Mann. Von eilig war ja keine Spur, denn die dick angeschwollene Füße hatten ausgeheilt, es ging nur ganz langsam. Als ich in den Stab kam, sah ich unseren Lageroberst aus Korkino. Dieser Anblick übertraf all mein denken, ich wusste noch nichts zu sagen. Ich glaubte meinen eigenen Augen nicht. Dann fragte der Oberst:" Bist du Walde?"" Ja," sagte ich. Dann sagte er weiter:" Du hast mich müde gemacht mit deinen Briefen," und weiter " Wirst du bei mir arbeiten?" O ja so viel ich kann, erwiderte ich." "Gut, dann setz dich auf die Lastmaschine die vor dem Tor steht und wir fahren nach Hause:" Jetzt war kein Begleiter mit der Flinte, so wie ich war ging ich zur Maschine um dann hinauf zu klettern. Zwei Arbeiter die auf der Maschine waren, zogen mich hinauf, ich hatte wenig Kraft. Stellt euch vor, so ein Arbeiter war ich, nicht im Stande allein auf die Maschine klettern zu können. der Oberst setzte sich vorne beim Fahrer und wir fuhren nach hause, nach Korkino. Für immer verließ ich damals das fünfte Baulager, das mir fast das Leben genommen hatte. Die vierzig Km die wir zu fahren hatten waren bald zurück gelegt. Schon während der Fahrt freute ich mich, bald bald bei meinem Sack, wo noch Nudeln, Grütze und Schinkenfleisch war, mir eine Suppe kochen zu können, wo ich dann, nach zwei monatlichem hungern mich so recht satt essen würde. - Schöne Phantasien.- Ende Mai, ein schöner Tag von Ferne erblickte ich Korkino. Endlich hielten wir am Tor beim zwölften Baulager. Meinem Lageroberst Piatrowskyj, sagte ich einen herzlichen Dank und ging dann ins Lager zu den Unsrigen. Die meisten kannten mich ja, aber vor Staunen blieben viele stehen und fragten:" Walde bist du das?" sagten sie dann. Aber ich wollte nur zu meinen Nudeln, denn ich war ja am verhungern. Als ich nun in meine Stube kam wo ganz am Anfang nur eine Nacht genächtigt hatte, sah ich auch von den Unsrigen aus unserem Heimatdorf etliche Männer. Auch diese alle wunderten sich nicht wenig über mein Aussehen, aber ich war nun zu Hause. Nicht viel anderes war mir jetzt wichtig, ich fragte schon recht bald, wo mein Sack sei. Dann schauten sie mich mitleidig an und einer von ihnen sagte mir fast wie gezwungen:" Deinen Sack hat Heinrich Görzen verhandelt für Tabak." Unwillkürlich fiel ich aufs Lager und weinte und jammerte in meinem Elend wie ich konnte. - Getäuscht, o fürchterliches Wort - getäuscht. Als ich mich dann endlich etwas beruhigt hatte, ging ich in die Speisehalle, denn auch hier waren bekannte Freunde, die es schon gehört hatten, Walde sei wieder gekommen. Diese meine Freunde, sahen es schon ehe ich etwas fragte, was mir fehlte. Gleich schöpfte einer der am Kochkessel stand mir eine warme Suppe ein. O wie tat diese Suppe mir so wohl, denn sie war kräftiger als die Suppen die ich im fünften Baulager mich für Holz machen, so schwer verdiente. Nach ganz kurzem Erzählen, ging ich dann mir mein Lager aufsuchen um ja wieder etwas zu ruhen, denn müde war ich ja immer, weil meine Füße mich kaum zwangen. Schon kamen immer mehr Arbeiter von der Arbeit, auch Heinrich Görzen trat ins Zimmer. Gleich wurde es auch ihm gesagt das ich gekommen sei und das ich dort in der Fremde fast verhungert sei. Hart getroffen von seinem eigenen Gewissen das ihn jetzt besonders verklagte, schwieg er und sprach kein Wort, auch keine Begrüßung fand statt. Dann richtete ich mich langsam auf, rückte näher zu ihm und fragte ihn dann:" wo mein Sack sei?" - Er schwieg. Dann sagte ich weiter zu ihm:" Schau mich mal gründlich an," Glaubst du es mir wenn ich jetzt meinen Sack mit Essware hätte, das ich mich gerne hätte satt gegessen? Und du hast es für Tabak verhandelt? - Er schwieg. Weiter sagte ich dann:" Ich wünsche niemanden, die ihr hier seid, so eine traurige Kur durchzumachen, die ich durchgemacht habe, auch dich persönlich nicht, auch will ich mich niemals rächen an dich für den Spaß den du mir gespielt hast, sonst könnte ich mit einmal wieder ein Übel erleben, das vielleicht noch ärger wäre, wie zuvor. Aber ein Sprichwort, das allen bekannt ist, will ich dir sagen und damit rechne:" Zahltag frisst der Hund nicht auf:" Aber vom Gewissen geschlagen, konnte er mich nicht mehr frei anschauen. --- Jetzt noch etliche Worte von Heinrich Görzen. Görzen war mein Onkel er war etwa vier Jahre älter wie ich. Er war der Mann zu der Tante meiner Frau Sara. - Nicht viel Tage weiter, so wurde im zwölften Baulager eine nicht große Brigade gesammelt die recht weit auf einem anderen Platz arbeiten sollten. Auch H. Görzen geriet in diese Brigade. In der Fremde habe er aber nicht lange gelebt, er ist vor Hunger gestorben, solche Nachrichten erhielten wir später. Wie wird er aber auch so oft an diesem Sack gedacht haben.
Man hat geruht und ist doch matt.
"Ordnung und Reinheit,Vor dem Einzug in die Baracken, bekam jeder Barackenkommandant einen Bescheid vom Lageroberst:" Bei wem er nun in den Baracken eine Wanze finde, der fliegt ohne weiteres schonungslos in die Kohlengruft, mag er dort weiter Wanzen ausbrüten." Das glaubten sie alle, denn das hatten sie schon gesehen, was das Schmuggeln in der Küche für Folgen gebracht hatte. Aber es hatte geholfen, Wanzen waren nicht mehr. Der Barackenkommandant drehte sich wie ein Eichhörnchen im Rad, um nur nicht in die Kohlengruft zu kommen. - Ach wie haben mich die Wanzen zu jener Zeit so gepeinigt, die fraßen mich ja beinah lebendig auf. Eine große Arbeit war wohl gemacht, doch die nächste war schon in Sicht. Hier im Lager sollte ein Waschhaus gebaut werden, ein Haus für die Schusterei, Schneiderei, Frisiersalon. Ein Warenspeicher für Kleider und Bettsachen. Ach wie viel Arbeit, der lange Sommer wollte kaum reichen. Aber als erst die meiste Arbeit gemacht war, gab es auch mehr Ruh. Der Lageroberst Piwowarow hatte doch bewiesen, das er keine leere Worte in den Wind gesagt hatte, denn nun sahen wir die Erfüllung seines Versprechens. Auch im Stabkontor machte er Ordnung, auch die Wachbude musste sich ihm unterordnen. Ohne seine Erlaubnis durfte niemand das Lager betreten und wenn es auch gleich ein Milizmann wäre, der hier vielleicht was untersuchen wollte. Seine Empfangsstube hatte er auch hier im Lager, so das der Laufbursche der sich auch immer in der Wachbude befand, ihn zu jeder Zeit rufen konnte, wenn jemand von den anderen Vorgesetzten hierher käme.
Jeden Menschen erfreut."
Geteilte Freude ist doppelte FreudeDiese Frage musste offiziell und gesetzlich gelöst werden, dann wäre ja von meiner Seite nichts zu befürchten. Uns so ging ich denn nun dran diese Frage in die Tat umzusetzen. Ich ging zum Lageroberst in Baturino und bat um Erlaubnis mit so und so einer Frage mich an den Lageroberst in Korkino wenden zu dürfen, welches fünf Tage Urlaub in Anspruch nehmen würde, mehr auch nicht. "Nur vier, fünf Tage?" fragte er dann:" Ja, vielleicht noch weniger," gab ich zur Antwort. - Er schwieg ein Weilchen, dann sagte er weiter: "Wir haben anfangs Angst, der Winter naht und es muss zum Winter unbedingt eine geräumige Küche, hier im Baulager, an die Speisehalle gebaut werden. So einen Auftrag gebe ich dir, wenn du mit deiner Brigade, nur an den Abenden, nach der Tagesarbeit, die Küche fertig gebaut hast, dann habe ich nichts dagegen:" Ich musste ja natürlich gleich weiter denken auch für das Wohl meiner Brigade, denn das Essen war allewärts die allerwichtigste Frage. Dann fragte ich weiter: "Ob er uns auch ein zweites mal Abendbrot geben würde?" "Ja, war die Antwort, so wie ihr von der Arbeit kommt und gegessen habt, geht´s hier an die Arbeit und nach Arbeitsschluss, gibt es dann noch ein Abendbrot." - Diesen Auftrag legte ich nun meiner Brigade vor, mit dem Versprechen immer noch ein Abendbrot zu bekommen. Damit waren sie alle einverstanden. Vo meinem persönlichen Vorhaben sagte ich niemanden, denn es würde ganz ohne schon Unangenehmigkeiten geben, das wusste ich schon im Voraus. Denn ich würde sie, die Brigade, anspornen wollen, um die Küche schneller zu bauen. Die Arbeiter dagegen würden diese Arbeit in die Länge ziehen wollen, um länger essen zu können. Und so war es auch. Ich war gezwungen worden dem Oberst diese Frage deutlich zu machen. Er verstand mich ganz und gar und versprach mir, hierin tätig zu sein, zu helfe. Die Arbeit ging los und wir wurden nicht ohne Aufsicht gelassen. Die Peitsche "Wir brauchen die Küche" war immer neben uns. Darum vorwärts. Und so war, ohne großen Streit gehabt zu haben, die Küche binnen eines Monats doch fertig geworden. Jetzt konnte ich auch meine persönliche Frage wieder hervorheben. Hier hatte ich mir nun den Urlaub verdient. Nun ging´s mit meiner Frage zum Lageroberst Piwowarow nach Korkino. Ich konnte mir unter dem Zusammentreffen mit Piwowarow nichts vorstellen, aber etwas schüchtern ging ich doch zu ihm. Als ich ihm meine ganze Sache vorgebracht hatte, sagte er kurz und entschieden: "Nichts davon, man kann dich fangen, einkerkern und das ist dann das Ende vom ganzen Lied. Geh nur und mach deine Arbeit." - Ich ging nun, aber bei mir selbst dachte ich :" Nach ein paar Tagen komm ich wieder." Beim bauen der Küche hatte ich mit täglich zweihundert Gramm Brot aufgespart und verkauft, damit ich auch etwas Reisegeld hatte, wenn ich mit einmal fahren können sollte. Bis vierhundert Rubel hatte ich es gebracht. Nun hörte ich eines Tages, dass ein Kohlenarbeiter, aus dem baturiner Baulager ein Mann namens Gossen, nach Hause in den Urlaub gefahren sei und beim zurückkommen in Orsk habe anfahren und seine Frau mitbringen wollen. - Ah - dachte ich also haben noch mehr solche Gedanken wie ich und es war mir schade, das ich das nicht früher gehört hatte, denn dann hätte ich dem Gossen Geld mitgeben können, damit er auch meine Frau hätte mitbringen können.
geteilter Schmerz ist halber Schmerz.
"Koch und Katze sind immer satt"Sara war wohl satt, aber ich..., ich hatte es gar nicht leicht. Denn schon gleich vom ersten Tag musste ich mich von der Speisehalle fern halten, weil doch viel Arbeiter glaubten, dass Sara mich jetzt so recht gut füttern würde. Sofern ich mich wagte in die Speisehalle zu gehen, so waren auch schon etliche da und passten auf, ob Sara mir was geben würde, dann natürlich würde ja ein jeder auch was haben wollen. Und so was konnte Sara ja unmöglich tun. Sonst wäre sie ja augenblicklich von dieser Arbeit abgesetzt worden. Auch Sara wurde von vielen nachgeguckt, ob sie nicht nebenbei irgendwo ihrem Mann was zukommen ließe. Sogar abends, wenn sie ihre Schichte abgestanden hatte und zu mir dann in die Baracke kam, da wo wir andere uns schon alle gelegt hatten, hat sich oft noch ein und der andere aufgerichtet und Sara nachgeschaut. Selbstverständlich ihre Brotnorm konnte sie ganz frei und öffentlich tragen, darüber konnte ihr niemand was sagen, aber auch nicht mehr, denn dann hätte es unbedingt Skandal gegeben. Trotz alledem aber, gibt es noch ein Sprichwort im Volke. - "List über List, doch nichts über Weiberlist". Sie verstand es doch ihrem Manne heimlich etwas zu bringen. Sie verwendete doch, trotz jeglichem Verbot, wenn sie nur konnte, von den Speisen, die geeignet waren ihrem Mann zu übermitteln. Die Art und Weise war folgen: Ein Fischen, ein Stückchen Fleisch oder etliche dünn gebackene Kuchen, steckte sie dann hinter die Hosengummi an den kahlen Bauch und kam dann vorsichtig zu mir in die Baracke, zog die Oberkleider aus und legte sich vorsichtig und geräuschlos, als wolle sie auch niemand stören, zu mir unter die Decke. Hier unter der Decke verzehrte ich hungriger Mann dann das Mitgebrachte bis auf das letzte Krumchen. Diese Wohltat, die meine Sara an mir in meiner damaligen traurigen Lage erwiesen hat, werde ich Lebtag nicht vergessen.
Und droht der Winter noch so sehr,Der warme Frühling war erwacht, aber auch mit ihm war bei mir ein neuer Gedanke erwacht. - Ich ging nun wieder zum Lageroberst und bat ihm um Erlaubnis, für mich irgendwo bei den Leuten, außerhalb dem Lager, ein Quartier zu suchen. Dieses mal erlaubte er es mir. Ich verzog damit auch nicht einen einzigen Tag, und schon gleich am nächsten Tag nach der Arbeit ging ich auf die Quartiersuche. Ich war bestrebt irgendwo in der Nähe des Lagers für mich eine kleine Ecke zu finden, denn bei der Erlaubnis war eine strenge Bedingung dabei. Jeden Tag vor dem Schlafengehen, sollte ich mich unbedingt bei der Arbeiterzählung einfinden und dann könnte ich erst nach Hause gehen. Dasselbige auch des Morgens, früh mit meiner Brigade in die Speisehalle gehen und dann erst auf die Arbeit gehen. Ich suchte und suchte und fand schließlich anderthalb km vom Lager, bei einem Kinderreichen Wirt eine leere Ecke im Kuhstall, ja, ja wahrhaftig nur ein Kuhstall von Brettern sehr einfach gebaut. Hier fand ich bei diesem Wirt ein leerer Kasten, eine alte Tür und davon baute ich für uns ein Nachtlager. Unsere Sachen überfahren das war gar nicht schwer, eine Maschine brauchten wir nicht dazu. Mein Barackenaufseher, dem ich es ja sagen musste, dass ich durfte auswärtig im Quartier wohnen verlangte gleich Decke und Matratze, auf welcher wir solange geschlafen hatten. "Ich kann meine Bettsachen nicht verschleppen lassen", sagte er dann zu mir. Aber unsere eigene Sachen durften wir nehmen, welche aber auch, ehe wir zum Lager hinaus gingen, noch untersucht wurden, ob nicht wo Decke oder Strohsack sei, der nicht uns gehörte. Ein leichter Koffer mit meinen Hosen, Hemd und Saras Kleid auch Löffel und Krug, das alles war unser Hab und Gut. Ich nahm mein Kästchen, Sara nahm ihre Wattenjacke und meinen Soldatenmantel. Nun zogen wir in unserem Sinn freudig und zufrieden, reichbeladen ins neue Quartier. Hier nun machten wir unser Bett. War es ein Kissenbezug oder war es ein Beutel, den wir hatten, füllten wir mit Stroh, das war unser Kissen. Die Wattenjacke legten wir unter, das war unsere Matratze, und der Mantel war unsere Decke. Nun war unser Bett fertig gemacht für die Nacht. Eine nicht hohe Tonne die hier im Stall stand drehten wir mit dem Boden nach oben, stellten sie neben unser Lager, das war unser Tisch. Hier setzten wir uns beide, Sara und ich, ganz gemütlich und frei auf unser Lager und unterhielten uns ohne Scheu zu denken das uns jemand wohl belauschen könnte. Die Kuh die sich auch hier im Stall in der anderen Ecke befand, war nur mit einem Brett von uns abgesondert, doch aber so nahe von unserem Lager, dass wenn sie ihre Geschäfte machte, es zuweilen auch bis unser Lager spritzte. Todesgefahr drohte ja nicht bei solchen Fällen, und Schmerzen gab es hier auch nicht. Daher fügten wir uns auch in dieser Lage und nahmen alles ohne zu murren entgegen. Heutzutage will es kaum wer glauben, dass so was wirklich soll gewesen sein.
Mit trotzigen Gebärden.
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.
"Und wie der Wellen WechselspielSo ging es uns beiden auch. Von einem Lager ins andere, von einem Quartier ins andere, auch von einer Arbeit auf die andere
Im großen Ozean,
So wechselt auch der Menschen Ziel.
Und ändert seine Bahn."
"So es halt in unserem LandAuch unser Lageroberst Piwowarow, wurde auf eine andere Arbeit übergeführt. Ein anderer Oberst trat an seine Stelle, der schon nicht die Eigenschaft besaß, die frühere eingeführte Ordnung weiter zu behalten. Den Erfolg von seinem gleichgültigen Benehmen über die strenge eingeführte Ordnung von Piwowarow, verspürten Sara und ich wohl am ersten. Das Verbot fremde Leute ins Lager zu lassen, war vergessen worden. Sara war schon im Vorgeburtsurlaub, als sie den ersten oder den zweiten Tag aus unserem Quartier noch ins Lager in die Wäscherei ging um unsere eigene Wäsche noch zu waschen. Und gerade jetzt, ja hier, kam jemand aus dem Kontor und rief sie, augenblicklich ins Kontor zu kommen. Sie glaubte, sie solle Urlaubsgeld erhalten, aber nein etwas ganz anderes war. Ein Milizionär saß hier, der die gesamte Personenliste aller Arbeiter des ganzen Lagers durchsucht hatte, und hatte nun Saras Namen gefunden, welche sie schon drei Jahre gesucht hatten. Er fragte sie nun nach ihrem Namen und sagte dann zu ihr, sie solle mitkommen. Sie wurde in die Miliz geführt. Jedoch der Milizionär hatte schon gesagt, - weil sie schwanger sei durfte man sie nicht verhaften, aber zum Milizoberst solle sie doch kommen. Jedoch schüchtern trat sie zum Milizoberst ins Kabinett, der sie aber doch nicht barbarisch behandelt hatte, sondern ihr die ganze Sache ruhig erklärt hatte: - "Schon gleich wo sie in Orsk den ersten Tag nicht sei auf Arbeit gegangen, nachdem sie entlaufen war, habe man sie als Deserteur betrachtet und schon in ihrer Abwesenheit sei sie auf drei Jahre Gefängnis abgerichtet worden. Jedoch in gegenwärtiger Zeit durfte man sie nicht verhaften, aber sofern ihr Kind nach der Geburt schon zwei Monat alt sei, dann solle sie damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen. Jetzt aber solle sie Unterschrift geben, dass sie in dieser Zeit nirgends hinfahren würde, um nicht ihre Lage noch schlechter zu machen als sie schon sei. Daraufhin wurde sie nun vom Milizoberst entlasse.
Nichts gibt es, was hier hält Bestand"
"Wer sich nicht nach der Decke streckt,Weil ich nur wenig Geld besaß, konnte ich unmöglich ein großes, starkes, prächtiges Haus bauen. Unser Haus war 6,5 m lang und 4,5 m breit. Ein Gerüst welches von Brettern dritte Sorte, von beiden Seiten bekleidet wurde, dann wurden die leeren Wände mit Schlack und Sägemehl vermischt und voll geschüttet. Das ganze Haus stand nur auf Holzkissen, die von alte Eisenbahnschwellen geschnitten waren. Das Dach war ein Bretterdach. Kein Glas war nirgends zu finden, noch zu kaufen. Ich suchte dann bei den Neubauten irgend welche Glasabfälle um nur von Stücker und Flicker meine nicht große Fensterrahmen vollstellen zu können. Gebrannte Ziegeln für meinen Ofen fand ich auch nicht, als nur bei der Bäckerei im alten Schutt, da fand ich nur halbe Stücker und noch nicht mal genügend. Noch schwerer war es für mich die Steine herzuschaffen, daher stellte ich das Haus auf Holzkissen, aber auch den Ofen setzte ich auf ein Schwellenstapel, um nicht so viel Ziegel zu suchen. Noch eine schwere Arbeit die ich für den Ofen machte, das war: - Das Feuerloch im Ofen sollte doch etwas dauerhaft gemacht werden, denn es konnte ja nicht von lauter Stücker zusammen geklebt werden, dieses wollte ich doch mehr von schönen, ganzen Ziegeln machen. Dazu war mir ein einziger Ausweg, von einer Schule die meistens nur von unseren Bauleuten gebaut wurde, nahm ich dann jeden Abend, wenn ich von der Arbeit nach Hause ging, fünf Ziegeln in die Beiltasche und schleppte sie auf den Puckel nach Hause. Zwei km mit so einer harten Last auf dem Rücken, dann war das Hemd gewöhnlich wäschenass. Bis ich dann etwa siebzig Ziegeln zusammen hatte, verging eine schöne Zeit. Dieses schreibe ich aber auch noch, um zu zeigen, wie viel und wie weit man oft gehen musste und wie schwer man oft tragen musste, weil doch fast kein Transport vorhanden war. Sara war in ihrer Schwangerzeit nur zweimal bei unserem Bau, gerade nur weil es doch so weit zu gehen war von unserem Quartier.
Denn bleiben die Füße unbedeckt."
O, o, o, wie sind die Kinder froh,So heißt es in einem Kinderlied. Aber auch wir waren froh das der Winter vergangen war. Nun würden wir ja bald das Vieh in die Herde treiben können, denn unser Futter für die Kuh war schon zur Neige gegangen. Schon an einem schönen Frühlingstag mussten wir unsere Kuh, wie auch alle andere Leute, zum Vieharzt führen, um zu untersuchen, ob auch alles Vieh gesund sei. Und was denkt ihr, bei unserer Kuh wurde die Borreliose entdeckt. Der Vieharzt befahl sie zu schlachten. Das Fleisch durften wir auf dem Markt verkaufen. Gerade die Hälfte vom bezahlten Geld, bekamen wir für das Fleisch zurück. Das war die dritte Kuh, das war der dritte Verlust.
Herbst und Winter sind vergangen,
Frühling der hat angefangen,
O, o, o, wie sind die Kinder froh.
Je mehr er hat, je mehr er will,So ging es auch mir. Eines Tages hatte ich mir das Glas auf der Handuhr zerschlagen. Selbst verständlich musste sie wieder gemacht werden. Als ich nun zum Uhrmacher ging, der ein Jude war, saß bei ihm ein Kunde der doch wohl auch mit einer Uhr gekommen war. Wer er eigentlich war weiß ich nicht, aber als ich erst meine Uhr dem Uhrmacher überreichte, sagte er zu ihm: "Dieser Mann ist ein guter Meister, den halt nur fest." Dann sagte der Uhrmacher zu mir, ich solle um zwei Tage nach meiner Uhr kommen. Als ich nun um zwei Tagen nach meiner Uhr kam, dann vernahm ich schon gleich, das er diesen Meister noch nicht vergessen hatte und schon fragte er mich ob ich nicht wolle für ihn ein und das andere von Hausmöbel machen, denn ihm fehle recht vieles. Ich wusste ja nicht was für ein Geldzahler er werde sein, daher übernahm ich mir anfänglich auch nicht viel zu machen, gerade deshalb, weil es ein Jude war. Aber ich musste erfahren das er ein guter Zahler war. Daher hatte ich fast den Sommer über Arbeit an seinen Bestellungen. Ich machte ihn allerhand Stubensachen. Weil doch in der Stadt zu jener Zeit kein Möbelladen war. Weil dieser Jude ein guter Zahler war, so hielt ich es aus bei ihm und für ihn zu schaffen. Ungefähr ein Jahr dauerte es bis ich ihn allendlich satt hatte. Sein Schwiegersohn und seine Tochter arbeiteten als Ärzte in Korkino, die ebenfalls von dem was ich machte, ein und das andere erhielten. Sie ahnten doch wohl auch etwas von der herannahenden Zeit, wo sie würden wieder in ihre frühere Heimat fahren dürfen, daher entsagte sich der alte Jude von dem was ich für ihn noch nicht ganz fertig hatte. Und wie diese Judenfamilie mit einmal verschwunden war, das hatte ich nicht bemerkt. Nun damit war aber meine Nebenarbeit noch nicht aufgehoben. Weiter war ich dann aber doch wieder mehr bestrebt für den Laden und auch Warenhändler zu arbeiten, denn da bekam ich mehr für unseren Bedarf, Produkte und Kleidungsware. Wenn ich dann für irgend einen Geschirrschrank einen oder sogar etliche Glasschränke gemacht hatte und die Handelsware darin recht schön ausgestellt war, dann dauerte es zuweilen gar nicht lange, so hatte man mich nachgefunden und es wurden wieder frische Bestellungen gemacht. - Nun springe ich mit meinen Gedanken etwas weiter. Und so habe ich in meinem Leben immer genug Nebenarbeit gehabt, ja bis ins hohe Alter hinein.
Nie schweigen seine Wünsche still
Gekauft - gefunden.Nun war guter Rat teuer. Was tun und was nun machen? Beim Verkauf hatte ich nebenbei den Gedanken, mein guter Freund würde ja mir schon wieder ein Rad verschaffen. Doch als ich mit dieser meiner Frage zu ihm kam, dann sagte er mir kurz und entschieden: "Ich kann dir jetzt kein Motorrad nicht zustellen, solche Möglichkeit habe ich nicht." Nach vielem hin und her forschen, erfuhr ich, das man auch könne Motorräder verschreiben. Als ich erst die Adresse erhielt von welcher Fabrik Motorräder zu verschreiben wären, schrieb ich gleich und schickte auch gleich das betreffende Geld per Post ab. - Man pflegt manchmal zu sagen: "Der Brei wird nicht so heiß gegessen, wie er gekocht ist." Und richtig es dauerte über eine Jahr bis ich endlich wieder ein Motorrad hatte. Jetzt war ich wieder über alle Massen froh. Als ich nun die Nachricht erhalten hatte, das ich mein verschriebenes Motorrad von der nächstliegenden Eisenbahnstation aus dem Packhaus holen sollte, führ ich auch so schnell wie möglich hin. Es waren etwa zwanzig km zu fahren. Hier natürlich musste ich mir eine Lastmaschine suchen, um das Motorrad nach Hause fahren zu können, denn nicht jede Maschine die hier war, ging nach Korkino. Als ich nun eine Maschine gefunden hatte, verhandelte ich mit dem Autofahrer, für die Überfahrt ihm fünfundzwanzig Rubel zu zahlen. Sein Helfer oder Auflader stand auch hier neben uns. Ich glaubte hiermit sei nun alles besprochen. Wir drei stellten das Motorrad nun auf die Maschine und fuhren nach Hause. Als wir das Motorrad zu Hause abgeladen hatten, sagte der Helfer: "Ich will auch noch fünf Rubel haben fürs helfen." Dann sagte ich "auf der Station warst du auch dabei, als ich dem Autofahrer fünfundzwanzig Rubel gab und glaubte damit sei alles gemacht, euren Dienst habe ich gut bezahlt, mehr gebe ich euch nicht." Dann flucht der Helfer über mich und sagte: "Das du doch nicht fahren könntest mit dem Motorrad." Dann fuhren sie fort. - Hier, zu Hause schon, nahm ich den Verpackung auseinander und machte mein Motorrad fahrfertig.
Verkauft - verloren
Familie Johann und Sara Walde mit den Kindern Johann, Jakob und Helene in Korkino am 14. August 1949. |
Reden ist Silber - Schweigen ist GoldDie Erfahrungen haben es schon oft gezeigt, das mit wenigen Worten, gelinden Worten, ja sogar oft das geduldige Schweigen man oft mehr erreichen kann, als wenn man seiner Kehle freien Lauf gibt und grobe, unsanfte und laute Worte ausstößt.
Familie Walde im Elternhaus im Sommer 1954. |