Baschkiren |
Die Baschkiren sind ein
Turkvolk
im Süden des Uralgebirges. Nach der Volkszählung von 1989 gab
es in der
UdSSR 1.45 Mio. Baschkiren, davon 863.800 in der Baschkirischen
Republik, etwa 55.000 lebten im Orenburger Gebiet. Die Vorfahren der Baschkiren, alttürkische Stämme, sind von West-Sibirien nach Süd-Ural eingewandert und haben die dort lebenden finno-ugrische Stämme assimiliert oder verdrängt. Die Sprache der Baschkiren gehört zur türkischer Sprachenfamilie und hat grosse Ähnlichkeiten mit den Sprachen benachbarter Völker der Tataren und der Kasachen. Nach der Eroberung von Kasan durch Zar Iwan IV. 1552 haben sich die Baschkiren nach und nach unter die russische Herrschaft begeben. Die Baschkiren haben vor allem Schutz vor ihren Feinden gesucht. Als sie dann später von den russischen Siedlern und Behörden bedrängt wurden gab es bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts immer wieder Aufstände. Die Baschkiren wurden immer weiter von russischen und anderen Siedlern verdrängt. Heute bilden sie beispielsweise in der Baschkirischen Republik (offiziel seit 1992 Baschkortostan) eine Minderheit von weniger als einem Viertel der Gesamtbevölkerung von etwa 4.109.000 Personen (Stand 2001). Ein grosser Teil der Baschkiren lebt in der benachbarten Republik Tatarstan. Während der Sowjetzeit sind viele Baschkiren in alle Regionen der UdSSR ausgewandert. Traditionell bekennen sich die Baschkiren zum Islam sunnitischer Richtung. Wie alle anderen Religionen ist auch der Islam während der Sowjetzeit bedrängt worden. Seit es in Russland wieder Religionsfreiheit herrscht, gibt es Versuche den Islam bei den Baschkiren wiederzubeleben. Andererseits gibt es heute anscheinend eine starke christliche Mission unter den Baschkiren. Es würde mich nicht wundern wenn es auch mennonitische Baschkiren gibt. Die Deutschen in Neu-Samara hatten vor allem Kontakt zu den baschkirischen Dörfern am nördlichen Ufer des Tocks: Nischneiljasowo, Sredneiljasowo, Werchneiljasowo, Malojuldaschewo, Nowojuldaschewo, Starojuldaschewo. Vor der Kollektivierung haben die Siedler in Neu-Samara bei den Baschkiren Land gepachtet und sie als Hilfskräfte beschäftigt. Probleme gab es vor allem Anfang, weil die Baschkiren bei den Siedlern die Pferde klauten. Als die Kolchosen vergrössert wurden, sind alle diese baschkirische Dörfer mit den deutschen zusammengefasst worden. So waren z.B. Dolinsk und Bogomasow mit Nischne-Iljasowo und Sredne-Iljasowo in einer Kolchose, Werchne-Iljsowo mit Donskoj und Pleschanowo. |
Desjatine |
Ein altes, heute nicht
mehr
gebräuchliches, russisches Flächenmaß. 1 Desjatine = 1,092 ha |
Dorfschulze |
Der Dorfschulze war die
höchste Autorität im Dorf vor der Sowjetzeit. Er wurde vom
ganzen Dorf per Mehrheitsentscheidung gewählt und von den
staatlichen Stellen bestätigt. Die Selbstverwaltung der
Dorfgemeinschaft mit der Institution des Dorfschulzen wurde von den
Mennoniten schon kurz nach ihrer Ansiedlung in Russland praktiziert.
Theoretisch konnten auch russische Dörfer Dorfschulzen haben,
insbesondere nach der Angleichung des Rechtsstatus der deutschen und
russischen Einwohner des Reiches in den 1870-ern. Diese
Möglichkeit wurde aber von den russischen Dörfern wenig
ausgeübt. Die Siedler in Neu Samara haben also diese Tradition aus den Mutterkolonien mitgebracht. Der Dorfschulze hatte seine Kanzlei in seinem Haus (das Amt des Dorfschulzen wurde ja neben dem eigentlichen Beruf betrieben), wo auch die Dorfversammlungen stattfanden. Er enthielt eine kleine Geldentschädigung und war von allen Dorfarbeiten befreit. Dem Schulzen zur Seite standen zwei Polizisten, der Sotskij und der Desjatnik, deren Dienste wurden aber in Neu Samara nur selten in Anspruch genommen. Von dem Dorfschulzen wurde auch die Dorfversammlung einberufen. Das Amt des Dorfschulzen wurde schon kurz nach der Oktoberrevolution abgeschaft und durch Selsowjets ersetzt. |
Kolchose |
Kurzwort für
Kollektiwnojo
Chosjajstwo = Kolektiwwirtschaft. Zusammenschluss von bäuerlichen
Einzelbetrieben zu einem Kollektivbetrieb, zuerst freiwillig, ab 1928
zwangsweise. Diejenige, die sich gegen die Wegnahme ihrer Güter
wehrten, sind nach Norden und Sibieren verschickt worden. |
Rayon |
Eine Verwaltungseinheit
unterhalb der Gebiet(Oblast)-Ebene in der ehemaligen UdSSR und im
heutigen Russland. Entpricht von der Fläche in etwa einem
Landkreis in
Deutschland, hat aber im Schnitt eine viel kleinere Bevölkerung. |
Orenburg |
Hauptstadt des
gleichnamigen
Gebiets. Die Stadt Orenburg wurde 1743 am Ufer des Urals
gegründet.
(zuvor gab es 2 andere vergebliche Versuche, unter anderem an der
Stelle wo heute Orsk liegt, daher kommt auch der Name: eine Burg
(Festung) am
Fluss Or). Die Stadt war von Anfang an als Handels- und
Verwaltungszentrum der
kasachischen Gebiete südlich des Flusses Ural geplant. Orenburg
wurde
Hauptstadt des Gouvernement Orenburg und blieb es bis 1920, wobei die
Grenzen des Gouvernement ständig wechselten. Von 1920 bis 1925 war
Orenburg Zentrum der Kasachischen Republik. Wie bei Orsk wurden auch
nach Orenburg während des Krieges Industriebetriebe verlegt. Als
in den
60-er Jahren in der Nähe Gas entdeckt wurde, entstand in Orenburg
eine
gasverarbeitende Industrie. Heute hat die Stadt etwa 600.000 Einwohner. |
Orsk |
Eine Stadt im Gebiet
Orenburg,
etwa 250 km östlich von Orenburg. Wurde 1735 auf dem linken Ufer
des
Fluss Urals an der Mündungsstelle des Flusses Or als Festung
Oernburgskaja gegründet. Ende des 19. Jahrhunderts begann ein
starkes
Wachstum von Orsk, das seit 1865 eine Stadt ist. Von 1871 bis 1912 hat
sich die Bevölkerung von 7.763 auf 21.185 vergrössert. Dieses
Wachstum
hat auch in der Sowjetzeit angehalten. Während des Krieges von 1941 bis 1945 wurden nach Orsk viele Industriebetriebe aus dem westlichen Teil der Sowjetunion verlegt, zusammen mit einigen 10 Tausend Menschen. Beim Bau und Betrieb dieser neuer Fabriken mussten sich auch die in die Trudarmee eingezogenen Deutschen beteiligen, so ach auch die Neu-Samarer. Die Bevölkerung hat sich damit von 66.000 im Jahre 1939 auf 122.000 Personen 1946 verdoppelt. Heute leben in Orsk 280.000 Menschen. Orsk ist ein bedeutendes Industriezentrum und zweitgrösste Stadt im Orenburger Gebiet. 1989 lebten in Orsk, vor der Übersiedlungswelle nach Deutschland, 7.500 Deutsche. www.orsk-adm.ru |
Selsowjet |
Wörtlich
übersetzt heißt Selsowjet (= Selskij Sowjet) Dorfrat. Die
Selsowjete wurden, zusammen mit dem übrigen Rätesystem, nach
der Oktoberrevolution eingeführt. Mit dem Namen wird sowohl die
admistrative Einheit, als auch das oberste Organ dieser Einheit,
bezeichnet. Der Selsowjet entspricht also in etwa der Landgemeinde in
Deutschland, insbesondere da die Selsowjets schon von Anfang an mehrere
Dörfer umfassten. Eine gewisse Anzahl von Höfen stellt je einen Abgeordneten. Diese Abgeordneten bilden den Selsowjet und wählen einen Selsowjetvorsitzenden. Die Kandidaten wurden von der Leitung der kommunistischen Parteiorganisation und der Kolchose vorgeschlagen. In jedem Wahlkreis gab es nur einen Kandidaten. Man konnte nur für oder gegen ihn stimmen. Außer den Parteileuten musste ein gewisser Anteil von Parteilosen sein. Da die die Dorfbewohner sich absprechen konnten, wenn sie jemanden nicht wählen wollten, konnte es selten vorkommen, dass ein Kandidat nicht gewählt wurde, was auf höheren Ebenen praktisch unmöglich war. Wichtige Leute, wie z.B. der Kolchosevorsitzender, wurden von der Partei natürlich trotzdem durchgesetzt. Die Abgeordneten tagten nur ein Paar mal im Jahr. Nur der Selsowjetvorsitzender war von der sonstigen Arbeit befreit und erfüllte die Verwaltungsaufgaben auf der Selsowjetebene. Diese Institution besaß aber sehr wenig Macht. Insbesondere wurde sie durch das kleine Budget behindert. Die wirkliche Macht hatte der Kolchosevorsitzender, da er über größere Geldmittel verfügte. Die Territorien der Kolchosen und der Selsowjets stimmten, insbesondere in späterer Zeit, überein. Somit konnte der Selsowjetvorsitzender nicht mehrere Kolchosen gegeneinander ausspielen. Über allem stand die kommunistische Partei. Auf der Selsowjetebene in Gestalt des Parteivorsitzenden der Kolchose. Die Siedlung Neu Samara war in drei Selsowjets mit Zentren in Podolsk, Pleschanowo und Tockskoje-Bogomasowo aufgeteilt. Ob sie schon von Anfang an die gleiche Ausdehnung hatten muss ich noch klären, ich wäre für einen Hinweis sehr dankbar. |
Sorotschinsk |
Eine Stadt im Gebiet
Orenburg,
etwa 160 km westlich von Orenburg. Sorotschinsk wurde 1736 als Festung
Sorotschinskaja gegründet. Seit 1945 ist Sorotschinsk eine Stadt.
Es
hat heute 30.700 Einwohner (Stand 2001). Die Bedeutung von Sorotschinsk für Neu-Samara liegt darin, dass es, mit einer Entfernung von etwa 60 km, der nächsgrössere Ort ist. Kurz bevor die Siedler nach Neu-Samara kamen wurde in Sorotschinsk im Jahre 1876 die Eisenbahn verlegt. Seitdem gibt es in Sorotschinsk einen Bahnhof. Somit konnten die Neu-Samarer ihre Waren in Sorotschinsk absetzen. Außerdem gab es in Sorotschinsk einen Markt wo man die nötigen Gegenstände erwerben konnte. Bis zuletzt war eine Fahrt nach Sorotschinsk für die Kinder aus Neu-Samara ein Erlebnis. In den 60-ern gehörte Neu-Samara eine Zeitlang zum Sorotschinsker Rajon. |